TE Vfgh Beschluss 2017/9/21 G112/2017

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Veröffentlicht am 21.09.2017
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
EStG 1988 §30 Abs2 Z1, §30a, §30b, §30c

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen betr Ausnahmen vor der Immobilienertragbesteuerung (Hauptwohnsitzbefreiung) infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines bekämpfbaren Bescheides der Abgabenbehörde; vorläufige Entrichtung der Abgabe nicht unzumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Antragsvorbringen

1.       Mit dem auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung (jeweils) des Wortes "durchgehend" in §30 Abs2 Z1 lita und b sowie (in eventu) der §§30, 30a, 30b und 30c EStG 1988 idF BGBl I 34/2017 als verfassungswidrig.

2.       Zu ihrer Antragslegitimation bringt die Antragstellerin Folgendes vor:

2.1.    Sie sei seit 4. Oktober 2006 grundbücherliche Eigentümerin einer Eigentumswohnung und beabsichtige deren Verkauf sowie die Anschaffung einer neuen Wohnung mit den aus der Veräußerung erzielten Einkünften. Die Wohnung habe ihr von 27. Juli 2006 bis 17. Februar 2010 als Hauptwohnsitz gedient. Als Vertragsbedienstete des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten sei sie im Zeitraum von November 2008 bis Mai 2015 der österreichischen Vertretung in New York dienstzugeteilt gewesen. Auf Grund der Verlegung des Mittelpunktes ihrer Lebensinteressen habe sie den Hauptwohnsitz am 17. Februar 2010 abgemeldet und erst nach Beendigung der Dienstzuteilung am 8. Juni 2015 wieder begründet (und damit die für die Hauptwohnsitzbefreiung vorgesehenen Fristen nicht erfüllt). Auch während ihrer Tätigkeit im Ausland habe sie sich regelmäßig – zu dienstlichen Zwecken und im Rahmen von Urlauben – in der Wohnung aufgehalten. Auf Grund der vorübergehenden (dienstlich begründeten) Verlegung ihres Hauptwohnsitzes ins Ausland und der dadurch entstandenen "Meldelücke" könne sie sich nicht auf die Befreiungsbestimmung des §30 Abs2 Z1 EStG 1988 berufen, nach der die Einkünfte aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung nur dann von der Besteuerung ausgenommen seien, wenn diese dem Steuerpflichtigen bis zur Veräußerung (für einen näher bestimmten Zeitraum) durchgehend als Hauptwohnsitz gedient habe.

2.2.    Die Antragstellerin räumt ein, nach Veräußerung der Eigentumswohnung und bescheidmäßiger Festsetzung der Immobilienertragsteuer ihre Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen im Rahmen des Abgabenverfahrens vorbringen sowie durch Beschwerdeerhebung zunächst an das Bundesfinanzgericht und letztlich an den Verfassungsgerichtshof herantragen zu können. Die Beschreitung dieses Weges sei ihr jedoch nicht zumutbar:

Da die Hauptwohnsitzbefreiung auf die Antragstellerin nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht zur Anwendung gelange, habe sie nach Veräußerung ihrer Wohnung in jedem Fall – entweder im Wege der Selbstberechnung durch den Parteienvertreter (§30c Abs2 EStG 1988) oder der besonderen Vorauszahlung (§30b Abs4 EStG 1988) – die Immobilienertragsteuer zu entrichten. Dadurch werde für die Dauer des Abgabenverfahrens bzw. bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein hoher Geldbetrag auf unbestimmte Zeit ihrer Verfügungsgewalt entzogen. Eine Selbstberechnung ohne tatsächliche Abfuhr der Steuer sei nicht möglich, zumal Parteienvertreter nach §30c Abs3 EStG 1988 für die Entrichtung und die Richtigkeit der Immobilienertragsteuer hafteten, wenn diese wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet werde. Selbst im Falle der Einleitung eines Abgabenverfahrens habe die Antragstellerin die Immobilienertragsteuer als besondere Vorauszahlung abzuführen. Diese Umstände verzögerten die Veräußerung der Wohnung und schreckten potentielle Käufer ab. Die Antragstellerin laufe zudem Gefahr, nicht den marktüblichen Preis zu erzielen oder – im Hinblick auf das lange dauernde Abgabenverfahren – Käufern eine Preisreduktion oder ein besonderes Rücktrittsrecht gewähren zu müssen.

II.      Rechtslage

1.       §30 EStG 1988 idF BGBl I 163/2015 lautet auszugsweise wie folgt (die im Hauptantrag angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"Private Grundstücksveräußerungen

§30. (1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist §6 Z14 sinngemäß anzuwenden.

(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§18 Abs1 Z3 litb), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

2. Aus der Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben.

3. Aus der Veräußerung von Grundstücken infolge eines behördlichen Eingriffs oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffs.

4. Aus Tauschvorgängen von Grundstücken im Rahmen eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens im Sinne des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl Nr 103/1951, sowie im Rahmen behördlicher Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland, insbesondere nach den für die bessere Gestaltung von Bauland geltenden Vorschriften. Das in solchen Verfahren erworbene Grundstück tritt hinsichtlich aller für die Ermittlung der Einkünfte relevanter Umstände an die Stelle des hingegebenen Grundstückes.

(3) Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in §28 Abs6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Müssen Grundstücksteile im Zuge einer Änderung der Widmung auf Grund gesetzlicher Vorgaben an die Gemeinde übertragen werden, sind die Anschaffungskosten der verbleibenden Grundstücksteile um die Anschaffungskosten der übertragenen Grundstücksteile zu erhöhen. Die Einkünfte sind um die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß §30c anfallenden Kosten und um anlässlich der Veräußerung entstehende Minderbeträge aus Vorsteuerberichtigungen gemäß §6 Z12 zu vermindern.

(4) Soweit Grundstücke am 31. März 2012 ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:

1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem 31. Dezember 1987 der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung stehende Umwidmung, wenn diese innerhalb von fünf Jahren nach der Veräußerung erfolgt ist, sowie für eine Kaufpreiserhöhung auf Grund einer späteren Umwidmung; eine spätere Umwidmung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des §295a der Bundesabgabenordnung und ist dem Finanzamt anzuzeigen.

2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.

Der Unterschiedsbetrag erhöht sich um die Hälfte der in Teilbeträgen gemäß §28 Abs3 abgesetzten Herstellungsaufwendungen, soweit sie innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Veräußerung vom Steuerpflichtigen selbst oder im Fall der unentgeltlichen Übertragung von seinem Rechtsvorgänger geltend gemacht wurden.

(5) Auf Antrag können die Einkünfte statt nach Abs4 auch nach Abs3 ermittelt werden.

(6) Für die Anwendung des Abs4 gilt Folgendes:

a) Wurde bei einem Grundstück die Absetzung für Abnutzung gemäß §16 Abs1 Z8 von den fiktiven Anschaffungskosten bemessen und war es zum 31. März 2012 nicht mehr steuerverfangen, sind die Einkünfte für Wertveränderungen vor und ab der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung gesondert zu ermitteln:

– Für Wertveränderungen bis zum Beginn der Einkünfteerzielung kann Abs4 angewendet werden, wobei an Stelle des Veräußerungserlöses die fiktiven Anschaffungskosten treten.

– Wertveränderungen ab dem Beginn der Einkünfteerzielung sind nach Abs3 zu ermitteln, wobei an Stelle der tatsächlichen Anschaffungskosten die fiktiven Anschaffungskosten treten.

b) Werden gemäß §4 Abs10 Z3 lita in der Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz, BGBl I Nr 22/2012, auf- oder abgewertete Grundstücke entnommen, gilt bei deren Veräußerung §4 Abs3a Z3 litc sinngemäß.

c) Bei der Veräußerung eines aus einem Betriebsvermögen entnommenen Grundstückes, das mit dem Teilwert eingelegt worden ist, gilt der Unterschiedsbetrag zwischen dem Teilwert im Einlagezeitpunkt und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen. Als Veräußerungserlös gilt der Teilwert im Einlagezeitpunkt. Soweit das Grundstück zum 31. März 2012 nicht steuerverfangen war oder es ohne Einlage nicht mehr steuerverfangen gewesen wäre, kann §30 Abs4 angewendet werden.

(7) Führen private Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz gemäß §30a Abs1 anwendbar ist, in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, ist dieser auf 60% zu kürzen und gleichmäßig auf das Jahr der Verlustentstehung und die folgenden vierzehn Jahre zu verteilen und ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen. Der Steuerpflichtige kann in der Steuererklärung beantragen, dass stattdessen dieser gekürzte Verlust im Verlustentstehungsjahr mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgeglichen wird. Diese Regelungen gelten auch im Falle der Ausübung der Regelbesteuerungsoption (§30a Abs2).

(8) Die Einkommensteuer, die auf Grundstücksveräußerungen entfällt, wird im Ausmaß der sonst entstehenden Doppelbelastung der Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige infolge des unentgeltlichen Erwerbes der Grundstücke innerhalb der letzten drei Jahre Erbschafts- oder Schenkungssteuer, Grunderwerbsteuer oder Stiftungseingangssteuer entrichtet hat.

Besonderer Steuersatz für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen

§30a. (1) Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des §30 unterliegen einem besonderen Steuersatz von 30% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§2 Abs2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs2) anzuwenden ist.

(2) Anstelle des besonderen Steuersatzes von 30% kann auf Antrag der allgemeine Steuertarif angewendet werden (Regelbesteuerungsoption). Die Regelbesteuerungsoption kann nur für sämtliche Einkünfte, die dem besonderen Steuersatz gemäß Abs1 unterliegen, angewendet werden.

(3) Die Abs1 und 2 gelten auch für betriebliche Einkünfte aus der Veräußerung, der Zuschreibung oder der Entnahme von Grundstücken. Dies gilt nicht:

1. Wenn das Grundstück dem Umlaufvermögen zuzurechnen ist. Wurde das veräußerte Grundstück in das Betriebsvermögen eingelegt, sind hinsichtlich des Unterschiedsbetrages zwischen dem Teilwert im Einlagezeitpunkt und den niedrigeren Anschaffungs- oder Herstellungskosten Abs1 und 2 anzuwenden; für Grund und Boden, der zum 31. März 2012 nicht steuerverfangen war, ist §30 Abs4 anzuwenden, wobei an die Stelle des Veräußerungserlöses der Teilwert im Einlagezeitpunkt tritt.

2. Wenn ein Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit in der gewerblichen Überlassung und Veräußerung von Grundstücken liegt. Z1 zweiter und dritter Satz gelten entsprechend.

3. Soweit der Buchwert durch eine vor dem 1. April 2012 vorgenommene Teilwertabschreibung gemindert ist.

4. Soweit stille Reserven übertragen wurden, die vor dem 1. April 2012 aufgedeckt worden sind.

(4) Die Abs1 und 2 gelten nicht für Einkünfte, bei denen der Veräußerungserlös in Form einer Rente geleistet wird und diese nach Maßgabe des §4 Abs3 oder des §19 zu Einkünften führt.

Immobilienertragsteuer

§30b (1) Für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen ist im Falle der Selbstberechnung gemäß §30c Abs2 eine auf volle Euro abzurundende Steuer in Höhe von 30% der Bemessungsgrundlage zu entrichten (Immobilienertragsteuer). Die Immobilienertragsteuer ist spätestens am 15. Tag des auf den Kalendermonat des Zuflusses zweitfolgenden Kalendermonats zu leisten.

(1a) Abweichend von Abs1 kann eine Steuer in Höhe von 25% entrichtet werden, wenn der Steuerpflichtige eine Körperschaft im Sinne des §1 Abs1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist.

(2) Mit der Entrichtung der selbstberechneten Immobilienertragsteuer durch Parteienvertreter gilt die Einkommensteuer für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §30 als abgegolten. Dies gilt jedoch nicht, wenn die der Selbstberechnung zugrunde liegenden Angaben des Steuerpflichtigen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Die Abgeltungswirkung der Immobilienertragsteuer entfällt im Falle einer späteren Umwidmung gemäß §30 Abs4 Z1 letzter Satz.

(3) Auf Antrag sind die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §30, für die eine selbstberechnete Immobilienertragsteuer entrichtet wurde, mit dem besonderen Steuersatz gemäß §30a zu veranlagen (Veranlagungsoption). Dabei ist die Immobilienertragsteuer auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten.

(4) Wird außer in den Fällen des §30c Abs4 erster, dritter und vierter Teilstrich keine Immobilienertragsteuer entrichtet, ist vom Steuerpflichtigen eine besondere Vorauszahlung in Höhe von 30% der Bemessungsgrundlage zu entrichten, wobei Beträge unter 0,50 Euro abzurunden und Beträge ab 0,50 Euro aufzurunden sind. Abweichend vom ersten Satz ist eine besondere Vorauszahlung in Höhe von 25% zu entrichten, wenn der Steuerpflichtige eine Körperschaft im Sinne des §1 Abs1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist. Abs1 letzter Satz gilt entsprechend.

(5) Abs1, 1a und 4 gelten auch für betriebliche Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken, es sei denn, der besondere Steuersatz ist aufgrund des §30a Abs3 Z1 und 2 zumindest teilweise nicht anwendbar.

(6) Werden Anteile an Grundstücken durch sämtliche Wohnungseigentümer zum Zweck der Begründung von Wohnungseigentum an bisher allgemeinen Teilen der Liegenschaft gemäß §2 Abs4 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002, BGBl I Nr 70, veräußert, kann für die Berechnung der Immobilienertragsteuer sämtlicher Wohnungseigentümer der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage gemäß Abs1 angesetzt werden. Dies gilt nur, wenn die Veräußerung durch mehr als fünf Wohnungseigentümer erfolgt und der Veräußerungserlös insgesamt den Betrag von 150 000 Euro nicht übersteigt.

Mitteilung und Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer

durch Parteienvertreter

§30c. (1) Im Rahmen einer Abgabenerklärung gemäß §10 Abs1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 ist mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 oder 7 erzielt werden. Die Mitteilung hat die am Veräußerungsgeschäft beteiligten Parteien unter Angabe ihrer Steuernummer und die Höhe der nach den Angaben des Steuerpflichtigen zu entrichtenden besonderen Vorauszahlung gemäß §30b Abs4 zu enthalten.

(2) Parteienvertreter, die eine Selbstberechnung gemäß §11 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 vornehmen, haben gleichzeitig

1. dem für den Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 oder 7 erzielt werden, und diesfalls

2. die Immobilienertragsteuer gemäß §30b Abs1 auf Grund der Angaben des Steuerpflichtigen selbst zu berechnen. Dabei hat der Steuerpflichtige dem Parteienvertreter die für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erforderlichen Unterlagen vorzulegen und deren Richtigkeit und Vollständigkeit schriftlich zu bestätigen.

Die Mitteilung gemäß Z1 hat die am Veräußerungsgeschäft beteiligten Parteien unter Angabe ihrer Steuernummer und die für die Selbstberechnung der Steuer notwendigen Daten zu enthalten.

(3) Die Parteienvertreter haben die selbstberechnete Immobilienertragsteuer gemäß §30b Abs1 zu entrichten und haften für deren Entrichtung. Ist die Fälligkeit noch nicht eingetreten, erlischt die Verpflichtung zur Entrichtung nach einem Jahr ab Vornahme der Mitteilung nach Abs2 Z1. Zusätzlich haften die Parteienvertreter für die Richtigkeit der Immobilienertragsteuer nur, wenn diese wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird.

(4) Die Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer gemäß Abs2 Z2 kann auch bei Vornahme einer Selbstberechnung gemäß §11 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 unterbleiben, soweit

– die Einkünfte aus dem Veräußerungsgeschäft nach §30 Abs2 oder §21 Abs3 Z4 in Verbindung mit Abs2 KStG 1988 befreit sind oder

– der Zufluss voraussichtlich später als ein Jahr nach dem Veräußerungsgeschäft erfolgt oder

– bei der Veräußerung von Grundstücken des Betriebsvermögens, die stillen Reserven gemäß §12 übertragen oder einer Übertragungsrücklage zugeführt werden oder

– der Veräußerungserlös in Form einer Rente geleistet wird, oder

– das Grundstück im Rahmen eines Verfahrens gemäß §133 ff der Exekutionsordnung, RGBl. Nr 79/1896 (Zwangsversteigerung) veräußert wird.

In diesem Fall ist in der Mitteilung gemäß Abs2 Z1 anzugeben, warum die Selbstberechnung unterbleibt."

III.    Zulässigkeit

1.       Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG ist einerseits, dass die Antragstellerin behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für die Antragstellerin tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der Antragstellerin nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragstellerin nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2.       Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht ihr ein solcher zumutbarer Weg offen:

2.1.    Die Antragstellerin behauptet im Wesentlichen, die Erlangung eines anfechtbaren Bescheides zur Herantragung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §30 Abs2 Z1 EStG 1988 an den Verfassungsgerichtshof sei deshalb unzumutbar, weil sie sich nicht auf die Hauptwohnsitzbefreiung berufen könne und daher nach Veräußerung ihrer Eigentumswohnung die Immobilienertragsteuer in jedem Fall – entweder im Wege der Selbstberechnung durch den Parteienvertreter (§30c Abs2 EStG 1988) oder der besonderen Vorauszahlung (§30b Abs4 EStG 1988) – (zumindest vorläufig) zu entrichten habe. Dadurch werde "ein hoher Geldbetrag auf unbestimmte, längere Zeit ihrer Verfügungsgewalt ungerechtfertigt entzogen".

2.2.    Für die Einhebung der Immobilienertragsteuer auf Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gilt Folgendes: Nach §30c Abs2 EStG 1988 haben Parteienvertreter, die eine Selbstberechnung gemäß §11 GrEStG 1987 vornehmen, gleichzeitig dem für den Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 oder 7 EStG 1988 erzielt werden (Z1), und diesfalls die Immobilienertragsteuer gemäß §30b Abs1 EStG 1988 auf Grund der Angaben des Steuerpflichtigen selbst zu berechnen (Z2). Wird die Grunderwerbsteuer entgegen §30c Abs2 EStG 1988 nicht selbst berechnet, hat der Parteienvertreter im Rahmen einer Abgabenerklärung gemäß §10 Abs1 GrEStG 1987 mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 oder 7 EStG 1988 erzielt werden. Den Veräußerer trifft in diesen Fällen die Pflicht zur Entrichtung einer besonderen Vorauszahlung gemäß §30b Abs4 EStG 1988.

Im Falle der Selbstberechnung und Entrichtung der Immobilienertragsteuer durch den Parteienvertreter sieht §30b Abs3 EStG 1988 vor, dass auf Antrag die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §30 EStG 1988 mit dem besonderen Steuersatz gemäß §30a EStG 1988 zu veranlagen sind (Veranlagungsoption). Dabei ist die Immobilienertragsteuer auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten. Übt der Steuerpflichtige die Veranlagungsoption aus, erfolgt eine bescheidmäßige Festsetzung der Immobilienertragsteuer (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/15/0032; Jakom, EStG10 [2017] §30b Tz 1).

2.3.    Der Antragstellerin steht somit – wie sie selbst in ihrem Antrag einräumt – ein zumutbarer Weg offen, einen Bescheid der Abgabenbehörde zu erwirken, der mit Beschwerde an das Bundesfinanzgericht bekämpft werden kann. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes kann sie in der Folge gemäß Art144 Abs1 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben und auf diesem Wege ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Gesetzes-bestimmungen anders als im Wege des – bloß als subsidiären Rechtsbehelf ausgestalteten – Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof herantragen. Die vorgelagerte Entrichtung der Abgabe gemäß §30b Abs1 EStG 1988 steht diesem (zumutbaren) Weg schon deshalb nicht entgegen, weil die Abgabe spätestens am 15. Tag des auf den Kalendermonat des Zuflusses zweitfolgenden Kalendermonats und damit nach Zufluss des – sich aus der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungskosten errechnenden – Veräußerungserlöses zu entrichten ist (vgl. Jakom, EStG10 [2017] §30b Tz 4).

2.4.    Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht steht der Antragstellerin zudem die Möglichkeit offen, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vom Bundesfinanzgericht anzuwendenden Gesetzesbestimmungen vorzutragen und das gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B-VG antragsberechtigte Bundesfinanzgericht zur Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen.

2.5.    Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegen auch keine besonderen, außergewöhnlichen Umstände vor, die (ausnahmsweise) die oben angeführte Erwirkung eines Bescheides als unzumutbar erscheinen ließen. Die Situation der Antragstellerin ist vielmehr nicht anders zu bewerten als jene anderer Abgabenschuldner.

2.6.    Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.       Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Einkommensteuer, Immobilienertragsteuer, Steuerbefreiungen, Finanzverfahren, Selbstbemessung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G112.2017

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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