Entscheidungsdatum
02.11.2017Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I413 2174947-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 23.10.2017, Zl. 612859307-171104825, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-Verfahrensgesetz rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 11.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.12.2012, Zl. 12 00.372-BAT, gemäß § 3 Abs 1 AsylG iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich des Antrages auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 AsylG iVm § 2 Abs 2 Z 13 AsylG hinsichtlich des Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Marokko (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Zudem wurde er gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.01.2016, Zl I409 1432242-1/21E, hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet ab. Hinsichtlich des Spruchpunktes III. wurde der Bescheid aufgehoben (Spruchpunkt A) 1.) und zur Prüfung der Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen (Spruchpunkt A) 2.). Dieses Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.
2. Mit Bescheid vom 24.04.2017, Zl 820037201-612859307 (12 00.372) erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist, erließ gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot und aberkannte gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.
3. Am 27.09.2017 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, in dem er zusammengefasst vorbrachte, in Marokko gäbe es Leute, die ihn töten wollten. Deshalb sei er geflohen. Er sei schon seit 2012 in Österreich Diese Leute wollten ihn noch immer töten. Andere Flüchtlinge, die er aus Marokko kenne, habe er hier in Österreich getroffen, die hätten ihm erzählt, dass diese Leute noch immer nach ihm suchten. Er habe keine Beweismittel.
4. Mit bekämpftem Bescheid vom 23.10.2017 hob die belangte Behörde gemäß § 12 AsylG den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG auf. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der erstmalig am 11.01.2012 gestellte Antrag auf internationalen Schutz als unbegründet abgewiesen worden sei und Rechtsmittel dagegen erfolglos geblieben seien. Im nunmehrigen Verfahren würde sich der Beschwerdeführer auf Gründe stützen, die bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vorgebracht worden seien. Ein Fluchtgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention sei im Erstverfahren nicht vorgebracht worden. Es liege kein wesentlich geänderter Sachverhalt in Bezug auf sein Privat- und Familienleben oder eine verfahrenswesentliche Integration vor. Der nunmehrige Antrag sei als ultima ratio für einen weiteren Verbleib in Österreich zu verstehen. Eine nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen Sache sei aber nicht zulässig. Es liege eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vor. Die nunmehr vorgetragenen Gründe würden zu keiner anderen Beurteilung führen.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig von Amts wegen eingebrachte Beschwerde vom 23.10.2017.
6. Die belangte Behörde legte mit Schriftsatz vom 25.10.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 30.10.2017, die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt und Vorakt zur Behandlung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Marokko. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, kinderlos und bekennt sich zum Islam.
1.2 Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. In Österreich bestritt der der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt durch Bezüge aus der Grundversorgung. Zudem befand sich der Beschwerdeführer zur Verbüßung von Freiheitsstrafen längere Zeit in Haft. Er versuchte sich zuletzt durch den Verkauf von Drogen den Lebensunterhalt in Österreich zu sichern.
1.3 Der Beschwerdeführer wurde insgesamt zwei Male von österreichischen Strafgerichten, und zwar mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wegen Begehung des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Abs 1 1. Satz 2. Fall StGB, des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB und des Verbrechens des Raubes ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes nach § 142 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Als strafmildernd beurteilte das Landesgericht XXXX den Umstand, dass der Beschwerdeführer gerichtlich unbescholten und zum Zeitpunkt der Tatbegehung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte sowie dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen. Ferner wurde er mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wegen Begehung des Vergehens des versuchten unerlaubten gewebsmäßigen Umgangs mit Suchtgiften (Überlassen von Suchtgift) nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und Abs 3 SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (Besitz von Suchtgift) zum persönlichen Gebrauch nach § 27 Abs 1 Z 1
2. Fall und Abs 2 SMG sowie des Vergehens des vorschriftswidrig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche im Nahebereich der U-Bahnstation Praterstern auf eine durch 20 Personen wahrnehmbare Weise öffentlichen Anbietens gegen Entgelt nach § 27 Abs 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Als strafmildern wertete das Gericht das Geständnis und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als straferschwerend die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall.
1.3 In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Er spricht gut Deutsch, weist aber in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in beruflicher, sozialer und kultureller Hinsicht auf.
1.4 Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.12.2012, Zl 12 00.372-BAT, womit der Antrag auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Marokko abgewiesen und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko verfügt wurde, ist seit ausgewiesen. Dieser Bescheid ist hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und des Status eines subsidiär Schutzberechtigten seit 03.03.2016 rechtskräftig.
1.5. Der Bescheid der belangten Behörde vom 24.04.2017, Zl 820037201-612859307 (12 00.372), womit dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist und mit welchem außerdem ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung verfügt wurden, ist seit 30.06.2017 rechtskräftig.
1.6 Dem Beschwerdeführer droht im Fall seiner Rückkehr nach Marokko keine Verfolgung. Es droht dem Beschwerdeführer keine Todesstrafe, keine Folter oder menschenunwürdige Behandlung oder Strafe im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat. Eine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht dem Beschwerdeführer nicht. Im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren brachte der Beschwerdeführer – wie auch im vorliegenden Verfahren – wirtschaftliche Gründe bzw. eine Privatverfolgung für das Verlassen seines Herkunftsstaates vor. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.
1.7 Der Beschwerdeführer stammt aus einem sicheren Drittstaat. Marokko ist fähig und willens, seine Bürger zu schützen.
1.8 Der Folgeantrag wird voraussichtlich abzuweisen sein.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2 Die Feststellungen zur Person, seiner Herkunft, seinem Zivilstand, seiner Volljährigkeit und seiner Religionszugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde, sowie auf den diesbezüglich unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und in den rechtskräftigen Bescheiden vom 27.12.2012 und 24.04.2017.
2.3 Die Feststellungen zur Gesundheit des Beschwerdeführers und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen ebenfalls auf dessen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer hat keine schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheiten vorgebracht. Die zuletzt ins Treffen geführte Epilepsie ist, wie die belangte Behörde schlüssig begründet, nicht erwiesen, zumal sich der Beschwerdeführer nicht in Behandlung befindet und auch keine Medikamente gegen Epilepsie einnimmt. Weder in der Erstbefragung noch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde machte der Beschwerdeführer Angaben darüber, dass er psychische Probleme hätte und in Behandlung steht. Daher besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer gesund und damit auch arbeitsfähig ist.
2.4 Dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung bestritten hat, geht aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und seiner diesbezüglichen Aussage vor der belangten Behörde hervor. Zudem lebte der Beschwerdeführer zur Verbüßung seiner Freiheitsstrafen im Gefängnis (Strafregisterauszug). Die Tatsachenfeststellung, dass er sich ein Erwerbseinkommen in Österreich durch Drogenverkauf zu sichern suchte, beruht auf den unzweifelhaften Feststellungen des Landesgerichts XXXX in seinem im Akt einliegenden Urteil vom XXXX.
2.5 Die Feststellungen hinsichtlich seiner strafgerichtlichen Verurteilungen basieren auf den im Verwaltungsakt einliegenden Strafurteilen und auf der aktuellen Strafregisterauskunft.
2.6 Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers und aus dem Akteninhalt und der Aussage des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Befragung vor der belangten Behörde. Danach fehlt es an privaten und familiären Beziehungen in Österreich oder in der EU. Hinweise auf das Vorliegen von maßgeblichen Integrationsmerkmalen, wie zB die Ergreifung eines Berufes, die Mitgliedschaft in Vereinen oder Organisationen udgl sind weder dem Verwaltungsakt noch der Aussage des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde zu entnehmen. Im Gegenteil, solche Umstände werden explizit verneint (AS 95). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gut Deutsch kann, beruht auf der diesbezüglich glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers sowie einigen handschriftlich von Beschwerdeführer auf Deutsch verfassten, im Verwaltungsakt einliegenden Eingaben.
2.7 Die Feststellungen zum Inhalt des Bescheides des Bundesasylamtes vom 27.12.2012, Zl 12 00.372-BAT beruhen auf der Einsicht in diesen im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid. Dass dieser Bescheid hinsichtlich seiner Spruchpunkte I. und II. seit 03.03.2016 rechtskräftig ist, beruht auf dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.01.2016, Zl I409 1432242-1/21E, die Beschwerde gegen diesen Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen hatte. Hinsichtlich des Spruchpunktes III. wurde der Bescheid aufgehoben (Spruchpunkt A) 1.) und zur Prüfung der Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen (Spruchpunkt A) 2.). Hierüber entschied die belangte Behörde mit Bescheid vom 24.04.2017, Zl 820037201-612859307 (12 00.372), dessen Inhalt ebenfalls durch Einsicht in den im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid feststeht. Seine Rechtskraft am 30.06.2017 ergibt sich daraus, dass der Bescheid am 16.06.2017 durch Hinterlegung dem Beschwerdeführer zugestellt worden ist und von diesem nicht behoben und auch nicht bekämpft wurde.
2.8 Die maßgeblichen Feststellungen zu den nunmehr vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen vor der belangten Behörde am 23.04.2017 und aus seinen Angaben vor der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 27.09.2017, die Feststellungen zu den im abgeschlossenen Vorverfahren vorgebachten Fluchtgründe basieren auf den rechtskräftig getroffenen Feststellungen des Bundesasylamtes im Bescheid vom 27.12.2012 und der belangten Behörde im Bescheid vom 24.04.2017 sowie des Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 19.01.2016. Danach steht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer vorerst nur angegeben hatte, aus wirtschaftlichen Gründen (Armut, keine Zukunft, Europa ist besser) Marokko verlassen zu haben (Bescheid vom 27.12.2012, S 13, AS 253) und später Belästigungen durch Jugendliche und eine daraus resultierende Verletzung seiner Person (welche sich als verheilte Brandwunde herausstellte und nicht mit den Behauptungen, durch Schläge verletzt worden zu sein in Einklang zu bringen war) behauptete. Nunmehr wird völlig unsubstantiiert vorgebracht, dass immer noch dieselben Leute dem Beschwerdeführer nach dem Leben trachten würden. Abgesehen davon, dass diese Behauptung gänzlich abstrakt bleibt und so allgemein gefasst ist, dass ihr bereits deshalb keine Glaubwürdigkeit zukommt, so ist sie auch – wie die belangte Behörde zu Recht ausführt – nichts anderes als die Wiederholung des Fluchtgrundes, der bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahrens war. Auch kann der belangten Behörde aufgrund des kargen und damit nicht glaubhaften Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers nur beigestimmt werden, dass der abermalige Antrag auf Asyl nur darauf gerichtet ist, sich weiter in Österreich aufhalten zu können. Hierzu passt auch die kategorische Ablehnung, nach Marokko zurückzukehren ("Ich will von Marokko nichts wissen und auch nicht nach Marokko zurückkehren", Protokoll vom 23.10.2017, AS 95). Zusammenfassend ergibt sich unter Würdigung des festgestellten Sachverhalts das klare Bild, dass der Beschwerdeführer keine reale Gefahr einer Verfolgung glaubhaft machen und auch keinen neuen Asylgrund nennen konnte. Daher war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer aus wirtschaftlichen Gründen Marokko verlassen hat, zumal es wenig glaubhaft ist, dass ein Asylwerber bei seinem Erstantrag lediglich wirtschaftliche Gründe vorbringt und erst später eine – wenn auch nicht asylrelevante – Privatverfolgung schildert. Ein tatsächlich verfolgter Mensch würde die erste Gelegenheit ergreifen, seine Verfolgung im Herkunftsstaat zu schildern, sobald er sich in einem sicheren Staat (wie zB Österreich) befindet. Daher ist es nicht glaubwürdig, wenn er später im Erstverfahren und sogar noch nach rechtskräftiger Erledigung seines Erstverfahrens, ein und denselben gesteigerten Fluchtgrund angibt. Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass damit eine res iudicata vorliegt und über diesen erneut vorgetragenen, mit dem Erstverfahren identen Fluchtgrund nicht mehr abgesprochen werden kann.
2.7 Die Feststellung, dass Marokko ein sicherer Drittstaat ist und willens und fähig ist, seine Bürger zu schützen, ergibt sich unzweifelhaft aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen. Der Beschwerdeführer bringt keine Anhaltspunkte vor, die eine andere Beurteilung erlauben würden. Die Seriosität der Quellen des Länderinformationsblattes führen zum unzweifelhaften Schluss, dass Marokko ein sicherer Herkunftsstaat ist.
2.8 Die Feststellung, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, ergibt sich aus dem mit den Voranträgen identen Fluchtmotiven des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 12a Abs 2 AsylG kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG vorliegt:
1. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, 2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und 3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikte mit sich bringen.
Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG ist ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG gestellt. Als Staatsangehöriger von Marokko ist der Beschwerdeführer ein Drittstaatsangehöriger im Sinne der § 2 Abs 1 Z 20 b AsylG.
Die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG liegen vor.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.12.2012 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Marokko negativ entschieden. Diese Entscheidung ist aufgrund des die Beschwerde gegen diesen Bescheid abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.01.2016 rechtskräftig. Dem Beschwerdeführer droht keine asylrelevante Verfolgung in Marokko. Mit Bescheid vom 24.04.2017 hat die belangte Behörde auch rechtskräftig einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung einschließlich der Feststellung erlassen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko zulässig. Diese Entscheidung ist seit 30.06.2017 rechtskräftig.
Der Folgeantrag des Beschwerdeführers wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungsrelevante Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Es ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt, der voraussichtlich eine in der Hauptsache anderslautende Entscheidung ergeben würde. Sowohl dem Vorbringen hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Gründe als auch den neuen – unglaubwürdigen – Gründen fehlt es an Asylrelevanz, sodass eine entscheidungswesentliche Änderung nicht zu erwarten ist.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Rückkehrentscheidung ist ebenfalls nicht zu erwarten, das neue Vorbringen diesbezüglich keine stichhaltigen Argumente zu liefern vermag. Selbst wenn das Vorbringen, dass es in Marokko "Leute gibt [ ], die mich [d.h. den Beschwerdeführer] töten wollen" als wahr anzusehen wäre, würde damit noch keine entscheidungswesentliche Änderung der Rückkehrentscheidung einhergehen, zumal einerseits davon auszugehen ist, dass die marokkanischen Behörden den Beschwerdeführer gegen solche "Leute" schützen können und andererseits für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, sich dadurch vor den "Leuten" zu schützen, dass er in einen anderen Landesteil Marokkos zieht. Marokko ist nicht nur ein großes Land, sondern weist auch aufgrund seiner Bevölkerungszahl eine Größe auf, die es nicht für wahrscheinlich macht, dass der Beschwerdeführer an keinem Ort in Marokko vor den "Leuten" – wer immer sich hinter diesem Begriff verbirgt – sicher wäre. Daher fehlt es selbst bei Unterstellung, dass der angegebene Fluchtgrund zutreffen würde, an einem asylrelevanten Grund iSd GFK.
Eine Rückkehrentscheidung kann gerechtfertigt in das Grundrecht auf das Privat- und Familienleben eingreifen, wenn öffentliche Interessen schwerer wiegen, als das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens in Österreich. Hierbei sind insbesondere die zahlreichen Strafdelikte des Beschwerdeführers zu beachten und die aufgrund der Gesamtumstände zu treffende Gefährdungsprognose des Beschwerdeführers bei weiterem Aufenthalt in Österreich in Erwägung zu ziehen. Dass vom Beschwerdeführer eine erhebliche Gefährdung ausgeht, zeigt der Umstand, dass er nicht nur nicht vor schweren Eigentumsdelikten zurückschreckte, sondern in jüngster Zeit sogar seinen Lebensunterhalt in Österreich durch das Feilbieten von Drogensichern wollte. Dieser Umstand steht in konträrem Widerspruch zu seinem Wunsch, in Österreich leben und als Straßenkehrer arbeiten zu wollen. Vielmehr zeigt der jüngste strafrechtliche Fehltritt des Beschwerdeführers auf, dass dieser nicht davor zurückschreckt, Profite auf Kosten Drogenkranker zu machen und so vom Leid anderer zu profitieren. Dieser Umstand und auch die Umstände der früheren strafrechtlichen Verurteilung manifestieren eine massive Missachtung des Beschwerdeführers gegenüber den in Österreich geschützten Werten und lassen keine Prognose zu, vom Beschwerdeführer werde in Zukunft keine Gefahr mehr ausgehen. Zudem besteht auch kein relevantes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich; es fehlt an jeglichem Hinweis auf eine Integration in die österreichische Gesellschaft – die zwangsläufige Integration des Beschwerdeführers in eine Gemeinschaft von Inhaftierten im Rahmen der Verbüßung seiner Haftstrafen erscheint aufgrund der in Relation zur Gesamtaufenthaltsdauer in Österreich langen Inhaftierung für die Zwecke der hier zu prüfenden Integration und die Aufenthaltsdauer als nicht relevant. Dass der Beschwerdeführer Deutsch gelernt hat, ist positiv zu verzeichnen, vermag aber keinen Ausschlag für die Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich zu geben. Die öffentlichen Interessen an der Sicherheit und Ordnung in Österreich überwiegen klar gegenüber den schwach ausgeprägten Interessen des Beschwerdeführers und können keine Änderung der Rückkehrentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers bewirken.
Umstände, die darauf hindeuten, dass den Beschwerdeführer ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder der Todesstrafe besteht, sind im Verfahren nicht vom Beschwerdeführer behauptet worden und auch nicht im Verfahren hervorgekommen.
Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Marokko die nötigsten Lebensgrundlagen entzogen würden und damit die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, ist nicht anzunehmen, da der Beschwerdeführer gesund und erwerbsfähig ist. Ein Grund dafür, dass er seinen Lebensunterhalt nicht nach seiner Rückkehr wieder bestreiten könnte, ist nicht ersichtlich.
Das Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG durch die belangte Behörde erfordert ein Ermittlungsverfahren, wobei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu beachten ist. Im vorliegenden Fall liegt ein Ermittlungsverfahren, das diesen rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, vor. Der Beschwerdeführer hatte die Möglichkeit des Parteiengehörs im Rahmen seiner Vernehmung am 23.10.2017, als ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Länderfeststellungen und zu den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens gegeben wurde. Dass der Beschwerdeführer diese Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, ist nicht der belangten Behörde anzulasten.
Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht musste aufgrund des § 22 Abs 1 BFA-VG, wonach in Verfahren betreffend eine Entscheidung der belangten Behörde, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde, ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist, entfallen.
Damit liegen die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG vor, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist; da dies § 22 Abs 1 BFA-VG ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung mit Beschluss zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I413.2174947.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.11.2017