TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/31 W175 1244609-2

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Veröffentlicht am 31.10.2017
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Entscheidungsdatum

31.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W175 1244609-2/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2015, Zl. 731796402-14773662, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.06.2016, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird insofern gemäß § 56 Asylgesetz 2005 idgF als unbegründet abgewiesen, als im angefochtenen Bescheid der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 08.07.2014 abgewiesen wurde.

In Erledigung der Beschwerde wird die Rückkehrentscheidung des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger aus Indien, reiste im Juni 2003 nach Österreich und stellte am 15.06.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.2003 abgewiesen wurde.

Darüber hinaus wurde mit Bescheid der BH Gänserndorf vom 15.06.2003 gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bis zum 14.06.2008 verhängt. Der dagegen gerichteten Berufung vom 23.06.2003 wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wurde bestätigt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11.03.2009 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen; begründend wurde hiezu festgehalten, dass der BF im Dezember 2008 dabei betreten worden sei, wie er ohne erforderliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz als Restaurantzusteller tätig gewesen sei. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 22.06.2009 keine Folge gegeben und wurde der angefochtene Bescheid bestätigt; darin wurde noch angemerkt, dass der BF mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31.08.2006 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.04.2010 wurde das Asylverfahren des BF gem. § 7 und 8 AsylG negativ entschieden.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliche Büro, vom 26.07.2010 wurde der BF gem. § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen, wobei der dagegen gerichteten Berufung mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 31.08.2010 nicht stattgegeben wurde.

Der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck der Rot-Weiß-Rot Karte plus nach dem NAG vom 30.08.2012 wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 13.11.2012 aufgrund des gegen ihn aufrecht bestehenden Rückkehrverbotes gem. § 62 FPG abgewiesen.

Mit weiterem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliche Büro, vom 22.08.2013 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG iVm einem auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 iVm Abs. 3 FPG erlassen. Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass sich der BF seit dem Abschluss seines Asylverfahrens, welches im April 2010 rechtskräftig negativ beendet worden sei, rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. Gegen ihn seien bereits eine Ausweisung sowie ein Rückkehrverbot rechtskräftig erlassen worden, wobei der BF seiner begründeten Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen sei. Er sei weiters bei der Verrichtung einer illegalen unselbstständigen Erwerbstätigkeit betreten worden. Ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei abgewiesen worden. Es bestünden zu Österreich weder familiäre noch berufliche Bindungen. Aus den genannten Gründen würde das öffentliche Interesse an der Festsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die dem entgegenstehenden privaten Interessen des BF überwiegen. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18.11.2013 wurde die Entscheidung der Landespolizeidirektion Wien vom 22.08.2013 im Wesentlichen bestätigt.

Am 08.07.2014 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 56 Abs. 1 AsylG.

Mit Schreiben vom 20.10.2014 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter nachweislich die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt. Hiezu wurde eine Stellungnahme eingebracht, in welcher zusammengefasst festgehalten wurde, dass der BF im Juni 2003 nach Österreich gereist sei und sich seither hier aufhalte. In Österreich habe er zwar keine Familienangehörigen, jedoch würde sich hier sein gesamter Freundeskreis befinden, nachdem der BF vor 11 Jahren alle Kontakte zu seiner Heimat abgebrochen habe. Der BF sei bei der Firma Media Print als Zeitungszusteller beschäftigt und verdiene monatlich ungefähr 1000 Euro. Er sei bei der Wiener Gebietskrankenkasse krankenversichert und verfüge über Deutschkenntnisse A2 und über einen österreichischen Führerschein.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (infolge BFA) vom 28.01.2015 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 08.07.2014 gem. § 56 AsylG 2005 abgewiesen. Gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Zudem betrage gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Begründend wurde festgehalten, dass es zwar unbestritten und nachvollziehbar sei, dass während des Aufenthaltes des BF in Österreich enge Beziehungen entstanden seien und er Kontakte zu in Österreich lebenden Personen geknüpft sowie eventuell auch Sprachkenntnisse erlangt habe. Nichtsdestotrotz sei dieser Umstand nicht geeignet, eine tatsächliche Integration abzuleiten, zumal der BF nicht damit habe rechnen können, dass ihm tatsächlich ein Aufenthaltsrecht in der Zukunft durch die Asylbehörde erteilt werde. Zudem habe er seine Schul- und Berufsausbildung im Herkunftsland absolviert. Darüber hinaus bestehe seit dem 28.11.2013 eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot gegen den BF und sei der BF dieser Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen, sondern habe am 08.07.2014 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 56 Abs. 1 AsylG gestellt.

Mit Schreiben vom 26.01.2015 stellte der BF beim BFA den Antrag auf Aufhebung der über ihn mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 22.08.2013, verhängten Rückkehrentscheidung, welche zusätzlich mit einem auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Einreiseverbot verbunden wurde. Begründend wurden die zwischenzeitig geänderten Verhältnisse sowie vor allem seine vertiefte soziale Integration ins Treffen geführt. Dieser Antrag wurde mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung vom 28.05.2015 wiederholt.

Mit Schreiben vom 05.02.2015 erhob die rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28.01.2015. Darin wurde dargelegt, dass die Versagung des Aufenthaltstitels einen Eingriff in das Recht des BF auf Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK darstelle, da er über Deutschkenntnisse, ein Einkommen, eine gesicherte Unterkunft sowie Krankenversicherung verfüge und aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich, der in das Jahr 2003 zurückreiche und daher nunmehr bereits nahezu 12 Jahre andauern würde, naturgemäß auch seinen Freundeskreis in Österreich habe. Der BF sei niemals straffällig geworden oder habe sonst irgendein Gefährdungspotential für die Republik Österreich dargestellt. Er habe sich stets ordnungsgemäß verhalten und sich bemüht, seinen Verpflichtungen als Fremder im Bundesgebiet nachzukommen. § 56 AsylG 2005 stehe mit der Bestimmung des § 60 Abs. 1 AsylG in scheinbarem Widerspruch, wobei jedoch nach § 56 Abs. 1 AsylG ein begründeter Antrag auch dann zu berücksichtigen sei, wenn sich der Fremde in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme vor dem Bundesamt befinde. Durch den fristgerechten Antrag auf Aufhebung der damaligen Rückkehrentscheidung, über welchen die Erstbehörde bislang nicht entschieden habe, liege ein solcher Fall jedenfalls vor und gehe auch die Erstbehörde offensichtlich davon aus, dass die seinerzeitig erlassene Rückkehrentscheidung nicht mehr in Kraft sei.

Am 23.06.2016 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Zusammengefasst gab der BF an, seit 2003 in Österreich als Werbungsausteiler zu arbeiten und zwischen 700 und 1000 Euro im Monat zu verdienen. Der BF habe keine Schulden. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen, aber Freunde. Er teile sich eine Mietwohnung mit einem Mitbewohner. In Zukunft wolle der BF einen Beruf erlernen, wobei ihn der Beruf eines LKW-Fahrers interessieren würde. Dies sei aber erst möglich, wenn er ein Visum habe. Abgesehen davon wolle der BF eine Familie gründen. Während seiner Freizeit gehe der BF ins Fitnesscenter und spiele Fußball mit Freunden. Über Vorhalt, dass es ein Urteil vom Landesgericht für Strafsachen vom 31.08.2006 wegen gewerbsmäßigen Betruges gegen den BF gebe, meinte dieser, sich in einem Restaurant um eine Arbeit bemüht zu haben, wobei es während seiner Probezeit eine Kontrolle gegeben habe.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der BF Deutschkursbestätigungen vom österreichischen Integrationsfond vom 11.01.2013 über die vom BF erreichte Deutsch-Niveaustufe A2 sowie vom 27.02.2016 über die weiters erreichte Deutsch-Niveaustufe B1; Honorarnoten von Mediaprint vom Februar, März und April 2016; einen Mietvertrag und einen Auszug von KSV1870 vor, wonach hinsichtlich des BF keine Eintragungen zu Krediten oder Leasingverträgen vorliegen würden.

Am 06.07.2016 stellte der BF neuerlich den Antrag auf Aufhebung der in der Vergangenheit gefällten Rückkehrentscheidung; dies mit der Begründung, dass jener Umstand, der damals für die Erlassung der Rückkehrentscheidung wesentlich gewesen sei, zwischenzeitig weggefallen sei. Mit Schreiben des BFA vom 27.12.2016 wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Aufhebung der erlassenen Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot abzuweisen, weil er seiner Ausreiseverpflichtung offensichtlich bislang nicht nachgekommen sei. Ihm wurde zugleich die Möglichkeit eingeräumt, hiezu eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 20.10.2016 brachte die rechtsfreundliche Vertretung des BF einen Fristsetzungsantrag ein, welchen sie jedoch schließlich mit Schriftsatz vom 17.11.2016 zurückzog. Aufgrund der Zurückziehung wurde das Verfahren gegen das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Verletzung der Entscheidungspflicht vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.12.2016 eingestellt.

Über Nachfrage des erkennenden Gerichts hinsichtlich des vom BF gestellten Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes teilte das BFA am 27.04.2017 mit, dass gegen den BF kein Einreiseverbot mehr bestehe, da aufgrund der neuerlichen Entscheidung lediglich eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei. Dies wurde in einem Schreiben des BFA vom 02.05.2017 wiederholt; so sei die am 22.08.2013 erlassene Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot durch die neu erlassene Rückkehrentscheidung ungültig geworden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist indischer Staatsangehöriger und führt die im Spruch angeführten Personalien.

Er stellte am 08.07.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005.

Seit seiner Antragstellung auf internationalen Schutz am 15.06.2003 hält sich der BF durchgängig in Österreich auf.

Der BF konnte mit Ausnahme der Dauer seines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens vom April 2010 keinen Aufenthaltstitel nachweisen.

2. Beweiswürdigung

Der oben angeführte Verfahrensgang sowie die festgestellten Tatsachen zum Ablauf des Asylverfahrens sowie des gegenständlichen Verfahrens ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und Verfahren:

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 56 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) idgF kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist (Z 1), davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist (Z 2) und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 3). Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen. Gemäß § 56 Abs. 3 AsylG 2005 hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Gemäß § 60 Abs. 1 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht (Z 1), oder gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht (Z 2).

Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 dürfen einem Drittstaatsangehörigen gemäß § 60 Abs. 2 leg. cit. nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Im vorliegenden Fall sind bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht erfüllt, da – entgegen der anderslautenden Ansicht des BFA – nach wie vor eine mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 22.08.2013 aufrechte Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG iVm einem auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 iVm Abs. 3 FPG gegen den BF besteht (vgl. diesbezüglich u.a. auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 225/16 vom 26.07.2017, wonach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen sei, dass die darin vorgesehene Dauer eines Einreiseverbots, die grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreite, ab dem Zeitpunkt zu berechnen sei, zu dem der Betroffene tatsächlich das Territorium der Mitgliedstaaten verlassen hat).

Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof festgestellt hat, dass ein aufrechtes Einreiseverbot die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz bei zwingenden Gründen des Art 8 EMRK nicht behindert, so trifft diese einschränkende Interpretation des § 60 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 jedoch nicht auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 zu (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037: "Gemäß diesen Ausführungen hat also im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 auch eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 oder 3 FPG verbunden ist, im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens zu erfolgen. Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FPG, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 FPG gegenstandslos, sodass auch dem - deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden - Einreiseverbot der Boden entzogen ist. Vor diesem Hintergrund ist die vom BVwG angesprochene allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen kann.

Dieses Verständnis liegt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermöglicht es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG zugänglich sind, bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (zur gebotenen Beachtung von Gründen des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit der Aufhebung von Einreiseverboten siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2012, G 74/12)").

Zu der vom BFA im bekämpften Bescheid (zusätzlich neu) erlassenen Rückkehrentscheidung ist erneut auf die hier gegenständliche Entscheidung des VwGH vom 16.12.2015, Zl. Ro 2015/21/0037, hinzuweisen, in der hinsichtlich § 59 Abs. 5 FPG klargestellt wurde, dass es (wie im konkreten Fall) "bei Bestehen einer als Titel für eine Außerlandesbringung nach wie vor tauglichen Rückkehrentscheidung (mit Einreiseverbot) grundsätzlich nicht der Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) "bedarf", was indes nur heißen kann, dass dann eine neue Rückkehrentscheidung zu unterbleiben hat. Da § 59 Abs. 5 FPG insoweit keine Einschränkung zu entnehmen ist, erfasst das alle Rückkehrentscheidungs-Tatbestände des § 10 AsylG 2005 einerseits und § 52 FPG andererseits und somit auch die im vorliegenden Fall einschlägigen § 10 Abs. 3 AsylG 2005 bzw. § 52 Abs. 3 FPG." Aufgrund der nach wie aufrechte Rückkehrentscheidung (inkl. Einreiseverbot) vom 22.08.2013, der Gesetzesbestimmung des § 59 Abs. 5 FPG und der hiezu ergangenen, angeführten Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes war die neuerlich erlassene Rückkehrentscheidung des BFA im Bescheid vom 28.01.2015 zu beheben.

Die in der Beschwerde angeführten Argumente, insbesondere der Verweis auf die Achtung Privat- und Familienlebens des BF nach Art. 8 EMRK sind im gegenständlichen Verfahren unerheblich.

So führte der Verwaltungsgerichtshof in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung vom 16.12.2015 weiters aus (vom Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst bzw. gekürzt wiedergegeben), "dass einen Drittstaatsangehörigen in solch einem Fall kein Rechtsschutzdefizit treffe, da es ihm offenstehe, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG zu stellen, der nach Maßgabe des Vorliegens weiterer Voraussetzungen (§ 55 Abs. 1 Z 2 AsylG) entweder als "Aufenthaltsberechtigung plus" oder als "Aufenthaltsberechtigung" auszustellen sei, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRK geboten sei (§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005). Bei Zutreffen von letzterem stünde der Erteilung eines Aufenthaltstitels auch der Versagungsgrund nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht entgegen (die Begründung dafür wurde bereits weiter oben angeführt). Für eine Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG im Rahmen eines an das Verfahren nach § 56 AsylG 2005 geknüpften Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestehe kein Bedürfnis. Dies würde letztlich auch dem sich aus § 58 Abs. 6 AsylG 2005 ergebenden Grundsatz der Antragsbindung zuwiderlaufen."

Zusammengefasst hat das BFA zu Recht keinen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 56 AsylG 2005 erteilt. Es hätte aber keine neuerliche Rückkehrentscheidung treffen dürfen (da jene vom 22.08.2013 samt Einreiseverbot noch aufrecht ist), weshalb diese nunmehr ersatzlos zu beheben war. Dem BF bleibt in Hinblick auf die Geltendmachung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK jedenfalls die Möglichkeit, einen Antrag nach § 55 AsylG zu stellen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (v.a. die Entscheidung des VwGH vom 16.12.2015, Ro 2015/21/0037) stützen.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, aufrechte Rückkehrentscheidung, Behebung der
Entscheidung, besonders berücksichtigungswürdige Gründe, ersatzlose
Behebung, Rückkehrentscheidung behoben, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W175.1244609.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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