TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/14 VGW-152/022/7784/2017

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Veröffentlicht am 14.11.2017
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Entscheidungsdatum

14.11.2017

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Staatsbürgerschaft
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z3
VwGVG §8 Abs1
StbG §10 Abs1
StbG §10 Abs1 Z1
StbG §10 Abs1 Z7
StbG §10 Abs2
StbG §10 Abs3
StbG §10 Abs5
StbG §10a Abs1 Z1
StbG §10a Abs5
StbG §20
ASVG §292 Abs3
ASVG §293

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Lehner über die Säumnisbeschwerde des M. A. (geb.: 1963), vertreten durch RA, betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. MA35/IV - A 207/16, hinsichtlich des Antrags vom 11.05.2016 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird dem Antrag des Beschwerdeführers stattgegeben und dem Beschwerdeführer, M. A., geboren am ...1963, die österreichische Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (Volksrepublik Bangladesch) nachweist.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Gang des Verfahrens

Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2016, persönlich eingebracht am 11. Mai 2016, begehrte der Antragsteller die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und legte zu diesem Zweck eine Reihe von Unterlagen vor. Noch am selben Tag führte die belangte Behörde eine Reihe von Abfragen durch.

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2017, welcher am selben Tag per E-Mail bei der Behörde eingebracht wurde, erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2017, eingelangt am 1. Juni 2017, legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss der bezughabenden Akten dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor und verzichtete zugleich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2017 forderte das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer auf, bis zum 5. Juli 2017 jene 36 Monate bekanntzugeben, die zur Berechnung des Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 5 StbG herangezogen werden sollen und die entsprechenden Nachweise vorzulegen. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Nachweise für den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie ein gültiges Reisedokument in Kopie vorzulegen. Für dieses Schreiben findet sich kein Zustellnachweis, obwohl eine Zustellung mittels „RSb“ verfügt wurde. Ebenfalls mit Schreiben vom 8. Juni 2017 wurde die belangte Behörde aufgefordert dem Verwaltungsgericht, die Akten betreffend die Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln an den Beschwerdeführer vorzulegen und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einzuräumen bis zum 13. September 2017 die Prüfung gemäß § 10a Abs. 5 StbG abzulegen.

Am 25. September 2017 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass zur Berechnung des Lebensunterhaltes die letzten 36 Monate vor Antragstellung herangezogen werden sollen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen bis zum 9. Oktober 2017 Kontoauszüge für die Zeit von Mai 2013 bis Jänner 2015 sowie Einkommensnachweise für die Monate Mai 2013, Jänner bis März und August 2015 und die Monate Jänner, März und April 2016 vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor und führte aus, dass er in der Zeit von 1. Mai 2013 bis 31. Jänner 2015 manchmal Teilbeträge seines regulären Gehalts in bar ausgezahlt bekommen hat.

II. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wurde am ...1963 in …, Bangladesch geboren und ist Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch. Der Beschwerdeführer heiratete am 23. Mai 2013 in Bangladesch seine nunmehrige Ehegattin Af. A.. Die Ehegattin des Beschwerdeführers reiste im Dezember 2014 nach Österreich ein und lebt seither in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer. Bis Dezember 2014 lebten die Ehegatten getrennt.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit März 2000 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer stellte am 29. März 2000 einen Antrag auf Asyl. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Dezember 2000, Zl. ..., wurde der Asylantrag abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch aber für unzulässig erklärt. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erteilt, die mehrmals und zuletzt bis 6. Februar 2012 verlängert wurde. Am 21. April 2011 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel Familienangehöriger erteilt. Dieser wurde mit Wirkung vom 22. April 2012 bis zum 22. April 2015 verlängert. Am 28. Jänner 2014 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte Plus“ mit Gültigkeit bis 28. Jänner 2017 erteilt. Am 15. Dezember 2016 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt.

Der Beschwerdeführer ist weder von einem inländischen noch von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ebenso wenig ist der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Gegen den Beschwerdeführer ist auch kein Strafverfahren bei einem inländischen Gericht anhängig. Der Beschwerdeführer hat keine Verwaltungsübertretungen begangen.

Gegen den Beschwerdeführer wurden weder fremdenpolizeiliche Maßnahmen erlassen, noch ist ein Verfahren zur Erlassung einer solchen Maßnahme anhängig.

Der Beschwerdeführer erhielt für seine Tätigkeit als Küchenhelfer bei der N. GesmbH von Mai 2013 bis Jänner 2015 ein Entgelt von insgesamt EUR 27.085,19. In dieser Zeit erhielt er darüber hinaus Trinkgelder in der Höhe von insgesamt EUR 2.293,32. In der Zeit von 1. bis 31. März 2015 erhielt der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld in der Höhe von insgesamt EUR 760,74. In der Zeit von April 2015 bis Juli 2015 erhielt der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Abwäscher von der V. GmbH ein Entgelt von insgesamt EUR 6.220,-. Von September 2015 bis April 2016 erhielt der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Küchenhilfe von der W. GmbH ein Entgelt von insgesamt EUR 10.011,82.

In den Monaten Mai 2013 bis April 2016 hatte der Beschwerdeführer Mietausgaben in der Höhe von insgesamt EUR 14.833,19.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügte in der Zeit vom Mai 2013 bis April 2016 über keine eigenen Einkünfte.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Ehefrau haben in den geltend gemachten Monaten Sozialhilfeleistungen bezogen.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1.

Der Beschwerdeführer hat am 6. Mai 2013 die Staatsbürgerschaftsprüfung gemäß § 10a StbG in der damals geltenden Fassung abgelegt.

III. Beweiswürdigung

Geburtsort und –tag des Beschwerdeführers ergeben sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vorgelegten bis 31. August 2021 gültigen Reisepass. Die Ehe des Beschwerdeführers ist aufgrund der vorgelegten Heiratsurkunde, ausgestellt am 23. Mai 2013, nachgewiesen. Der Aufenthalt der Ehegattin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich nicht nur aus der Wohnsitzmeldung mit 29.12.2014, sondern auch aus den Informationen aus dem Zentralen Fremdenregister, aus denen hervorgeht, dass der Ehegattin des Beschwerdeführers Ende November 2014 von der österreichischen Botschaft in Neu-Delhi ein Visum D zur Abholung eines Aufenthaltstitels erteilt wurde.

Der durchgehende Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich nicht nur aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sondern auch aus dem von der belangten Behörde eingeholten Versicherungsdatenauszug, der eine beinahe durchgehende Beschäftigung des Beschwerdeführers seit Mai 2002 ausweist. Die Unterbrechungen, in denen der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld bezogen hat, beschränken sich auf ein Ausmaß von etwa dreieinhalb Monaten.

Die Feststellungen zur Erteilung des subsidiären Schutzes ergeben sich aus dem im Akt der belangten Behörde einliegenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Dezember 2000, der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie einer Karte für subsidiär Schutzberechtigte, ausgestellt am 27. Februar 2006, gültig bis 6. Februar 2011, sowie einer Kopie einer Karte für subsidiär Schutzberechtigte, ausgestellt am 30. Jänner 2011, gültig bis 6. Februar 2012. Die dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltstitel ergeben sich aus der Dokumentation dieser Titel im Akt der belangten Behörde sowie aus den vom Verwaltungsgericht Wien beigeschafften Verwaltungsakten betreffend die Verleihung dieser Titel.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister, einer Abfrage des Schengener Informationssystems, dem vorgelegten Auszug aus dem Strafregister Bangladeschs vom 22. Mai 2011 und aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass gegen den Beschwerdeführer kein Strafverfahren anhängig ist und dass er keine Verwaltungsübertretungen begangen hat, gründet sich auf die Mitteilung der LPD Wien vom 28. Juni 2017.

Der fremdenpolizeiliche Status des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Schengener Informationssystem sowie aus einer Mitteilung des BFA vom 13. Juni 2017.

Die Einnahmen des Beschwerdeführers in Form von Entgelt von der N. GesmbH ergeben sich aus den vorgelegten Lohnzetteln. Das während dieser Zeit erhaltene Trinkgeld ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Kontoauszügen. Dabei wurden alle in dieser Zeit vorgenommenen Bareinzahlungen auf das Konto des Beschwerdeführers als Grundlage herangezogen. Da der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 vorgebracht hat, dass er auch Teile seines regulären Lohns als Barzahlung erhalten hat, wurden von der Summe der Bareinzahlungen die Differenz zwischen der durch die Lohnzettel ausgewiesene Summe der regulären Monatslöhne und der tatsächlich auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesenen Löhne (von N. GesmbH, dessen Geschäftsführer Ni. G., dem Insolvenzverwalter P. bzw. dem Insolvenz-Entgelt-Fonds) abgezogen. Diese Differenz wurde als Trinkgeldzahlungen angenommen. Zwar hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben, dass er nicht jede von seinem Arbeitgeber erhaltene Barzahlung auf sein Konto eingezahlt hat, sodass es wahrscheinlich ist, dass er neben den eingezahlten Beträgen auch noch weitere Barzahlungen erhalten hat, andererseits wurden durch die Berechnung des Verwaltungsgerichtes Wien alle nicht eindeutig zurechenbaren Bareinzahlungen auf das Konto des Beschwerdeführers in der maßgeblichen Zeit als Teil seiner Einnahmen gerechnet, obwohl Teile davon auch aus anderen Quellen stammen könnten, wie etwa aus einem Sparbuch des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat im Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 selbst einen solchen Eigenübertrag offen gelegt. Dieser offen gelegte Eigenübertrag wurde als einzige Bareinzahlung nicht in die Berechnung mit einbezogen. Der sich so ergebende Trinkgeldbetrag in der Höhe von etwa EUR 110,- / Monat erscheint dem Verwaltungsgericht Wien auch in der Höhe für die vom Beschwerdeführer ausgeführte Tätigkeit als Küchenhilfe realistisch.

Demgegenüber hält das Verwaltungsgericht Wien die schriftlich vorgelegte Erklärung des Geschäftsführers des N. GesmbH vom 19. Juli 2013, wonach der Beschwerdeführer neben seinem regulären Lohn eine monatliche Trinkgeldpauschale in der Höhe von EUR 200,- sowie eine Überstundenabgeltung von zumindest EUR 100,- erhalten hat nicht für glaubhaft. Der Beschwerdeführer gab nämlich in der mündlichen Verhandlung an, dass er während seiner Beschäftigung im Cafe E. (welches von der N. GesmbH betrieben wurde) etwa EUR 40,- bis 50,- pro Monat in bar als Trinkgeldanteil bekommen habe. Darüber hinaus habe er keine Zahlungen erhalten. Überstunden seien ihm in Form von Freizeit ersetzt worden. Erst auf Vorhalt des von ihm selbst bei der belangten Behörde vorgelegten Schreibens änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend ab, dass er pro Monat EUR 100,- als Trinkgeld und ca. EUR 100,- bis EUR 250,- als Entgelt für zusätzliche Leistungen erhalten habe. Das Verwaltungsgericht Wien hält es nicht für glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer erst nach Vorhalt des Schreibens wieder erinnern konnte, wie er selbst angab, da er zuvor konkret zu zusätzlichen Zahlungen befragt wurde. Die Antworten trug der Beschwerdeführer mit einer gewissen Überzeugung vor. Erst nach Vorhalt des Schreibens wirkte der Beschwerdeführer verunsichert und änderte seine Angaben ab, wobei der Beschwerdeführer erst nach mehrmaligem Nachfragen weitere Angaben machen konnte.

Der Bezug von Arbeitslosengeld im März 2015 ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Mitteilung des AMS über den Leistungsanspruch vom 13. Februar 2015. Die von der V. GmbH und W. GmbH erhaltenen Löhne ergeben sich aus den vorgelegten Lohnzetteln. Darüber hinaus wurden vom Beschwerdeführer keine weiteren eigenen Einnahmen oder Einnahmen seiner Ehefrau geltend gemacht.

Die Mietausgaben des Beschwerdeführers bzw. seiner Ehefrau ergeben sich aus dem vorgelegten Mietvertrag und den vorgelegten Kontoauszügen, auf denen die Überweisungen an den Vermieter ausgewiesen sind.

Dass weder der Beschwerdeführer noch seine Ehefrau in den geltend gemachten Monaten Sozialhilfeleistungen bezogen haben, ergibt sich aus einer Abfrage der belangten Behörde der Daten der Sozialhilfebezieher vom 11. Mai 2016.

Die Absolvierung der Staatsbürgerschaftsprüfung am 6. Mai 2013 ergibt sich aus dem vor der belangten Behörde vorgelegten Prüfungszeugnis.

IV. Erwägungen

1. Zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (VwGH 28.1.1992, Zl. 91/04/0125 u.a.). Ein „Verschulden“ der Partei ist dann anzunehmen, wenn die Gründe für die Verzögerung in ihrer Person liegen (vgl. VwGH, 18.11.2003, Zl. 2003/05/0115). Ihr Verhalten muss für die Verzögerung kausal und zusätzlich schuldhaft sein (VwGH 12.04.2005, Zl. 2005/01/0003). Ist die Säumnis sowohl durch ein Versäumnis der Behörde wie auch durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei verursacht, ist abzuwägen, wem die Verzögerung überwiegend anzulasten ist.

Die Frist von sechs Monaten gemäß § 73 Abs. 1 AVG bzw. § 8 Abs. 1 VwGVG ist gewahrt, wenn bis zu deren Ablauf gegenüber der Partei ein die Verwaltungssache (meritorisch oder prozessual) gänzlich erledigender Bescheid erlassen wurde, wobei auch der Bescheid einer unzuständigen Behörde die Entscheidungspflicht erfüllt. Eine Voraussetzung für die Berechtigung des Verlangens im Sinn des § 73 Abs. 1 AVG ist somit, dass gegenüber der Partei kein die Sache erledigender Bescheid erlassen wurde (VwGH 23.6.2015, Ro 2015/05/0011).

Geht – infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG – die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über, hat es allein in der Verwaltungssache zu entscheiden (VwGH 27.5.2015, Ra 2015/19/0075).

Der Beschwerdeführer stellte am 11. Mai 2016 einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Bis zur Erhebung der Säumnisbeschwerde am 19. Mai 2017 setzte die belangte Behörde keinen einzigen aus dem vorgelegten Akt nachvollziehbaren Verfahrensschritt, obwohl dem kein unüberwindliches oder durch den Beschwerdeführer verursachtes Hindernis entgegenstand. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde am 19. Mai 2017 traf die belangte Behörde seit mehr als 12 Monaten die Entscheidungspflicht und sie war seit mehr als sechs Monaten säumig. Da kein sachlicher Grund für diese Verzögerung ersichtlich ist, ist diese auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Nachdem die Säumnisbeschwerde zulässig und begründet ist, ist mit Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien am 1. Juni 2017 die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache auf dieses übergegangen.

2. Zum Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Der Beschwerdeführer hält sich seit März 2000 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Dieser Aufenthalt war auch durchgehend rechtmäßig, da der Beschwerdeführer ohne Unterbrechung zuerst über Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz und später über Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfügte. Seit der Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ mit 21. April 2011 ist der Beschwerdeführer auch in Österreich rechtmäßig niedergelassen. Der Beschwerdeführer erfüllt daher die Mindestaufenthaltserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden wenn der Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann. Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung ist der Lebensunterhalt dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes.

Der Beschwerdeführer hatte in den von ihm geltend gemachten 36 Monaten vor Antragstellung eigene Einkünfte aus Erwerb in der Höhe von EUR 46.371,07. Dem standen regelmäßige Ausgaben in Form von Mietausgaben in der Höhe von insgesamt EUR 14.833,19 gegenüber. Unter Berücksichtigung der freien Station gemäß § 292 Abs. 3 ASVG verbleiben zu berücksichtigende Ausgaben in der Höhe von EUR 4.930,47. Reduziert man die Einkünfte um diese Ausgaben, so verblieb dem Beschwerdeführer ein Betrag von EUR 41.440,60 zu bestreiten seines Lebensunterhaltes.

Dem sind die Summe der Richtsätze gemäß § 293 ASVG jener 36 Monate gegenüberzustellen, die unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt gelegen waren. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zwar bereits seit 23. Mai 2013 mit seiner Ehefrau verheiratet war, mit dieser aber erst seit Dezember 2014 in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Für die Zeit von Mai 2013 bis November 2014 waren daher die Richtsätze gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG für Alleinstehende und für die Zeit von Dezember 2014 bis April 2016 jene für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG heranzuziehen. Die Summe der maßgeblichen Richtsätze von Mai 2013 bis April 2016 beträgt EUR 38.411,10. Da die Summe der dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin in den geltend gemachten Monaten zur Verfügung stehenden Einkünfte die Summe der maßgeblichen Richtsätze überschreitet, ist der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers als gesichert iSd § 10 Abs. 1 Z 7 StbG anzusehen.

Erteilungshindernisse gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8, Abs. 2 und 3 StbG sind im Rahmen der Ermittlungen der belangten Behörde und des in weiterer Folge vom Verwaltungsgericht Wien geführten Beweisverfahrens nicht hervorgekommen.

Die für jegliche Verleihung gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG notwendigen Deutschkenntnisse auf der Niveaustufe B1 hat der Beschwerdeführer mit der Vorlage des Zeugnisses des ÖSD nachgewiesen.

Er hat außerdem die für eine Verleihung gemäß § 10a Abs. 5 StbG notwendige Staatsbürgerschaftsprüfung positiv abgelegt. Dabei ist es nicht von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer die Prüfung noch auf Grundlage der Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung idF BGBl. II 138/2006 und nicht auf Basis der seit 1. November 2013 in Kraft stehenden Verordnung idF BGBl. II 250/2013 abgelegt hat. Mit der Novelle BGBl. II 260/2013 wurde in § 8 eine Übergangsbestimmung in die VO aufgenommen, die anordnet, dass Prüfungen, die zwischen dem 1. September und dem 31. Oktober 2013 mit „Nicht bestanden“ beurteilt worden sind, bis zum 31. Dezember 2013 nach den Bestimmungen der Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung in der Fassung BGBl. II 138/2006 wiederholt werden können. Diese Bestimmung macht nur dann Sinn, wenn man das Verständnis zugrunde legt, dass eine zum Zeitpunkt der Prüfung nach Rechtslage der VO idF BGBl. II 138/2006 rechtmäßig bestandene Prüfung auch bei einer danach eingetretenen Änderung der VO-Rechtslage weiter gültig bleibt. Andernfalls könnten man die Prüfung zwar Wiederholen und nach der alten Rechtslage bestehen, man müsste aber trotzdem die Prüfung auch nach der neuen Rechtslage wiederholen.

Der Beschwerdeführer erfüllt daher alle Verleihungsvoraussetzungen.

Gemäß § 20 StbG ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn er nicht staatenlos ist, weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 StbG Anwendung finden und ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte. Gemäß § 10 Abs. 3 Z 1 StbG ist ein Verleihungswerber grundsätzlich verpflichtet, die für das Ausscheiden aus seinem Staatsverband nötigen Handlungen zu setzen.

Es ist kein Grund hervorgekommen, weshalb der Beschwerdeführer, der über Identitätsdokumente und Personenstandsdokumente seines Heimatlandes verfügt, der Nachweis des Ausscheidens aus der Staatsbürgerschaft der Volksrepublik Bangladesch unmöglich oder unzumutbar sein sollte. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch wurde zwar mit Bescheide des Bundesasylamtes vom 18. Dezember 2000 für unzulässig erklärt, dies wurde jedoch einzig mit dem Schutz des Rechts auf Achtung seines Familienlebens begründet. Auch ist der Beschwerdeführer in der jüngeren Vergangenheit immer wieder nach Bangladesch gereist und hat dort 2013 auch geheiratet. Auch der Beschwerdeführer selbst gab in der mündlichen Verhandlung an, dass kein Grund erkennbar sei, aus dem ein Ausscheiden aus der Staatsangehörigkeit Bangladeschs unzumutbar sei.

Dem Beschwerdeführer ist daher die österreichische Staatsbürgerschaft für den Fall zuzusichern, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (Volksrepublik Bangladesch) nachweist.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht, Sicherung Lebensunterhalt, Richtsätze, Deutschkenntnisse, Staatsbürgerschaftsprüfung, Änderung Rechtslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.152.022.7784.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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