TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/14 W144 2146234-1

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Veröffentlicht am 14.11.2017
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Entscheidungsdatum

14.11.2017

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W144 2146234-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. von Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG

stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF) ist Staatsangehörige von Pakistan und hat am 25.05.2016 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit dem oben bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG iVm. Art 12 Abs. 4 Dublin III-VO zurückgewiesen und gleichzeitig nach § 61 FPG die Außerlandesbringung nach Portugal ausgesprochen.

Gegen diese Entscheidung erhob die BF binnen offener Frist Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass sie im vierten Monat schwanger sei und sich hier regelmäßig untersuchen lassen müsse. Sie habe in Österreich ihren Ehemann, der anerkannter Flüchtling und Vater ihres Kindes sei. Dieser lebe seit zehn Jahren in Österreich. Sie sei mit ihm seit acht oder neun Monaten zusammen, habe ihn kurz nach ihrem Asylantrag kennen gelernt und sei auch gleich bei ihm eingezogen. Nach einiger Zeit hätten sie dann geheiratet. Sie wolle Österreich daher auf keinen Fall verlassen, da ihr Ehemann hier lebe und sich um sie kümmere.

Mit Schriftsatz vom 31.01.2017, eingelangt am 01.02.2017, brachte die BF einen Arztbrief der Gynäkologischen Ambulanz des Gesundheitszentrums XXXX vom 17.01.2017 in Vorlage, in dem Folgendes ausgeführt wird:

"Empfehlungen:

Aufgrund des erhöhten Uterustonus und dem damit erhöhten Risiko einer Frühgeburt ist dzt. eine Ausweisung der Patientin nicht zu verantworten."

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2017, Zl. W144 2146234-1/4Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schriftsatz vom 10.11.2017 legte die BF nachstehende Unterlagen vor:

* Meldezettel der BF, ihres Ehegatten und des gemeinsamen Kindes

* Geburtsurkunde der am XXXX geborenen Tochter der BF

* Heiratsurkunde

* ÖSD-Deutschzertifikat A1

* Antrag im Familienverfahren bezüglich des Kindes der BF

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Zudem wird festgestellt, dass die BF seit 07.10.2016 mit XXXX , XXXX geb., der in Österreich anerkannter Flüchtling und im Besitz eines am 19.09.2014 ausgestellten Konventionsreisepasses ist, verheiratet ist. Die BF und ihr Ehegatte haben eine am XXXX in Wien geborene Tochter, bezüglich der ein Antrag im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG eingebracht wurde. Die Familie lebt gemeinsam in einem Haushalt und hat die BF mittlerweile am 05.12.2016 das ÖSD (österr. Sprachdiplom) A1 erfolgreich abgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und dem Familienleben der BF ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit ihrem Vorbringen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des bekämpften Bescheides:

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

"KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des

Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines

seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen."

Es ist zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat zur inhaltlichen Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. In materieller Hinsicht wäre die Zuständigkeit Portugals zur Prüfung des Asylantrags der BF in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet, allerdings scheint es in casu vor dem Hintergrund, dass die BF mit einem in Österreich als Flüchtling anerkannten Mann verheiratet ist und mit diesem eine gemeinsame Tochter hat, zur Vermeidung einer Verletzung von Art. 8 EMRK im Rahmen der "Ermessensklausel" des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO angezeigt, dass Österreich seine Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz akzeptiert und den Selbsteintritt in das Verfahren erklärt.

Die BF führt mit ihrem Ehegatten und der gemeinsamen Tochter zweifellos ein Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Da die Tochter der BF im Hinblick auf die Flüchtlingseigenschaft ihres Vaters ebenfalls internationalen Schutz im Rahmen eines gemäß § 34 AsylG normierten Familienverfahrens begehrt hat, ist davon auszugehen, dass dieser jedenfalls auch Asyl im Bundesgebiet gewährt wird.

Wenngleich die BF selbst im Rahmen eines Familienverfahrens weder bezogen auf ihren Ehegatten, noch bezogen auf ihre Tochter Asyl erhalten könnte, da zum einen ihre Ehe nicht bereits im Herkunftsland bestanden hat, und zum anderen eine "Asylerstreckung" von der Tochter (- der ihrerseits Asyl lediglich gemäß § 34 AsylG aufgrund der Flüchtlingseigenschaft ihres Vaters zu gewähren sein wird) gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 leg.cit. nicht in Betracht kommt, erschiene eine Trennung der BF von ihrem Ehegatten und insbesondere von ihrer erst 7 Monate alten Tochter, zu der naturgemäß eine besonders intensive Bindung besteht, als unzulässiger Eingriff in ihr Recht gem. Art. 8 EMRK auf Achtung des Familienlebens. Eine Interessensabwägung gem. des 2. Absatzes des Art. 8 EMRK schlägt in casu deutlich zu Gunsten der Interessen der BF am weiteren Verbleib bei ihrer Familie im Bundesgebiet aus, da eine Trennung der Mutter von ihrem Kleinkind (-sofern nicht etwa ganz außergewöhnliche Umstände gegeben wären, die hier aber nicht ersichtlich sind) nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden kann, zumal dem Kindeswohl in der Dublin III-VO ein hoher Stellenwert zukommt, und tritt demgegenüber das öffentliche Interesse am geordneten Vollzug der Dublin III-VO in den Hintergrund.

Angesichts dessen war eine nähere Beleuchtung der Schutzwürdigkeit des Familienlebens der BF mit ihrem Ehegatten nicht mehr notwendig und war der angefochtenen Bescheid jedenfalls gem. Art 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W144.2146234.1.01

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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