TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/16 W220 2158934-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2017
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Entscheidungsdatum

16.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W220 2158926-1/12E

W220 2158931-1/11E

W220 2158938-1/9E

W220 2158929-1/9E

W220 2158934-1/9E

W220 2158936-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela Unterer als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geboren am XXXX , 2) XXXX , geboren am XXXX , 3) XXXX , geboren am XXXX , 4) XXXX , geboren am XXXX , 5) XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 08.05.2017, Zahlen 1) XXXX , 2) XXXX , 3) XXXX , 4) XXXX , 5) XXXX und 6) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern der restlichen Beschwerdeführer. Sie stellten nach unrechtmäßiger, schlepperunterstützer Einreise am 25.10.2015 für sich und für die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz, für den in Österreich geborenen Sechstbeschwerdeführer stellte die Zweitbeschwerdeführerin am 19.05.2016 als seine gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.10.2015 gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei in Kabul, Afghanistan, geboren, sei verheiratet, schiitischen Bekenntnisses und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Sechs Jahre lang habe er die Grundschule besucht, gearbeitet habe er als Schneider. Als Wohnsitzadresse nannte er Teheran, im Iran. Er habe 24 Jahre im Iran gelebt. Die letzten drei Jahre habe er sich illegal im Iran aufgehalten, er hätte ausreisen müssen. Der Fluchtweg habe von Teheran aus über die Türkei (Istanbul) nach Izmir, von dort mit dem Schlauchboot auf eine unbekannte Insel und sodann mit einem Schiff nach Athen geführt, dann seien sie mit einem Reisebus nach Mazedonien und mit unterschiedlichen Fahrzeugen bis nach Österreich gelangt. Zur finanziellen Situation in Afghanistan und zur finanziellen Situation der Familie gab der Erstbeschwerdeführer jeweils "mittel" an.

Zum Fluchtgrund führte er aus, ab seinem dritten Lebensjahr im Iran gelebt zu haben. Seine Familie habe Afghanistan verlassen, den Grund dafür wisse er nicht. Er habe im Iran 24 Jahre mit seiner Familie gelebt. Danach habe er vermeint, dass es in Afghanistan keinen Krieg mehr gäbe und sei wieder nach Afghanistan eingereist. Dort habe er drei Jahre lang in Kabul gelebt. Da es aber dort bisweilen noch immer keinen Frieden gebe und es immer wieder zu Anschlägen komme sowie auch sein Bruder von Taliban getötet worden sei, hätten sie beschlossen, in den Westen zu flüchten. Zunächst hätten sie im Iran leben wollen, aber sie seien illegal dort gewesen und hätten immer wieder Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung am 27.10.2015 an, sie sei in Kabul, Afghanistan, geboren, sei verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Religion an. Sie habe keine Ausbildung und sei Analphabetin. Sie sei die Mutter der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer, für die sie ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt habe. Als Familienangehörige nannte sie ihre Eltern, vier Brüder und drei Schwestern. Als Wohnsitzadresse nannte sie die Stadt Teheran, im Iran. Zudem gab sie an, dass sie in Afghanistan keine Wohnadresse habe. Ihre Familie sei in den Iran geflüchtet, als sie selbst 17 Jahre alt gewesen sei. Sie habe dort fünf Jahre lang gelebt und dort ihren Ehegatten (den Erstbeschwerdeführer) geheiratet. Danach seien sie nach Afghanistan zurückgekehrt, wo sie drei Jahre lang gelebt hätten. Danach seien sie wieder für drei Jahre in den Iran gegangen. Vor ca. einem Monat haben sie den Iran verlassen. Die finanzielle Situation in Afghanistan sowie die finanzielle Situation ihrer Familie bezeichnete sie jeweils als "mittel". Ihr Ehegatte arbeite als Schneider und versorge die Familie. Ihr Bruder XXXX arbeite als Pkw-Fahrer und versorge so die Familie. Auch sie schilderte die Reiseroute wie der Erstbeschwerdeführer. Zum Fluchtgrund brachte sie vor, aufgrund des Krieges und der Taliban Afghanistan verlassen zu haben und in den Iran gegangen zu sein, wo sie ihren Ehegatten geheiratet habe. Im Iran hätten sie illegal gelebt, weshalb das Leben dort sehr hart gewesen sei. Vor sechs Jahren seien sie wieder zurück nach Afghanistan gegangen. Da sich die Situation in Afghanistan nicht gebessert habe, hätten sie Afghanistan nach drei Jahren wieder verlassen und seien in den Iran zurückgekehrt. Dort hätten sie wieder illegal gelebt. Die iranischen Behörden würden viele afghanischen Staatsbürger wieder nach Afghanistan zurückschieben, deshalb seien sie nach Europa geflüchtet.

3. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurden am 20.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Vorgelegt wurden diverse Deutschkursbestätigungen (kein zertifizierter Abschluss) sowie Schulzeugnisse der Kinder. Hinsichtlich der Reisepässe gab der Erstbeschwerdeführer an, sie hätten afghanische Reisepässe, ausgestellt im Jahr 2009, besessen. Nach Ablauf (Anm.: der Gültigkeit) hätten sie die Reisepässe weggeworfen. Zu einer Neuerstellung sei es nicht gekommen, da sie wieder im Iran aufhältig gewesen seien. Zum Tagesablauf in Österreich gab er an: Die drei älteren Kinder würden zur Schule gehen, um 14.00 Uhr würden sie nach Hause kommen, dann gebe es Essen, dann würden gemeinsam Hausaufgaben gemacht. Wenn ein Deutschkurs anstehe, würden sie ihn besuchen. Einen großen Freundeskreis hätten sie eigentlich nicht, sie verstünden sich gut mit ihren Quartiergebern und würden kaum aus dem Quartier wegkommen. Wenn es irgendwelche Veranstaltungen gebe, würden sie diese gerne besuchen. Sämtliche Beschwerdeführer seien gesund.

Der Erstbeschwerdeführer gab sodann an, seine Familie stamme ursprünglich aus XXXX , in der Provinz MAIDAN WARDAK. Als der Erstbeschwerdeführer drei Jahre alt gewesen sei, hätten seine Eltern mit ihm Afghanistan verlassen und seien in den Iran gegangen. Dort seien auch seine beiden Brüder geboren. Bis 2011 habe sich der Erstbeschwerdeführer durchgehend mit seiner Familie im Iran aufgehalten. Sie hätten auch gültige Aufenthaltsgenehmigungen gehabt. Im Jahr 2005 sei er mit seiner Cousine, die bis dahin mit ihren Eltern in Kabul gelebt habe, verheiratet worden. Diese (die Zweitbeschwerdeführerin) sei dann zu ihm in den Iran gekommen. Ihre drei älteren Kinder seien alle im Iran geboren worden. Aufgrund des Glaubens an die Stabilisation der Situation in Afghanistan seien sie im Jahr 2011 nach Afghanistan zurückgekehrt. Bereits im Vorfeld hätten sie ein Haus in Kabul gekauft. Auch die Eltern und Geschwister des Erstbeschwerdeführers seien gemeinsam mit ihnen nach Kabul gezogen. Die Angehörigen der Zweitbeschwerdeführerin (Eltern, vier Brüder, drei Schwestern) hätten durchgehend in Kabul gelebt und sie seien noch heute dort aufhältig. Sie hätten monatlich telefonischen Kontakt zu ihnen. Der Erstbeschwerdeführer habe in Kabul als Schneider gearbeitet und damit im Familienverband seine Gattin und Kinder ausreichend versorgen können. Nach etwa drei Jahren hätten sie Afghanistan wieder verlassen. Der Grund dafür sei gewesen, dass sein Bruder XXXX von Taliban getötet worden wäre. Seine Mutter habe dann entschieden, dass ihre Familie Afghanistan erneut verlasse. Sie seien dann in den Iran zurückgekehrt und hätten sich bis zu ihrer Flucht im Oktober 2015 dort aufgehalten, diesmal allerdings ohne legalen Aufenthalt und mit dem Wunsch, dass die Kinder eine Zukunft hätten, hätten sie sich in Richtung Europa aufgemacht. Der Erstbeschwerdeführer gab an, seine Eltern und sein zweiter Bruder seien beim Grenzübertritt in die Türkei erwischt und in den Iran zurückgestellt worden, wo sie sich heute weiterhin aufhalten würden. Gefragt, weshalb er und seine Familie Afghanistan erneut verlassen hätten, führte der Erstbeschwerdeführer aus, nach ihrer Rückkehr hätten sie alle als Schneider gearbeitet. Sein Bruder XXXX habe dann begonnen, mit Vieh zu handeln. Er habe im Hazaradschat Tiere gekauft und sie nach Kabul gebracht. Auch aufgrund des Umstandes, dass sie lange im Iran gelebt hätten, habe man geglaubt, dass bei ihnen Geld zu holen sei und deshalb sei sein Bruder auf einer seiner Geschäftsreisen von den, so glaube er, Taliban entführt und für ihn Lösegeld gefordert worden. Vorerst seien $ 70.000 gefordert worden. $ 40.000 hätten sie auftreiben können und auch den Entführern übergeben. Sie hätten aber nur seinen Leichnam zurückbekommen. Sein Vater habe den Verlust sehr schwer weggesteckt und so habe seine Mutter dann für sie die Entscheidung getroffen, Afghanistan wieder zu verlassen. Gefragt, in welcher Weise er in die Entführungssache involviert gewesen sei, gab er an, er habe damit eigentlich nichts zu tun gehabt. Sein Vater habe alle Verhandlungen geführt und die Absprache mit den Entführern getätigt. Gefragt, ob im Zusammenhang auch Drohungen gegen den Erstbeschwerdeführer persönlich ausgesprochen worden wären oder er konkret bedroht worden sei, gab er an, es habe niemals eine persönliche Konfrontation gegeben. Er habe nur von seinem Vater gehört, dass im Falle, dass sie nicht zahlten, ihre ganze Familie mit dem Schlimmsten zu rechnen hätte. Der besagte Bruder sei etwa ein Jahr nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan entführt worden, die Entführung habe etwa vier Monate gedauert. Auf Vorhalt, wonach dies bedeute, dass sie dann noch über eineinhalb Jahren in Afghanistan gewesen seien, und die Frage, ob es in diesem Zeitraum weitere Verfolgungshandlungen gegeben habe, verneinte der Erstbeschwerdeführer dies und gab an, nur sein Vater sei depressiv geworden und seine Mutter habe Angst gehabt, dass sich das Ganze (die Entführung) mit dem Erstbeschwerdeführer oder seinem Bruder wiederholen könnte. Gefragt, was bei einer Rückkehr passieren würde, führte er aus, die Situation in Afghanistan habe sich nicht wirklich verbessert. Er wolle, dass seine Kinder eine gute Ausbildung erlangen könnten. In Afghanistan seien selbst Akademiker arbeitslos. Er wolle für seine Kinder ein besseres Leben.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde gefragt, was sie von der Entführung ihres Schwagers mitbekommen habe. Sie gab an, dazu nichts sagen zu können, die Männer würden diese Sachen unter sich reden. Die Frage, ob ihr persönlich ein Problem daraus erwachsen sei, sie bedroht oder verfolgt worden sei, verneinte sie und gab an, Frauen würden in Afghanistan sehr zurückgezogen leben. Auf Vorhalt, dass sie vier Brüder und drei Schwestern, wahrscheinlich mit Familien habe, und dass diese in Kabul leben könnten, brachte sie vor, vielleicht würden sie sich auch bald auf den Weg machen. Das Leben in Afghanistan sei härter geworden. Nach Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls wurde ausgeführt, sie seien wegen ihrer Kinder hier, diese sollten es immer gut haben. In Afghanistan gebe es keine Sicherheit, jeden Tag würden sich Menschen in die Luft sprengen.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurden gemäß §§ 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebungen jeweils gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig seien. Weiters wurde innerhalb der Sprüche ausgeführt, dass die Fristen für die freiwilligen Ausreisen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betragen.

5. Gegen die unter Punkt 4. genannten Bescheide wurde am 23.05.2017 jeweils fristgerecht eine gleichlautende Beschwerde erhoben. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, bereits der Bruder des Erstbeschwerdeführers sei von den Taliban aufgrund der "Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der wohlhabenden Personen" verfolgt und getötet worden. Im Falle der Rückkehr würden die Beschwerdeführer aufgrund der beschriebenen Verfolgung um ihr Leben fürchten. Die Zweitbeschwerdeführerin sei nicht gesondert einvernommen worden, sondern seien ihr lediglich vier Fragen gestellt worden. Mit dem Faktor "Leben im Iran" habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Auf das Vorbringen (einerseits Vermutung der Entführung aufgrund der Eigenschaft als erfolgreiche Viehhändler und andererseits aufgrund der Vermutung des Wohlstands bei Rückkehrern aus dem Iran) sei nicht eingegangen worden. Zudem wurden die Länderberichte moniert. Die Beschwerde enthält eine Zusammenstellung von Informationen und Länderberichten zu Afghanistan, die sich überwiegend mit der Sicherheitslage dort beschäftigen, sowie Auszüge aus den UNHCR-Risikoprofilen und Feststellungen zur Volksgruppe der Hazara sowie zur Situation von Afghanen, die im Iran aufgewachsen sind. Gerügt wurde eine mangelhafte Beweiswürdigung und mangelhafte Feststellungen. Im Weiteren wurde eine unrichtige rechtliche Beurteilung moniert und Bezug auf die "Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der wohlhabenden Personen" genommen. Ebenso würde aufgrund des langjährigen Aufenthalts im Iran Verfolgung durch extremistische Gruppen drohen, da ihnen eine westliche Einstellung und damit eine feindliche, oppositionelle Gesinnung unterstellt würde. Verfolgung drohe schließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara. Vorgebracht wurde außerdem die prekäre Sicherheitslage. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde nicht bestehen. Die Beschwerdeführer würden lediglich in KABUL über familiäre Anknüpfungspunkt verfügen und gerade dorthin könnten die Beschwerdeführer nicht gehen, da in KABUL bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien. Bereits bei der unterstellten Sicherheitslage wäre den Beschwerdeführern Subsidiärschutz zu gewähren gewesen. Zudem wurde ein umfangreiches Vorbringen zur Integration der Beschwerdeführer in Österreich erstattet.

6. Die gegenständlichen Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 26.05.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachten Beschwerden am 19.09.2017 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Anwesenheit ihrer Rechtsvertreterin. Vorgelegt wurde dabei eine Kursbesuchsbestätigung vom 31.05.2017 (Projekt " XXXX ", Teilnahme an 44 von 50 Unterrichtseinheiten) für die Zweitbeschwerdeführerin und den Erstbeschwerdeführer (Teilnahme an 47 von 50 Unterrichtseinheiten), eine Bestätigung der Teilnahme an einer außerordentlichen Spracherwerbsmaßnahme für Asylwerber in Grundversorgung vom Dezember 2016 für den Erstbeschwerdeführer, ein handschriftliches Schreiben der Drittbeschwerdeführerin, ein Schreiben der Quartiergeber der Beschwerdeführer sowie ein Konvolut von Farbfotos.

Hinsichtlich nachfolgender, beigeschaffter Berichte zur Situation in Afghanistan

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Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016,

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Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 27.06.2017,

wurde eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

8. Am 26.09.2017 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer ein. Diese nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Lage der Frauen und jungen Mädchen in Afghanistan und trifft Rechtsausführungen zur Asylrelevanz der Zugehörigkeit zur "sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen bzw. der Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind schiitischen Bekenntnisses.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer.

Der Erstbeschwerdeführer stammt aus dem Distrikt XXXX , in der Provinz MAIDAN WARDAK, geboren wurde er in der Stadt KABUL. Im Alter von drei Jahren wanderte der Erstbeschwerdeführer mit seiner Familie in den Iran, in die Stadt TEHERAN aus, wo er fortan im Familienverband lebte. Der Erstbeschwerdeführer besuchte im Iran sieben Jahre lang die Schule. Er übte im Iran und in KABUL, insgesamt 18 Jahre lang, den Beruf des Schneiders aus.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in der Stadt KABUL, im Stadtteil XXXX , geboren worden und hat dort im Familienverband mit ihren Eltern und sieben Geschwistern gelebt. Im Alter von etwa 17 Jahren (im Jahr 2004 oder 2005) wurde sie mit dem Erstbeschwerdeführer, ihrem Cousin, verheiratet und zog zu diesem in den Iran. Die Familie der Zweitbeschwerdeführerin verblieb in der Stadt KABUL. Die Zweitbeschwerdeführerin hat keine Schule besucht. Sie hat einen niedrigen Bildungsgrad und übte in Afghanistan und im Iran keine Erwerbstätigkeit aus.

Die Dritt- bis Fünfbeschwerdeführer wurden im Iran geboren.

Im Jahr 2011 kaufte die Familie des Erstbeschwerdeführers ein Haus in KABUL (Stadt). Mitsammen der Eltern und Geschwister des Erstbeschwerdeführers zogen die Beschwerdeführer sodann nach KABUL und ließen sich im Stadtteil XXXX nieder. Der Erstbeschwerdeführer arbeitete in KABUL als Schneider und konnte damit im Familienverband seine Gattin und Kinder ausreichend versorgen. Die Beschwerdeführer verblieben etwa drei Jahre in Afghanistan.

Im Jahr 2014 reisten die Beschwerdeführer aus Afghanistan aus und gingen zurück in den Iran, nach TEHERAN. Dort lebten sie weiter bis zur Ausreise im Jahr 2015. Dann reisten die Erst- bis Fünfbeschwerdeführer, etwa einen Monat vor Stellung der Anträge auf internationalen Schutz, von TEHERAN aus über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und unbekannte Staaten nach Österreich. Sie stellten nach unrechtmäßiger, schlepperunterstützter Einreise am 25.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz, für den in Österreich geborenen Sechstbeschwerdeführer wurde am 19.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Das Vorbringen zur Entführung des Bruders des Erstbeschwerdeführers namens XXXX , der Lösegelderpressung und Ermordung des XXXX und der daraus resultierenden Gefährdung und Verfolgung der Beschwerdeführer ist nicht glaubhaft.

Die Zweitbeschwerdeführerin führt kein selbstbestimmtes Leben und strebt die Führung eines solchen auch nicht an. Die Lebensweise der Zweitbeschwerdeführerin ist nicht derart selbstbestimmt, dass dies bei einer Rückkehr in die Stadt KABUL als gegen die sozialen Sitten verstoßend und die Zweitbeschwerdeführerin exponierend wahrgenommen wird. Eine solche Lebensweise und eine sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild ist auch nicht wesentlicher Bestandteil ihrer Identität.

Bei der Drittbeschwerdeführerin ist keine derart fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung zu erkennen, aufgrund derer eine Verinnerlichung eines "westlichen Verhaltens" oder eine "westlichen Lebensführung" als wesentlicher Bestandteil ihrer Identität angenommen werden kann.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind.

Es ist nicht glaubhaft, dass die Familie der Zweitbeschwerdeführerin – Eltern und sieben Geschwister samt deren Familien – vor einigen Monaten die Stadt KABUL verließ und sich nun im Iran aufhält. Diese Verwandten leben nach wie vor in KABUL, im Stadtteil XXXX .

Die finanzielle Situation der Familien des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin ist mittelmäßig, wobei die Familie des Erstbeschwerdeführers über für afghanische Verhältnisse viel Geld verfügt.

Bei einer Rückkehr in die Stadt KABUL finden die Beschwerdeführer durch die Familie der Zweitbeschwerdeführerin ein tragfähiges familiäres Netz vor. Der Erstbeschwerdeführer hat selbst bereits während des dreijährigen Aufenthalts der Familie in KABUL dort als Schneider gearbeitet, mit einer entsprechenden Erwerbstätigkeit kann er auch bei einer Rückkehr die Existenz der Familie im größeren Familienverband sichern. Die Zweitbeschwerdeführerin stammt aus der Stadt KABUL und wurde dort sozialisiert.

Aus dem konkreten Umfeld, in das die Beschwerdeführer nach Kabul zurückkehren, ergeben sich keine Faktoren, die eine Gefahrenverdichtung in den Personen der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer aufgrund ihrer Minderjährigkeit darstellen. Es besteht für sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit insbesondere keine erhöhte Gefahr, in Kabul ziviles Opfer von Angriffen Aufständischer oder sonstiger Auseinandersetzungen zu werden. Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer laufen nicht Gefahr, in Kabul Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Kinderarbeit zu werden.

Die Drittbeschwerdeführer, der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer besuchen in Österreich die Schule. Die Beschwerdeführer haben eine starke Beziehung zu ihren Quartiergebern am Wohnort in Österreich aufgebaut. Die Beschwerdeführer nehmen am sozialen Leben in ihrer Wohngemeinde teil, indem sie etwa bei einer Nordic-Walking-Veranstaltung mitmachen. Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte im Sommer mit ihren Kindern das Schwimmbad. Der Erstbeschwerdeführer arbeitet regelmäßig als Außendienstmitarbeiter in seiner Wohngemeinde in Österreich.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte einen Deutschkurs im Ausmaß von 44 (von insgesamt 50) Einheiten á 50 Minuten. Der Erstbeschwerdeführer besuchte einen Deutschkurs im Ausmaß von 47 (von insgesamt 50) Einheiten á 50 Minuten und nahm an 50 (von insgesamt 50) Einheiten an einer außerordentlichen Spracherwerbsmaßnahme teil. Der Erstbeschwerdeführer arbeitet regelmäßig als Außendienstmitarbeiter in der Wohngemeinde in Österreich.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

[...]

1. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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BBC News (4.2.2017): Afghan warlord Hekmatyar sanctions dropped by UN, http://www.bbc.com/news/world-asia-38867280, Zugriff 9.2.2017

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CRS – Congressional Research Service (12.1.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 24.1.2017

-

CRS – U.S. Congressional Research Service (12.1.2015):

Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 20.10.2015

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Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

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DW – Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

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IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves,

http://www.oldsite.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 13.2.2017

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Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

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NZZ – Neue Zürcher Zeitung (8.7.2014): Afghanischer Wahlsieger Ashraf Ghani,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

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NZZ – Neue Zürcher Zeitung (22.1.2015): Leerlauf in Kabul Afghanistans endlose Regierungsbildung, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/afghanistans-endlose-regierungsbildung-1.18466841, Zugriff 2.11.2015

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NYT - The New York Times (29.9.2016): Afghan President, Insurgent Warlord Sign Peace Agreement,

http://www.nytimes.com/aponline/2016/09/29/world/asia/ap-as-afghanistan-peace-agreement.html?_r=0; Zugriff 5.10.2016

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Pajhwok (19.1.2017): Wolesi Jirga, district council elections next year,

http://www.pajhwok.com/en/2017/01/19/wolesi-jirga-district-council-elections-next-year, Zugriff 24.1.2017

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Staatendokumentation des BFA (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak – Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur,

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Staatendokumentation des BFA (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond,

http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 24.1.2017

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The Express Tribune (30.9.2016): Afghanistan's Hizb-e-Islami declares ceasefire after peace deal, http://tribune.com.pk/story/1191258/afghanistans-hizb-e-islami-declares-ceasefire-peace-deal/, Zugriff 5.10.2016

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Tolonews (19.1.2017): Hizb-e-Islami Slams Taliban As An Ignorant, Fanatic Group,

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USIP – United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan,

http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

[...]

 

1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014

6.122

5.996

6.261

22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248

3.918

3.753

4.069

13.988

Vorfälle mit IED¿s

770

1.065

1.037

1.126

3.998

gezielte Tötungen

154

163

268

183

768

Selbstmordattentate

20

15

17

19

71

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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