Entscheidungsdatum
21.11.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §71Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Christoph Lehne über die Beschwerden des Herrn AA, Z, vertreten durch RA Dr. BB, Adresse 1, Z, gegen die Bescheide der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 10.08.2017, Zl *** und ****,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 50 VwGVG wird den Beschwerden stattgegeben, und werden die erstinstanzlichen Bescheide aufgehoben
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Begründung:
Mit dem erstgenannten Straferkenntnis vom 25. Jänner 2017, ****, ****, **** und **** und Bescheid vom 10.08.2017 ****, **** wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretungen des Bundesstatistikgesetzes Geldstrafen in der Höhe von 1. insgesamt Euro 1.600,00 (Ersatzarrest von insgesamt 8 Tagen) zuzüglich der Verfahrenskosten von Euro 160,00 verhängt.
Mit dem zweitgenannten Straferkenntnis wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen in der Höhe von insgesamt Euro 1.050,00 (Ersatzarrest von insgesamt 6 Tagen 18 Stunden) zuzüglich der Verfahrenskosten von Euro 105,00 verhängt.
Nach einer Lastschriftanzeige der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 23.01.2017 bzw einen Bescheid über Festsetzung einer Mahngebühr vom 22.06.2017 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Anwalt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, den die belangte Behörde zu Recht als Antrag auf Wiedereinsetzung bezüglich der unterlassenen Beschwerden gegen die Straferkenntnisse wertete. Im Wesentlichen wird dort ausgeführt, dass der Beschwerdeführer schon lang an einer Beeinträchtigung seiner Konzentration in Folge eines Hirntumors gelitten habe und er erst nach der Operation und dem Gespräch mit dem Anwalt in der Lage gewesen wäre einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Da in dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kein exakter Zeitpunkt über die Kenntnisnahme des Wiedereinsetzungsgrundes und über die Rechtswidrigkeit des Wiedereinsetzungsgrundes genannt war, wies die belangte Behörde die Wiedereinsetzungsanträge als unzulässig zurück.
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens präzisierte der Anwalt, dass der Beschwerdeführer am 03.07.2017 bei einer Konferenz mit dem Anwalt gewesen wäre und dass er dann nach dieser Konferenz rechtzeitig den Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung habe der Mandant erst durch die Konferenz erfahren. Zusätzlich wurden Unterlagen über die Tumorerkrankung des Beschwerdeführers, die Operation des Hirntumors und eine zusätzlich vorliegende Augenkrankheit vorgelegt. Im Zuge der Verhandlung wurden die mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerden gegen die Straferkenntnisse auf die Strafhöhe eingeschränkt. Der Beschwerdeführer erklärte sich mit der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung einverstanden.
Rechtliche Ausführungen:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.
(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“
Krankheiten können je nach Attest einen Wiedereinsetzungsantrag darstellen, wenn aus ihnen geschlossen werden kann, dass die Dispositionsfähigkeit des Antragstellers entsprechend eingeschränkt ist (Erkenntnis des VwGH vom 6.2.1989,88/10/0132). Nach Einsichtnahme in die vorgelegten medizinischen Befunde ergibt sich kein Zweifel, dass bei dem vorliegenden Zustand durch ein „MENINGEOM“ bzw. „Operation eines Meningeoms“ vorübergehend Zustände der Einschränkung oder Aufhebung der Zurechnungsfähigkeit verbunden waren. Es erscheint auch glaubhaft, dass der Beschwerdeführer erst durch das Gespräch mit dem Anwalt vom Institut der Wiedereinsetzung erfahren hat. Die Angabe des Zeitpunkts, zu dem der Antragssteller über den Wiedereinsetzungsgrund Kenntnis erlangt hat bzw über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages, ist ein verbesserbarer Mangel wie es der Rechtsanwalt zutreffend ausführt. Hier wird auf eine entsprechende Anmerkung in Hauer/Leukauf,Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens , 6. Auflage S. 1065 hingewiesen. Folglich ist die Zurückweisung der Wiedereinsetzungsanträge aufzuheben, da es rechtmäßig gewesen wäre eine Sachentscheidung zu fällen. Da das Thema der Beschwerdeentscheidung nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung war, kann nur eine aufhebende Entscheidung erfolgen. Erst nach der Rechtskraft einer allenfalls positiven Widereinsetzungentscheidung kann über die vorliegenden Beschwerden gegen die Strafhöhe abgesprochen werden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Christoph Lehne
(Richter)
Schlagworte
Wiedereinsetzungsantrag; Krankheit; Einschränkung oder Aufhebung der Dispositionsfähigkeit; verbesserbare MängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.16.2219.5Zuletzt aktualisiert am
28.11.2017