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L00157 LVerwaltungsgericht Tirol;Norm
AVG §68 Abs4 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des X Y in Z, vertreten durch Dr. Hanspeter Feix und Dr. Renate Palma, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 17/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. Jänner 2017, Zl. LVwG- 2016/S12/1823-15, betreffend Disziplinarverfahren nach dem Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz 1970 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission für BeamtInnen der Landeshauptstadt Innsbruck; weitere Partei:
Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1955 geborene Revisionswerber steht als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.
2 Mit Bescheid der Disziplinarkommission (in der Folge: DK) vom 4. Juli 2016 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe "im Zeitraum zwischen März 2014 und einschließlich Oktober 2014" als Sachbearbeiter in 23 Fällen über Ansuchen näher genannter Verfahrensparteien auf Gewährung einer näher bezeichneten Leistung entgegen § 30 Abs. 1 des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes keinen schriftlichen Bescheid oder den schriftlichen Bescheid erst nach Urgenz durch die Parteien oder über Aufforderung durch den Dienstvorgesetzten erlassen und dadurch gegen seine Dienstpflichten gemäß § 17 Abs. 1 und 4 Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz 1970 (IGBG) verstoßen (Spruchpunkt I. A). Der Revisionswerber wurde weiters schuldig erkannt, er sei seiner Dienstpflicht zur Einhaltung der Weisung seines Amtsvorstandes vom 16. Jänner 2012 jedenfalls im Zeitraum zwischen März 2014 und Oktober 2014 in näher genannten Verfahren nicht nachgekommen, indem er entgegen der vorliegenden Weisung im EDV-System in 21 näher angeführten Fällen die jeweilige Art der Bescheidzustellung nicht oder nicht richtig eingetragen habe (Spruchpunkt I. B), sowie er habe seine Dienstpflicht zur Einhaltung der Weisung seines Dienstvorgesetzten vom 3. September 2014 nicht bzw. nur äußerst mangelhaft befolgt, indem er entgegen der vorliegenden Weisung im Beobachtungszeitraum zwischen 4. September 2014 bis einschließlich 22. September 2014 Bescheidzweitschriften unvollständig und nicht regelmäßig nach Ablauf jeder Arbeitswoche im Sekretariat des Amtsvorstandes hinterlegt habe (Spruchpunkt I. C); dadurch habe der Revisionswerber jeweils gegen seine Dienstpflichten gemäß § 17 Abs. 2 IGBG verstoßen. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über ihn die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von 2,5 Monatsbezügen verhängt (Spruchpunkt II.).
3 Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (mit Spruchpunkt 2.) insofern Folge, als es den Revisionswerber von den Vorwürfen in einigen der in den Spruchpunkten I. A und I. B des Disziplinarerkenntnisses näher genannten Fällen freisprach und die Höhe der als Disziplinarstrafe verhängten Geldstrafe auf einen Monatsbezug herabsetzte, sowie (mit Spruchpunkt 3.) seinen Antrag auf Kostenersatz als unbegründet abwies. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die gegen die Strafhöhe gerichtete Beschwerde des Disziplinaranwaltes (mit Spruchpunkt 1.) als unbegründet ab. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt 4.).
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 9. Juni 2017, E 560/2017, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Mit der vorliegenden Revision wird das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des verurteilenden Tat- und Strafausspruchs bekämpft. Zusammengefasst macht der Revisionswerber darin geltend, ein Laienrichter im Senat des Verwaltungsgerichts sei befangen und es sei bis November 2015 eine "Nichtbehörde" im Verfahren tätig gewesen, weshalb das Disziplinarverfahren auch ohne rechtswirksamen Einleitungsbeschluss geführt worden sei. Überdies sei der Einleitungsbeschluss vom 19. Jänner 2015 mit dem Disziplinarerkenntnis vom 4. Juli 2016 hinsichtlich des vorgeworfenen Verhaltens überschritten worden und es liege ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vor. Nicht zuletzt wendet sich die Revision auch gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts und die Unterlassung von Zeugeneinvernahmen.
6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, so hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Juni 2016, Ra 2016/09/0071, und vom 25. Jänner 2016, Ra 2015/09/0144).
9 Der Revisionswerber bringt zunächst vor, es stelle sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, "ob in Hinblick auf die einfachgesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die § 6 VwGVG und § 64 Abs. 6 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970, unabhängig von Art. 6 EMRK, trotzdem ein Recht eines Beamten, also auch des Revisionswerbers, auf ein unabhängiges und unparteiisches Entscheidungsorgan im Disziplinarverfahren besteht". Zum anderen stelle sich die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, "inwieweit die Tätigkeit von Laienrichtern diesem Recht auf ein unabhängiges und unbefangenes Entscheidungsorgan entspricht, wenn die Laienrichter außerhalb ihrer Funktion als Richter im Rahmen ihrer beruflichen Haupttätigkeiten als Beamte einer am Verfahren mitbeteiligten Partei ihrer dienstlichen Position nur ‚befristet' zugeteilt sind und damit - wie auch hier - in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zur mitbeteiligten Partei bzw. wie hier sogar zur belangten Behörde stehen." Zumindest ein Mitglied des Kollegialorgans des Verwaltungsgerichts befinde sich im Verhältnis zur mitbeteiligten Landeshauptstadt in untergeordneter Stellung, da es für seine dortige Funktion nur befristet bestellt sei. Das angefochtene Erkenntnis verstoße daher gegen die herrschende Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bzw. liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, soweit "das Recht eines Beamten auf ein unabhängiges und unbefangenes Entscheidungsorgan im Disziplinarverfahren betroffen" sei.
10 Wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (denn nur ein solches Abweichen vermag schon dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG zufolge eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen), ist konkret anzuführen, in welchen Punkten der angefochtene Bescheid bzw. das angefochtene Erkenntnis von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Mai 2017, Ra 2017/09/0017, mwN). Indem die Revision überhaupt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anführt, wird sie diesen Anforderungen nicht gerecht.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ro 2014/09/0053, im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren darauf hingewiesen, dass der Befangenheitsgrund des (Anm.: nach der aktuellen Fassung BGBl. I Nr. 5/2008) § 7 Abs. 1 Z 3 AVG (auf diesen will der Revisionswerber mit seinem Vorbringen im vorliegenden Fall offenbar hinaus), wonach sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten haben, wenn "sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unabhängigkeit in Zweifel zu ziehen", im Lichte des Art. 6 EMRK auszulegen und anzuwenden ist, und dass für die Beurteilung, ob eine Befangenheit in diesem Sinne vorliegt, maßgebend ist, ob ein an einem Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 30. März 2016, Ra 2015/09/0139, sowie zur Maßgeblichkeit der zu § 7 AVG ergangenen Rechtsprechung auch für eine Befangenheit im Sinne des § 6 VwGVG das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0034). Zudem ist die Bestimmung des § 7 Abs. 6 TLVwGG zu beachten, wonach fachkundige Laienrichter in Ausübung ihres Amtes unabhängig sind.
12 Der Revisionswerber stützt sich lediglich darauf, dass ein Laienrichter "sich im Verhältnis zur (...) Landeshauptstadt Innsbruck in untergeordneter Stellung befindet (und) in seiner Haupttätigkeit als Beamter der (...) Landeshauptstadt Innsbruck für seine dortige Funktion nur befristet bestellt (ist)".
13 Gemäß § 64 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970 (IGBG) entscheidet im Disziplinarverfahren das Landesverwaltungsgericht durch Senate, die aus dem Senatsvorsitzenden und zwei fachkundigen Laienrichtern bestehen, wobei gemäß § 16b Abs. 2 iVm § 64 IGBG ein fachkundiger Laienrichter vom Magistratsdirektor, der andere von der Personalvertretung vorzuschlagen ist und die fachkundigen Laienrichter seit wenigstens fünf Jahren in einem Dienstverhältnis zur Stadt Innsbruck stehen müssen.
14 Zwar hat es der EGMR unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 EMRK für bedenklich erachtet, wenn sich das Mitglied eines Tribunals sowohl im Hinblick auf seine Pflichten als auch die Organisation seines Amtes im Verhältnis zu einer der Parteien in untergeordneter Stellung befindet (22. Oktober 1984, Sramek/Österreich, 8790/79, Z 41 ff). Dasselbe gilt, wenn das Mitglied eines Tribunals gegenüber einer Partei des Verfahrens übergeordnet und weisungsberechtigt ist (vgl. VfGH 10. Dezember 2015, E 744/2014, mwN). Ein Hinweis darauf, dass eine solche Konstellation gegeben wäre, ist im vorliegenden Fall nicht zu ersehen.
15 Die gemischte Zusammensetzung eines unter dem Vorsitz eines Richters stehenden Tribunals, dem auf fünf Jahre bestellte Mitglieder angehören, die Beamte und Vertreter von interessierten Vereinigungen sind, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Hinblick auf eine mögliche Befangenheit nicht bedenklich, wenn das Verfahren die entsprechenden Garantien enthält (vgl. EGMR 16. Juli 1971, Ringeisen/Österreich, Z 97, und EKMR 29. Juni 1994, Hilti & Jehle OHG gegen Österreich, 19441/92).
16 Laienbeisitzer sind wegen ihrer spezialisierten Erfahrung grundsätzlich besonders gut geeignet, an bestimmten gerichtlichen Entscheidungen teilzunehmen (EGMR 22. Juni 1989, Langborger/Schweden, 11179/84, 34) und die Einbeziehung von Laienrichtern als Mitglieder verschiedener spezialisierter Gerichte ist ein gemeinsames Merkmal in vielen Mitgliedstaaten der EMRK (EGMR 26. Oktober 2004, AB Kurt Kellermann/Schweden, 41579/98, 60).
17 Jedoch ist die Mitwirkung von durch Interessensvertretungen nominierten Laienrichtern dann unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 EMRK bedenklich, wenn diese Interessensvertretungen ein fortdauerndes Interesse an der Beurteilung einer im Verfahren gestellten Frage haben, eine Partei daher berechtigter Weise befürchten muss, dass die Laienbeisitzer ein gemeinsames Interesse gegen ihren Standpunkt haben und die Balance der Interessen bei der Zusammensetzung des Gerichts in Frage gestellt ist (Langborger/Schweden, Z 35, betreffend die Mitwirkung von durch Mieterorganisationen nominierten Laienbeisitzern in einem mietrechtlichen Verfahren).
18 Wenn aber die Balance der Interessen durch die Zusammensetzung des Gerichts nicht in Frage gestellt und die Natur der Streitigkeit derart gestaltet ist, dass die Laienbeisitzer und die nominierenden Organisationen objektiv kein anderes Interesse haben können als sicherzustellen, dass die anzuwendenden Rechtsvorschriften richtig ausgelegt und angewendet werden, bestehen insoferne keine Bedenken im Hinblick auf die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit eines derart zusammengesetzten Gerichts (AB Kurt Kellermann/Schweden, Z 63 ff, betreffend eine arbeitsgerichtliche Streitigkeit).
19 Auch im vorliegenden Fall wurden derartige Bedenken im Hinblick auf die vom Revisionswerber gerügte Mitwirkung des vom Magistratsdirektor nominierten Mitglieds des erkennenden Senates nicht ersichtlich gemacht.
20 Weiters erblickt der Revisionswerber eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, "ob die nachträgliche während laufendem Verfahren erfolgte rechtswirksame Bestellung einer Disziplinarkommission die vorhergehenden Verfahrensschritte und Entscheidungen der bis zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht existenten Disziplinarkommission, insbesondere den von dieser Nichtbehörde gefassten Einleitungsbeschluss, nachträglich heilt". Hierzu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, genauso wie zur Frage, ob das verfahrensgegenständliche Disziplinarverfahren ohne rechtswirksamen Einleitungsbeschluss geführt werden dürfe.
21 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen Gang eine weitere Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2012, 2011/09/0124, und vom 28. Oktober 2004, 2001/09/0015, mwN).
22 Es ist auch ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid nicht nichtig, sondern nur vernichtbar ist. Dieser Grundsatz gilt auch im öffentlichen Dienstrecht. Der im Verfahren gegen den Revisionswerber ergangene Einleitungsbeschluss vom 19. Jänner 2015 ist (nicht zuletzt durch den vom Revisionswerber abgegebenen Rechtsmittelverzicht) in Rechtskraft erwachsen. Der Einleitungsbeschluss wurde nicht aufgehoben, sodass er ohne Einschränkung (bis zum Ende des Disziplinarverfahrens) seine Rechtswirkungen entfaltet (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2014, 2013/09/0186, und vom 5. September 2013, 2013/09/0012). Das gilt auch für Disziplinarverfahren nach dem IGBG.
23 Dass der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2014, welches den Suspendierungsbescheid vom 16. Oktober 2014 bestätigt hatte, mit Erkenntnis vom 18. September 2015, E 266/2015, aufgrund der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 18. September 2015, V 96/2015, mit dem eine näher bezeichnete Wortfolge der Verordnung über die Zusammensetzung der Disziplinarsenate der Disziplinarkommission für BeamtInnen der Landeshauptstadt Innsbruck für das Jahr 2014 als gesetzwidrig aufgehoben wurde), aufgehoben hat, vermag daran nichts zu ändern. Auf das Argument des Revisionswerbers, dass daraufhin "erst im November 2015 (...) die Geschäftsverteilung der Disziplinarsenate für das Restjahr 2015 und das Kalenderjahr 2016 gesetzesgemäß kundgemacht wurde", kommt es damit nicht mehr an. Der für den Revisionsfall maßgebliche (zweite) Einleitungsbeschluss vom 19. Jänner 2015 ist unbekämpft geblieben und sohin in Rechtskraft erwachsen.
24 Vor diesem Hintergrund besteht für den Verwaltungsgerichtshof auch keine Veranlassung, im Sinne der Anregung des Revisionswerbers an den Verfassungsgerichtshof mit einem entsprechenden Prüfungsantrag zur oben genannten Verordnung über die Geschäftsverteilung der Disziplinarsenate für das Kalenderjahr 2015 heranzutreten.
25 Soweit der Revisionswerber überdies ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung, wonach im Einleitungsbeschluss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten beschrieben werden muss, damit unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, 2008/09/0326), darin erblickt, dass mit dem Disziplinarerkenntnis der Einleitungsbeschluss überschritten werde, kann dies nicht nachvollzogen werden: Die gerügte Formulierung zu den Tatzeiten "zwischen März 2014 und einschließlich Oktober 2014" bzw. "zwischen März 2014 und Oktober 2014" umfasst sprachlich sowohl den Monat März 2014 als auch Oktober 2014. Der Revisionswerber ist somit im Disziplinarerkenntnis schon nach dem Revisionsvorbringen ausschließlich solcher Taten für schuldig erkannt worden, die auch Gegenstand des Einleitungsbeschlusses waren. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung zeigt der Revisionswerber auch mit diesem Vorbringen nicht auf.
26 Das gilt auch für das Vorbringen zum - vom Revisionswerber behaupteten - Widerspruch zwischen Spruch und Begründung in den beiden vom Revisionswerber genannten Fällen. Ein Widerspruch ist für den Verwaltungsgerichtshof in beiden Fällen nicht erkennbar. Soweit sich der Revisionswerber diesbezüglich gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Beweiswürdigung nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen ist, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen bzw. ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (vgl. den hg. Beschluss vom 8. November 2016, Ra 2016/09/0097, mwN). Derartige Mängel zeigt die Revision nicht auf.
27 Der Revisionswerber bringt außerdem vor, das Verwaltungsgericht habe entgegen der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "Aufnahme" (gemeint wohl: Einvernahme) von beantragten Zeugen grob fehlerhaft verweigert, was zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt habe.
28 Das Verwaltungsgericht hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Es darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 2015, Ra 2014/09/0041 sowie vom 10. Dezember 2014, Ro 2014/09/0056).
29 Beweisanträgen ist sohin grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluss vom 8. November 2016).
30 Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung nachvollziehbar ausgeführt, warum es die Einvernahme weiterer Zeugen für nicht notwendig erachtet hat. Demgegenüber gelingt es dem Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht, eine von der Rechtsprechung geforderte krasse Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Soweit sich der Revisionswerber diesbezüglich noch einmal gegen die Beweiswürdigung richtet, ist auf den bereits zitierten hg. Beschluss vom 8. November 2016 und die Ausführungen in Rz 25 zu verweisen. Derartige Mängel zeigt die Revision wiederum nicht auf. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ausführlich und schlüssig begründet, warum es welche Tatsachen als erwiesen angenommen hat und warum es welchen Zeugen geglaubt hat.
31 Da in der Revision somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.
Wien, am 19. Oktober 2017
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Allgemein VwRallg10/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017090038.L00Im RIS seit
28.11.2017Zuletzt aktualisiert am
01.12.2017