TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/31 W161 2135764-1

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Veröffentlicht am 31.10.2017
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Entscheidungsdatum

31.10.2017

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W161 2135764-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundeverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2016, Zl. 1126331305-161132550, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 16.08.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 15.07.2016 in Bulgarien und 09.08.2016 in Ungarn jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Bescheid vom 15.08.2016 zur Zl. 1126331305-161123119 wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der VO (EU) Nr. 604/2013 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG und § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Bei seiner Erstbefragung am 17.08.2016 gab der Beschwerdeführer an, er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Er habe keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Er sei über den Iran und die Türkei nach Bulgarien gereist. Dort habe er ein Monat verbracht. Es sei ihnen alles weggenommen worden, die Lage sei schlecht gewesen. Über Serbien sei er nach Ungarn gelangt. Dort seien sie sehr unhöflich gewesen. Er habe nirgendwo einen Asylantrag gestellt. Er wolle in Österreich bleiben. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei Angehöriger der afghanischen Polizei gewesen, deshalb sei er von den Taliban aufgefordert worden, mit ihnen zusammenzuarbeiten und widrigenfalls mit dem Tode bedroht worden.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 16.08.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Mit Schreiben vom 25.08.2016 teilte die bulgarische Dublin-Behörde mit, dass Wiederaufnahmegesuch zu akzeptieren. Der Beschwerdeführer werde in ihren Aufzeichnungen als XXXX, geb. XXXX geführt.

4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 01.09.2016 gab der Beschwerdeführer an, er sei psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. In Österreich habe er keine nahen Angehörigen. Der Sohn seines Cousins lebe in Österreich. In Bulgarien seien sie gezwungen worden, Fingerabdrücke abzugeben. Sie seien beschimpft worden. Er sei ausgeraubt worden. Es habe sich niemand um die Flüchtlinge gekümmert. Es habe keine NGOs gegeben, wie in Österreich, wo man sich über diese Zustände hätte beschweren können. Er sei 15 Tage eingesperrt gewesen. Drei Tage lang habe er in einem Flüchtlingsheim gelebt. Es stimme, dass er in Haft gewesen sei, weil er keinen Asylantrag gestellt habe. Auf der Flucht Richtung Europa sei er in mehreren Ländern gewesen. Die schlimmste Erinnerung habe er an Bulgarien. Er könne nicht zurück nach Afghanistan, weil er als Polizist Feinde dort habe. Hier gehe es ihm gut. Wenn er nach Bulgarien müsse, werde er gefoltert. Er habe auf einem Bahnhof geschlafen. Die bulgarischen Polizisten hätten ihn ausgeraubt. Er habe 180 Euro gehabt, sie hätten ihm nur 20 Euro gelassen. Sie hätten Hunde auf ihn gehetzt. Das sei gewesen, als er vom Lager nach Sofia habe fahren wollen. Er habe das erwähnt, warum es nicht geschrieben worden sei, wisse er nicht. Es sei nicht alles übersetzt worden.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung zuständig sei und II. gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Bulgarien wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformation

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Allgemeines zum Asylverfahren

 

Antragsteller 2015

Bulgarien

20.385

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 3.3.2016a)

Erstinstanzliche Entscheidungen

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründe

NEGATIV

1. Qu. 2015

1.195

1.025

65

-

100

2. Qu. 2015

2.160

1.625

300

-

235

3. Qu. 2015

2.000

1.475

355

-

170

4. Qu. 2015

820

580

165

-

75

GESAMT

6.175

4.705

885

-

480

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)

Zuständig für das Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). SAR untersteht budgetär dem bulgarischen Innenministerium, ist aber als Verwaltungsbehörde im Range eines Ministeriums direkt beim Ministerrat angesiedelt. SAR kann Asyl und subsidiären Schutz gewähren. Es gibt zusätzlich noch Schutzformen die der Staatspräsident (Asyl) bzw. der Ministerrat (temporärer Schutz) in außergewöhnlichen Fällen gewähren können (SAR 11.6.2015; vgl. AIDA 10.2015). Es existiert ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten.

(...)

Das Asylverfahren in Bulgarien wird von verschiedenen Seiten kritisiert, ebenso wie der Umstand der außerhalb des Asylinterviews angeblich mangelhaften, unregelmäßigen oder gar fehlenden Übersetzerleistungen, was seit September 2015 zu Verzögerungen bei der Registrierung geführt habe (ECRE/ELENA 2.2016).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (10.2015):

National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_update.iv_.pdf, Zugriff 3.5.2016

ECRE/ELENA - European Council for Refugees and Exiles/European Legal Network on Asylum (2.2016): Research Note: Reception conditions, detention and procedural safeguards for asylum seekers and content of international protection status in Bulgaria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457537998_research-note-reception-conditions-detention-and-procedural-safeguards-for-asylum-seekers-and-content-of-international-protection-status-in-bulgaria.pdf, Zugriff 10.5.2016

Eurostat (3.3.2016a): Statistics explained, File: Asylum applicants (including first time asylum applicants), Q4 2014 - Q4 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Asylum_applicants_(including_first_time_asylum_applicants),_Q4_2014_%E2%80%93_Q4_2015.png, Zugriff 31.3.2016

Eurostat (18.9.2015a): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 1st quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_1st_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

Eurostat (18.9.2015b): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 2nd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_2nd_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

Eurostat (10.12.2015): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 3rd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_3rd_quarter_2015.png, Zugriff 22.2.2016

Eurostat (3.3.2016b): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 4th quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_4th_quarter_2015.png, Zugriff 31.3.2016

SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (11.6.2015): Besprechung mit Vertretern von SAR, Protokoll

3. Dublin-Rückkehrer

Mit Jänner 2016 ist in Bulgarien eine Reihe von Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Demzufolge ist ein Verfahren zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als 10 Arbeitstage entzieht. Nach weiteren 3 Monaten ist das Verfahren zu beenden (Act Art. 14f.). Erscheint der Antragsteller binnen einer Frist von 6 Monaten ab Beendigung und bringt triftige Gründe für sein Fernbleiben vor, ist das Verfahren wiederzueröffnen. Die zuvor gebräuchliche 3-Monats-Regel für die Wiedereröffnung von Verfahren (siehe AIDA 10.2015), existiert nicht mehr. Ohne triftige Gründe für das Fernbleiben bleibt nur die Möglichkeit eines Folgeantrags, der aber als unzulässig gilt, wenn er keine neuen Elemente in Bezug auf den Antragsteller oder den Herkunftsstaat enthält (Act Art. 77 und 13).

Wenn der Antragsteller im Rahmen der Dublin-VO nach Bulgarien zurückkehrt und es wurde noch kein Asylantrag in Bulgarien gestellt, besteht die Möglichkeit einen Erstantrag zu stellen (VB 31.1.2012).

Wenn es bereits einen Antrag gab, aber das Verfahren des Dublin-Rückkehrers nicht inhaltlich geführt wurde, ist dieses jedenfalls wiederzueröffnen (Act Art. 77; vgl. SAR 17.5.2016a).

Sind mehr als 6 Monate seit Beendigung des Verfahrens vergangen, würde ein erneuter Antrag als Erstantrag gelten (und nicht als Folgeantrag), wenn er noch nicht inhaltlich behandelt worden ist (SAR 17.5.2016b).

ECRE hat im März 2016 erklärt, dass nahezu alle Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Folgeantragsteller sind, da ihnen SAR bei Rückkehr eine "termination decision" aushändigt (ECRE 12.3.2016). Folgeantragsteller (außer Vulnerable) haben während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags (de iure 14 Tage) kein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversicherung/-versorgung und psychologische Hilfe (Act Art. 29 und 76b; vgl. ECRE/ELENA 2.2016).

Bei Antragstellern, deren suspendiertes Verfahren wiedereröffnet wird, weil es triftige Gründe für Ihr Fernbleiben gibt, ist laut Gesetz das Recht auf Krankenversicherung als fortdauernd (continuous) zu betrachten (Act Art. 29).

Quellen:

-

Act - Asylum and Refugees Act (amend. 22.12.2015), per E-Mail

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (10.2015):

National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_update.iv_.pdf, Zugriff 3.5.2016

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (12.3.2016): Wrong counts and closing doors. The reception of refugees and asylum seekers in Europe,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/shadow-reports/aida_wrong_counts_and_closing_doors.pdf, Zugriff 6.5.2016

ECRE/ELENA - European Council for Refugees and Exiles/European Legal Network on Asylum (2.2016): Research Note: Reception conditions, detention and procedural safeguards for asylum seekers and content of international protection status in Bulgaria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457537998_research-note-reception-conditions-detention-and-procedural-safeguards-for-asylum-seekers-and-content-of-international-protection-status-in-bulgaria.pdf, Zugriff 10.5.2016

SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (17.5.2016a): Auskunft SAR, per E-Mail

SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (17.5.2016b): Auskunft SAR, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (31.1.2012): Bericht des VB, per E-Mail

4. Non-Refoulement

Die Europäische Kommission hat am 1. April 2014 bestätigt, dass gegen Bulgarien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des möglichen Refoulements von syrischen Flüchtlingen an der bulgarisch-türkischen Grenze begonnen wurde. Der erste Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens ist der "Letter of formal notice", in dem das Land um seine Einschätzung des Problems gebeten wird (ECRE 4.4.2014). Am 23.9.2015 wurde wegen fehlender Reaktion auf die formal notice eine reasoned opinion an Bulgarien versendet (EK 23.9.2015).

2015 hat das bulgarische Innenministerium verlautbart, dass 6.400 Drittstaatsangehörigen aus Syrien, Irak und Afghanistan, die Einreise nach Bulgarien - zumeist aus der Türkei kommend - offiziell verwehrt worden ist. Durch diese Zahlen sieht AIDA die Vorwürfe bezüglich Refoulement, wie sie von verschiedenen NGOs und Beobachtern erhoben wurden, als bestätigt an (AIDA 10.2015).

Die Regierung gewährt einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, wo ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 13.4.2016).

Es gibt eine Reihe von Berichten über gewaltsame "push-backs" an der Grenze zur Türkei (USDOS 13.4.2016; vgl. AI 24.2.2016; ECRE/ELENA 2.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - Bulgaria,

https://www.ecoi.net/local_link/319743/458937_de.html, Zugriff 6.5.2016

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (10.2015):

National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_update.iv_.pdf, Zugriff 3.5.2016

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (4.4.2014): Weekly Bulletin 4 April 2014, per E-Mail

ECRE/ELENA - European Council for Refugees and Exiles/European Legal Network on Asylum (2.2016): Research Note: Reception conditions, detention and procedural safeguards for asylum seekers and content of international protection status in Bulgaria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457537998_research-note-reception-conditions-detention-and-procedural-safeguards-for-asylum-seekers-and-content-of-international-protection-status-in-bulgaria.pdf, Zugriff 10.5.2016

EK - Europäische Kommission (23.9.2015): Pressemitteilung: More Responsibility in managing the refugee crisis: European Commission adopts 40 infringement decisions to make European Asylum System work,

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5699_en.htm?locale=en, Zugriff 4.5.2016

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/322515/461992_de.html, Zugriff 6.5.2016

5. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Das bulgarische Asylgesetz definiert als vulnerable Gruppen: Kinder, Schwangere, Alte, alleinstehende Elternteile mit ihren Kindern, Behinderte und Opfer schwerer Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt (AIDA 10.2015).

Die Gesetze sehen keine spezifischen Identifikationsmechanismen für Vulnerable vor, weswegen sich NGOs besorgt über den Mangel an Verfahrensgarantien für Vulnerable zeigen. Medizinische Untersuchungen sind nur vorgeschrieben, wenn der Verdacht besteht, der ASt sei psychisch krank. Gegebenenfalls wird ein Vormund bestellt (AIDA 10.2015).

Als positiver Schritt wird bewertet, dass im Rahmen von Gruppenorientierungsveranstaltungen in den Unterbringungszentren neuerdings auch eine Art Screening nach Vulnerablen durchgeführt wird. Es werden Fragen nach Behinderungen, chronischen Krankheiten usw. gestellt. Dies betrifft aber angeblich nur prioritäre Fälle (ECRE 12.3.2016).

Es gibt nur einen Bereich, in dem die Berücksichtigung der Vulnerabilität gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist: bei der Unterbringung. In der Praxis soll die Berücksichtigung ihrer speziellen Bedürfnisse aufgrund mangelnder Kapazitäten und Unterbringungsbedingungen jedoch kaum umgesetzt werden. Eigene Unterbringungszentren für Vulnerable/UMA existieren nicht. Familien werden nach Möglichkeit gemeinsam und in eigenen Räumen untergebracht. Sozialmediatoren des Roten Kreuzes unterstützen SAR dabei, dass AW mit speziellen Bedürfnissen entsprechend betreut werden. Spezifische Maßnahmen für Vulnerable umfassen Arrangements betreffend Medikation und Ernährung bei Vorliegen einiger chronischer Krankheiten (z.B. Diabetes, Epilepsie, usw.) (AIDA 10.2015; vgl. ECRE/ELENA 2.2016).

Bei Zweifeln an der Minderjährigkeit eines Antragstellers ist eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Eine bestimmte Methode ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, Standardverfahren ist aber das Handwurzelröntgen. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Sozialarbeiter haben in jedem Fall eine Einschätzung des besten Interesses des Minderjährigen abzugeben (AIDA 10.2015).

Vormunde haben für die geeignete rechtliche Vertretung der UMA im Asylverfahren zu sorgen. Für jeden UMA ist daher umgehend ein Vormund zu bestellen. Alternativ kann aber auch ein Sozialarbeiter zur Seite gestellt werden, was angeblich meist der Fall ist. NGOs kritisieren, dass ein Sozialarbeiter rechtlich den Vormund nicht ersetzt und somit das Recht verletzt wird. Es gibt auch ein dahingehendes Gerichtsurteil, was aber in der Praxis keine Auswirkungen hat (AIDA 10.2015).

Seit 1.1.2016 ist in Bulgarien die Inhaftierung von unbegleiteten Minderjährigen erlaubt. Begleitete Minderjährige durften zusammen mit ihren Eltern auch zuvor schon zeitlich begrenzt inhaftiert werden (ECRE 12.3.2016; vgl. AIDA 10.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (10.2015):

National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_update.iv_.pdf, Zugriff 3.5.2016

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (12.3.2016): Wrong counts and closing doors. The reception of refugees and asylum seekers in Europe,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/shadow-reports/aida_wrong_counts_and_closing_doors.pdf, Zugriff 6.5.2016

ECRE/ELENA - European Council for Refugees and Exiles/European Legal Network on Asylum (2.2016): Research Note: Reception conditions, detention and procedural safeguards for asylum seekers and content of international protection status in Bulgaria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457537998_research-note-reception-conditions-detention-and-procedural-safeguards-for-asylum-seekers-and-content-of-international-protection-status-in-bulgaria.pdf, Zugriff 10.5.2016

6. Versorgung

6.1. Unterbringung

Asylwerber haben Zugang zu grundlegender Versorgung (USDOS 13.4.2016).

Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Harmanli sowie über ein Transitzentrum (Pastrogor). Die Kapazität der Transit- und Unterbringungszentren liegt bei ca. 5.130 Plätzen, obwohl SAR (State Agency for Refugees with the Council of Ministers) behauptet bis zu

7.800 Menschen unterbringen zu können.

(...)

Die Unterbringungsbedingungen sind Berichten zufolge nicht zufriedenstellend, da sie sich nach Verbesserungen 2014 im Laufe des Jahres 2015 wieder verschlechtert haben. Es gibt in den Zentren zwei Mahlzeiten am Tag, außer für Kinder unter 18 Jahren, welche drei Mahlzeiten erhalten. Es gibt aber Kritik bezüglich Regelmäßigkeit und Qualität der Verpflegung (AIDA 10.2015; vgl. ECRE/ELENA 2.2016).

Im März 2015 wurde beschlossen, rückwirkend mit 1. Februar 2015 die Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) nicht mehr auszubezahlen. Hintergrund ist laut Auskunft der SAR, dass gemäß bulgarischem Asylgesetz Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterkunft und Nahrung haben und die BGN 65,- für die Versorgung mit Lebensmitteln bestimmt waren. Da die AW aber seit Februar 2014 in den Zentren der SAR warme Mahlzeiten erhalten, bestehe für die Auszahlung des Geldes keine Notwendigkeit mehr. Dagegen haben einige NGOs, nicht zuletzt angesichts der Beschwerden bezüglich Regelmäßigkeit und Qualität der Verpflegung, gerichtliche Beschwerde erhoben, welche noch anhängig ist (VB 10.8.2015; vgl. AIDA 10.2015, USDOS 13.4.2016, AI 24.2.2016).

AW in Bulgarien haben Anspruch auf Unterbringung und Versorgung während des gesamten Asylverfahrens, auch während der Beschwerdephase. Das umfasst Unterkunft, Verpflegung, Krankenversorgung und psychologische Hilfe. In der Praxis werden bei Platzknappheit mittellose AW prioritär in den Unterbringungszentren versorgt. Spezielle Bedürfnisse und Obdachlosigkeitsrisiko (Vorhandensein von Mitteln, Beruf und potentielle Jobaussichten, Zahl der Familienmitglieder und etwaige Vulnerabilität) werden in jedem Fall berücksichtigt. Nur Folgeantragsteller haben diese Rechte nicht, es sei denn, es handelt sich um Vulnerable (in der Praxis haben laut AIDA aber angeblich auch vulnerable Folgeantragsteller wegen des steten Zustroms neuer Antragsteller keinen Zugang zu Unterbringung und Versorgung) (AIDA 10.2015).

Wird die Unterbringung in einem Zentrum verweigert, ist das vor Gericht binnen 7 Tagen anfechtbar (AIDA 10.2015).

Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich der Unterbringungsbedingungen von AW, vor allem betreffend Verpflegung, Unterbringung und medizinischer Versorgung (AI 24.2.2016).

Die Praxis, eine fixe externe Adresse vorzutäuschen, um außerhalb eines Zentrums leben zu können, existiert. Zahlen sind zu diesem Phänomen sind keine bekannt. SAR überprüft die Adressen nicht. SAR bemerkt das Vorliegen einer Scheinmeldung zumeist daran, dass auf die Post (Vorladungen etc.) nicht reagiert wird (SAR 11.6.2015).

Darüber hinaus sind noch die Schubhaftkapazitäten Bulgarien zu nennen. Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze), Lyubimets (300 Plätze) und das geschlossene Verteilerzentrum Elhovo (240 Plätze), von wo aus jene Personen weiterverteilt werden, die nach Aufgriff nach illegalem Grenzübertritt einen Asylantrag gestellt haben (AIDA 10.2015; vgl. ECRE/ELENA 2.2016). Es gibt Berichte, dass Haft bei der Einreise in Bulgarien ein strukturelles Problem ist und manche Staatsangehörige (2014: Marokkaner, Tunesier, Algerier; 2015: Ivorer, Malier, Inder, Pakistani, etc.) fast ihr gesamtes Asylverfahren in Haft absolvieren müssen, während das auf andere Nationalitäten nicht zutrifft (ECRE 12.3.2016; vgl. ECRE/ELENA 2.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - Bulgaria,

https://www.ecoi.net/local_link/319743/458937_de.html, Zugriff 6.5.2016

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (10.2015):

National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_update.iv_.pdf, Zugriff 3.5.2016

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (12.3.2016): Wrong counts and closing doors. The reception of refugees and asylum seekers in Europe,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/shadow-reports/aida_wrong_counts_and_closing_doors.pdf, Zugriff 9.5.2016

ECRE/ELENA - European Council for Refugees and Exiles/European Legal Network on Asylum (2.2016): Research Note: Reception conditions, detention and procedural safeguards for asylum seekers and content of international protection status in Bulgaria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457537998_research-note-reception-conditions-detention-and-procedural-safeguards-for-asylum-seekers-and-content-of-international-protection-status-in-bulgaria.pdf, Zugriff 10.5.2016

SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (11.6.2015): Besprechung mit Vertretern von SAR, Protokoll

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/322515/461992_de.html, Zugriff 6.5.2016

VB des BM.I in Bulgarien (10.8.2015): Bericht des VB, per E-Mail

6.2. Medizinische Versorgung

Das System der obligatorischen Krankenversicherung in Bulgarien wird von der nationalen Krankenversicherungskasse verwaltet. Die Kasse bietet eine grundlegende Gesundheitsversorgung auf Grundlage der Beiträge zur obligatorischen Krankenversicherung. U.a. im Rahmen der Krankenversicherung pflichtversichert sind auch Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge bzw. aus humanitären Gründen Geduldete. Sie erhalten folgende steuerfinanzierte Leistungen:

* medizinische Hilfe in Notfällen;

* Geburtshilfe für Frauen ohne Krankenversicherungsschutz unabhängig von der Art der Geburt, gemäß einer Verordnung des Gesundheitsministers, die auch das Verfahren regelt;

* stationäre psychiatrische Hilfe;

* Versorgung mit Blut und Blutprodukten;

* Transplantation von Organen, Gewebe und Zellen;

* obligatorische Behandlungen oder Quarantäne;

* fachärztliche Gutachten zur Feststellung des Grads von Behinderung und langfristiger Erwerbsminderung;

* Zahlung der Behandlung bestimmter Krankheiten nach den Richtlinien des Gesundheitsministeriums;

* Transporte nach den Bestimmungen des Gesundheitsministeriums.

Folgende medizinische Leistungen werden von der nationalen Krankenversicherungskasse übernommen:

1. krankheitsvorbeugende ärztliche und zahnärztliche Behandlungen;

2. ärztliche und zahnärztliche Behandlungen zur Früherkennung von Krankheiten;

3. ambulante und stationäre Versorgung zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten;

4. Fortsetzung der Behandlung, Langzeitbehandlung und medizinische Rehabilitation;

5. medizinische Notversorgung;

6. medizinische Versorgung vor, während und nach der Geburt;

7. medizinische Versorgung gemäß Artikel 82 Absatz 1 Ziffer 2 des Gesundheitsgesetzes;

8. Abtreibungen aus medizinischen Gründen und bei Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung;

9. zahnärztlich Behandlung;

10. häusliche Pflegebehandlung;

11. Verschreibung und Verabreichung zugelassener Arzneimittel für die häusliche Pflege auf dem gesamten Staatsgebiet;

12. Verschreibung und Verabreichung von medizinischen Produkten und Diätnahrung für besondere medizinische Zwecke;

13. medizinische Begutachtung der Arbeitsfähigkeit;

14. medizinisch begründete Transporte;

15. Gesundheitsmaßnahmen entsprechend Art. 82, Para. 2, Punkt 3 des Gesundheitsgesetztes (stationäre psychiatrische Behandlung);

16. Impfstoffe, Impfungen und Impfauffrischungen;

17. medizinisch unterstützte Fortpflanzung.

(EK 7.2013)

Laut der Gesetzgebung der Republik Bulgarien haben Ausländer im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ein Recht auf Krankenversicherung, zugängliche medizinische Grundversorgung und unentgeltliche medizinische Versorgung unter den für bulgarische Staatsbürger geltenden Bestimmungen und Bedingungen, und zwar ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung als Schutzsuchende. Im Zuge des laufenden Asylverfahrens genießen Ausländer Rechte als Krankenversicherte im selben Umfang wie bulgarische Staatsbürger. Im Hinblick auf die Erhaltung der öffentlichen Gesundheit werden AW nach der Eröffnung eines Asylverfahrens einer medizinischen Untersuchung unterzogen. Im Falle einer Krankheit werden entsprechende Behandlungsmaßnahmen eingeleitet. Diese Maßnahmen sind für AW kostenlos und werden in den Unterbringungszentren durchgeführt. Nach Eröffnung eines Asylverfahrens und Erhalt einer Registrierungskarte haben AW das Recht, einen Arzt (Allgemeinarzt) und einen Zahnarzt auszuwählen. Folgende Leistungen sind umfasst:

Prophylaxe; ambulante und Krankenhausbehandlung; Rehabilitation;

Versorgung in der Schwangerschaft; Entbindung und Mutterschaft;

Abtreibungen aufgrund medizinischer Indikation und nach Vergewaltigung; zahnmedizinische und zahntechnische Behandlung;

Verschreibung und Abgabe von zugelassenen Arzneimitteln; usw. Die Kosten werden von der Nationalen Krankenkasse getragen. Wer nicht krankenversichert ist, muss diese Leitungen selbst bezahlen. Immer gewährt wird medizinische Nothilfe. Die Nationale Krankenkasse übernimmt gänzlich oder teilweise die Kosten für Arzneimittel, medizinische Erzeugnisse und diätetische Lebensmittel für spezielle medizinische Zwecke, welche für die häusliche Krankenpflege pflichtversicherter Personen gedacht sind, und zwar für bestimmte Erkrankungen, die mit einer Verordnung des Gesundheitsministers festgelegt worden sind (VB 24.6.2014).

AW haben dieselben Rechte auf Krankenversorgung wie bulgarische Staatsbürger. SAR ist gesetzlich verpflichtet ihre Krankenversicherung zu gewährleisten. In der Praxis haben AW Zugang zu den vorhandenen Gesundheitsdiensten. Sie begegnen dabei denselben Schwierigkeiten wie bulgarische Staatsbürger auch, aufgrund des generell schlechten Zustands des nationalen Gesundheitssystems. SAR konnte 2015 für mehrere Monate die Krankenversorgung für AW nicht gewährleisten. Seit September 2015 funktioniert diese wieder durch 1-2 Personen Sanitätspersonal vor Ort in den Zentren. Spezielle Behandlung für Folteropfer oder Personen mit psychischen Problemen ist Berichten zufolge nicht verfügbar. Notfalls wird mit Überweisung in die Notaufnahmen von örtlichen Spitälern gearbeitet. Teurere Medikamente werden vom Roten Kreuz und anderen NGOs bereitgestellt. Wenn die Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder entzogen wird, besteht auch kein Zugang mehr zu medizinischer Versorgung (AIDA 10.2015; vgl. ECRE/ELENA 2.2016).

Es gibt Berichte über Verzögerungen bei der Begleichung der Krankenversicherungsbeiträge für AW durch SAR und Kritik am Umfang der von der Versicherung übernommenen Leistungen (ECRE 12.3.2016).

Asylwerber und UMA, sowie Personen, die bereits Asyl in der Republik Bulgarien erhalten haben und eine psychologische und psychiatrische Betreuung benötigen, werden nach Angaben von SAR von Psychologen der SAR sowie von Psychologen und Psychiatern der Zentren ASET und NADYA betreut. Das Zentrum ASET ist eine NGO, welche Folteropfer unterstützt. ASET arbeitet seit 2003 mit SAR zusammen und bietet psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Behandlung, soziale Beratung, Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen, individuelle Einschätzung des psychologischen Zustandes und psychologische Gutachten an. Das Zentrum NADYA ist eine Stiftung welche Frauen hilft, die physische, psychische oder sexuelle Gewalt erlebt haben. Das Zentrum bietet medizinische, psychologische und juristische Beratung, sowie Psychotherapie bzw. verweist die Bedürftigen zu anderen Behörden und Spezialisten. Momentan leistet das Zentrum NADYA psychiatrische und psychologische Unterstützung in den territorialen SAR-Einheiten im Rahmen eines Projekts, finanziert vom Fonds "Asyl, Migration und Integration" ("Unterstützung des Prozesses der Anfangsanpassung der Asylsuchenden durch soziale Mediation, Bildungsaktivitäten, psychologische Hilfe und rechtliche Beratung") (VB 26.4.2016).

In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben (VB 26.4.2016).

Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich der medizinischen Versorgung von AW (AI 24.2.2016).

(Anm. der Staatendokumentation: Ausführlichere Informationen zu psychologischer Betreuung, eine Liste der Psychologen in Bulgarien (in bulgarischer Sprache) und eine Liste von Apotheken in einigen bulgarischen Städten, in denen Psychopharmaka verfügbar sind, sowie eine Liste von Krankenhäusern in einigen bulgarischen Städten, in denen psychologische/psychiatrische Behandlung verfügbar ist, ist der AFB BULG_RF_MEV_Psychologische Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten_2016_05_02_AS auf dem Koordinationsboard bzw. auf ecoi.net zu entnehmen!)

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - Bulgaria,

https://www.ecoi.net/local_link/319743/458937_de.html, Zugriff 6.5.2016

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (10.2015):

National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_update.iv_.pdf, Zugriff 3.5.2016

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (12.3.2016): Wrong counts and closing doors. The reception of refugees and asylum seekers in Europe,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/shadow-reports/aida_wrong_counts_and_closing_doors.pdf, Zugriff 6.5.2016

ECRE/ELENA - European Council for Refugees and Exiles/European Legal Network on Asylum (2.2016): Research Note: Reception conditions, detention and procedural safeguards for asylum seekers and content of international protection status in Bulgaria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457537998_research-note-reception-conditions-detention-and-procedural-safeguards-for-asylum-seekers-and-content-of-international-protection-status-in-bulgaria.pdf, Zugriff 10.5.2016

EK - Europäische Kommission (7.2013): Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Bulgarien,

http://ec.europa.eu/employment_social/empl_portal/SSRinEU/Your%20social%20security%20rights%20in%20Bulgaria_de.pdf, Zugriff 10.5.2016

VB des BM.I in Bulgarien (24.6.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail

Zur Aktualität der Quellen werde angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der sich nichtgeänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Es könne nicht festgestellt werden, dass er an schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leide. Bulgarien habe mit Schreiben vom 25.08.2016 der Übernahme zugestimmt. Ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal habe sich nicht ergeben. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keinen Familienbezug. Eine besondere Integrationsverfestigung könne nicht festgestellt werden. Ein von ihm im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter, außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu.

4. Am 15.09.2016 wurde Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben. Vorgebracht wurde, dass das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme am 01.09.2016 nicht die Zeit erhalten, alles auszuführen. Der Einvernahmeleiter habe den Eindruck erweckt, dass er eine negative Haltung ihm gegenüber hätte. Es habe keine Einzelfallprüfung stattgefunden. Die Länderfeststellungen würden die tatsächliche Situation in Bulgarien nicht abbilden. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft, weil es tatsächlich objektiv wahrscheinlich sei, dass der Beschwerdeführer die vorgebrachten Erfahrungen in Bulgarien auch tatsächlich gemacht habe und es gebe keine Anhaltspunkte für eine persönliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Die Überstellung des Beschwerdeführers stelle eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte dar und sei daher rechtswidrig.

5. Am 06.10.2016 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen. Von 10.10.2016 bis 21.10.2016 war er in zwei Asylunterkünften gemeldet, wurde jedoch wegen Untertauchens abgemeldet. Mit Schreiben vom 31.10.2016 setzte das Bundesamt die Überstellungsfrist betreffend den Beschwerdeführer gegenüber Bulgarien aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste im Juli 2016 über Bulgarien, wo er am 15.07.2016 einen Asylantrag stellte, illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein. In Folge reiste er weiter nach Ungarn, wo er abermals am 09.08.2016 einen Asylantrag stellte und zuletzt nach Österreich, wo er am 16.08.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachte.

Das Bundesamt richtete am 16.08.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Mit Schreiben vom 25.08.2016 teilte die bulgarische Dublin-Behörde mit, das Wiederaufnahmegesuch ausdrücklich zu akzeptieren.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Bulgarien an.

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Der Antragsteller leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer (etwa wegen seines Gesundheitszustandes oder wegen der dortigen Lage) im Falle einer Überstellung nach Bulgarien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstige konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systematischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes.

Es finden Einzelüberstellungen, als auch Charterflüge nach Sofia statt. Bei der Überstellung werden auf besondere Bedürfnisse der Betroffenen Rücksicht genommen und insbesondere medizinische Berichte an den Zielstaat übermittelt.

Ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

Am 06.10.2016 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen. Am 21.10.2016 wurde er aus seiner Unterkunft abgemeldet. Mit Schreiben vom 31.10.2016 teilte das Bundesamt der bulgarischen Dublin-Behörde mit, dass die Überstellungsfrist ausgesetzt werde.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie der Asylantragstellungen in Bulgarien und Ungarn ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahmen im Zusammenhang mit der bezugnehmenden EURODAC-Treffermeldung.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Wiederaufnahme der beschwerdeführenden Partei seitens Bulgariens leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt dem Verwaltungsakt ein - zwischen der österreichischen und der bulgarischen Dublin-Behörde ab.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen, wobei aktuelle Stellungnahmen von UNHCR in die Erwägungen eingeflossen sind. Zur Kritik in der Beschwerde, die Länderfeststellungen würden sich nur auf einseitige Quellen stützen, ist auszuführen, dass sich den Quellenangaben im angefochtenen Bescheid eindeutig entnehmen lässt, dass sich die Feststellungen nicht ausschließlich auf staatliche Quellen gründen. Die in der Beschwerde-Ergänzung zitierten Berichte sind teilweise älter als die Länderfeststellungen des Bundesamtes. Auch hat das BFA bzw. die Staatendokumentation in den Länderfeststellungen einen Bericht von Amnesty International mit einbezogen, sodass von einer Unausgewogenheit der Quellen wohl nicht gesprochen werden kann. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht sohin ins Leere, zumal in den Feststellungen durchaus auch Kritik an Schwachstellen des bulgarischen Asylsystems dargestellt wird.

Hervorzuheben ist, dass die in UNHCR-Berichten vom Jänner und Februar 2014 empfohlene Aussetzung von Rückführungen nach Bulgarien nicht mehr aktuell ist. Den Länderfeststellungen zufolge - insbesondere basierend auf dem UNHCR-Update-Bericht vom April 2014 - wird eine vormals ausgesprochene Anregung einer generellen Suspendierung von Dublin-Überstellungen nicht mehr aufrechterhalten. Allenfalls zu beachtende, hinzutretende Risikoelemente betreffend unbegleitete Minderjährige oder besonders vulnerable Personen oder Personengruppen liegen beim Beschwerdeführer nicht vor. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden.

Die vorliegende Entscheidung folgt der aktuellen Einschätzung von UNHCR, da dessen Expertisen als Garant des internationalen Flüchtlingsschutzes regelmäßig auch von den nationalen Höchstgerichten und dem EGMR bei deren Entscheidungen maßgeblich berücksichtigt werden.

Die Feststellungen des Nichtvorliegens besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen in Österreich sowie jene zum Gesundheitszustand basieren auf den eigenen Angaben der beschwerde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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