TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/6 W165 2141348-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2017
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Entscheidungsdatum

06.11.2017

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W165 2141348-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2016, Zl. 1128539009/161208700, zu Recht:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Algerien, brachte nach irregulärer Einreise am 03.09.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Zur Person des Beschwerdeführers liegt keine EURODAC-Treffermeldung vor. Eine durchgeführte VIS-Abfrage ergab ebenfalls keinen Treffer.

In der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 03.09.2016 gab der Beschwerdeführer an, an keinen ihn an der Einvernahme hindernden Beschwerden oder Krankheiten zu leiden. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandte. Zur Reiseroute befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, von der Türkei über Griechenland und Italien in die Schweiz gelangt zu sein. In der Schweiz habe er sich von 1998 bis 2016 aufgehalten und um Asyl angesucht. Nach der letzten Entscheidung am 07.03.2016 sei er festgenommen worden und habe sich nach seiner Entlassung am 02.09.2016 nach Österreich begeben. Zum Aufenthalt in der Schweiz befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass die Lage in der Schweiz "normal" sei. Er sei zwar in die Gesellschaft integriert gewesen, jedoch nicht rechtlich anerkannt worden, da sein Fall seit 2008 immer um sechs Monate verschoben worden sei. Er wolle daher nicht mehr in die Schweiz zurückkehren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) richtete am 05.09.2016 ein auf Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an die Schweiz und verwies auf die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Schweizaufenthalt und auf diverse in Kopie angeschlossene den Beschwerdeführer betreffende schweizerische Dokumente.

Mit Schreiben vom 08.09.2016 stimmte die Schweizer Dublin-Behörde diesem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO ausdrücklich zu und gab der österreichischen Dublin-Behörde bekannt, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz unter einer anderen namentlich genannten Identität und unter einem anderen Geburtsdatum aufgetreten sei.

Am 20.10.2016 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA im Beisein einer Rechtsberaterin nach durchgeführter Rechtsberatung. Der Beschwerdeführer gab zu Protokoll, sich geistig und körperlich in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Er sei seit 2008 psychisch krank, nehme jedoch keine Medikamente. Er könne nachts nur schlecht schlafen. Er habe zwar im Camp um einen Psychologen gebeten, man habe ihm jedoch mitgeteilt, dass es keinen gebe. Er sei von einem Allgemeinmediziner untersucht worden. Er habe sich von 1998 bis 2016 in der Schweiz aufgehalten und sei bis 2008 in der dortigen Grundversorgung gewesen. 2012 habe er einen Unfall gehabt und sei operiert worden, da er jedoch nicht versichert gewesen sei, habe er keine Kontrollen oder Nachbehandlung erhalten. Er habe in weiterer Folge beim Roten Kreuz geschlafen und sei 2012 erneut in die Grundversorgung aufgenommen worden. Man habe ihm einen Aufenthaltstitel versprochen, sobald er einen Reisepass vorlege, was er in weiterer Folge auch getan habe. Nach einer längeren Wartezeit sei er jedoch inhaftiert worden und habe mehrmals dagegen berufen. Zur Frage, weshalb er in der Schweiz inhaftiert worden sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass dies wegen seines illegalen Aufenthaltes gewesen sei, strafrechtlich habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen. 2008 sei ihm ein Aufenthaltstitel versprochen worden und die Behörden hätten mit seiner Botschaft Kontakt aufgenommen. Eine negative Entscheidung habe er jedoch nie erhalten. Da ihm ständig etwas versprochen, jedoch nichts eingehalten worden sei, habe er sich nach Österreich begeben. Auf Vorhalt der aufgrund der Zustimmung der Schweiz eingetretenen Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates zur Durchführung des Verfahrens, gab der Beschwerdeführer an, nicht in die Schweiz zurückkehren zu wollen. Die Gründe dafür habe er bereits angegeben. Nach Aufklärung über die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme, erklärte der Beschwerdeführer, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende medizinische Unterlagen vor:

-

ein radiologischer Befund nach einer Sternum- und Ellbogenfraktur vom 12.10.2016,

-

eine Überweisung zu physikalischen Therapien aufgrund einer Fingergelenksarthralgie der linken Hand vom 14.10.2016.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Schweiz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) NR. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, das demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung in die Schweiz zulässig sei.

Zu den Verhältnissen in der Schweiz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl folgendes festgestellt (durch das Bundesverwaltungsgericht ungekürzt wiedergegeben):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

 

Antragsteller 2015

Schweiz

39.450

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 3.3.2016a)

Erstinstanzliche Entscheidungen

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründe

NEGATIV

1. Qu. 2015

5.895

1.660

830

1.565

1.835

2. Qu. 2015

5.505

1.885

775

1.370

1.470

3. Qu. 2015

5.020

1.435

565

1.240

1.785

4. Qu. 2015

5.420

1.305

460

905

2.750

GESAMT

21.840

6.285

2.630

5.080

7.840

Die Daten werden auf

die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ist die für das erstinstanzliche Asylverfahren in der Schweiz verantwortliche Behörde. Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

Bild kann nicht dargestellt werden

(AIDA 10.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Quellen:

? AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (10.2015): Country Report: Switzerland,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1452168757_aida-ch-update-i-0.pdf, Zugriff 13.5.2016

? Eurostat (3.3.2016a): Statistics explained, File: Asylum applicants (including first time asylum applicants), Q4 2014 - Q4 2015.png,

http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Asylum_applicants_(including_first_time_asylum_applicants),_Q4_2014_%E2%80%93_Q4_2015.png, Zugriff 31.3.2016

? Eurostat (18.9.2015a): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 1st quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_1st_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

? Eurostat (18.9.2015b): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 2nd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_2nd_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

? Eurostat (10.12.2015): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 3rd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_3rd_quarter_2015.png, Zugriff 22.2.2016

? Eurostat (3.3.2016b): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 4th quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_4th_quarter_2015.png, Zugriff 31.3.2016

2. Dublin-Rückkehrer

Es konnten keine Zugangshindernisse für Dublin-Rückkehrer in der Schweiz festgestellt werden (AIDA 10.2015).

Quellen:

? AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (10.2015): Country Report: Switzerland,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1452168757_aida-ch-update-i-0.pdf, Zugriff 13.5.2016

3. Non-Refoulement

Es kann mehrere Gründe für Unzulässigkeit eines Asylantrags geben. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrags wird auch eine Liste sicherer Drittstaaten herangezogen. Bei einem Drittstaat, der nicht laut Liste als sicher gilt, werden etwaige Unzulässigkeitsgründe nicht schlagend, wenn es Hinweise gibt, dass dieser Staat im konkreten Einzelfall das Refoulement-Prinzip verletzt (AIDA 10.2015).

Die Verfassung verbietet die Abschiebung von Flüchtlingen, die in ihren Herkunftsländern Verfolgung ausgesetzt sind und stellt auch fest, dass niemand in ein Land geschickt werden darf, in dem ihm Folter oder andere entwürdigende und grausame Behandlung droht. Die Regierung zwingt generell keine Asylwerber zur Rückkehr in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein könnte. Jedoch verurteilt der UN-Ausschuss gegen Folter die gewaltsamen Abschiebungen aus der Schweiz und rügt die angewendeten Mittel zur Abschiebung von Personen nach Sri Lanka und Somalia. Der UN-Ausschuss befindet, dass nicht genügend offizielle Garantien vorhanden sind, um sicherzustellen, dass zurückkehrende Flüchtlinge in ihren Heimatländern nicht gefoltert werden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

? AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (10.2015): Country Report: Switzerland,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1452168757_aida-ch-update-i-0.pdf, Zugriff 13.5.2016

? USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Switzerland, http://www.ecoi.net/local_link/322578/462055_de.html, Zugriff 19.5.2016

4. Versorgung

Die materielle Versorgung der AW besteht aus Unterbringung und Verpflegung, medizinischer Versorgung und finanzieller Unterstützung. Unterstützung gibt es nur, wenn ein Antragsteller bedürftig ist. Unterbringung in einem Zentrum steht aus organisatorischen Gründen hingegen allen AW offen. Im Rahmen der Erstaufnahme auf Bundesebene ist die Versorgung überall gleich. Diese dauert in der Regel bis zu 90 Tage (Zulassungsverfahren). Später werden die ASt dann auf die Kantone verteilt, wo sich die Bedingungen deutlich unterscheiden können, da die Kantone weitgehend selbst entscheiden, wie Bundesbestimmungen umgesetzt werden. Das Recht auf Versorgung besteht bis zum Ende des Verfahrens (Ende der Beschwerdefrist gegen erstinstanzliche Entscheidung bzw. negative Entscheidung der Beschwerdeinstanz im Falle einer Beschwerde). Momentan findet in Zürich gerade ein Testlauf bezüglich einer Beschleunigung des Verfahrens statt, den manche ASt. durchlaufen. Dort ist die Versorgung etwas anders geregelt, aber auch sie haben ein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversorgung und Bildung für Kinder unter 16 Jahren. Wenn ein ASt das Land verlassen muss, kann er keine herkömmliche Versorgung mehr erhalten, sondern nur noch Unterstützung im Rahmen des Notfallschemas. Gleiches gilt für Folgeantragsteller, da für sie immer noch eine verbindliche Entscheidung zur Außerlandesbringung vorliegt, selbst wenn diese suspendiert wird (AIDA 10.2015).

Die Kantone sind zuständig für die Gewährleistung der Sozialhilfe an AW. Pro AW, der von der Sozialhilfe unterstützt werden muss, erhält der Kanton einen Pauschalbetrag, mit dem der Kanton die gesamten Ausgaben für die Unterbringung, die Unterstützung, die obligatorische Krankenversicherung und für allfällig weitere medizinische Versorgung (z.B. Zahnbehandlungskosten) finanziert. Die Ausrichtung von Unterstützungsleistungen erfolgt durch die Kantone oder Gemeinden bzw. durch beauftragte Dritte. Die Unterbringung von AW erfolgt zum Teil in Gemeinschaftsunterkünften, zum Teil - insbesondere wenn es sich um Familien handelt - in Wohnungen. Die übrige Unterstützung soll nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen ausgerichtet werden, ansonsten in Geldform. Sozialhilfeleistungen für AW sind im Vergleich zu schweizerischen Sozialhilfeempfängern generell um ca. 20% niedriger. (SEM 19.10.2015a). Mitte 2014 betrug die monatliche Zuwendung maximal CHF

1.128 / €940, abhängig von der Bedürftigkeit des Empfängers. In den föderalen Zentren, wo die meiste Unterstützung in Sachleistungen geschieht, liegt die übrige Unterstützung bei lediglich 3 CHF täglich. Die Höhe der Zuwendungen richtet sich nach dem Grad der Bedürftigkeit. Mitte 2014 erhielten 87,5% aller AW in der Schweiz Sozialhilfe, wovon 92% keine weitere Einkommensquelle hatten. Das Notfallschema umfasst kantonale Leistungen für Personen, die sich andernfalls nicht erhalten könnten und wird daher auch von den Kantonen festgelegt, ist also Schwankungen unterworfen. In manchen Kantonen ist diese Aufgabe an Gemeinden oder Hilfsorganisationen ausgelagert. Die Nothilfe besteht wann immer möglich aus Sachleistungen, inklusive Unterbringung in Notfallzentren, die für ihre eher unbequemen, minimalistischen Bedingungen bekannt sind. Die Finanzierung der Nothilfe ist pro Person mit 8 CHF pro Tag zu bestreiten. Was nicht in Sachleistungen gewährt wird, wird in Gutscheinen ausgegeben, die in bestimmten Supermärkten angenommen werden. Nothilfe muss immer gewährt werden, sie kann folglich auch nicht aberkannt werden (AIDA 10.2015).

Um die wachsende Anzahl von Asylwerbern unterzubringen, werden weiterhin hunderte AW in entlegenen ländlichen Gebieten oder in ehemaligen Militäreinrichtungen untergebracht, viele der letzteren sind unterirdische Anlagen. Es gibt aber auch Unterbringung in Privathäusern, oder in ehemaligen Hotels, Kirchen oder Zivilschutzeinrichtungen. Manche Kantone griffen temporär auf Zelte zurück. Platzknappheit ist bei der Versorgung von AW ein Problem (USDOS 13.4.2016).

In den Zentren auf föderaler Ebene sind die Bedingungen für Familien, Kinder und Frauen eher rau. In der Praxis versucht man für diese Personen möglichst rasch eine geeignete kantonale Unterbringung zu finden, wo Familien nach Möglichkeit individuell untergebracht werden. Die Unterbringung von UMA wird in den Kantonen unterschiedlich gehandhabt. Manche verfügen über spezialisierte Zentren, andere nicht, was auf Kritik von NGOs stößt. Jüngere Kinder werden oft in Pflegefamilien oder Kinderheimen untergebracht (AIDA 10.2015).

Quellen:

? AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (10.2015): Country Report: Switzerland,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1452168757_aida-ch-update-i-0.pdf, Zugriff 13.5.2016

? SEM - Staatssekretariat für Migration (19.10.2015a): Sozialhilfe für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene, Schutzbedürftige, https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/asyl/sozialhilfe/asylsuchende__vorlaeufig.html, Zugriff 19.5.2016

? USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Switzerland, http://www.ecoi.net/local_link/322578/462055_de.html, Zugriff 19.5.2016

4.1. Medizinische Versorgung

AW haben ein Recht auf medizinische Basisversorgung (USDOS 13.4.2016).

Laut Gesetz ist Asylwerbern während des gesamten Verfahrens, sowie nach negativer Entscheidung im Rahmen des Notfallschemas, der Zugang zu medizinischer Versorgung zu garantieren. Jeder AW wird bei der nationalen Krankenversicherung versichert (auch Notfallschema), welche auch psychologische und psychiatrische Behandlung abdeckt. Während des Aufenthalts in föderaler Unterbringung ist die medizinische Versorgung föderale Angelegenheit und erfolgt im Zentrum, danach geht sie auf den jeweiligen Kanton über. Bei Ankunft im föderalen Zentrum werden AW einer medizinischen Untersuchung unterzogen. Ansonsten geschieht medizinische Versorgung entweder im Zentrum bzw. in weiterer Folge in örtlichen Spitälern. Auf kantonaler Ebene ist die Situation ähnlich. Auch dort ist nicht in jedem Zentrum rund um die Uhr medizinisches Personal anwesend (AIDA 10.2015).

Mehrere Organisationen bieten Hilfe für traumatisierte Asylwerber. Die Ambulanz für Opfer von Folter und Krieg in Bern bietet eine breite Palette von Therapien, welche Sozialarbeit und verschiedene Behandlungen für traumatisierte Gewaltopfer kombinieren. Ähnliche zivilgesellschaftliche Initiativen gibt es in Genf, Lausanne und Zürich, jedoch reichen die Kapazitäten dieser Einrichtungen nicht aus. Gemäß nationalem Recht unterstützt die Asylbehörde SEM ebenfalls finanziell den Aufbau von Einrichtungen zur Behandlung von traumatisierten Asylbewerbern (AIDA 10.2015).

Quellen:

? AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (10.2015): Country Report: Switzerland,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1452168757_aida-ch-update-i-0.pdf, Zugriff 13.5.2016

? USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Switzerland, http://www.ecoi.net/local_link/322578/462055_de.html, Zugriff 19.5.2016

Beweiswürdigend wurde im Bescheid festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Er habe einen radiologischen Befund zum Zustand nach einer Sternumfraktur und einer Ellbogenfraktur vorgelegt. Weiters sei er aufgrund einer Fingergelenksarthralgie der linken Hand an einen Facharzt für physikalische Medizin überwiesen worden. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, psychische Probleme und Schlafstörungen zu haben, einen Arzt habe der Beschwerdeführer jedoch nicht aufgesucht und diesbezüglich auch keine Befunde vorgelegt. Schwere und lebensbedrohende Krankheiten hätten daher bei nicht festgestellt werden können. Als Asylwerber sei der Beschwerdeführer in der Schweiz - ebenso wie in Österreich - krankenversichert. Dem Beschwerdeführer sei laut aktueller Länderfeststellungen in der Schweiz der Zugang zu medizinischen Leistungen, welche auch die psychologische und psychiatrische Behandlung abdecken würden, ohne Hindernisse möglich. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen oder sonstige Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestünde. Die Anordnung zur Außerlandesbringung stelle daher insgesamt keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens dar. Es sei nicht glaubhaft vorgebracht worden, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt würde. Eine Schutzverweigerung der Schweiz sei nicht zu erwarten. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 treffe zu und habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28.11.2016 nachweislich durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

Am 02.12.2016 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht die vorliegende Beschwerde ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer bereits 18 Jahre in der Schweiz aufgehalten habe und von 2008 bis 2012 weder Unterstützung noch Versorgung erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei zudem wegen illegalen Aufenthalts sieben Monate inhaftiert worden. Wie bereits in der Einvernahme erwähnt worden sei, leide der Beschwerdeführer an Schlaflosigkeit und psychischen Störungen. Da der Beschwerdeführer durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, in der Schweiz einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein, liege bei einer Überstellung in die Schweiz eine Verletzung gemäß Art. 3 EMRK vor.

Der Beschwerde wurde eine handschriftliche Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2016 angeschlossen, wonach der Beschwerdeführer unter Schlafstörungen und Angstzuständen leide und medikamentös mit Trittico ret. 150mg Tbl, abends 1/3 Tbl, behandelt werde. Weiters wurden eine Terminvereinbarung bei einer Sozialpsychiatrischen Ambulanz am 03.01.2017 und bei einem Facharzt für Augenheilkunde am 13.02.2017 vorgelegt, auf denen der Name des Beschwerdeführers nicht aufscheint.

Am 24.02.2017 wurde der Beschwerdeführer in die Schweiz überstellt und reiste am selben Tag abermals illegal in das Bundesgebiet ein.

Am 03.03.2017 richtete das BFA neuerlich ein (Wieder)aufnahmegesuch an die Schweiz, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO.

Die Schweiz stimmte dem Wiederaufnahmegesuch vom 03.03.2017 mit Schreiben vom 07.03.2017 ausdrücklich zu.

Am 12.04.2017 wurde der Beschwerdeführer abermals in die Schweiz überstellt und reiste am selben Tag abermals illegal in das Bundesgebiet ein.

Mit E-Mail vom 28.04.2017 übermittelte das BFA eine fachärztliche Stellungnahme einer sozialpsychiatrischen Ambulanz vom 25.04.2017, derzufolge der Beschwerdeführer seit Mitte November 2016 wiederholt an der Ambulanz vorstellig geworden sei. Grund seien massive Ängste, Schlafstörungen, Somatisierungstendenzen und tendenziell auch selbstschädigendes Verhalten gewesen. Auslösend sei die bekannte Flüchtlingsproblematik bzw besonders belastend und traumatisierend seien zwei polizeiliche Abschiebungsversuche durch die hiesige Polizei gewesen. Die dabei mitgemachten Erlebnisse hätte beim Patienten die bereits eingangs erwähnten Beschwerden deutlich verstärkt.

Am 11.05.2017 setzte das BFA die schweizerische Dublin-Behörde vom Erfordernis der Verschiebung der Überstellung und der Erstreckung der Überstellungsfrist auf 18 Monate infolge Flüchtigkeit des Beschwerdeführers in Kenntnis.

Mit E-Mail vom 14.06.2017 übermittelte das BFA einen Kurzarztbrief Psychiatrie eines Universitätsklinikums samt Entlassungsdokument vom 12.06.2017, dem zu entnehmen ist, dass sich der Beschwerdeführer nach einem Selbstmordversuch mit Medikamentenintoxikation und einer akuten psychotischen Störung vom 26.05.2017 bis 12.06.2017 in stationärer Behandlung befand:

Empfohlene Medikation: Zyprexa (Olanzapin) 5 mg 1-0-1-2. Es wurden regelmäßige fachärztliche Kontrollen empfohlen und 1/4-jährliche Labor-, Gewichts- RR-, Puls- und EKG-Kontrolle unter lfd. Psychopharmakamedikation beim Hausarzt erbeten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Algerien, reiste von der Türkei aus über Griechenland, Italien in die Schweiz und hielt sich dort von 1998 bis 2016 auf. 2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz. Nachdem das Asylverfahren in der Schweiz (negativ) abgeschlossen war, reiste der Beschwerdeführer nach Österreich weiter und stellte in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 05.09.2016 richtete das BFA ein auf Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an die Schweiz.

Mit Schreiben vom 08.09.2016 stimmte die Schweizer Dublin-Behörde dem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 24.02.2017 wurde der Beschwerdeführer in die Schweiz überstellt und reiste am selben Tag abermals illegal in das Bundesgebiet ein.

Am 03.03.2017 richtete das BFA abermals ein (Wieder)aufnahmegesuch an die Schweiz, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO.

Die Schweiz stimmte dem neuerlichen Gesuch der österreichischen Dublin-Behörde vom 03.03.2017 mit Schreiben vom 07.03.2017 ausdrücklich zu.

Am 12.04.2017 wurde der Beschwerdeführer abermals in die Schweiz überstellt und reiste am selben Tag abermals illegal in das Bundesgebiet ein.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wieder gegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation in der Schweiz an.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Staat sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Einem radiologischen Befund zufolge war der Zustand in Bezug auf eine Sternum- und Ellbogenfraktur im Oktober 2016 unauffällig. Aufgrund einer Fingergelenksarthralgie der linken Hand wurde der Beschwerdeführer im Oktober 2016 an einen Facharzt für Physikalische Medizin überwiesen. Einer Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2016 zufolge leidet der Beschwerdeführer an Schlafstörungen und Angstzuständen und wird mit Trittico-Tabletten behandelt. Laut einer fachärztlichen Stellungnahme einer sozialpsychiatrischen Ambulanz vom 25.04.2017 hat der Beschwerdeführer wegen massiver Ängste, Schlafstörungen, Somatisierungstendenzen und tendenziell auch selbstschädigendem Verhalten die Ambulanz seit Mitte November 2016 wiederholt aufgesucht. Die Beschwerden hätten sich aufgrund zweier polizeilicher Abschiebeversuche deutlich verstärkt. Laut dem Kurzarztrief Psychiatrie eines Universitätsklinikums vom 12.06.2017 befand sich der Beschwerdeführer nach einem Selbstmordversuch mit Medikamentenintoxikation und einer akuten psychotischen Störung vom 26.05.2017 bis 12.06.2017 in stationärer Behandlung.

Im österreichischen Bundesgebiet bestehen keine besonderen privaten, familiären oder beruflichen Bindungen.

Der Beschwerdeführer lebt weder in einer Familiengemeinschaft noch in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung in die Schweiz, insbesondere wegen drohender Kettenabschiebungen und fehlender adäquater Unterbringung, Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu werden.

Am 11.05.2017 setzte das BFA die schweizerische Dublin-Behörde vom Erfordernis der Verschiebung der Überstellung und der Erstreckung der Überstellungsfrist auf 18 Monate infolge Flüchtigkeit des Beschwerdeführers in Kenntnis.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers kann mangels geeigneter identitätsbezeugender Dokumente nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers sowie zu seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen im Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich ebenfalls aus dem eigenen Vorbringen im Zusammenhang mit der Aktenlage. Diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen bezüglich der (Wieder)aufnahmeersuchen des BFA an die Schweiz und der ausdrücklichen Annahme der Gesuche durch die schweizerische Dublin-Behörde beruhen auf dem - im Verwaltungsakt dokumentierten - durchgeführten Konsultationsverfahren.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Die Feststellung des Fehlens jeglicher familiärer Beziehungen in Österreich ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich des in der Schweiz etablierten Asylsystems ergeben sich aus den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Länderinformationen keine Hinweise auf grobe systematische Mängel. Somit war durch das Bundesverwaltungsgericht, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung und die Sicherheitslage der Schutzsuchenden den Feststellungen der Verwaltungsbehörde zu Folgen.

Ein individuelles Vorbringen zu einer relevanten konkreten Bedrohung wurde durch den Beschwerdeführer nicht erstattet.

Die Feststellungen der am 24.02.2017 und am 12.04.2017 erfolgten Überstellungen des Beschwerdeführers in die Schweiz und die jeweils am selben Tag erfolgten abermaligen illegalen Einreisen in das Bundesgebiet gründen sich auf entsprechende E-Mail-Mitteilungen des BFA.

Die Feststellung der an die schweizerische Dublin-Behörde ergangenen Mitteilung des Erfordernisses der Verschiebung der Überstellung und der Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate wegen Flüchtigkeit des Beschwerdeführers beruht auf dem vorliegenden an die Schweiz ergangenen E-Mail des BFA vom 11.05.2017.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idgF).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG idgF bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 9 Abs.1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-,

Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt

entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus

bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den

Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

...

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

Artikel 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Artikel 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und6 genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Artikel 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallende

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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