Entscheidungsdatum
02.11.2017Index
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht;Norm
VerG §12 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr. Nicole Stemmer über die Beschwerde des Herrn AA, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 18.07.2017, Zahl ****,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen, mündliche Verhandlung:
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 18.07.2017, Zahl ****, wurde die Gründung des Vereins „BB“ mit dem Sitz in Z, dessen Errichtung am 12. Juli 2017 der LPD Tirol SVA 3 – Vereine angezeigt wurde, gemäß § 12 Abs 1 Vereinsgesetz 2002 (VerG) iVm Art 11 Abs 2 EMRK in der derzeit geltenden Fassung nicht gestattet.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 12 Abs 1 VerG die Gründung eines Vereins nicht gestattet werde, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre. Im Errichtungsverfahren nach dem Vereinsgesetz sei zu prüfen, ob ein Nichtgestattungsgrund nach § 12 Abs 1 VerG vorliege. Gesetzwidrigkeit liege vor, wenn die Statuten eines Vereins in Widerspruch zu einer Rechtsvorschrift stünden. Auch gesetzwidrige Feststellungen in den Statuten würden dem § 12 Abs 1 VerG widersprechen (VfSlg 6800/72). Die mit 12.07.2017 der Vereinsbehörde angezeigten Statuten würden im Vereinszweck die Gesetzwidrigkeit beinhalten, dass Bescheinigungen gemäß § 6 Abs 2 FSG-DV zum Zwecke des Führerscheinerwerbs ausgestellt werden sollten ohne eine Institution gemäß § 6 Abs 2 Z 1-8 FSG-DV darzustellen, obwohl diese Tätigkeit nur taxativ aufgelisteten Organisationen vorbehalten sei. Am 20.07.2017 sei dem Proponenten gemäß § 13 Abs 3 AVG ein Verbesserungsauftrag erteilt worden. Darauf sei die Antwort ergangen, dass dem nicht nachgekommen werden würde und eine Bescheidzustellung gewünscht werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und begründete diese mit seiner Ansicht nach bestehenden Verstößen gegen mehrere Grundrechte.
Zunächst würde der bekämpfte Bescheid sein Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) verletzen. Sein Verein sei zwar nicht auf Gewinn ausgerichtet, allerdings trotzdem auf wirtschaftlichen Erfolg um seinen Vereinszweck besser und umfangreicher umsetzen zu können. Durch § 6 Abs 2 FSG-DV iVm § 45 SanG sei das Recht auf Erwerbstätigkeit beschränkt, da nur die dort in den Z 1-8 aufgelisteten Organisationen Bescheinigungen nach § 6 Abs 2 FSG-DV ausstellen dürften. Das Abhalten von Erste-Hilfe-Kursen sei zwar generell gestattet, aber faktisch fehle hier der Anreiz für die Interessenten, da sein Verein explizit auf Fahrschüler ausgerichtet sei und kein Fahrschüler einen Kurs bei seinem Verein absolvieren würde, wenn er zusätzlich noch einen bei den angeführten Institutionen absolvieren müsste. Somit sei das Abhalten der Kurse ohne eine entsprechende Bescheinigung ausstellen zu dürfen unmöglich. De facto stelle § 6 Abs 2 FSG-DV einen Eingriff in Form einer objektiven Antrittsbeschränkung dar: die genannten Organisationen seien taxativ aufgezählt während lediglich § 6 Abs 2 Z 8 einen Auffangtatbestand darstelle. Aufgrund der Tatsache, dass aktuell das Land Tirol den Auftrag des Rettungsdienstes bereits vergeben habe, sei es faktisch unmöglich einen Rettungsdienst zu eröffnen. Zudem sei eine Verpflichtung einen vollständigen Rettungsdienst einzurichten um derartige Schulungen abzuhalten bzw Bescheinigung ausstellen zu dürfen unverhältnismäßig.
Weiters beruhe der angefochtene Bescheid auf einem gleichheitswidrigen Gesetz; Art 7 B-VG schütze vor unsachlichen rechtlichen Differenzierungen. § 6 Abs 2 FSG-DV nenne explizit Organisationen, die eine derartige Bescheinigung ausstellen dürften ohne auf aktuelle Tätigkeiten Bedacht zu nehmen bzw zu überprüfen, ob die Voraussetzungen gemäß § 45 SanG immer noch vorliegen würden. Dies stelle eine rechtliche Ungleichbehandlung von gleichen Sachverhalten dar, da ein anderer Rettungsdienst somit beweisen müsse ob die Voraussetzungen vorliegen während die genannten Rettungsdienste keinen Nachweis erbringen müssten.
Des Weiteren verstoße der Bescheid gegen die Vereinsfreiheit gemäß Art 12 StGG und Art 11 Abs 1 EMRK, da es ihm durch den Bescheid unmöglich gemacht werde die Vereinsentstehung zu bewerkstelligen. Auch hier wäre eine Einschränkung des Grundrechtes nur verhältnismäßig möglich. Der Schutz der Gesundheit in Österreich und die Erhaltung der hohen Standards könne wie bereits erwähnt gelinder bewerkstelligt werden. Es sei nicht absehbar weshalb ein Rettungsdienst eröffnet werden müsse um Bescheinigungen iSd § 6 Abs 2 FSG-DV ausstellen zu dürfen. Der angefochtene Bescheid beruhe insoweit auf einem verfassungswidrigen Gesetz.
Der Beschwerdeführer stellte abschießend den Antrag das Landesverwaltungsgericht Tirol möge den Bescheid dahingehend ändern, dass der Verein der lebensrettenden Sofortmaßnahmen im Straßenverkehr entsteht und erklären, dass dieser Bescheinigungen iSd § 6 Abs 2 FSG-DV ausstellen darf.
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden. Laut dieser Bestimmung kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Für das Landesverwaltungsgericht steht der Sachverhalt aufgrund der vorliegenden Aktenlage fest und wurde dieser auch von keiner Partei bestritten; im gegenständlichen Verfahren war zudem ausschließlich eine Rechtsfrage zu klären. Vor diesem Hintergrund kann das Landesverwaltungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt des Art 6 MRK auf die Durchführung der Verhandlung verzichten (vgl VwGH 22.06.2017, Ra 2017/11/0077 mwN).
II. Nachstehender Sachverhalt steht als erwiesen fest:
Am 12.07.2017 hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde als Vereinsbehörde die Errichtung des Vereins „BB“ unter Anschluss eines Exemplars der vereinbarten Statuten schriftlich angezeigt. Gemäß § 2 dieser Statuten lautet der Zweck des Vereines wie folgt: „Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt ausschließlich die Unterweisung seiner Mitglieder in lebensrettende Sofortmaßnahmen gemäß § 64 Abs 2 KFG iVm § 6 FSG-DV und Ausstellung einer Bescheinigung, zum Zwecke des Führerscheinerwerbs gem. § 6 Abs 2 FSG-DV ohne eine Institution iSd § 6 Abs 2 Z 1-8 FSG-DV in der geltenden Fassung darzustellen.“
Die belangte Behörde ist daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2017 an den Beschwerdeführer herangetreten und hat um „genauere Erläuterungen des Punktes „Die Ausstellung einer Bescheinigung, zum Zwecke des Führerscheinerwerbs gem. § 6 Abs 2 FSG-DV ohne eine Institution iSd § 6 Abs 2 Z 1-8 FSG-DV in der geltenden Fassung darzustellen“ ersucht; zudem wurden Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit dem Sitz und den Obliegenheiten einzelner Vorstandsmitglieder aufgezeigt und diesbezüglich um Änderung ersucht.
Mit Mail vom 20.07.2017 wurden die beiden letztgenannten Änderungen vorgenommen. Zum Vereinszweck gab der Beschwerdeführer folgende Erläuterung ab: „Zweck ist es den Jugendlichen bzw jungen Erwachsenen (selbstverständlich auch älteren Personen, soweit für den Führerscheinerwerb notwendig) die Unterweisung in lebensrettende Sofortmaßnahmen mittels eines mehrstündigen Unterrichts durch geschultes Personal zu vermitteln gem. § 64 Abs 2 KFG iVm § 6 Fsg-Dv. Es soll eine Bescheinigung gem. § 6 Abs 2 Fsg-DV ausgestellt werden (also einen Nachweis für die Unterweisung in lebensrettende Sofortmaßnahmen, wie Ihn § 64 Abs 2 KFG vorsieht). Der Verein geht aber weder Kooperationen mit den in § 6 Abs 2 Fsg-DV erwähnten Institutionen ein, noch soll der Verein einen eigenständigen Rettungsdienst darstellen bzw. einen zur Ausbildung zum Rettungssanitäter befugte Institution darstellen.“
Mit Mail der belangten Behörde vom 20.07.2017 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass der Vereinszweck im Widerspruch zu (näher angeführten) geltenden gesetzlichen Bestimmungen steht und daher die Vereinserrichtung in der derzeitigen Fassung durch die Vereinsbehörde zu untersagen wäre. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt dazu eine Stellungnahme abzugeben. Mit Mail vom 20.07.2017 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er keine weitere Stellungnahme abgeben werde und ersuchte „den negativen Bescheid samt Begründung zuzustellen“. In der Folge erging der nunmehr angefochtene Bescheid.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt aus der dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage und ist im Übrigen nicht strittig.
IV. In rechtlicher Hinsicht folgt:
Gemäß § 12 Abs 1 des Bundesgesetzes über Vereine (Vereinsgesetz 2002 - VerG) hat die Vereinsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 11 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, mit Bescheid zu erklären, dass die Gründung eines Vereins nicht gestattet wird, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt Gesetzwidrigkeit dann vor, wenn die Statuten eines Vereines in Widerspruch zu einer Rechtsvorschrift stehen (VfSlg. 3751/60, 4044/61, 4319/62, 6800/72, 9364/82). Auch gesetzwidrige Feststellungen in den Statuten widersprechen dem § 6 VerG 1951; nunmehr § 12 Abs 1 VerG 2002 (VfSlg. 6800/72; vgl Fessler/Keller, Vereins- und Versammlungsrecht2, 2009, zu § 12 Abs 1 Pkt 1., S 124).
Ein solcher Widerspruch zu einer Rechtsvorschrift liegt im gegenständlichen Fall vor. § 2 der vorgelegten Vereinsstatuten sieht als Vereinszweck ua die „Ausstellung einer Bescheinigung, zum Zwecke des Führerscheinerwerbs gem. § 6 Abs 2 FSG-DV ohne eine Institution iSd § 6 Abs 2 Z 1-8 FSG-DV in der geltenden Fassung darzustellen“ vor.
Der hier relevante § 6 Abs 2 der Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung (FSG-DV) lautet dabei wie folgt:
„(2) Der Nachweis über die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen ist durch eine Bescheinigung einer Dienststelle, bei der die Unterweisung vorgenommen wurde, folgender Institutionen zu führen:
1. des Österreichischen Roten Kreuzes,
2. des Arbeiter-Samariter-Bundes Österreichs,
3. des Hospitaldienstes des souveränen Malteser Ritterordens,
4. einer Ärztekammer,
5. des Rettungs- oder Krankenbeförderungsdienstes einer Gebietskörperschaft,
6. der Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich,
7. des Grünen Kreuzes – österreichweiter eigenständiger Rettungs-, Krankentransport und Sanitätshilfsdienst,
8. sonstiger Einrichtungen, denen gemäß § 45 des Bundesgesetzes über die Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter – SanG, BGBl. I Nr. 30/2002, das Modul zur Ausbildung zum Rettungssanitäter bewilligt wurde.“
§ 6 Abs 2 FSG-DV sieht somit taxativ vor, welche Institutionen eine Bescheinigung für die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen nach dem Führerscheingesetz ausstellen dürfen. Der angezeigte Verein hält dabei bereits in den Statuten fest, dass er keine Institution iSd § 6 Abs 2 ist; zudem hat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 20.07.2017 ausgeführt, dass der Verein keinen eigenständigen Rettungsdienst bzw eine zur Ausbildung zum Rettungssanitäter befugte Institution darstelle.
Da der vom Beschwerdeführer angezeigte Verein somit unstrittig nicht zu den unter § 6 Abs 2 Z 1-8 FSG-DV aufgezählten Institutionen zählt verstoßen die eingereichten Statuten des Vereins „BB“, die das Ausstellen von Bescheinigungen iSd § 6 Abs 2 FSG-DV vorsehen, gegen die geltende Rechtsvorschrift des § 6 Abs 2 FSG-DV. Die Nicht-Gestattung der Vereinsgründung unter Berufung auf § 12 Abs 1 VerG erfolgte daher zu Recht.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung mehrerer näher bezeichneter verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte vorbringt, vermag das Landesverwaltungsgericht diese Bedenken nicht zu teilen.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt insbesonders keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG vor, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, was im gegenständlichen Fall gegeben ist (vgl dazu die hg Beschlüsse vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053 und vom 29.06.2016, Ra 2016/05/0052,0053). Weiters weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Verfassungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung oder ist diese als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Nicole Stemmer
(Richterin)
Schlagworte
Nichtgestattung der Vereinsgründung; Statuten; Widerspruch zu Rechtsvorschrift;Anmerkung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.45.1910.3Zuletzt aktualisiert am
10.07.2018