TE Vfgh Beschluss 2017/9/22 E1635/2017

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Veröffentlicht am 22.09.2017
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

VfGG §33
ZPO §146

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens des Rechtsvertreters; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.       Mit am 1. August 2017 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die oben genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und erhebt unter einem diese Beschwerde.

2.       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

2.1.    Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, der Vertreter des Antragstellers habe sich für eine Woche im Ausland aufgehalten, als ihm am 30. Mai 2017 durch den Verfassungsgerichtshof der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 19. Mai 2017, mit dem er zum Vertreter zur Verfahrenshilfe für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bestellt wurde, zugestellt worden sei. Eine an sich verlässliche und seit einigen Jahren in der Kanzlei beschäftigte Assistentin habe den Posteingang während der Abwesenheit des Rechtsvertreters verwaltet und bei Erhalt des Bescheides zwar einen neuen Akt angelegt, jedoch keine Frist vermerkt. Ebenso wenig habe sie das Schriftstück in die Postmappe des Rechtsanwaltes gelegt, da sich dieser ja im Ausland befunden habe.

2.1.1.  Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.1.2.  Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel am 18. Juli 2017 weg, als der Rechtsvertreter des Antragstellers, wie von ihm glaubhaft gemacht, erstmals von seiner Bestellung als Verfahrenshilfeanwalt erfuhr. Mit dem am 1. August 2017 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des zur Verfahrenshilfe bestellten Vertreters des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden:

Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen und Terminen ein Mindestmaß an Sorgfalt zu beachten sowie eine möglichst effiziente Organisation einzurichten, um zu verhindern, dass es zu Fristversäumnissen kommt (VfSlg 15.692/1999, 18.903/2009). Insbesondere im Falle einer Abwesenheit von der Kanzlei ist eine besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, dass einlangende Schriftstücke dem Parteienvertreter auch zukommen (s. etwa VfSlg 16.611/2002 und 19.252/2010 zu Kontrollmechanismen, die gewährleisten, dass an eine Kanzlei zugestellte Geschäftsstücke der notwendigen weiteren Bearbeitung zugeführt werden).

Daher kommt es dem Rechtsvertreter zu, sich nach seiner Rückkehr einen Überblick über die während seiner Abwesenheit eingelangte Post und die neu angelegten Akten zu verschaffen. Unterlässt er dies, stellt das einen Sorgfaltsverstoß dar, der über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht.

2.2.    Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

3.       Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

4.       Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E1635.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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