Entscheidungsdatum
07.11.2017Norm
ASVG §18bSpruch
W209 2158873-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle
Wien, vom 12.04.2017, GZ: HVBA-XXXX, betreffend Beendigung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für
Zeiten der Pflege naher Angehöriger zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 12.04.2017 sprach die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, (im Folgenden die belangte Behörde) aus, dass die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG mit 21.06.2015 ende. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Selbstversicherung für die Zeit der Pflegevollzeitkarenz gemäß § 14c AVRAG nicht zulässig sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass § 18b Abs. 1a ASVG die Selbstversicherung lediglich für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG aufgrund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes (während einer Pflegeteilzeitkarenz gemäß § 14d AVRAG) ausschließe. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch zu dieser Zeit in Pflegevollzeitkarenz gemäß § 14c AVRAG befunden. Die Kranken- und Pensionsversicherung richte sich in diesem Fall nach § 32 Abs. 1 Z 3 AlVG. Für Zeiten der Pflegevollzeitkarenz sei die Selbstversicherung nach § 18b ASVG daher nicht ausgeschlossen, weswegen sie weiterhin einen Anspruch auf Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG habe.
3. Am 26.05.2017 einlangend legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme wies die Pensionsversicherungsanstalt darauf hin, dass § 18b Abs. 1a ASVG zwar lediglich die Zeiten des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes während der Pflegeteilzeit gemäß § 14d AVRAG explizit als Ausschlussgrund für die Selbstversicherung nenne. Im Größenschluss sei jedoch davon auszugehen, dass auch der Bezug von Pflegekarenzgeld aufgrund einer Pflegevollzeitkarenz gemäß § 14c AVRAG die Selbstversicherung nach § 18b ASVG ausschließe, zumal auch hier die Kosten für die Pensionsversicherung vom Bund getragen werden würden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Die Beschwerdeführerin war seit 01.01.2012 gemäß § 18b ASVG in der Pensionsversicherung selbstversichert.
Von 01.02.2015 bis 31.05.2015 bezog die Beschwerdeführerin Pflegekarenzgeld aufgrund einer Familienhospizkarenz gemäß § 21c Abs. 3 BPGG.
Von 19.05.2015 bis 21.06.2015 war die Beschwerdeführerin beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet und bezog von 01.06.2015 bis 21.06.2015 eine Überbrückungshilfe in Form von Notstandshilfe.
In der Folge meldete sich die Beschwerdeführerin zum Zwecke der Pflegekarenz gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 AlVG vom Bezug der Notstandshilfe ab und bezog von 22.06.2015 bis 21.09.2016 gemäß § 21c Abs. 1 erster Satz BPGG Pflegekarenzgeld.
2. Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem seitens der belangten Behörde von Amts wegen eingeholten Versicherungsdatenauszug der Beschwerdeführerin sowie aus den mit der Beschwerde vorgelegten Mitteilungen des Sozialministeriumservice vom 21.01.2015 und 23.06.2015, deren Inhalt unbestritten geblieben ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 18b Abs. 1a ASVG ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
Nach § 52 Abs. 4 Z 6 ASVG werden Beiträge für die Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG ausschließlich aus Bundesmitteln getragen.
Gemäß § 21c Abs. 1 BPGG gebührt Personen, die eine Pflegekarenz gemäß § 14c AVRAG vereinbart haben, sowie Personen, die sich zum Zwecke der Pflegekarenz gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 AlVG vom Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe oder von der Vormerkung zur Sozialversicherung nach § 34 AlVG abgemeldet haben, für die Dauer der Pflegekarenz ein Pflegekarenzgeld nach den Bestimmungen dieses Abschnittes. Personen, die eine Pflegeteilzeit gemäß § 14d AVRAG vereinbart haben, gebührt für die vereinbarte Dauer der Pflegeteilzeit ein aliquotes Pflegekarenzgeld.
Nach § 29 Abs. 1 AlVG bleiben Personen, die in einem privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen und gemäß § 14a, § 14b, § 14c oder § 14d AVRAG oder einer gleichartigen Regelung eine Herabsetzung, eine Änderung der Lage der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten, der Begleitung eines schwerst erkrankten Kindes oder der Pflege eines nahen Angehörigen (Pflegekarenz, Pflegeteilzeit) in Anspruch nehmen, jedenfalls nach den jeweils auf Grund dieses Dienstverhältnisses anzuwendenden Rechtsvorschriften kranken- und pensionsversichert.
Gemäß § 29 Abs. 2 AlVG ist als Beitragsgrundlage für die Krankenversicherung der Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG und als Beitragsgrundlage für die Pensionsversicherung der im § 44 Abs. 1 Z 18 ASVG genannte Betrag heranzuziehen, wenn die Pflichtversicherung nur auf Grund des Abs. 1 weiterbesteht. In der Krankenversicherung besteht nur Anspruch auf Sachleistungen, in der Pensionsversicherung werden Beitragszeiten der Pflichtversicherung erworben.
Gemäß § 29 Abs. 4 AlVG sind die nach Abs. 2 zu berechnenden Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung gemäß Abs. 1 vom Bund zu tragen und jährlich im Nachhinein abzurechnen.
§ 32 Abs. 1 AlVG zufolge sind Arbeitslose, die der zuständigen regionalen Geschäftsstelle schriftlich bekannt geben, dass sie sich vom Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe abmelden, um sich
1. der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten im Sinne des § 14a Abs. 1 AVRAG,
2. der Begleitung eines schwerst erkrankten Kindes im Sinne des § 14b AVRAG oder
3. der Pflege eines nahen Angehörigen im Sinne des § 14c AVRAG (Pflegekarenz)
zu widmen, im Fall der Z 1 für längstens sechs Monate, im Fall der Z 2 für längstens neun Monate und im Fall der Z 3 für längstens drei Monate kranken- und pensionsversichert, wenn und solange kein Leistungsbezug nach diesem Bundesgesetz erfolgt und keine anderweitige Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung vorliegt.
Gemäß § 32 Abs. 4 sind die Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung gemäß Abs. 1 vom Bund zu tragen und jährlich im Nachhinein abzurechnen.
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Der Bezug eines aliquoten Pflegekarenzgeldes setzt die Vereinbarung einer Pflegeteilzeitkarenz gemäß § 14d AVRAG voraus (vgl. § 21c Abs. 1 zweiter Satz BPGG).
Die Beschwerdeführerin bezog von 22.06.2015 bis 21.09.2015 gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 AlVG Pflegekarenzgeld. Dies entspricht sinngemäß dem Bezug von Pflegegeld aufgrund einer Pflegevollzeitkarenz gemäß § 14c AVRAG und schließt dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut nach somit die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG nicht aus.
Die ausschließliche Anführung der Zeit einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG als Ausschlussgrund stellt - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - keine (planwidrige) Gesetzeslücke dar, die mittels Analogie (im Größenschluss) zu schließen wäre.
Die belangte Behörde begründete dies damit, dass die Beiträge für die Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG gemäß § 52 Abs. 4 Z 6 ASVG ausschließlich aus Bundesmitteln getragen werden und auch im Falle einer Pflegevollzeitkarenz gemäß § 14c AVRAG die Kosten für die Pensionsversicherung vom Bund getragen werden. Dabei übersieht sie aber, dass auch im Falle einer Familienhospizkarenz gemäß §§ 14a und 14b AVRAG die Kosten für die Pensionsversicherung vom Bund getragen werden (vgl. §§ 29 Abs. 4 und 32 Abs. 4 AlVG). Dass - der Argumentation der belangten Behörde folgend - auch der Bezug von Pflegegeld aufgrund einer Familienhospizkarenz der Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG entgegenstünde, wurde seitens der belangten Behörde weder behauptet noch ergeben sich aus den Gesetzesmaterialen (vgl. RV 2407 BlgNR 24. GP S, 2) Anhaltspunkte dafür.
Den Erläuterungen der Regierungsvorlage zufolge diente die Aufnahme von Beziehern/innen eines aliquoten Pflegegeldes in die (Teilversicherung in der) Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG (lediglich) dazu, alle Bezieher/innen von Pflegekarenzgeld - also auch die Bezieher/innen eines aliquoten Pflegegeldes, die nicht schon gemäß § 29 Abs. 1 bzw. § 32 Abs. 1 AlVG pensionsversichert sind - für die Zeit, in der sie sich der Pflege eines nahen Angehörigen widmen, in den Schutzbereich der Sozialversicherung aufzunehmen (für die Zeit der (Teilzeit-)Beschäftigung besteht ohnehin eine Pensionsversicherung gemäß § 4 ASVG).
Dementsprechend ist auszuschließen, dass - entgegen dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut - vom gleichzeitig mit BGBl. I Nr. 138/2013 eingeführten § 18b Abs. 1a ASVG auch Bezieher/innen von Pflegekarenzgeld gemäß § 14c AVRAG erfasst sein sollen, und stellt das der Beschwerdeführerin gemäß § 21c erster Satz BPGG gewährte Pflegekranzgeld daher auch keinen Ausschlussgrund für die Selbstversicherung nach § 18b ASVG dar.
Mangels Vorliegens eines Ausschlussgrundes hat daher die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin nicht am 21.06.2015 geendet und ist somit der angefochtene Bescheid - der Gegenteiliges ausspricht - ersatzlos aufzuheben.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Voraussetzungen für die Erhebung einer (außerordentlichen) Revision fehlen, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (Hinweis E vom 21. Jänner 2015, Ra 2015/12/0003). Ist somit die Rechtslage - wie im vorliegenden Fall - nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen wäre (Hinweis B vom 27. August 2014, Ra 2014/05/0007, mwN) (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Pensionsversicherung, Pflegekarenzgeld, SelbstversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W209.2158873.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.11.2017