TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/9 VGW-001/034/12039/2016

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Veröffentlicht am 09.10.2017
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Entscheidungsdatum

09.10.2017

Index

L40059 Prostitution Sittlichkeitspolizei Wien

Norm

ProstG Wr §6
ProstG Wr §17 Abs2 litc
VStG §45 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Osinger über die Beschwerde von Frau M. D., S.-gasse, Wien, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 25.08.2016, Zl. VStV/916300606167/2016, betreffend Übertretungen nach § 17 Abs. 2 lit. c Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 – WPG 2011,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG die Verfahrenseinstellung verfügt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG werden der Beschwerdeführerin Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht auferlegt.

III. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Beschwerdeführerin wurde als verantwortliche Betreiberin eines Prostitutionslokals in Wien, S.-gasse wegen Nichteinhaltung von Vorschriften der Verordnung(en) über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume bestraft.

Der Spruch des Straferkenntnisses lautet:


„Sie haben am 03.05.2016, von 11:55 Uhr bis 12:20 Uhr, das Prostitutionslokal in Wien, S.-gasse, unter Nichteinhaltung der Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume betrieben, indem an der inneren Türe eine Sicherungskette angebracht war, den Nottaster auf die Funktionstüchtigkeit nicht überprüften (der Nottaster war nicht ausreichend funktionsfähig)

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 6 Wiener Prostitutionsgesetz 2011

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von EUR 1.000,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen gemäß § 17 Abs. 2 lit. c Wiener Prostitutionsgesetz 2011.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

EUR 100,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, jedoch mindestens EUR 10,00 für jedes Delikt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/kosten) beträgt daher

EUR 1.100,00.“

Mit Beschwerde wird eingewendet, vom diensthabenden Polizisten sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass in dem von ihr geführten Lokal in der S.-gasse einige kleine Mängel aufgefallen seien. Es sei ihr eine Mängelbehebungsfrist von einer Woche gegeben worden. Die Mängel seien schnellstmöglich behoben worden. Dies sei im Rahmen einer weiteren Kontrolle auch festgehalten worden. Lediglich die Bestellung eines speziellen Klebebandes habe länger gedauert. Sie habe nach Erhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung durch einen Bekannten mit der Polizei Kontakt aufgenommen, um auch ihre Sicht der Dinge darzustellen. Das Studio sei mit einer Sicherheitskette genehmigt worden. Dies sei weder bei der damaligen Begehung noch danach bemängelt worden. Ihrem Bekannten sei von der Polizei telefonisch mitgeteilt worden, dass bei der zweiten Kontrolle die durch den Nottaster betätigte Alarmanlage statt 20 Sekunden nur 18 Sekunden funktioniert habe. Sie sei allerdings nach 18 Sekunden gebeten worden, diese abzuschalten. Es werde ersucht, von der Verwaltungsstrafe abzusehen und höchstens eine Ermahnung auszusprechen.

Soweit mit der vorliegenden Beschwerde ein Absehen von der Strafe beantragt worden ist, ist die Beschwerde auch gegen den Schuldspruch gerichtet, da gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ein Absehen von der Strafe ohne Ausspruch einer Ermahnung nur unter Beseitigung des Schuldspruches möglich ist.

Es wurde erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 2 lit. c Wiener Prostitutionsgesetz 2011 in der Stammfassung LGBl. für Wien Nr. 24/2011 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von EUR 1.000,00 bis EUR 7.000,00, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen, zu bestrafen, wer als Verantwortliche oder Verantwortlicher gemäß § 2 Abs. 6 ein Prostitutionslokal unter Nichteinhaltung der Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume betreibt.

Gemäß § 6 Abs. 1 lit. d WPG 2011 dürfen Gebäude oder Gebäudeteile zur Ausübung der Prostitution als Prostitutionslokale (§ 2 Abs. 5) nur verwendet werden, wenn sie über ausreichende Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen verfügen, die einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie dem Entstehen von Bränden vorbeugen und dem Schutz der Prostituierten dienen.

Gemäß § 6 Abs. 3 WPG 2011 sind die näheren Vorschriften über die in Abs. 1 lit. d und lit. e vorgesehenen Einrichtungen und Vorkehrungen von der Behörde durch Verordnung zu erlassen.

Auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 WPG 2011 wurden die Verordnungen des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden vom 10.11.2011, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 45/2011 bzw. mit der nähere Vorschriften über Sicherheitsvorkehrungen in Prostitutionslokalen erlassen werden vom 18.07.2013, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 29/2013 erlassen.

Nach § 5 der erstgenannten Verordnung ABl. Nr. 45/2011, in Kraft getreten am 11.11.2011, muss in jedem Raum, in dem sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, eine Einrichtung einer Alarmauslösung mit einem deutlich hörbaren Alarmsignal vorhanden sein.

Gemäß Artikel II Abs. 2 der zweitgenannten Verordnung ABl. Nr. 29/2013 sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehende Prostitutionslokale bis zum Ablauf eines Jahres ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung [19.07.2013] an die allgemeinen Sicherheitsanforderungen (§ 2) anzupassen. Türen, auf die im Fluchtfall mehr als 15 Personen angewiesen sind, müssen bis zu diesem Zeitpunkt in Fluchtrichtung öffnend ausgeführt werden und jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel geöffnet werden können.

Die betreffende Formulierung geht auf die auf den Beratungsergebnissen der von der Landesamtsdirektorenkonferenz zur Ausarbeitung eines Vorschlags zur Harmonisierung bautechnischer Vorschriften eingesetzten Länderexpertengruppe basierende OiB-Richtlinie 4 (Österreichisches Institut für Bautechnik) „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ vom Oktober 2011 zurück.

In Punkt 3.6.4 der genannten OiB-Richtlinie 4 wird angeordnet, dass „Türen aus allgemein zugänglichen Bereichen sowie Türen, auf die im Fluchtfall mehr als 15 Personen angewiesen sind, in Fluchtrichtung öffnend ausgeführt werden [müssen] und jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel geöffnet werden können. Davon ausgenommen sind Wohnungseingangstüren“.

Punkt 3.6.4 der genannten OiB-Richtlinie 4 wurde durch § 1 der Wiener Bautechnikverordnung – WBTV LGBl. für Wien Nr. 31/2008, in Kraft getreten am 12.07.2008 (das heißt vor den Bestimmungen des WPG 2011), zu einer im 9. Teil der Bauordnung für Wien festgelegten bautechnischen Vorschrift für „bautechnische Anforderungen der in Frage kommenden Wiener Gebäude“.

Die genannte Wiener Bautechnikverordnung WBTV ist, soweit durch sie Sicherheitsvorkehrungen geregelt werden, durch die §§ 3 und 4 der weiter oben genannten Verordnung ABl. Nr. 29/2013 auf Wiener Prostitutionslokale für anwendbar erklärt worden, wobei jedoch zwischen Prostitutionslokalen, die für die gleichzeitige Nutzung durch höchstens 10 Personen geeignet sind und eine Fläche von höchstens 150 m² aufweisen (§3) und solchen, die für die gleichzeitige Nutzung durch mehr als 10 Personen geeignet sind oder eine Fläche von mehr als 150 m² aufweisen (§ 4), unterschieden wird.

Punkt 3.6.4 der genannten OiB-Richtlinie 4 wäre nach § 3 der Verordnung ABl. Nr. 29/2013 auf Prostitutionslokale, die für die gleichzeitige Nutzung durch höchstens 10 Personen geeignet sind und eine Fläche von höchstens 150 m² aufweisen, deswegen nicht anwendbar, weil in § 3 der Verordnung ABl. Nr. 29/2013 auf die „für Wohnungen geltenden Bestimmungen der Bauordnung für Wien und der Wiener Bautechnikverordnung“ verwiesen wird, Punkt 3.6.4 der genannten OiB-Richtlinie 4 auf Wohnungseingangstüren aber gerade nicht anwendbar ist.

Artikel II Abs. 2 2. Satz der zweitgenannten Verordnung ABl. Nr. 29/2013, der für die Anwendung auf bestehende Lokale keine Unterscheidung zwischen Prostitutionslokalen nach §§ 3 und 4 der Verordnung ABl. Nr. 29/2013 trifft, ist allerdings zu entnehmen, dass es sich bei der Verpflichtung, wonach „Türen, auf die im Fluchtfall mehr als 15 Personen angewiesen sind, in Fluchtrichtung öffnend ausgeführt werden und jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel geöffnet werden können müssen“, um eine „allgemeine Sicherheitsanforderung“ handelt, die demnach auch für am 19.07.2013 noch nicht bestehende Prostitutionslokale jedenfalls Anwendung findet.

Für alle am 03.05.2016 betriebene Wiener Prostitutionslokale bestand somit aufgrund von gemäß § 6 Abs. 3 WPG 2011 erlassenen Verordnung des Magistrats der Stadt Wien ABl. Nr. 29/2013die Verpflichtung, Türen, auf die im Fluchtfall mehr als 15 Personen angewiesen sind, in Fluchtrichtung öffnend auszuführen und dafür zu sorgen, dass diese jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel geöffnet werden können

Wesentliches Tatbestandsmerkmal der Übertretung der Bestimmung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 iVm. Artikel II Abs. 2 der Verordnung ABl. Nr. 29/2013, bestimmte Türen jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel öffenbar einzurichten und zu erhalten, ist, dass auf diese Türen „im Fluchtfall mehr als 15 Personen angewiesen sind“.

Der Begriff der „gleichzeitigen Nutzung durch mehr als 10 Personen“ (§ 4 der Verordnung ABl. Nr. 29/2013) ist - im Hinblick auf die Anwendung der für Beherbergungsstätten geltenden Bestimmungen der WBTV auf Prostitutionslokale bei „gleichzeitiger Nutzung durch mehr als 10 Personen“ - erkennbar auf die Definition „Beherbergungsstätte“ in Anlage 2 der WBTV („Gebäude oder Gebäudeteile, die der Beherbergung von Personen dienen und mehr als 10 Gästebetten aufweisen“) und daher wohl auf die gleichzeitige Nutzung durch mehr als 10 „Kunden“ von Prostitutionslokalen abgestellt.

Demgegenüber bezieht sich die Bestimmung des Artikels II Abs. 2 der genannten Verordnung ABl. Nr. 29/2013 aber jedenfalls auf die Anwesenheit gleich welcher Personen „im Fluchtfall“, das heißt auch von Prostituierten bzw. sonstigen Angestellten von Prostitutionslokalen.

In einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 iVm. Artikel II Abs. 2 der Verordnung ABl. Nr. 29/2013 ist das betreffende Tatbestandselement, wonach „im Fluchtfall mehr als 15 Personen [Prostituierte bzw. Angestellte und Kunden] auf eine Türe angewiesen sind“, welche in Fluchtrichtung öffnend auszuführen ist und jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel geöffnet werden können muss, anzulasten.

Eine entsprechende Anlastung ist im gesamten Verfahren nicht erfolgt und konnte daher nach Eintritt der Verfolgungsverjährung durch die Beschwerdeinstanz nicht nachgeholt werden, ganz abgesehen von der Frage einer dadurch allenfalls erfolgenden unzulässigen Auswechslung der Tat.

Wie oben ausgeführt muss nach der Bestimmung des § 5 der Verordnung ABl. Nr. 45/2011 in Prostitutionslokalen in jedem Raum, in dem sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, eine Einrichtung einer Alarmauslösung mit einem deutlich hörbaren Alarmsignal vorhanden sein.

Der Beschwerdeführerin ist im Verwaltungsstrafverfahren jedoch nicht das Fehlen einer solchen, auch nach der Anzeige grundsätzlich vorhandenen „Alarmvorkehrung“, sondern die mangelhafte Überprüfung dieser Alarmvorkehrung auf „Funktionstüchtigkeit“ vorgeworfen worden.

Weder den Bestimmungen der genannten Verordnung ABl. Nr. 45/2011 noch den Bestimmungen der WPG 2011 ist eine verwaltungsstrafrechtlich gesicherte Verpflichtung regelmäßig wiederkehrender Überprüfungen solcher „Alarmvorkehrungen“ zu entnehmen.

Die angelastete Unterlassung war daher für sich genommen nicht strafbar.

Eine Umstellung auf das Fehlen eines – über den funktionierenden Nottaster auslösbaren – ausreichend lange hörbaren Alarmsignals war im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführerin dadurch letztlich eine andere Tat als im Verfahren angelastet vorgeworfen würde, nicht möglich und war daher auch diesbezüglich die Verfahrenseinstellung zu verfügen, ohne näher darauf einzugehen, ob der genannten Bestimmung des § 5 ABl. Nr. 45/2011 die Verpflichtung zum Vorhandensein eines Alarmsignals zu entnehmen ist, das deutlich länger als „ca. 2 Sekunden“ hörbar ist.

Im Hinblick auf die im Wesentlichen den Einzelfall betreffenden Umstände des Falles war die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision auszuschließen.

Schlagworte

Prostitutionslokal; Sicherheit; Nottaster; Tatanlastung; Verfolgungsverjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.001.034.12039.2016

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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