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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. Christian Streit, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntner Ring 5 - 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 18. Februar 1998, Zl. RV/1032/2-10/01/97, betreffend Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung und Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der erstinstanzliche Schuldspruch nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und der Kostenausspruch bestätigt wurde, sowie in seinem Ausspruch über die Strafe und über die Mithaftung der A. Schier Gesellschaft m.b.H. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen, somit in der Bekämpfung des angefochtenen Bescheides auch in seinem Ausspruch über die Bestätigung des erstinstanzlichen Schuldspruches nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Dem Körperschaftsteuerakt der A. Gesellschaft m.b.H kann entnommen werden, dass in dem am 16. November 1995 dieser Gesellschaft gegenüber erlassenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1994 die Bemessungsgrundlage mangels Abgabe der Steuererklärung im Schätzungswege ermittelt worden war. Einer am 19. Dezember 1995 unter Anschluss der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1994 von der Gesellschaft erhobenen Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Jänner 1996 stattgegeben.
Mit Straferkenntnis des Spruchsenates vom 11. Dezember 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im Bereiche des Finanzamtes für Körperschaften in Wien als für die steuerlichen Belange verantwortlicher Prokurist der A. Gesellschaft m.b.H vorsätzlich
1.) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuern bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben, und zwar "für 1994" mit einem Verkürzungsbetrag von S 880.875,--,
2.) Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nämlich Lohnabgaben, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. die Höhe der geschuldeten Beträge bekannt gegeben zu haben und zwar Lohnsteuer im Ausmaß von S 71.018,-- sowie "DBDZ" im Ausmaß von S 51.440,-- für die Monate April bis Juli 1994.
Der Beschwerdeführer habe zu 1.) das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und zu 2.) das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen, wofür er zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 300.000,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen) sowie zum Ersatz der Kosten des Finanzstrafverfahrens verurteilt wurde. Gemäß § 28 Abs. 1 FinStrG. wurde die Haftung der A. Gesellschaft m.b.H. für die verhängte Geldstrafe ausgesprochen.
In der Begründung dieses Straferkenntnisses ist zu lesen, dass der Beschwerdeführer vom 21. April 1994 bis zur Konkurseröffnung über das Vermögen der A. Gesellschaft m.b.H. am 21. Dezember 1994 als deren Prokurist fungiert habe, während als Geschäftsführer X.Y. eingetragen gewesen sei. Nach Aufhebung des Konkurses sei der Beschwerdeführer Geschäftsführer dieser Gesellschaft geworden (seit 7. April 1995). Der Beschwerdeführer sei schon als Prokurist für die abgabenrechtlichen Belange des Unternehmens verantwortlich gewesen und es sei insbesondere seine Aufgabe gewesen, für die Abfuhr der monatlichen Abgaben an das Finanzamt Sorge zu tragen, welche ihm durch den Steuerberater jeweils bekannt gegeben worden seien. Der Beschwerdeführer sei am Firmenkonto allein zeichnungsberechtigt gewesen. Für die Monate April bis September 1994 seien keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden, weshalb das Veranlagungsreferat mit Schätzung vorgegangen sei. Auf Grund der erst am 3. April 1995 nachgereichten Umsatzsteuervoranmeldungen errechne sich der strafbestimmende Wertbetrag für den Zeitraum April bis September 1994 mit S 747.355,--. Zusätzlich ergebe sich eine Differenz zwischen der Umsatzsteuerzahllast laut der am 19. Dezember 1995 eingebrachten Jahreserklärung für 1994 und den Umsatzsteuervoranmeldungen in Höhe von S 133.520,--. Im Zuge einer bei der A. Gesellschaft m.b.H. durchgeführten Lohnsteuerprüfung seien Abfuhrdifferenzen an Lohnsteuer für April bis Juli 1994 in Höhe von S 71.018,-- sowie an "DBDZ" in Höhe von S 51.440,-- festgestellt worden, welche somit nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet bzw. gemeldet worden seien. Obwohl der Beschwerdeführer die gesetzlichen Termine gekannt und gewusst habe, dass im Tatzeitraum Umsatzsteuerzahllasten und Lohnabgaben angefallen seien, habe er es zufolge finanzieller Probleme im Unternehmen vorsätzlich unterlassen, die im Spruch genannten Voranmeldungen rechtzeitig abzugeben, und habe es damit in Kauf genommen, dass es zum Teil zu erheblichen Verspätungen bei der Entrichtung gekommen sei; die dadurch bewirkten Abgabenverkürzungen in Bezug auf die Umsatzsteuer habe der Beschwerdeführer für gewiss gehalten. Der festgestellten Sachverhalt gründe sich auf das faktische Geständnis des Beschwerdeführers und den Akteninhalt.
In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer Notstand geltend. Er habe sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom damaligen Geschäftsführer der Gesellschaft befunden und seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen nur vernachlässigt, um seine gesamte Arbeitskraft und die ihm zur Verfügung stehenden Mittel dem Überleben des Betriebes zu widmen, was ihm mit der Konkursaufhebung auch gelungen sei, worauf er seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgeholt habe. Hätte der Beschwerdeführer zur damaligen Zeit Kräfte und Mittel auch für die Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen eingesetzt, dann hätte der Betrieb nicht überlebt.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Schuldsprüche als unbegründet abgewiesen, der Strafberufung jedoch durch Herabsetzung der Geld- und der Ersatzfreiheitsstrafe Folge gegeben und "dementsprechend" auch der Haftungsausspruch nach § 28 Abs. 1 FinStrG "reduziert". In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde noch ein Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers über die Einführung von Buchhaltungsunterlagen über unternehmensfremde Eigengeschäfte in die Firmengebarung durch den vormaligen Geschäftsführer X.Y. wieder und erachtete die Schuldberufung als unbegründet, weil ein logischer Zusammenhang zwischen fragwürdigen Geschäftspraktiken des seinerzeitigen Geschäftsführers X.Y. und der zeitgerechten Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen durch den hiefür zuständigen Beschwerdeführer nicht hergestellt werden könne; die wesentlichen Kriterien entschuldigenden Notstands lägen nicht vor.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
In der Beschwerde wird erneut Notstand mit dem Vorbringen geltend gemacht, der seinerzeitige Geschäftsführer X.Y. habe in seiner Aufforderung an den Beschwerdeführer, Buchhaltungsunterlagen über unternehmensfremde Eigengeschäfte in die Firmengebarung aufzunehmen, auf den in finanzieller Hinsicht von ihm abhängigen Beschwerdeführer einen unwiderstehlichen Druck ausgeübt.
Dieses Vorbringen ist ebenso wenig geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Schuldsprüche des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, wie auch das in der Berufung erstattete Vorbringen einer Verurteilung des Beschwerdeführers nicht entgegenstehen konnte. Ein logischer Zusammenhang des vom Beschwerdeführer vorgetragenen Verhaltens des seinerzeitigen Geschäftsführers der A. Gesellschaft m.b.H. mit der Möglichkeit des Beschwerdeführers, jene abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, deren Verletzung ihm angelastet wurde, ist tatsächlich nicht zu erkennen, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat.
Der angefochtene Bescheid ist im Umfang seines Schuldspruches nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG allerdings deswegen inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde im Umfang des diesbezüglich aufrechterhaltenen Schuldvorwurfes eine Prüfung der Frage verabsäumt hat, ob der Beschwerdeführer mit der festgestellten Vorgangsweise nicht ohnehin das Tatbild des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG verwirklicht hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn einer Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen Umsatzsteuerbetrages für den selben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die Tathandlung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als eine - durch die Ahndung nach § 33 Abs. 1 FinStrG - nachbestrafte Vortat zu betrachten ist, was auch für solche Fälle gilt, in denen sowohl die Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als auch die nach § 33 Abs. 1 leg. cit. durch Unterlassung der Einbringung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der Jahresumsatzsteuererklärungen bewirkt oder zu bewirken versucht wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 1997, 95/13/0040, m.w.N.). Für die Bestrafung eines Täters nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG sind klare und eindeutige Feststellungen erforderlich, die eine Beurteilung der Frage zulassen, ob der Täter nicht ohnehin den Tatbestand nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Jahresumsatzsteuer erfüllt hat (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, 93/13/0055). An solchen Feststellungen fehlt es im angefochtenen Bescheid.
Im Beschwerdefall kommt hinzu, dass der aufrechterhaltene Schuldspruch nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als Tatzeit der Pflichtverletzung "für 1994" nennt und damit offensichtlich eine Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1972 entsprechenden Voranmeldungen für jeden Monat des Jahres 1994 ahndet, was aber mit der Feststellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses über die Bestellung des Beschwerdeführers zum Prokuristen erst am 21. April 1994 nicht in Einklang zu bringen ist. Weshalb dem Beschwerdeführer auch für die Monate Jänner bis April 1994 (siehe § 21 Abs. 1 UStG 1972) der Vorwurf einer solchen Pflichtverletzung gemacht werden durfte, wäre erst im Ergebnis solcher Feststellungen erklärbar, aus denen hervorginge, dass und weshalb dem Beschwerdeführer die Besorgung der abgabenrechtlichen Obliegenheiten der A. Gesellschaft m.b.H. auch schon vor seiner Bestellung zum Prokuristen dieser Gesellschaft oblegen wäre. Auch an solchen Feststellungen fehlt es.
Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid im spruchgemäßen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; das Kostenmehrbegehren betrifft die vom Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand zusätzlich geltend gemachte Umsatzsteuer, die in diesem Pauschbetrag aber schon enthalten ist. Wien, am 2. August 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998130121.X00Im RIS seit
21.12.2000Zuletzt aktualisiert am
22.10.2008