Entscheidungsdatum
14.11.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W159 2152124-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Eritrea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 23.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.10.2017 zu Recht erkannt:
A)
Dem Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF stattgegeben und XXXX der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetztes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin von Eritrea, gelangte (spätestens) am 05.04.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich. Sie reiste gemeinsam mit ihrem Sohn XXXX in das Bundesgebiet ein. Sie stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem sie sogleich durch die LPD XXXX , Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, einer Erstbefragung nach dem Asylgesetz unterzogen wurde.
Dort wurde festgehalten, dass sie Muslimin sei, mit ihrem Sohn ihren Herkunftsstaat bereits im Februar 2010 verlassen habe und in den Sudan geflüchtet sei, wo sie sich bis zur Flucht nach Europa und Österreich aufgehalten habe.
Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass der Vater ihrer Sohnes Gegner der Regierung gewesen und vor ihren Augen getötet worden sei. Sie sei in der Folge immer wieder bedroht worden und habe keine Ruhe gehabt. Sie habe Angst um ihr Leben und das Leben ihres Sohnes.
In der Folge wurde ein Konvolut an Unterstützungsschreiben bzw. eine Unterschriftenliste für die Beschwerdeführerin und ihren Sohn übermittelt, wobei insbesondere die XXXX als Fürsprecherin auftrat.
Es wurde mehrmals die Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme mit der Beschwerdeführerin urgiert und am 17.03.2017 schließlich eine solche mit der Beschwerdeführerin vor dem BFA, RD Steiermark, durchgeführt.
Dabei erklärte sie, dass es ihr gut gehe und sie nicht in ärztlicher Behandlung stehe.
Sie habe bislang der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, es sei jedoch nicht alles richtig protokolliert worden.
Sie legte in Kopie Ausweise ihrer Eltern vor. Ihre Eltern und drei Geschwister würden in Kanada leben. Im Übrigen legte sie Deutschkursbestätigungen und eine Bestätigung über ihre Freiwilligentätigkeit beim XXXX vor.
Ihre Identitätsdokumente seien ihr in Griechenland abgenommen worden. Konkret habe sie einen Pass, Geld und eine Geburtsurkunde für ihren Sohn mit sich geführt. Kopien könne sie keine mehr vorlegen.
Ihr Pass sei gefälscht gewesen und ihr im Sudan ausgestellt worden. Sie sei in XXXX geboren worden, gehöre der Volksgruppe Tigrigna und der katholischen Glaubensrichtung an. Die Ausführungen in der Erstbefragung seien dahingehend falsch.
Aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit habe sie in Eritrea keine Probleme gehabt. Ihr Sohn sei ebenso in XXXX geboren worden und machte sie Angaben zu ihrem Aufenthaltsort im Herkunftsstaat. Mit dem Vater ihres Sohnes sei sie verheiratet, dieser sei jedoch umgebracht worden. Sie habe geheiratet, nachdem sie mit dem Nationaldienst fertig gewesen sei. Sie habe noch einen weiteren Sohn, der einen anderen Vater habe. Dieser lebe im Sudan. Zu diesem Sohn habe sie keinen Kontakt, da sie wegen diesem mit ihrer Familie Probleme gehabt habe. Ihr zweiter Sohn heiße XXXX und sei im Jahr XXXX geboren. Dieser sei nun seit ca. 2 Monaten bei ihrer Schwester im Sudan.
Auf Vorhalt, dass sie in der Erstbefragung eine andere Person als Ehemann angegeben habe, meinte sie, dass es sich bei der dort angeführten Person nur um einen Freund handle. Dieser habe auch Probleme gehabt und sei auch weggegangen. Mit diesem habe sie seit ca. 6 Jahren keinen Kontakt mehr.
Mit dem Vater von XXXX sei sie traditionell und offiziell verheiratet gewesen, sei dieser aber verstorben.
Sie habe 10 Jahre lang die Schule besucht und als Kellnerin gearbeitet. Sie habe auch eine Ausbildung als Köchin gemacht. Im Herkunftsstaat sei sie auch von ihrem Vater unterstützt worden. Sie habe noch eine Schwester in Eritrea. Diese lebe in XXXX . Sie habe 4 Jahre lang ab 1998 den Nationaldienst geleistet und Eritrea im Jahr 2010 illegal verlassen.
Im Sudan seien sie und ihr Sohn nicht registriert gewesen. Sie habe dort nie versucht ihren Aufenthalt zu legalisieren, da sie weiter nach Libyen reisen habe wollen, jedoch zu wenig Geld gehabt habe. Sie könne ihren Aufenthalt in Sudan auch nicht nachweisen. Ihr sei dort von ihrer Schwester aus Kanada Geld geschickt worden.
Im Sudan sei es für sie als Christin sehr schwierig gewesen. Frauen seien dort verhüllt und es gebe für Frauen dort keine Sicherheit. Zwischen Eritrea und dem Sudan gebe es im Übrigen ein Abkommen, wonach Jugendliche in den Sudan zurückgeschickt werden könnten. Im Sudan habe sie nicht frei leben können.
Befragt, wieso ihre Eltern in Kanada seien, meinte sie, in Griechenland erfahren zu haben, dass ihr Sohn Eritrea verlassen habe. Kurze Zeit später sei ihr Vater verhaftet worden, weil die Behörden eine Unterstützung des Sohnes bzw. der Beschwerdeführerin unterstellt hätten. Ihr Vater habe auch schon früher einmal Probleme mit der Polizei bekommen. Ihr Mann sei damals mitgenommen worden und ihr Vater habe sich eingemischt und sei deshalb kurz inhaftiert worden. Ihre Eltern hätten vor ca. vier Monaten einen positiven Asylbescheid in Kanada erhalten; ihre älteste Schwester sei schon länger dort und arbeite als Krankenschwester. Eine Tante habe dort schon gelebt. Sie sei nach Europa und nicht nach Kanada gegangen, da der ganze Prozess so lange dauere und sie dafür keine Zeit gehabt habe.
Befragt, ob sie in Eritrea jemals unmittelbar bedroht, mitgenommen oder verletzt worden sei, meinte sie, einmal im Gefängnis gewesen zu sein, als sie schwanger gewesen sei. Sie sei ca. acht Monate lang im Gefängnis gewesen. Es sei ihr vorgeworfen worden, sie sei absichtlich schwanger geworden, um dem Nationaldienst zu entgehen. Ein Monat vor der Geburt ihres Kindes sei sie freigelassen worden. Befragt, ob es normal sei, dass so etwas passiere, meinte sie, dass es vorkomme.
Zum Grund für das Verlassen von Eritrea befragt, gab sie an, sie habe dort nicht in Frieden leben können. Ihr Mann habe oft Schwierigkeiten gehabt. Sogar nachdem dieser verstorben sei, seien sie oft zu ihr gekommen, hätten immer Sachen – Dokumente – von ihrem verstorbenen Mann verlangt. Sie wisse aber nicht, was sie gewollt bzw. gesucht hätten.
Bereits kurz nachdem ihr Mann verstorben sei – ihr Sohn sei damals ein Jahr und vier Monate alt gewesen – habe es angefangen. Nach dem Tod ihres Mannes sei sie noch fast zwei Jahre in XXXX aufhältig gewesen.
Ihr Mann habe Schwierigkeiten gehabt, habe ihr aber nicht viel erzählt und wisse sie nicht, um welche Probleme es sich gehandelt habe. Er habe ihr lediglich gesagt, dass sie das Land verlassen müssten. Ihr Mann sei nicht immer bei ihnen zuhause gewesen, sondern sei nur auf Besuch gekommen. Ihr Mann sei aus beruflichen Gründen in XXXX gewesen. Hauptsächlich habe sie mit ihrem Sohn alleine in XXXX gelebt und habe viel Zeit bei ihrer Familie verbracht.
Auf Vorhalt, dass sie von politischen Gründen geschildert habe, meinte sie, dass sie von verschiedenen Leuten gehört habe, dass man Probleme bekomme, wenn man anderen Leuten helfe, Eritrea zu verlassen. Wie dies mit den Problemen ihres Mannes zusammenhänge, wisse sie nicht. Sie habe nur gehört, dass dieser bei Konferenzen teilgenommen und Parteimitglieder – auch Gefangene – unterstützt habe. Ihr verstorbener Mann habe ihr aber nichts dazu erzählt.
Befragt, für welche Partei ihr verstorbener Mann tätig gewesen sei, meinte sie, dass dieser mit "denen" zusammengearbeitet habe. Ihr Mann sei Polizist gewesen.
Sie wisse nicht, warum er verstorben sei. Damals, als dieser mitgenommen worden sei, habe sie schon Fragen gestellt. Es sei damals auch ihr Vater dabei gewesen. Sie sei, weil sie immer Fragen gestellt habe, von einem Polizisten auf den Kopf geschlagen worden. Sie hätten dann Schüsse gehört und hätten sie danach erfahren, dass ihr Mann verstorben sei. Sie wisse nicht, ob er unmittelbar bei der Mitnahme getötet worden sei. Sie habe ca. zwei Wochen später davon erfahren. Sie habe nachgefragt und hätten manche gemeint, ihr Mann sei durch den Schuss nur verletzt worden. Wann ihr Mann verstorben sei, wisse sie demnach nicht.
Befragt, ob die Polizei gesagt habe, warum sie ihn mitnehmen hätten wollen, meinte sie, dass er extra Urlaub genommen habe und sie nach drei Tagen gekommen sei. Sie habe die Tür aufgemacht und ihrem Mann gesagt, dass Polizisten da wären. Ihr Mann sei dann weggelaufen und die vier Polizisten seien ihrem Mann gefolgt.
Sie wisse nicht, was der Hauptgrund für das Auftauchen der Polizisten gewesen sei.
Sie habe schließlich die Information erhalten, dass ihr Mann verstorben sei. Sie habe jedoch die Leiche nie gesehen. Sie sei von einem Arbeitskollegen ihres Mannes darüber informiert worden.
Auf ihre eigenen Probleme angesprochen, meinte sie, dass sie immer wieder zu ihnen gekommen seien. Sie hätten sie immer wieder bedroht und befragt. Sie hätten auch gemeint, sie wisse genau, was ihr Mann getrieben habe. Es seien mehr Informationen von ihr gefordert worden.
Befragt, ob sie jemals unmittelbar bedroht worden sei oder es zu körperlichen Übergriffen gekommen sei, verneinte sie.
Befragt, was sie nach fast zwei Jahren veranlasst habe, das Land zu verlassen, meinte sie, dass sie in Frieden leben habe wollen, was ihr jedoch nicht möglich gewesen sei.
Seitens der Regierung sei sie nicht bedroht worden. Es seien die Behörden gewesen, die ihr immer Stress gemacht hätten. Nachdem ihr Vater dies alles mitbekommen habe, habe ihr dieser empfohlen das Land zu verlassen.
Auf Vorhalt ihrer Ausführungen in der Erstbefragung, wo sie erklärte, der Vater ihres Sohnes sei vor ihren Augen getötet worden und habe sie Angst, von den Regierungsgegnern getötet zu werden, meinte sie, es könne sein, dass sie das aufgrund des Stresses gesagt habe. Es stimme aber nicht ganz. Sie habe eingangs schon gemeint, dass das Protokoll der Erstbefragung nicht richtig sei. Sie habe nur gesagt, dass sie gehört habe, wie sie geschossen hätten. Es sei so gewesen, wie sie es in der heutigen Einvernahme sage. Hätte sie dort Frieden gehabt, hätte sie nicht so viel Geld bezahlt, um hierher zu kommen. Sie seien immer zu Fuß unterwegs gewesen. Es sei gefährlich gewesen, mit ihrem Sohn hierher zu kommen.
Auf Nachfrage, ob sie die Hintergründe nennen könne, warum ihr Haus durchsucht worden sei, meint sie, es nicht zu wissen. Da sie auch Bücher durchsucht hätten, vermute sie, dass sie Dokumente gesucht hätten.
Über den gesamten Zeitraum bis zu ihrer Ausreise seien sie alle zwei bis drei Wochen gekommen. Sie seien einfach gekommen, hätten die Wohnung durchsucht und seien wieder gegangen. Sie hätten ihr immer wieder nur gesagt, sie würden wissen, was ihr Mann gemacht habe. Sie sei aufgefordert worden, die Wahrheit zu sagen, bevor ihr etwas zustoße.
Ihr Vater habe ihr schließlich geholfen, das Land zu verlassen. Danach sei sie von ihrer Schwester unterstützt worden.
Befragt, wie sie im Lichte der befürchteten Bedrohung seitens der Behörden das Land mit einem Kleinkind verlassen habe, meinte sie, dass sie die dies durch Arbeitskollegen ihres Mannes geschafft habe. Es sei auch ein Freund von ihr gewesen und habe alles organisiert.
Es wäre ihr nicht möglich, woanders in Eritrea zu leben. Sie sei oft bei ihren Eltern und auch einmal bei einer Freundin gewesen, sei ihr Aufenthalt dort aber in Erfahrung gebracht worden.
Der Beschwerdeführerin wurden Länderinformationen zum Herkunftsstaat vorgehalten und erklärte sie zu diesen, dass die Leute mit der Regierung nicht zufrieden seien und die Bevölkerung unter der allgemeinen Lage leide.
Ihr Sohn habe keine eigenen Fluchtgründe.
Sie habe hier viele Freunde, wolle die Sprache schnell lernen, Arbeit finden und hier mit ihrem Sohn in Frieden leben.
Sie legte Deutschkursbestätigungen und eine Bestätigung des XXXX über ihr Engagement als Freiwillige vor.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2017 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, der Beschwerdeführerin in Spruchteil II. der Status einer subsidiär Schutzberechtigten erteilt und ihr in Spruchteil III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 22.03.2018 erteilt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Eritrea getroffen.
Dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsland der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Vielmehr habe sie keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen nicht den Anforderungen entspreche, um dieses als glaubwürdig zu beurteilen.
So seien die Vorbringen in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA nicht miteinander in Einklang zu bringen. So habe sie erst in der Einvernahme vor dem BFA erwähnt, dass ihr Mann Polizist gewesen sei, habe sie jedoch weder hiezu noch zum Grund, weshalb dieser verfolgt worden sei, irgendwelche Details bzw. konkreten Angaben tätigen können. Auch das weitere Vorbringen betreffend eine versuchte Festnahme und Ermordung ihres Mannes sei vollkommen vage und detailarm geblieben.
Widersprüchlich habe sie auch in der Erstbefragung gemeint, ihr Mann sei von Regierungsgegnern getötet worden, in der Einvernahme habe sie davon gesprochen, dass dieser seitens der Polizei verfolgt worden und selbst Polizist gewesen sei.
Es sei auch ihre persönliche Bedrohung nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Sie sei über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren regelmäßig von der Polizei aufgesucht worden, wisse aber nicht einmal, wonach gesucht worden sei. Dies stehe im Übrigen zu ihrem Vorbringen im Widerspruch, wonach sie vor Regierungsgegnern Angst gehabt habe.
Sie habe auch ihre Familienverhältnisse durchwachsen dargestellt.
Die Beschwerdeführerin habe auch bereits den Nationaldienst abgeleistet und werde in Eritrea auch nicht als Christin verfolgt.
Im Übrigen habe sie sich über Jahre im Sudan aufgehalten, wo sie ihren Aufenthalt leicht legalisieren hätten können.
Zu Spruchteil I. wurde ausgeführt, dass im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte vorlägen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in das Herkunftsland künftig Verfolgung im Sinne der GFK drohen würde. Aus der allgemeinen Lage in Eritrea könne eine solche nicht abgeleitet werden und das Vorbringen sei insgesamt als unglaubwürdig zu bezeichnen gewesen. Der Wunsch nach Emigration in der Erwartung besserer Verdienstmöglichkeiten bzw. dem Wunsch nach besseren Lebensverhältnissen in Österreich würden die Gewährung von Asyl nicht rechtfertigen.
Zu Spruchteil II. wurde aufgrund individueller Faktoren davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin als alleinerziehende Mutter ohne familiären Anschluss und nach einer mehrjährigen Abwesenheit für den Fall einer Rückkehr nach Eritrea in eine ausweglose Lage geraten würde.
Gegen Spruchteil I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch den XXXX , (in einem gemeinsamen Schriftsatz mit ihrem Kind), fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Darin wurde eingangs hervorgestrichen, dass die Beschwerdeführerin eine Verfolgung aus politischen Gründen bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angegeben habe. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei wegen der ihm unterstellten regierungsfeindlichen Gesinnung ermordet worden. Auch die Beschwerdeführerin sei in der Folge wegen dieser Assoziation drangsaliert worden und befürchte sie, ebenfalls verhaftet und ermordet zu werden. Auch die Eltern und die drei Geschwister der Beschwerdeführerin hätten aufgrund des Verfolgungsdrucks flüchten müssen.
Die Begründung der belangten Behörde für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens sei in keiner Weise nachvollziehbar, beschränke sich auf Zitaten aus dem Protokoll und aus Textbausteinen. Auch habe sich die belangte Behörde zu Unrecht auf angebliche Divergenzen in der Einvernahme vor dem BFA gegenüber der polizeilichen Erstbefragung gestützt. Diese sei gesetzlich nicht einmal dazu gedacht, die Fluchtgründe eines Asylwerbers erschöpfend darzustellen.
Es könne der Beschwerdeführerin auch eine Weiterreise aus dem Sudan nach Europa nicht als gegen ihre Verfolgung sprechend vorgehalten werden, sei der Sudan doch kein sicheres Drittland. Die Beschwerdeführerin habe auch dargelegt, dass ihr ein weiterer Aufenthalt dort nicht zumutbar gewesen sei.
Sie habe auch keine abweichenden Angaben zu ihren Familienangehörigen gemacht, sondern habe sie schlicht zwei Kinder von verschiedenen Vätern.
Es wurde auch moniert, dass sich die belangte Behörde in der Beweiswürdigung gar nicht mit den eigentlichen Fluchtgründen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt habe. So sei die Gefährdung aufgrund der ihr und ihrer Familie unterstellten politischen Gesinnung überhaupt keiner Beurteilung unterzogen worden. Auch die Länderberichte würden keinen Bezug zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin aufweisen.
In der Folge wurden Berichte zur allgemeinen Menschenrechtslage in Eritrea und zur Behandlung von Rückkehrern wiedergegeben, aus denen sich zusammenfassend eine erschreckende Situation in Eritrea ergebe. Im Lichte dieser Länderinformationen sei auch das individuelle Vorbringen als glaubwürdig zu beurteilen. Die belangte Behörde sei demnach ihren amtswegigen Ermittlungspflichten nicht nachgekommen und habe mangelhaft ermittelt. Sie hätte sich mit den individuellen Verfolgungsgründen der Beschwerdeführerin auseinandersetzen müssen und außerdem mit der aktuellen Situation in Eritrea für die Beschwerdeführerin für den Fall einer Rückkehr dorthin.
Mit Schreiben vom 08.07.2017 wurde um rasche Anberaumung einer mündlichen Verhandlung bzw. um rasche Entscheidung ersucht, da die Beschwerdeführerin durch ihre gegenwärtige Situation in Österreich sehr belastet sei.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 13.10.2017 an, zu der die belangte Behörde keinen Vertreter entsandte und die Beschwerdeführerin in Begleitung eines Mitarbeiters ihrer ausgewiesenen Vertretung erschienen ist.
Sie legte ein Teilnahmezertifikat über die Teilnahme an einem Kurs für den Einstieg in Pflege- und Betreuungsberufe vor.
Sie erklärte, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen.
Ihr Vorbringen hielt sie aufrecht, erklärte, dass in der Erstbefragung vieles nicht richtig gewesen sei. Sie sei Christin und nicht Muslimin. Sie habe damals auch nicht gesagt, dass es in Eritrea Oppositionelle gebe. Solche gebe es im Ausland. In Eritrea selbst könne man sich nicht oppositionell betätigen. Selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte sie sich nicht oppositionell betätigen können. Sie hielt ausdrücklich fest, nicht von der Opposition, sondern von der Regierung verfolgt worden zu sein.
Sie sei Staatsangehörige von Eritrea, wobei sie Unterlagen zur Identität an Polizisten in Griechenland abgegeben habe. Die im Akt befindlichen Passteile/Visa seien Kopien ihrer Eltern. Sie habe damit ihre Herkunft aus Eritrea beweisen wollen.
Sie sei in XXXX geboren worden und habe dort in einem näher genannten Bezirk gewohnt. Bis zu ihrer Ausreise in den Sudan im Jahr 2010 habe sie sich dort aufgehalten. Im Sudan habe sie fünf bis sechs Jahre verbracht. Die Reise aus dem Sudan nach Österreich habe ca. 3 bis 4 Monate gedauert.
Sie sei römisch-katholisch und gehöre der Volksgruppe Tigrinya an. Ihre Eltern würden in Kanada leben und hätten dort Asyl bekommen. Sie habe 10 Jahre lang die Schule besucht und 4 Jahre lang den Nationaldienst abgeleistet. Befragt, unter welchen Umständen sie den Nationaldienst beendet habe, meinte sie, dass dies das Schlimmste gewesen sei. Sie sei wie ein normaler Soldat dort gewesen. Sie habe damals schon fliehen wollen, sei aber erwischt worden. Sie sei ins Gefängnis gekommen und dann schwanger geworden.
Befragt, ob sie vergewaltigt worden sei, bejahte sie dies und erklärte, aufgrund der Schwangerschaft vom Nationaldienst entlassen worden zu sein.
Der Beschwerdeführerin wurde § 20 AsylG 2005 vorgehalten, wonach ein Anspruch auf einen Richter gleichen Geschlechtes nur dann bestehe, wenn ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vor dem BFA oder spätestens in der Beschwerde behauptet wurde.
Sie habe dann mit ihren Eltern gelebt, die sie unterstützt hätten. Auch selbst habe sie in einem Geschäft als Verkäuferin gearbeitet. Wirtschaftliche Probleme habe sie nicht gehabt.
Sie sei zwei Mal verheiratet gewesen. Ihr erster Mann sei Vater ihres mit ihr in Österreich lebenden Sohnes. Ihr erster Mann sei verstorben.
Sie führte den Namen ihres zweiten Mannes an, wobei sie keine Informationen habe, wo sich ihr Mann aufhalte. Auf Vorhalt wonach sie in der Erstbefragung erklärt habe, dass dieser seit ungefähr 2014 irgendwo in Europa aufhältig sei, meinte sie, dass sie dies im Sudan von ein paar Leuten gehört habe. Sie wisse nicht, wo sich dieser aufhalte und wolle auch keinen Kontakt mit ihm.
Sie habe zwei Söhne, wobei ihr älterer Sohn XXXX heiße und im Jahr XXXX geboren worden sei. Dieser lebe bei ihrer jüngeren Schwester im Sudan. Sie habe sich in Eritrea nicht politisch betätigt. Ihr erster Mann sei ein Soldat gewesen, was aber in Eritrea nicht heiße, dass er immer als Soldat tätig gewesen sei. Sie hätten ihn immer wieder als Soldat geholt. Er sei selten bei ihnen und vielmehr monatelang weggewesen.
Die meiste Zeit habe er sich in der Arbeit befunden. Er sei in XXXX stationiert gewesen.
Befragt, ob sich ihr Mann irgendwie politisch betätigt habe, meinte sie, dass es ihr leidtue und sie keine Fehler machen wolle. Sie wisse nicht, was dieser genau gemacht habe.
Ihr Mann habe oft Probleme mit den Behörden in Eritrea gehabt. Ihr Mann habe sie nicht darüber informiert, sie wisse aber von anderen Leuten, dass dieser heimlich Leuten aus Gefängnissen bei der Flucht behilflich gewesen sei.
Befragt, wie es zur Entführung bzw. zum Tod ihres Mannes gekommen sei, meinte sie, dass damals alles so schnell gegangen sei. Es sei bei ihnen zuhause gewesen. Es seien plötzlich ein paar Leute gekommen und hätten an der Tür geklopft. Sie habe die Tür aufgemacht, sich umgedreht und ihren Mann informiert, dass die Polizei da sei. Ihr Mann habe darauf komisch reagiert, sei vom Sessel aufgesprungen und durch die zweite Tür hinaus ins Freie gelaufen.
Ihr Vater und sie selbst seien dann auch herausgegangen. Ein Polizist habe ihr befohlen, ins Haus zurückzugehen. Dieser habe sie angefasst und habe sie plötzlich ein Schlag auf dem Kopf getroffen. Diese Verletzung habe genäht werden müssen.
Auf weitere Befragung, was dann mit ihrem Mann passiert sei, erklärte sie, dass sie beim ersten Interview nicht gesagt habe, dass er vor ihren Augen auf der Stelle umgebracht worden sei. Sie habe durch die Schläge viel Blut verloren und habe ihrem Mann nicht helfen können. Ihr Vater habe dann die Sache mit dem Polizisten klären wollen, aber dieser sei einfach ignoriert worden. Nach ein paar Minuten hätten sie einen Schuss gehört. Ihr Vater sei dann nervös geworden. Er habe herausfinden wollen, warum die Polizisten gekommen seien, aber sie hätten ihm das nicht erlaubt.
Es sei bis jetzt nicht geklärt, ob ihr Mann durch diesen Schuss gleich tot gewesen sei. Sie habe nur von anderen gehört, dass ihr Mann auf der Stelle ums Leben gekommen sei. Andere hätten aber behauptet, dass ihr Mann mit dem Auto mitgenommen worden sei.
Eine offizielle Nachricht über den Tod ihres Mannes habe sie nicht erhalten. Niemand habe sie informiert. In Eritrea würde man so etwas nicht mitteilen. Durch einen Kollegen ihres Mannes habe sie aber erfahren, dass ihr Mann gestorben sei. Es sei demnach auch nicht möglich gewesen, ihren Mann zu bestatten.
Der Vorfall, bei dem ihr Mann ums Leben gekommen sei, sei im Jahr 2009 gewesen. Ihr jüngerer Sohn sei damals ca. 2 Jahre alt gewesen. Sie habe auch schon vor diesem Vorfall Probleme mit den Behörden in Eritrea gehabt.
Das erste Problem sei gewesen, dass sie selbständig sein und ihre Söhne aufziehen habe wollen. Von ihrem ersten Mann habe sie keine Unterstützung erhalten, weil dieser die meiste Zeit weggewesen sei. Die Behörden in Eritrea würden einfordern, dass die Bürger ohne Bezahlung für den Staat arbeiten, was für sie nicht möglich gewesen sei, da sie Kinder zu ernähren gehabt habe.
Befragt, ob sie wieder zum Nationaldienst eingezogen worden sei, erklärte sie, dass Frauen mit Kindern nicht gleich zum Nationaldienst müssten, jedoch soziale Dienste leisten müssten.
Der Beschwerdeführervertreter ergänzte, dass die Beschwerdeführerin gar nicht heiraten habe wollen, dies aber notwendig gewesen sei, um nicht wieder eingezogen zu werden.
Befragt, ob sie nach dem Tod ihres Mannes persönlich konkrete Probleme mit den Behörden gehabt habe, meinte sie, dass sie etwas Weiteres bislang nicht gesagt habe. Die Polizisten seien oft zu ihnen nachhause gekommen und hätten die Wohnung durchsucht. Sie könne nur vermuten, dass sie irgendein Dokument gesucht hätten. Sie sei auch mehrmals von den Polizisten vergewaltigt worden und hätten diese ihr mit dem Umbringen gedroht, falls sie andere Leute darüber informiere. Über so etwas zu erzählen, sei in Eritrea eine Schande. Lediglich sie und ihr Vater würden darüber Bescheid wissen.
Bei früheren Befragungen sei im Übrigen ein Dolmetscher dabei gewesen, der aus ihrem Land stamme. Vor diesem sei es für sie nicht so leicht möglich gewesen, darüber zu berichten. Mittlerweile wisse sie, dass es normal sei, darüber zu sprechen und hier ein normales Gespräch stattfinde.
Die Polizisten hätten sie auch verhört und hätten Informationen über die Tätigkeiten ihres Mannes haben wollen. Sie wisse jedoch nichts darüber. Bis heute wisse sie nicht, was ihr Mann gemacht habe. Sie habe damals auch nichts sagen können und wisse selbst nicht genau, was die Polizisten von ihr wollen hätten. Ihr Mann hätte ihr auch nichts davon erzählt, wenn er irgendwelche Sachen gemacht hätte.
Sie sei von den Polizisten nicht geschlagen, aber bedroht worden.
Nach dem Tod ihres Mannes seien sie das erste Mal einen Monat danach gekommen. In der Folge seien sie oft gekommen, wobei es nicht dieselben Leute gewesen seien. Es sei sehr unterschiedlich gewesen. Manchmal seien sie alle zwei Wochen gekommen, manchmal einmal im Monat. Für die Beschwerdeführerin sei die Situation sehr schwierig gewesen.
Sie habe sich nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr ganz zwei Jahre lang in Eritrea aufgehalten. Es seien mindestens eineinhalb Jahre gewesen.
Sie wisse es nicht mehr genau, sie sei aber zumindest zehn Mal von den Polizisten vergewaltigt worden.
Nach dem unmittelbaren Grund für die Ausreise aus Eritrea gefragt, erklärte sie, ursprünglich nicht den Plan gehabt zu haben, ihr Heimatland zu verlassen. Nachdem ihr Mann gestorben sei, sei die Situation schwierig für sie gewesen. Auch das häufige Auftauchen der Polizei und die wiederholten Vergewaltigungen durch die Polizei hätten sie veranlasst, das Land zu verlassen.
Befragt, wann und wie sie ausgereist sei, meinte sie, sich nicht ganz sicher zu sein. Sie sei zuerst nach XXXX gefahren. Mit einem kleinen Auto – einem Jeep – seien sie dann kurz weitergefahren und anschließend zu Fuß über die Grenze gegangen.
Bei der Ausreise habe sie keinen Reisepass und keine Identitätskarte mit sich geführt. Erst im Sudan habe sie sich eine gefälschte ID Karte ausstellen lassen, um in die Türkei zu gelangen. Sie habe aber eine Geburtsurkunde von ihrem Sohn und eine Einwohnerbescheinigung für sich selbst für Eritrea mit sich geführt.
Mit ihrem kleinen Sohn sei es schwierig gewesen, die Grenze in den Sudan zu passieren. Am Tag sei dies zu gefährlich gewesen. Sie seien deshalb in der Nacht mit Hilfe eines Schleppers über die Grenze in den Sudan gegangen. Sie habe keinen Aufenthaltstitel im Sudan gehabt.
Sie sei dort von ihrer Schwester, die in Kanada lebe, finanziell unterstützt worden. Sie habe bei ihrer Schwester im Sudan gelebt. Ihre jüngere Schwester sei damals noch nicht im Sudan gewesen. Diese sei beim Nationaldienst gewesen.
Befragt, wann und warum sie den Sudan verlassen habe, meinte sie, dass man dort als Christ Schwierigkeiten habe. Sie habe sich dort verschleiern und die Regeln der Muslime einhalten müssen. Sie seien dort als Flüchtlinge auch nicht willkommen gewesen.
Sie habe noch zu ihren Eltern und ihrer Schwester in Kanada Kontakt.
Mit in Eritrea lebenden Verwandten habe sie keinen Kontakt mehr. Mit ihrer Schwester, die im Sudan lebe, habe sie manchmal Kontakt. Sie habe damals erst in Griechenland erfahren, dass ihr Sohn Eritrea verlassen habe. Dann habe sie für längere Zeit keinen Kontakt mehr gehabt. Später habe sie erfahren, dass dieser nach Äthiopien geflohen sei und weiter in den Sudan. Ihr Sohn sei damals alleine mit seinen Freunden geflohen. Sie könne hiezu nichts Näheres berichten.
Sie und ihr mit ihr im Bundesgebiet aufhältiger Sohn würden an keinen aktuellen organischen oder psychischen Erkrankungen leiden. Sie habe sich am Anfang in psychotherapeutische Behandlung begeben, aber durch Medikamente zB durch Schlaftabletten sei es ihr besser gegangen.
In Österreich wolle sie als Altenpflegerin arbeiten. Sie besuche einen Deutschkurs, nächsten Monat habe sie eine Prüfung und werde dann eingestuft. Sie habe auch schon einen Vorbereitungskurs für Pflege- und Betreuungskurse besucht.
Ihr Sohn besuche die 4. Klasse Volksschule. In ihrer Freizeit lese ihr Sohn viel und sei seit zwei Jahren Ministrant. Sie begleite ihren Sohn immer und verbringe ebenso viel Zeit in der Kirche. Sie arbeite auch ehrenamtlich beim XXXX .
Auf Nachfrage verneinte sie, sich in Österreich exilpolitisch zu betätigen.
Sie lebe in keiner Beziehung.
Bei einer Rückkehr nach Eritrea würde sie genauso wie die anderen festgenommen werden und nie mehr freikommen. Im schlimmsten Fall könnte sie umgebracht werden.
Der Beschwerdeführervertreter erklärte, dass die Vorfälle, die die Beschwerdeführerin beschrieben habe, eine politische Verfolgung darstellen würden, da die Ursache in der vorgeworfenen regimefeindlichen Betätigung ihres damaligen Ehemannes liege. Die Regierung in Eritrea betrachte Familienmitglieder von Oppositionellen automatisch auch als solche und die Konsequenzen eines derartigen Vorwurfs sind in Eritrea furchtbar. Die Erklärungen der Beschwerdeführerin seien daher ebenso realistisch wie asylrelevant und es wurde um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für die Beschwerdeführerin und ihren Sohn gebeten.
Der erkennende Richter hielt ausdrücklich fest, dass sich die Beschwerdeführerin bei der Schilderung der Ereignisse in Eritrea emotional stark berührt gezeigt habe und deswegen die Verhandlung auch mehrmals unterbrochen habe werden müssen. Weiters wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin manchmal schon auf Deutsch geantwortet habe.
Verlesen wurde der Strafregisterauszug der Beschwerdeführerin, in dem keine Verurteilungen aufscheinen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellung zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin von Eritrea, ist Volksgruppenzugehörige der Tigrinya und dem katholischen Glauben zugehörig.
Sie wurde am XXXX in XXXX geboren, wo sie bis zum Jahr 2010 gelebt hat. Im Jahr 2010 ist sie in den Sudan geflüchtet und hat sich dort bis zur Flucht nach Österreich illegal aufgehalten.
Die Beschwerdeführerin hat 10 Jahre Schulbildung und 4 Jahre lang den Nationaldienst abgeleistet.
Ihren Lebensunterhalt in Eritrea hat sie durch Unterstützung ihres ersten Ehemannes und ihrer Familie erwirtschaftet.
Der erste Ehemann der Beschwerdeführerin ist im Jahr 2009 von den staatlichen Behörden getötet worden.
Der erste Ehemann der Beschwerdeführerin hat teils für die Polizei teils für die Armee gearbeitet und war die meiste Zeit in XXXX stationiert und hat nicht immer mit der Beschwerdeführerin zusammengelebt.
Lediglich aus dritter Hand wurde ihr erzählt, dass dieser heimlich Leuten aus Gefängnissen und bei der Flucht geholfen hat.
Was ihr Mann konkret gemacht hat bzw. inwieweit sich dieser politisch betätigt hat, weiß sie nicht.
Im Jahr 2009 ist jedenfalls die Polizei zu ihnen nachhause gekommen, um ihren Ehemann festzunehmen. Dieser hat zu fliehen versucht. Abgesehen von ihr und ihrem ersten Mann ist auch ihr Vater zuhause gewesen. Ihr Vater und sie selbst wollten dem Mann nach draußen folgen, ist ihnen von einem Polizisten jedoch befohlen worden, ins Haus zurückzugehen. Dieser Polizist hat ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt, der sie außer Gefecht gesetzt hat. Ihr Vater hat die Situation erfolglos mit einem Polizisten zu klären versucht und ist nach ein paar Minuten ein Schuss gefallen.
Offiziell wurde sie nicht darüber informiert, ob ihr erster Ehemann an diesem Tag festgenommen, durch einen Schuss verletzt oder gar gleich getötet worden ist. Von einem Kollegen ihres Mannes wurde ihr mitgeteilt, dass ihr Mann verstorben ist.
In der Folge – ca. ein Monat nach dem Ableben ihres ersten Mannes – sind Polizisten in regelmäßigen Abständen zu ihr gekommen. Die Wohnung wurde wiederholt durchsucht und vermutet die Beschwerdeführerin, dass nach Unterlagen ihres Ehemannes gesucht worden ist. Sie wurde auch verhört und zur Tätigkeit ihres verstorbenen Mannes befragt, über die sie wahrheitsgemäß angegeben hat, nichts darüber zu wissen.
Im Zuge dieser Hausdurchsuchungen durch unterschiedliche Polizisten wurde sie wiederholt – mindestens 10 Mal – vergewaltigt. Es wurde ihr mit dem Umbringen gedroht, sollte sie jemandem von den sexuellen Übergriffen erzählen.
Sie hat sich lediglich ihrem Vater anvertraut, der schließlich entschieden hat, dass sie den Herkunftsstaat verlassen muss, was sie schließlich im Jahr 2010 illegal gemacht hat. Nach mehreren Jahren illegalen Aufenthalts im Sudan, wo sie sich gefälschte Papiere besorgt und Geld angespart hat, ist sie von dort weiter nach Österreich gereist.
Seit seiner Geburt befindet sich ihr Sohn XXXX bei ihr. Dieser hält sich nunmehr mit ihr im Bundesgebiet als Asylwerber auf.
Eine Schwester der Beschwerdeführerin und ihr älterer Sohn sind im Sudan. Die Eltern und weitere Geschwister der Beschwerdeführerin leben in Kanada.
Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn sind spätestens am 05.04.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich gelangte und haben hier Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
Die Beschwerdeführerin ist unbescholten.
Im Bundesgebiet ist sie bemüht, die deutsche Sprache zu lernen und sich zu integrieren. Sie und ihr Sohn bringen sich in die Kirchengemeinschaft an ihrem Aufenthaltsort ein. Die Beschwerdeführerin leistet im Übrigen gemeinnützige Arbeit für das XXXX und bereitet sich auf die Ausbildung zur Altenpflegerin vor und hat hiezu schon einen Vorbereitungskurs für Pflege- und Betreuungsberufe besucht.
Zu Eritrea wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
1. Politische Lage
Eritrea ist nach dem Südsudan das zweitjüngste und eines der ärmsten Länder Afrikas. Das Land löste sich nach einem Referendum von Äthiopien und wurde 1993 ein eigener Staat (AA 21.11.2016).
Eritrea ist ein in sechs Provinzen aufgeteilter Zentralstaat. Die Verfassung von 1997 ist nie in Kraft getreten (AA 10.2016a). Alle wesentlichen Entscheidungen werden vom Präsidenten getroffen. Es gibt keine Gewaltenteilung (AA 10.2016a). Das Übergangsparlament besteht aus 150 Abgeordneten, von denen 75 dem Zentralrat der Staatspartei PFDJ (People's Front for Democracy and Justice) angehören. Weitere 60 Abgeordnete sind ausgewählte Vertreter der Provinzen und 15 Sitze entfallen auf die Vertreter der Auslandseritreer. Das Parlament trat zuletzt 2001 zusammen, nur auf Anforderung des Präsidenten. Es ist damit faktisch inaktiv (AA 10.2016a).
Seit der Unabhängigkeit sind weder Präsidentschafts- noch Parlamentswahlen durchgeführt worden. De facto handelt es sich in Eritrea um eine Einparteiendiktatur. Die Regierungspartei PFDJ ging 1994 aus der Befreiungsbewegung "Eritrean People's Liberation Front" (EPLF) hervor. Sie stellt den Staats- und Regierungschef Isaias Afewerki sowie die gesamte weitere politische Führung des Landes. Andere politische Parteien sind verboten (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).
Die innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Lage in Eritrea wird seit Jahren in erster Linie durch den ungelösten Grenzkonflikt mit Äthiopien bestimmt. Folgen sind unter anderem die weitgehende Militarisierung der Gesellschaft und ein Zurückdrängen der Privatwirtschaft durch staatlich gelenkte Wirtschaftsunternehmen (AA 10.2016a; vgl. AA 21.11.2016). Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien (Mai 1998 bis Juni 2000) ist der demokratische Prozess in Eritrea zum Stillstand gekommen. Präsident Isaias Afewerki regiert das Land unter Hinweis auf den ungelösten Grenzkonflikt ohne demokratische Kontrolle, gestützt auf die Sicherheitsbehörden und den Apparat der einzigen zugelassenen Partei PFDJ. Das Friedensabkommen von Algier vom 12.12.2000 beendete zwar den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien, die Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern bestehen allerdings unvermindert fort (AA 21.11.2016). Für seine repressiven innenpolitischen Maßnahmen greift Präsident Isaias auf eine "weder Krieg noch Frieden" Politik zurück (HRW 12.1.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.2016a): Eritrea, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Eritrea/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.1.2017
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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Eritrea, http://www.ecoi.net/local_link/334689/476442_de.html, Zugriff 1.2.2017
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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Eritrea,
http://www.ecoi.net/local_link/322451/461928_de.html, Zugriff 30.1.2017
2. Sicherheitslage
Das deutsche Auswärtige Amt warnt eigene Bürger vor Reisen in die Grenzgebiete zu Äthiopien und Dschibuti (AA 31.1.2017). Die Beziehungen zu Äthiopien bleiben trotz des Friedensabkommens vom 12.12.2000 weiter angespannt (EDA 6.2.2017; vgl. AA 21.11.2016) und haben seit 2012 mehrfach zu bewaffneten Zusammenstößen an der gemeinsamen Grenze geführt (AA 21.11.2016). Am 12. Juni 2016 kam es in der eritreisch-äthiopischen Grenzregion zu schweren Kämpfen (DS 8.6.2016; vgl. BAMF 13.6.2016). Es ist nicht klar warum die Kämpfe ausgebrochen sind, jedoch befinden sich die Länder in einem "weder Krieg noch Frieden" Zustand. Im Zuge der Feierlichkeiten zur 25jährigen Unabhängigkeit beschuldigte der eritreische Präsident Isaias Afwerki Äthiopien, der Souveränität Eritreas feindlich gegenüber zu stehen. Der äthiopische Premierminister, Hailemariam Desalegn, hatte angekündigt, dass Äthiopien bereit sei, mit militärischen Maßnahmen auf eritreische Provokationen zu reagieren (BBC 13.6.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (31.1.2017): Eritrea, Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/sid_747C556AEA6A72286098D233576D91C2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/EritreaSicherheit_node.html, Zugriff 31.1.2017
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.6.2016):
Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1465826992_1-deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-13-06-2016-deutsch.pdf, Zugriff 2.1.2017
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BBC News (13.6.2016): Ethiopia and Eritrea blame each other for border clash,
http://www.bbc.com/news/world-africa-36515503, Zugriff 2.1.2017
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DS - der Standard (8.6.2016): UN-Bericht dokumentiert Kriegsverbrechen in Eritrea,
http://derstandard.at/2000038459447/UNO-Bericht-dokumentiert-schreckliche-Verbrechen-in-Eritrea, Zugriff 15.7.2016
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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (27.1.2017): Reisehinweise Eritrea, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/eritrea/reisehinweise-fuereritrea.html, Zugriff 6.2.2017
3. Rechtsschutz/Justizwesen
Es gibt keine Gewaltenteilung. Die Justiz ist als Teil des Justizministeriums von diesem abhängig, es gibt Sondergerichte (AA 10.2016a). Die Reform der Justiz geht schleppend voran. Die EU unterstützt die Professionalisierung von "community courts". Die Justiz ist zwar formal unabhängig, tatsächlich aber vor Einmischungen durch die Exekutive nicht geschützt. Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren Militär- und Sondergerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor denen keine Rechtsanwälte zugelassen sind und auch für die Ahndung von Korruptionsfällen und von Kapitaldelikten zuständig sind. Eine Berufung gegen deren Urteile ist nicht möglich. In Verfahren vor diesen Gerichten gibt es keine öffentliche Verhandlung, keinen anwaltlichen Beistand und keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen (AA 21.11.2016).
Anfang 2015 wurde ein neues Strafgesetzbuch und eine neue Zivil- und Strafprozessordnung vorgelegt, die die alten noch geltenden äthiopischen Gesetzbücher ablösten. Es gibt keine Beschränkung des Strafmaßes, obwohl die Todesstrafe tatsächlich nicht ausgesprochen oder zumindest nicht vollstreckt zu werden scheint. Eine Strafverfolgung aus politischen Gründen ist nicht auszuschließen. Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich. Umgekehrt werden Häftlinge auch ohne Angabe von Gründen freigelassen (AA 21.11.2016). Rechtsstaatlichkeit und Justiz bleiben schwach und sind somit anfällig dafür, durch informelle und außergerichtliche Formen von Justiz umgangen zu werden (FCO 21.4.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.2016a): Eritrea, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Eritrea/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.1.2017
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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea
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FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.4.2016): Human Rights and Democracy Report 2015 - Chapter IV: Human Rights Priority Countries - Eritrea,
http://www.ecoi.net/local_link/322986/462477_de.html, Zugriff 6.2.2017
4. Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit verantwortlich und die Armee für die äußere Sicherheit. Doch die Regierung setzt manchmal die Streitkräfte, die Reserve, demobilisierte Soldaten oder Miliz dazu ein, um innere und äußere Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Agenten des Nationalen Sicherheitsbüros, das dem Präsidentenbüro unterstellt ist, sind für die Verhaftung von Personen verantwortlich, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Streitkräfte haben die Befugnis, Zivilisten anzuhalten und zu verhaften. Generell spielt die Polizei in Fällen der nationalen Sicherheit keine Rolle. Dabei ist bei Sicherheitskräften Straflosigkeit die Norm. Es gibt keine bekannten internen oder externen Mechanismen, um Vergehen von Sicherheitskräften zu untersuchen (USDOS 13.4.2016).
Militär, Polizei und Sicherheitsdienste üben eine fast vollständige Kontrolle über das politische und gesellschaftliche Leben aus. Sie verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 21.11.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea
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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Eritrea,
http://www.ecoi.net/local_link/322451/461928_de.html, Zugriff 27.1.2017
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Das geltende Strafgesetzbuch verbietet Folter (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Trotzdem wird Folter gegenüber Gefangenen, insbesondere während der Befragung, angewandt. Auch sollen Deserteure, Wehrdienstflüchtige und Wehrdienstverweigerer verschiedener religiöser Gruppen, insbesondere Anhänger der Zeugen Jehovas, physisch und psychisch misshandelt werden. Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Anwendung von Folter zu Sanktionen geführt hätte (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Gefangene, darunter auch Minderjährige, werden unter schlechten Bedingungen in unterirdischen Zellen oder in Schiffscontainern eingesperrt. Sie erhalten weder ausreichend Nahrung noch sauberes Trinkwasser. Schlafgelegenheiten und der Zugang zu sanitären Einrichtungen und Tageslicht sind unzureichend. In einigen Fällen kamen diese Haftbedingungen Folter gleich (AI 24.2.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea
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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty Int