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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
VfGG §33, §35Leitsatz
Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags eines in einer Wohngemeinschaft lebenden Asylwerbers; Behebung der Hinterlegungsbenachrichtigung durch einen Mitbewohner kein unvorhergesehenes oder unabwendbares EreignisSpruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
1.1. Mit am 24. August 2017 zur Post gegebenem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B–VG gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Jänner 2017, Z L508 2137418-1/5E. Mit derselben Eingabe wird der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe im vollen Umfang gestellt.
1.2. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Antragsteller aus, dass ihm erst im Zuge einer Akteneinsicht am 11. August 2017 zur Kenntnis gelangt sei, dass ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gegen ihn ergangen und durch Hinterlegung am 13. Jänner 2017 zugestellt worden sei. Er wohne in einer Wohngemeinschaft mit vier weiteren Personen. Er selbst und ein weiterer Mitbewohner seien jeweils im Besitz eines Briefkastenschlüssels. Es sei möglich, dass die Benachrichtigung von der Hinterlegung vom anderen Mitbewohner aus dem Briefkasten entnommen und nicht an den Antragsteller weitergeleitet oder versehentlich vernichtet worden sei.
1.3. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
1.4. Im vorliegenden Fall kann nicht davon gesprochen werden, dass der Antragsteller durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des §146 Abs1 ZPO an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen wäre:
Der in den Verfahrensakten aufliegende Rückschein über die Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Jänner 2017 enthält die Angabe, dass das Erkenntnis hinterlegt und ab 16. Jänner 2017 zur Abholung bereit gehalten wurde. Die Zustellung erfolgte damit rechtswirksam durch postamtliche Hinterlegung. Eine Verständigung von der Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Da der Antragsteller nicht behauptet, dass er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. §17 Abs3 ZustellG), galt das hinterlegte Schriftstück mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Gemäß §17 Abs4 ZustellG hat die Beschädigung oder die Entfernung der Verständigung auf die Gültigkeit der Hinterlegung keinen Einfluss (vgl. VfSlg 14.657/1996).
1.5. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen daher nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.
2. Hinsichtlich des Verfahrenshilfeantrages ist Folgendes auszuführen:
2.1. Da die sechswöchige Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG zum Zeitpunkt der Postaufgabe des vorliegenden Verfahrenshilfeantrages schon verstrichen war, aber nur ein innerhalb dieser Frist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe deren Unterbrechung zu bewirken vermag (§82 Abs3 VfGG), erwiese sich eine künftige Beschwerde als verspätet (vgl. auch VfGH 14.3.2012, U1391/11; 11.6.2012, U30/12; VfSlg 19.534/2011).
2.2. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeerhebung wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2959.2017Zuletzt aktualisiert am
28.11.2017