Entscheidungsdatum
31.10.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W233 1400000-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. XXXX FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2017,
Zl. 780157702-29076740, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG
stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen stellte nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.04.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Ersteinvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.04.2017 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie an keinen Krankheiten leide, die die Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Sie stelle diesen neuerlichen Antrag auf Asyl, da ihre Gründe nach wie vor aufrecht seien und sie nunmehr abermals nach Österreich gekommen sei, um mit ihren Familienangehörigen zu leben.
Zum Zeitpunkt ihrer Einreise war die Beschwerdeführerin im Besitz eines italienischen Schengen-Visums, gültig bis 18.04.2017.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete sodann unter Hinweis auf das von Italien der Beschwerdeführerin ausgestellte Schengen-Visum am 28.04.2017 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien.
Mit Schreiben vom 10.07.2017 teilte die österreichischen Dublin-Behörde Italien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 22 Absatz 7 / Artikel 25 Absatz 2 der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Italien nunmehr mit Wirksamkeit vom 29.06.2017 zuständig für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens der Antragstellerin sei.
3. Im Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin finden sich auf den Aktenseiten 53 - 59, 61 - 65, 67 - 83, 85, 87 - 89 und 113 - 121 verschiedene Arztbriefe über den Gesundheitszustand bzw. eine Aufenthaltsbestätigung im Landesklinikum XXXX der Beschwerdeführerin. Diese Bescheinigungen sind laut jeweiligem Eingangsstempel am 05.05, 24.05., 07.06., 13.06., 04.07. und 10.07.2017 beim Bundesamt eingegangen. Zusätzlich findet sich auf der AS 127 eine Aufenthaltsbestätigung des Landesklinikums XXXX, wonach die Beschwerdeführerin vom 22.06. bis 29.06.2017 dort stationär aufgenommen worden ist. Diese Aufenthaltsbestätigung ist laut Eingangsstempel am 28.07.2017 im Bundesamt eingegangen. Allen diesen ärztlichen Bescheinigungen ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts auf Brustkrebs (Mamma-CA links) in Behandlung steht.
4. Am 16.08.2017 erfolgte nach durchgeführter Rechtsberatung, im Beisein einer Rechtsberaterin die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt. Hierbei gab die Beschwerdeführerin zu Ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie wegen ihrer Krankheit ihr Herkunftsland verlassen habe. Befragt nach ihrem Gesundheitszustand gab sie zu Protokoll, dass sie im Krankenhaus
XXXX in ärztlicher Betreuung bzw. dort zur Laser- oder Chemotherapie sei. Ihr nächster Behandlungstermin sei mit 31.08.2017 terminiert. Befragt nach Familienangehörigen in Österreich führte die Beschwerdeführerin aus, dass hier ihr Sohn und ihre zwei Schwestern rechtmäßig aufhältig seien. Konfrontiert mit dem Umstand, dass Italien für die Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz zuständig und es daher beabsichtigt sei ihre Außerlandesbringung nach Italien zu veranlassen gab die Beschwerdeführerin an, dass sie in Italien für sich keine Zukunft sehe und sie nicht wisse, wie sie dort überleben solle. In Österreich habe sie Verwandte, die ihr helfen würden und müsse sie ihre Behandlung hier in Österreich zu Ende führen. Zu den ihr zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen über Italien äußerte sie sich nicht. Der mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift ist auf den AS 153 - 155 eine Ablichtung von verschiedenen Medikamentenpackungen angeschlossen.
5. In der Folge finden sich im Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin auf den AS 157 - 159 ein an das ORS Service GmbH, Otto Glöckel-Str. 24, 2514 Traiskirchen, gerichtetes Schreiben (Arztbrief) in welchem mitgeteilt wird, dass die Beschwerdeführerin an einem "invasivem ductalem Mammacarcinom links" leidet und am 31.08.2017 in der onkologischen Tagesklinik des Landesklinikums XXXX zur Besprechung einer geplanten adjuvanten Chemotherapie mit Epriubicin / Cyclophosphamid und Docetaxel für insgesamt jeweils 4 Zyklen, als 8 Zyklen Chemotherapie anwesend gewesen sei. Der Therapiebeginn sei mit 03.10.1017 geplant. In diesem Schreiben sind auch die dort näher bezeichnete Verabreichung von Begleitmedikamenten beschrieben und überdies ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an einer Krebserkrankungen leide und eine aufwändige, adjuvante Chemotherapie erhalten werde, weshalb eine Überstellung in ein angemessenes Quartier, wie z.B. XXXX, aus ärztlicher Sicht zu befürworten sei.
Darüber hinaus finden sich auf den AS 161 und 163 Terminbestätigungen für die Beschwerdeführerin in der onkologischen Tagesklinik des Landesklinikums XXXX.
Schließlich findet sich auf den AS 165 - 201 weitere Arztbriefe über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bzw. mehrere Aufenthaltsbestätigungen über die stationäre Aufnahme der Beschwerdeführerin im Landesklinikum XXXX als auch ein ärztlicher Bericht über die im Rahmen eines stationär erfolgten Aufenthalts im Landesklinikum XXXX bei der Beschwerdeführerin erfolgten Implantation eines "Porth-a-Cath".
6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Italien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden.
Des Weiteren stellte die belangte Behörde im Bescheid der Beschwerdeführerin zu ihrem Gesundheitszustand fest, dass sie an keinen schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leide. Unter der Rubrik Beweiswürdigung führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass sie am 12.10.2017 mit einer im angefochtenen Bescheid namentlich näher bezeichneten Oberärztin telefonisch Rücksprache gehalten habe, die erklärt hätte, dass die Behandlung der Beschwerdeführerin ca. ein halbes Jahr dauern würde, die Behandlungstermine für die Chemotherapie der Beschwerdeführerin jeweils im Abstand von 3 Wochen stattfinden sollten und einer Weiterbehandlung der Beschwerdeführerin in Italien nichts entgegenstehen würde. Zudem könne die belangte Behörde nicht erkennen, dass der Beschwerdeführerin der Zugang zu ihrer erforderlichen Therapie und den erforderlichen Medikamenten in Italien nicht gewährt werden würde, da Asylwerber in Italien in Hinblick auf die medizinische Versorgung die gleichen Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger hätten. In diesem Zusammenhang verweist die belangte Behörde auf zwei Berichte des Verbindungsbeamten des österreichischen Innenministeriums in Italien vom 08.08.2017 bzw. 06.07.2017.
Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei daher im vorliegenden Fall nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts ergeben.
7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht am 23.10.2017 eingebrachte Beschwerde der Beschwerdeführerin im Zulassungsverfahren, mit welcher diese im Wesentlichen vorbringt, dass ihre Überstellung nach Italien eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung ihres Krankheitsverlaufes bewirken würde. Sie wäre schwer krank und würde an einem Lymphknotentumor leiden, der mit Chemotherapie behandelt werden müsse. Diese Krankheit könne lebensbedrohlich für sie sein, wenn sie nicht ständig und ohne Unterbrechung Zugang zu entsprechenden Medikamenten, Therapien und medizinischer Versorgung hätte. Sie habe am 03.10.2017 im Landesklinikum XXXX eine Chemotherapie begonnen und sei ihr die regelmäßige Fortsetzung dieser Therapie als erforderlich empfohlen worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin reiste mit einem ihr von Italien ausgestelltem Schengen-Visum in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Dublin III-VO ein und stellte am 19.04.2017 im österreichischen Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 28.04.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestützte Aufnahmeersuchen an Italien. Mit Schreiben vom 10.07.2017 teilte die österreichische Dublin-Behörde Italien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 22 Absatz 7 der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Italien mit Wirksamkeit vom 29.06.2017 zuständig für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens der Antragstellerin sei.
Die Beschwerdeführerin leidet laut in ihrem Akt einliegenden ärztlichen Befund (AS 157 - 159) des Landesklinikums XXXX, ausgestellt am 03.10.2017 an einer "invasis ductales Mammacarcinom li. mit pos. Sentinel-Lymphknoten", wobei in diesem Arztbrief auf AS 159 nochmals deutlich ausgeführt ist, dass die Patientin an einer Krebserkrankung leidet und eine aufwändige, adjuvante Chemotherapie erhalten werde, weshalb eine Überstellung in ein angemessenes Quartier aus ärztlicher Sicht zu befürworten sei.
Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob - und allenfalls unter welchen Auflagen - ihre Überstellungsfähigkeit nach Italien gegeben ist um eine Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund allfällig gegebener gesundheitlicher Beeinträchtigungen auszuschließen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellung zur Tatsache, dass Italien der Beschwerdeführerin ein Schengen-Visum ausgestellt hat, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamts, dem darin befindlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin, der im Akt einliegenden Information betreffend der Ausstellung eines Visums an die Beschwerdeführerin durch Italien und dem dokumentierten Konsultationsverfahren mit Italien.
2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, insbesondere zum Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin seit 03.10.2017 einer Chemotherapie unterzieht, ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den zahlreichen vorgelegten ärztlichen Bestätigungen.
2.3. Aus der Aktenlage ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die erstinstanzliche Behörde eine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin nicht für erforderlich gehalten hat und aus welchen Gründen ohne eine solche Beurteilung der gegenständliche nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde.
2.4. Im Einzelnen ist zu dieser von der belangten Behörde geführten Beweiswürdigung wie folgt auszuführen:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermag nicht nachvollziehbar darzutun, warum es von der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ausgegangen ist. Insbesondere liegt keine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin vor.
2.4.1. Im Besonderen stellt der Hinweis auf ein von der belangten Behörde geführtes Telefongespräch mit einer namentlich genannten Ärztin des Landesklinikums XXXX keine geeigneten Ermittlungsschritte dar, um den wirklichen und entscheidungsrelevanten Sachverhalt in Bezug auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin darzulegen. Dies insbesondere unter dem Blickwinkel, dass die Beschwerdeführerin an einer eine Chemotherapie erforderlichen Krebserkrankung leidet, wobei diese Chemotherapie in 8 Zyklen durchgeführt werden soll. Die belangte Behörde hat sich insbesondere nicht ausreichend mit der Fortsetzung ihrer Chemotherapie in Italien und insbesondere nicht mit den Folgen einer im Zuge ihrer Überstellung nach Italien allfällig auftretenden Unterbrechung dieser notwendigen medizinischen Behandlung auseinandergesetzt. Dies geht allein schon dadurch hervor, dass die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung auf einen Bericht des Verbindungsbeamten des österreichischen Innenministeriums vom 08.08.2017 verweist, wonach er keine Möglichkeit gehabt hätte, die Behandlungsmöglichkeiten im Einzelnen zu prüfen, es jedoch allgemein gesagt werden könne, dass im italienischen Gesundheitssystem jeder, egal ob italiensicher Staatsangehöriger oder nicht, Zugang zur Behandlung sämtlicher Krankheiten habe. Der bloße Verweis auf ein stattgefundenes Telefongespräch mit einer Ärztin bzw. die bloße Übernahme einer Aussage des Verbindungsbeamten des österreichischen Innenministeriums in Italien, dass allgemein gesagt werden kann, dass im italienischen Gesundheitssystem jeder, egal ob italienischer Staatsangehöriger oder nicht, Zugang zur Behandlung sämtlicher Krankheiten habe, sind mit Bezugnahme auf die von der Beschwerdeführerin konkret vorgebrachten medizinischen Risiken im Zusammenhang mit ihrer Überstellung nach Italien nicht ausreichend, um eine reale Gefährdung ihrer Person ohne eine weitere medizinische Abklärung auszuschließen. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur medizinischen Versorgung von "Dublin-Rückkehrern" nach Italien beziehen sich im Wesentlichen auf das Verfahren zur Erlangung medizinischer Versorgung (Antragstellung, Registrierung), enthalten jedoch keine Feststellungen zum Umfang von medizinisch notwendigen Leistungen. Dies trifft insbesondere für die bei der Beschwerdeführerin diagnostizierte Krebserkrankung zu. Somit hat sich die belangte Behörde mit dem durch zahlreiche ärztliche Befunde untermauerten Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nicht auf demselben fachlichen Niveau auseinandergesetzt.
3. Rechtliche Beurteilung: Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zu-ständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) [...]
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:
§ 21 Abs. 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.
3.3. Im vorliegenden Fall ist Dublin III-VO anzuwenden:
"Art. 3 - Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsange-höriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
[...]
Art. 7 - Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antrag-steller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Auf-ahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 12 - Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Artikel 16 - Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitglied-staat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des
Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese
Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zu-ständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat ver-fügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitglied-staat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Ver-ordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen".
3.4. Die Dublin III-VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Anträge auf internationalen Schutz von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
3.5. Gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
3.6. Zwar ist hinsichtlich der Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens dem Bundesamt beizupflichten, dass sich aus dem fest-gestellten Sachverhalt grundsätzlich die Zuständigkeit Italiens ergibt. Dies folgt aus den Regelungen des Art. 12 der Dublin III-Verordnung, da Italien der Beschwerdeführerin ein Schengen-Visum ausgestellt hat. Das Zuständigkeitskriterium des Artikel 12 Dublin III-VO geht von der Erwägung aus, dass jener Mitgliedstaat, der einen Aufenthaltstitel oder ein Visum ausgestellt hat, die Verantwortung dafür trägt, dass der Empfänger des Aufenthaltstitels/Visums den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten - unter Umständen entgegen den Angaben im Verfahren zur Erlangung des Aufenthaltstitels bzw. im Visumantrag - für die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz nützt (siehe Filzwieser/Sprung, Kommentar zur Dublin III-Verordnung, Stand 1.2.2014, § 12, K 2).
Dennoch geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien nicht zulässig ist, da in casu die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen ist, weshalb eine Behebung und Zurückverweisung nach § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zu erfolgen hatte.
Dies aus folgenden Erwägungen:
3.6.1. Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrem Gesundheitszustand, ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken zu verweisen. Demnach haben im Allgemeinen Fremde kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie an einer schweren Krankheit leiden oder selbstmordgefährdet sind. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).
3.6.2. In seiner rezenten Entscheidung im Fall "Paposhvili vs. Belgium" (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10) hat der EGMR das Vorliegen von "ganz außergewöhnlichen Fällen" näher präzisiert. Demnach ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Abschiebung eines schwer kranken Menschen auch dann vom nach Art. 3 EMRK geschützten Bereich umfasst sein könnte - auch wenn dieser sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - wenn wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder wegen des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder diese Person eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren hätte, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre (RN 183). Weiters stellt der Gerichtshof fest, dass es hier um die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung auszusetzen, handelt (RN 188). Was die zu berücksichtigten Faktoren betrifft, müssen die Behörden des abschiebenden Staates im Einzelfall prüfen, ob die im Zielstaat allgemein verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis ausreichend und geeignet für die Behandlung der Krankheit des Betroffenen sind, um zu verhindern, dass dieser einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wird. Dabei gehe es jedoch nicht darum, zu ermitteln, ob die Heilbehandlung im Zielstaat gleichwertig oder schlechter wäre als die durch das Gesundheitswesen des abschiebenden Staates zur Verfügung gestellte Heilbehandlung (RN 189). Jedenfalls muss der abschiebende Staat, wenn nach Prüfung der relevanten Informationen ernsthafte Zweifel über die Auswirkungen der Abschiebung der betreffenden Person bestehen bleiben, sei es wegen der allgemeinen Lage im Zielstaat oder wegen der individuellen Situation der Betroffenen, als Vorbedingung der Abschiebung, vom Zielstaat eine individuelle und ausreichende Zusicherung einholen, das eine geeignete medizinische Versorgung für die betroffene Person verfügbar und zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Situation befindet (RN 191).
3.6.3. Gerade zur Beurteilung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin eine solche ganz außergewöhnliche Situation gegeben ist, die einer Überstellung nach Italien widersprechen würde, hat die belangte Behörde keine Beweiserhebungen zur Feststellungen des Sachverhalts getroffen, sondern die abschließende Beurteilung ihres Gesundheitszustandes unterlassen. Somit bedarf es aktueller Feststellungen zu ihrem psychischen und physischen Gesundheitszustand, um eine Grundlage für eine Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin nach Italien gegeben ist und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausschließen zu können. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es zum Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht möglich, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu beurteilen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die bei einer Überstellung der Beschwerdeführerin zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen könnten.
3.6.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich trotz des Vorbringens der Beschwerdeführerin, dass sie an Brustkrebs leide, zu wenig mit ihrem aktuellen Gesundheitszustand auseinandergesetzt. Insbesondere wurde - wie unter Punkt II - Beweiswürdig ausführlich dargelegt - nicht abgeklärt, ob bei der Beschwerdeführerin die - allenfalls auch unter welchen Auflagen - Überstellungsfähigkeit nach Italien gegeben ist bzw. aufgrund einer abschließenden Beurteilung ihres jeweiligen Gesundheitszustandes eine aktuelle Gefährdung ihres durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechtes ausgeschlossen werden kann.
3.7. Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren bei der Beschwerdeführerin durch die Veranlassung der Einholung entsprechender medizinischer Gutachten abzuklären haben, ob bei ihr tatsächlich eine ganz außergewöhnlichen Fallkonstellationen vorliegt, die im Falle ihrer Überstellung nach Italien - auch wenn sich diese nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder zu einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führen würde. Im Besonderen wird dieses Gutachten auch den erforderlichen Behandlungsbedarf festzustellen und darüber hinaus allfällige erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen und ob bei der Beschwerdeführerin eine dauernde oder bloß vorübergehende Reiseunfähigkeit vorhanden ist bzw. die Frage, ob die Abschiebung nach Italien nur unter Auflagen und bejahendenfalls unter welchen Auflagen durchgeführt werden darf, zu behandeln haben.
3.9. Nach Vorliegen der unter Bezugnahme auf den unter Punkt 3.7. entsprechend erhobenen Ermittlungsergebnissen wird von der belangten Behörde letztlich auch zu prüfen sein, ob eine Einzelfallprüfung im gegenständlichen Verfahren nicht einen Selbsteintritt Österreichs gebieten würde.
3.10. Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mangelnden Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, ob bei der Beschwerdeführerin eine reale Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigten im Falle ihrer Überstellung nach Italien vorliegt.
3.11. Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zwingend vorzugehend war.
3.12. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Gesundheitszustand,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W233.1400000.2.00Zuletzt aktualisiert am
24.11.2017