TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/17 W131 2141504-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28

Spruch

W131 2141504-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb XXXX, StA Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2016, Zl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.10.2017, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und Frau XXXX gemäß § 28 VwGVG iVm § 3 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem BVwG wurde im Dezember 2016 ua auch der Beschwerdeverfahrensakt der Beschwerdeführerin (= Bf) vorgelegt und geschäftsverteilungsmäßig der hier erkennenden Gerichtsabteilung im Jänner 2017 zur Entscheidung zugewiesen.

2. Die Bf reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren beiden minderjährigen Kindern nach Österreich und stellte am 10.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11.11.2016 wurde der Antrag der Bf auf internationalen Schutz abgewiesen, wobei die belangte Behörde im erstinstanzlichen Verfahren – trotz der Berichte der bei ihr eingerichteten Staatendokumentation und des sich daraus ergebenden notorischen Wissens um die frauenspezifische Situation in Afghanistan – entgegen dem § 18 AsylG keine entsprechenden Ermittlungen angestellt hat, ob die Bf allenfalls eine jener Frauen sein könnte, die den Asylgrund iSv VwGH Zl Ra 2016/18/0388 für sich in Anspruch nehmen könnte.

Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Bf anlässlich ihrer Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass das Leben ihres Ehemannes aus bestimmten Gründen in Gefahr gewesen sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche per E-Mail am 23.11.2016 bei der belangten Behörde einlangte. Mit als "Beschwerdeergänzung und Stellungnahme" betiteltem Schriftsatz vom 13.10.2017 wurde insbesondere auch auf die drohende Gefahr der Bf und ihrer Kinder bei einer Rückkehr nach Afghanistan hingewiesen, müssten sie nämlich dort Diskriminierungen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen bzw Personen mit westlichen Werten erleiden.

5. Vor dem BVwG wurde schließlich am 18.10.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher die belangte Behörde nicht teilnahm und die in den hier interessierenden Teilen wie folgt verlief (Beschwerdeführerin = Bf 2, Bf 3 = minderjährige Tochter der Bf2, Richter = R; RV = rechtsfreundlicher Vertreterin; Z1 und Z2:

Zeugen):

[...]

R an RV: Lese ich den Akteninhalt richtig, dass in erster Instanz nichts zur westlichen Lebenseinstellung der Bf 2 vorgebracht wurde und insoweit erst mit der Beschwerdeergänzung vom 16.10. (Protokollierungsdatum) eine Konkretisierung des Vorbringens verfasst wurde?

RV: Sie wurde dazu in der Einvernahme nicht genügend befragt. Es ist meines Wissens nach in der Beschwerdeergänzung ausgeführt worden.

R: Machen Sie einen Verfahrensfehler geltend, der das Neuerungsverbot gemäß § 20 BfA-VG ausschaltet?

RV: Ja in der ersten Instanz hätte sie diesbezüglich befragt werden müssen, da es ein asylrelevantes Vorbringen ist.

[ ]

R an Bf2: Wissen Sie warum wir heute hier sind?

Bf2: Ich bin hier hergekommen, damit mein Schicksal und das Schicksal meiner Kinder entschieden wird.

R: Wissen Sie, was Ihre Rechtsvertretung letzte Woche an das Gericht geschrieben hat?

Bf2: Hat meine Rechtsvertreterin etwas an das Gericht geschickt?

R: Haben Sie vor der heutigen Verhandlung mit Ihrer Rechtsvertreterin bereits einmal gesprochen?

Bf2: Ja.

R: Was sind Sie damals von Ihrer Rechtsvertreterin gefragt worden?

Bf2: Ich wurde betreffend meiner Probleme und Ereignissen in Afghanistan befragt.

R: Haben Sie damals angegeben, dass Sie sich in Afghanistan als Frau in ihren Freiheiten eingeschränkt fühlen?

Bf2: Ja.

R an Bf1 und Bf2: Darf ich ihre Tochter Mariam zu ihrem Leben in Österreich etwas fragen?

Bf1 und Bf2: Ja.

R an Bf3: Wie ist Ihre Mutter unter der Woche angezogen? So wie jetzt oder ist sie verschleiert?

Bf3: Meine Mutter ist unter der Woche genauso bekleidet wie heute vor dem Gericht.

R an Bf3: Geht die Mutter alleine spazieren oder ohne Vater einkaufen?

Bf3: Ja, das macht sie.

Befragung der Bf3 ist beendet.

R an Bf2: Welche Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

Bf2: Schiitische Muslima.

R: Wie oft am Tag beten Sie?

Bf2: Drei Mal.

R: Was würden Sie sagen, wenn ihre Tochter mit 14 Jahren sagt, dass sie keine Muslima mehr sein will, sondern Christin?

Bf2: Sie kann ihr Leben selbst entscheiden, sie hat die Freiheit ihr Leben zu leben, wie sie leben möchte.

R: Würden Sie ihre Tochter verstoßen, wenn sie vom muslimischen Glauben abfällt?

Bf2: Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte gern, dass meine Tochter über ihr Leben frei entscheiden kann. Ich möchte nicht, dass sie das durchmacht, wozu ich gezwungen war. Z.B. Ich wurde gezwungen zu beten. Meine Tochter möchte ich zu nicht zu etwas zwingen.

R: Welche Berufspläne haben Sie für ihre Kinder?

Bf2: Ich werde das meinen Kindern überlassen, was sie selbst wollen.

R: Wollen Sie dass ihre Tochter eine Schule besucht?

Bf2: Ja.

R: Was würden Sie sagen, wenn ihre Tochter einen Christen heiratet?

Bf2: Meine Ehe war eine Zwangsehe. Ich habe meinen Mann am ersten Tag nicht geliebt, mittlerweile liebe ich ihn. Ich möchte aber nicht, dass ich meine Tochter dazu zwinge, nach meinen Wunsch jemanden zu heiraten. Sie soll diese Entscheidung für sich selbst treffen, wen auch immer sie liebt, dann soll sie ihn heiraten.

R: Nach einem in Österreich erhältlichen Lehrbuch Pacic, islamische Rechtslehre, 202 hat die Frau auf den Mann zu hören. Nach Seite 206 dieses Buches, darf der Mann der nicht gehorsamen Frau einen Klaps verpassen. Was sagen Sie dazu?

Bf2: Wenn es so etwas überhaupt gibt, ist es ein Fehler. Wenn man sich an so etwas halten würde, werden viele Leben in Afghanistan zerstört

R: Wissen Sie was die Freiheit der Meinungsäußerung ist?

Bf2: Ja.

R: Können Sie es mit eigenen Worten erklären?

Bf2: Meiner Meinung nach bedeutet die Freiheit der Meinungsäußerung, dass man das Äußern kann, was man äußern möchte. Das Gegenteil ist nicht die Meinungsfreiheit.

R: Finden Sie es gut oder schlecht, dass Sie in Österreich öffentlich ihre Meinung, z.B. im Caféhaus, darüber sagen können, was Sie vom Wahlausgang vom letzten Sonntag halten?

Bf2: Das ist gut.

R an Bf2: Machen Sie immer das, was Ihnen ihr Gatte aufträgt?

Bf2: In Afghanistan war es so. Nachdem wir nach Österreich gekommen hat mein Mann seine Meinung viel geändert. Hier entscheide ich was ich möchte.

R: Wie stellen Sie sich ihre Zukunft in Österreich vor, falls Sie Asyl erhalten würden?

Bf2: Ich möchte eine gute Zukunft haben, ich möchte meine Kinder in die Schule bringen und sie von der Schule abholen und das genießen, weil ich selbst keine Schule besucht habe. Zunächst möchte ich die Sprache lernen, dann möchte ich als Friseurin arbeiten. Ich gehe jetzt zum Sprachkurs und kann mittlerweile meinen Namen und meinen Familiennamen auf Deutsch schreiben. In meiner Muttersprache bin ich Analphabetin.

R an RV: Wollen Sie noch etwas vorlegen?

RV: Ja. RV legt ein Konvolut von integrationsbescheinigenden Unterlagen vor, wobei angemerkt wird, dass die Beschwerdeführer hier in Österreich ein weiteres Mal geheiratet haben. Zuvor waren Bf1 und Bf2 traditionell verheiratet. Bf1 und Bf2 wollten hier nur alles richtig machen und haben deshalb hier ein weiteres Mal geheiratet.

R an RV: Das Standesamt hat hier kein Problem gesehen?

RV: Soweit ich weiß nicht.

R erteilt der Bf2 nochmals das Wort.

Bf2: Ich bin sehr froh, dass ich nach Österreich gekommen bin. Nachdem ich hierhergekommen bin, habe ich bemerkt, was das Leben ist. Ich kann mich hier frei bewegen, ohne ein Kopftuch oder einen Schleier tragen zu müssen. Ich bin froh, dass meine Tochter sich hier frei bewegen kann. Ich bin dem Staat Österreich dankbar. Ich freue mich, dass ich hier in Sicherheit lebe und alleine auch jederzeit, wann ich möchte, mich frei bewegen kann. Ich gehe alleine Einkaufen z.B. zu Spar oder Penny. Ich gehe mit meinen Freundinnen und Freunden spazieren oder gemeinsam Kaffee trinken. Ich habe in Afghanistan sehr viele Probleme gehabt und bin froh, dass ich dieses Land verlassen habe. Ich habe viele österreichische Freundinnen und Freunde, die sind meistens Familien. Wir besuchen uns gegenseitig. Sie zeigen uns Sehenswürdigkeiten z.B. Museen. Ich besuche den Sprachkurs A1 in zwei verschiedenen Stellen, mein Lehrer und meine Lehrerin sind sehr nett. Ich bin froh, dass meine Kinder jeden Tag in der Früh aufstehen und in die Schule gehen, weil das mir nicht möglich war. Meine Tochter hat auch viele Freundinnen und Freunde, mit denen ist sie auch unterwegs. Sie lernt auch in der Schule kochen, sie hat eine Kochstunde. Ich bin hierhergekommen und hoffe, dass ich mit einer guten Nachricht und Freude das Gericht verlassen kann. Soll ich auch über Afghanistan etwas sagen?

R: Dem Gericht ist die Frauenspezifische Situation in Afghanistan bekannt.

R an Bf2: Sind Sie darüber aufgeklärt, dass nach § 7 des österreichischen Asylgesetzes Asyl aberkannt werden kann, wenn sich die Situation im Herkunftsland entsprechend verbessert?

Bf2: Nein.

R: Wenn Sie dies nun gehört haben, streben Sie dennoch weiterhin Asyl an, auch wenn es sein könnte, dass sich die Situation für Frauen in Afghanistan in ein paar Jahren wesentlich gebessert haben könnte?

Bf2: Ja ,das möchte ich jedenfalls.

R teilt mit, dass aus seiner Sicht kein weiterer Ermittlungsbedarf nicht besteht.

RV ersucht ein paar kurze Fragen an die Zeugen stellen zu dürfen und ruft die Zeugen in die Verhandlung um 15:36 Uhr auf.

Als Zeugin (=Z1) wird vorerst Frau [...] einvernommen, geboren

[...].

Die Zeugin wird gemäß § 49 und 50 AVG belehrt.

Z1 verzichtet auf den Fahrtkostenersatz.

RV an Z1: Beschreiben Sie ihre Beziehung zu den Beschwerdeführern?

Z1: Wir sind Freunde. Ich arbeite in St***, dort wo die Familie wohnt, ich habe auch in St*** gewohnt bis Ende August 2017. Meine Tochter hat dort auch die Schule besucht, bis zu den Sommerferien und so habe ich die Familie kennengelernt. Ich bin beruflich auch sehr viel in St*** unterwegs, ich bin diplomierte Krankenschwester in der Hauskrankenpflege und somit fast jeden Tag in St*** und Umgebung unterwegs. Genauer gesagt, haben wir uns durch die Kinder kennen gelernt, und man wollte auch einfach die Leute kennen lernen und Sachen spenden. Man trifft sich z.B. am Spielplatz, St*** ist eine kleine Stadt, nicht so wie Wien. So haben wir uns öfter getroffen und befreundet. Wir haben gemeinsam gegessen, wir waren auch bei ihnen daheim in der Unterkunft eingeladen. Uns ist schon aufgefallen, dass die Familie sehr nett ist, sehr freundlich und sehr offen um etwas Neues kennen zu lernen und sehr dankbar für alles ist und sich auch integrieren möchte. Man hat immer im Kopf, was diese Menschen mitgemacht haben, als sie hergekommen sind, aber sie sind trotzdem fröhlich und lachen und man kann über alles reden.

RV: Würden Sie sagen, dass die Bf die österreichische Mentalität und Denkensweise angenommen haben?

Z1: Ja, dadurch dass sie Fragen stellen, wie oder warum etwas so ist.

Die Befragung der Z1 ist hiermit beendet.

Als Zeuge (=Z2) wird vorerst Herr [...] einvernommen, geboren am [...], berufstätig als Behindertenbetreuer beim [...].

Der Zeuge wird gemäß § 49 und 50 AVG belehrt.

Z2 verzichtet auf den Fahrtkostenersatz und Verdienstentgang.

RV an Z2: Beschreiben Sie ihre Beziehung zu den Beschwerdeführern?

Z2: Wir haben uns kennengelernt, durch meine Frau und sie haben uns zu sich nach Hause eingeladen, damit wir zusammen essen. Die Beziehung ist sehr gut. Sie sind zu uns sehr freundlich. Die Kinder spielen auch zusammen. Wir reden miteinander über alles, auch über ihre Situation und sie sind uns sehr ans Herz gewachsen.

RV: Sind die Beschwerdeführer Ihrer Meinung nach gut integriert in Österreich?

Z2: Ja, ich bin in Marokko geboren und ich kann vergleichen, dass manche Familien nicht willig sind, sich zu integrieren. Die Familie [der Bf] ist das Gegenteil. Sie Fragen immer, wie macht man das in Österreich, oder wie sagt man das auf Deutsch. Es läuft auch zu Hause sehr gut finde ich, weil z.B. auch der Mann gerne beim Kochen hilft und sich nicht bedienen lässt. Auch bei der Hausarbeit hilft er mit.

RV: Würden Sie sagen, dass die Beschwerdeführer die österreichische Mentalität und Denkensweise schon angenommen haben?

Z2: Ja und sie wollen lernen.

[ ]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über den Verfahrensgang hinaus ist Folgendes festzustellen:

1.1. Zur Person der Bf

Die Bf ist unstrittig im Jahr 1988 geboren. Sie ordnet sich selbst formal der Religion des Islams schiitischer Ausrichtung zu. Sie ist unstrittig afghanische Staatsangehörige.

Im Zeitpunkt ihrer Antragstellung war die Bf mit ihrem Ehemann, den sie bereits in Afghanistan traditionell ehelichte, unstrittig verheiratet.

Ein Asylausschlussgrund zu Lasten der Bf ist von den Verfahrensparteien weder substantiiert vorgebracht noch sonst wie bekannt geworden.

Anlässlich der am 18.10.2017 vor dem BVwG stattgefundenen mündlichen Verhandlung stellte sich im Rahmen der Befragung der Bf heraus, dass sie zumindest in einer laienmäßigen Parallelwertung glaubhaft jene Werthaltungen vertritt und internalisiert hat, die den Gleichheitsgrundsatz, die Religions- und die Meinungsfreiheit ausmachen. Sie sprach sich im Zuge der entsprechend VwGH Zl Ra 2016/18/0388 gebotenen Erörterung, ob die Bf eine entsprechend den Grundrechten geprägte Lebensweise aufweist, zB auch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau aus (in Österreich macht die Bf nicht unbedingt das, was ihr Mann wünscht -) und lehnt die in Afghanistan vorkommende Zwangsehe ab, insoweit: "Meine Ehe war eine Zwangsehe. Ich habe meinen Mann am ersten Tag nicht geliebt, mittlerweile liebe ich ihn. Ich möchte aber nicht, dass ich meine Tochter dazu zwinge, nach meinen Wunsch jemanden zu heiraten. Sie soll diese Entscheidung für sich selbst treffen, wen auch immer sie liebt, dann soll sie ihn heiraten."

Die Bf bewertete neben der Gleichberechtigung auch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit sehr positiv. Auf die Frage, wie sie reagieren würde, wenn sie eine Tochter hätte und diese mit 14 Jahren sagen würde, dass sie keine Muslimin mehr sein wolle, sondern in die Christengemeinschaft eintreten wollen würde, antwortete sie spontan und glaubhaft, dass sich ihre Tochter selbst entscheiden könne und ihr Leben leben solle, wie sie möchte und proklamierte damit ua auch die Religionsfreiheit für sich als glaubhaft. Mit ihren Aussagen hat sie damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre eigenen grundlegenden Grundrechte sehr schätzt.

1.2. Aus dem LIB ist nunmehr themenspezifisch zur Situation in Afghanistan festzustellen:

Zu Rechtsschutz und Justiz:

[ ]

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).

Zu Folter und unmenschlicher Behandlung:

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 9.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 9.2016; vgl. OHCHR 11.2.2016).

Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt (AA 9.2016).

Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet (HRW 27.1.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten (OHCHR 11.2.2016). Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen (HRW 12.1.2017).

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 9.2016).

[ ]

Zur Korruption:

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2015 belegte Afghanistan von 168 Ländern den 166. Platz (TI 12.2016; vgl. FH 27.1.2016). Dem Bericht von Asia Foundation zufolge, sind 90% der Afghan/innen im Alltag Korruption ausgesetzt; angegeben wurde hauptsächlich Bestechungsgelder an Polizei und Regierungsbeamte zu bezahlen (FH 27.1.2016).

Zur Erkennung, Verfolgung und Verhinderung von Korruption existiert kein gesetzlicher Rahmen (TI 10.2016). Trotz umfangreicher Reformvorhaben und aufwendiger Konsultationsmechanismen – oft unter direkter Federführung des Staatspräsidenten oder von ihm beauftragter Gremien – bleiben Qualität und Transparenz der Regierungsführung und der demokratischen Prozesse weiterhin mangelhaft. Die RNE (Einheitsregierung) startete im Mai 2016 eine neue Initiative zur Bekämpfung der Korruption, deren integraler Bestandteil das Anti Corruption Justice Center (ACJC) sein soll. Das ACJC soll Fällen erheblicher Korruption insbesondere auch unter hochrangigen Funktionären der afghanischen Regierung nachgehen, harrt aber noch seines offiziellen Startes (AA 9.2016; vgl. auch TI 10.2016). Die Regierung verfolgte weiterhin Anti-Korruptionsziele – dies beinhaltet die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von großen Korruptionsfällen und die Stärkung des rechtlichen und behördlichen Rahmens (UN GASC 13.12.2016).

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um; einerseits wurde von öffentlich Bediensteten berichtet, die regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Andererseits gab es Korruptionsfälle, die erfolgreich vor Gericht gebracht wurden. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist – Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und des Drogenhandels verstärken das Problem (USDOS 13.4.2016).

Die Einheitsregierung hat im Bereich der Korruptionsprävention einige Fortschritte gemacht: Der afghanische Präsident bekräftigte seine Transparenzverpflichtungen, veranlasste eine externe Kontrolle von Beschaffungsprozessen, sowie eine Umstrukturierung des Justizsektors. All dies sind wichtige Schritte des Präsidenten, welche die Bereitschaft signalisieren, Korruption in den Griff zu bekommen (IWA 11.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, Mohammad Farid Hamidi, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016).

Manch hochrangiger Akteure wurde dennoch strafrechtlich verfolgt – mit wenig abschreckender Wirkung. Der ehemalige Chef der Kabul Bank - Khalil Ferozi – wurde im Jahr 2014 aufgrund schweren Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge, durfte er das Gefängnis bei Tag verlassen, um seinen geschäftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Im November 2015 unterzeichnete er ein Übereinkommen, an einem 900 Millionen US Dollar schweren Projekt mitzuarbeiten. Das Übereinkommen wurde aufgrund des öffentlichen Aufschreis storniert (FH 27.1.2016).

[ ]

Zur allgemeinen Menschenrechtslage:

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9.2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet – (AI 24.2.2016).

[ ]

Zur Situation der Hazara:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BfA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BfA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr

2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

[ ]

Zur frauenspezifischen Lage:

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

[ ]

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

[ ]

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

[ ]

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen – inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW–Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

[ ]

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt – in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BfA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016).

In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).

Frauenhäuser

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

[ ]

1.3. Zusammenfassend fallspezifisch ist daher hier ausdrücklich festzustellen:

Bei der Bf handelt es sich um eine junge afghanische Staatsangehörige, die entsprechend ihren Angaben in der Verhandlung vor dem BVwG den Lebensstil und die Möglichkeiten einer westlichen Frau wie zB in Österreich präferiert bzw diesen dz auch lebt und die – als juristische Laiin – jedenfalls in einer Parallelwertung in der LaiInnensphäre unzweifelhaft jene Werthaltungen bereits als die eigenen angenommen hat, die in den Grundrechten (insb:

Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 20 GRC, Religions- und Meinungsfreiheit) zum Ausdruck kommen.

Die Bf wäre mit dieser Einstellung und einer danach ausgerichteten Lebensweise entsprechend dem LIB in Afghanistan hinreichend wahrscheinlich naheliegend multiplen sozialen und religiösen Konflikten und Diskriminierungen in der mehrheitlich konservativ islamisch geprägten Bevölkerung und letztlich naheliegend damit als Verfolgungshandlungen gegen ihre Person zu bewertenden gesellschaftlichen Reaktionen ausgesetzt, ohne dass der afghanische Staat beim derzeitigen Entwicklungsstand rücksichtlich rechtsschutzmäßig markanter Defizite samt einem gemäß LIB sehr korrupten Staatsgefüge die Bf dz ausreichend vor diesen Handlungen zu Lasten der Bf schützen könnte bzw würde. Dies insb auch wegen der teils ineffizienten Justiz.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsste die Bf, um einer asylrelevanten Verfolgung im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan entgehen zu können, ihre vor dem BVwG glaubhaft zum Ausdruck gebrachte Gutheißung der grundlegenden menschlichen Grundrechte insb von Frauen sowie der Gleichberechtigung von Mann und Frau trotz der ihr insoweit zuzubilligenden Überzeugung unterdrücken.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt und insb dem aktuellen LIB bzw aus den aktuellen Angaben der Bf in der Verhandlung vor dem BVwG, die nicht substantiiert bestritten wurden und dem Gericht zudem auf Grund des authentischen und insb spontanen Aussageverhalten der Bf glaubwürdig erschienen. Die Bf hat nämlich nach jeweils gestellter Frage nicht lange überlegt, was sie antworten soll, sondern nach übersetzter Frage jeweils unumwunden und idR unter Aufrechterhaltung des Blickkontakts zum Richter bzw Dolmetsch zügig geantwortet, so dass gerade nicht davon auszugehen war, dass sie sich ihre Antworten irgendwie "aus dem Raum gegriffen zusammenreimen" müsste. Das Aussageverhalten stellte sich für das Gericht daher derart dar, dass die Bf das sagte, was sie weiß bzw eben meint.

Die vernommenen Zeugen haben dazu synchron ausgesagt.

2.2. Dass die Bf zB die Situation der Frauen in islamisch dominierten Staaten wie insb der islamischen Republik Afghanistan zutreffend einschätzt, wird zB durch das LIB, wie oben wiedergegeben bestätigt. Dies insb auch unter Berücksichtigung, dass radikalislamische Gruppierungen wie zB die Taliban bzw der IS lt LIB die Sicherheit in Afghanistan permanent gefährden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeines und Zuständigkeit

Gemäß § 6 VwGVG hat das BVwG gegenständlich in Einzelrichterbesetzung zu entscheiden, wobei mangels gesetzlicher Sonderverfahrensvorschriften subsidiär das VwGVG und danach das AVG anzuwenden waren bzw sind.

Da sich der Sachverhalt, der der Entscheidung des BfA zu Grunde gelegt wurde, entgegen § 18 AsylG – im Punkte des notorischen Asylgrunds der "Frauen, die Gestaltung eines Lebens entsprechend einer westlich orientierten Frau bevorzugen", amtswegig nicht entsprechend ermittelt wurde, war das grundsätzlich im Asylverfahren geltende Neuerungsverbot gemäß § 20 BFA-VG nicht anzuwenden war.

3.2. Die hier interessierenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (= AsylG) lauten:

Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt

1. die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich;

[...]

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. die Genfer Flüchtlingskonvention: die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, in der durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, geänderten Fassung;

2. die EMRK: die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958;

[...]

9. die Statusrichtlinie: die Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9;

[...]

11. Verfolgung: jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie;

12. ein Verfolgungsgrund: ein in Art. 10 Statusrichtlinie genannter Grund;

13. ein Antrag auf internationalen Schutz: das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten;

14. ein Asylwerber: ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens;

15. der Status des Asylberechtigten: das zunächst befristete und schließlich dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

16. der Status des subsidiär Schutzberechtigen: das vorübergehende, verlängerbare Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

17. ein Herkunftsstaat: der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes;

18. ein Mitgliedstaat: jeder Staat, der Vertragspartei des EU-Vertrages (Z 6) ist;

19. ein EWR-Staat: jeder Staat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist;

20. ein Drittstaat: jeder Staat, außer ein Mitgliedstaat des EWR-Abkommens oder die Schweiz;

20a. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;

20b. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;

20c. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

21. EWR-Bürger: jedermann, der Staatsangehöriger eines EWR-Staates (Z 19) ist;

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat;

dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten