TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/31 VGW-151/036/2286/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2017
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Entscheidungsdatum

31.10.2017

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
72/01 Hochschulorganisation
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung
E2D Assoziierung Türkei
E2D E02401013
E2D E05204000
E2D E11401020
E3R E11401020
E3R E11402000

Norm

NAG §41a
NAG §64 Abs1
NAG §64 Abs2
NAG §64 Abs3
NAG-DV §8 Z7
UniversitätsG 2002 §75 Abs4
UniversitätsG 2002 §75 Abs5
UniversitätsG 2002 §75 Abs6
AuslBG §4c Abs1
ARB 1/80 Art. 6 Abs1
ARB 1/80 Art. 6 Abs2
ARB 1/80 Art. 13
31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art. 41 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fritz über die Beschwerde des (am ...1991 geborenen) Herrn K. A., vertreten durch Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 – Einwanderung und Staatsbürgerschaft, vom 29.12.2016, Zl. MA35-9/2867947-09, betreffend Abweisung des Zweckänderungsantrages vom 17.06.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ nach dem NAG, nach am 15.05.2017 und am 27.06.2017 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen (als Rechtsgrundlage ist nicht § 24 Abs. 4 NAG, sondern § 26 NAG anzuführen).

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29.12.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (Bf) vom 17.06.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 41a des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG) iVm Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19.09.1980 (ARB 1/80) wegen des Fehlens der für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels maßgeblichen Erteilungsvoraussetzungen abgewiesen (Rechtsgrundlagen: § 24 Abs. 4 oder § 26 iVm § 41a iVm § 64 NAG idgF iVm Art. 6 ARB 1/80).

Zur Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Bf habe am 17.06.2016 einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eingebracht. Begründend habe er – zusammengefasst – ausgeführt, dass ihm der begehrte Titel aufgrund von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zustehe. Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde weiters begründend aus, dem Bf sei in einer „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 20.10.2016 die Entscheidung des Bundesministeriums für Inneres zur Kenntnis gebracht worden, in der festgestellt worden sei, dass der Bf noch keine Rechte nach dem Art. 6 Abs. 1 3. Gedankenstrich des ARB 1/80 ableiten könne. Aufgrund des Vorranges des ARB 1/80 sei trotz beabsichtigter Vollbeschäftigung der Aufenthaltstitel „AB-Studierender“ zu verlängern. Das Bundesministerium für Inneres habe festgestellt, dass bei entsprechender Antragstellung durch den Arbeitgeber und Vorliegen der sonstigen Erteilungsvoraussetzungen nach Rücksprache mit dem BMASK seitens des AMS auch eine Vollzeitbeschäftigung bewilligt werden könne. In seiner Stellungnahme vom 24.11.2016 hatte der Bf inhaltlich zusammengefasst ausgeführt, dass er als türkischer Staatsangehöriger und der Tatsache, dass er seit mehr als zwölf Monaten rechtmäßig in Österreich bei einem Dienstgeber arbeite, aufgrund des Assoziierungsabkommens EU-Türkei de facto freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Anspruch auf ein dementsprechendes Aufenthaltsrecht habe. Der EuGH habe mit Urteil vom 24.01.2008 in der Rechtssache C 294/06 (Payir) entschieden, dass auch Studenten als Arbeitnehmer ordnungsgemäß beschäftigt sein können und daher in der Lage seien, eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zu erlangen. In direkter Anwendung des EU-Rechts hätte er somit Anspruch auf Verlängerung seines Arbeits- und Aufenthaltsrechtes, dies aber ohne jegliche Beschränkungen (der Studienerfolgsnachweis sei ein solcher), sodass nur eine „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“ erteilt werden könne.

Die belangte Behörde führte dann zur Begründung des angefochtenen Bescheides noch Folgendes aus:

„Sie sind türkischer Staatsangehöriger, Ihnen wurde erstmals ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ mit einer Gültigkeitsdauer von 08.02.2010 bis 08.02.2011 erteilt, welcher Ihnen in weiterer Folge verlängert wurde, zuletzt bis zum 17.02.2017.

Seit 02.06.2015 bis dato sind Sie ununterbrochen rechtmäßig bei der Firma Kr. KG im Ausmaß von 10 Stunden pro Woche beschäftigt. Sie sind im Besitz einer aufrechten Beschäftigungsbewilligung, die bis 28.05.2017 gültig ist.

Aus der Aktenlage geht hervor, dass Sie erfolgreich ihr Studium betreiben und neben dem Studium ihre Tätigkeit weiterhin ausüben. Sie haben ein Jahr ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt und erfüllen somit die Voraussetzung des Art. 6 Abs. 1, erster Gedankenstrich, des ARB Nr. 1/80.

Türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehören, haben je nach Beschäftigungsdauer einen Anspruch auf Erneuerung der Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber.

Als Arbeitnehmer ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (Vgl. VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

An welcher Grenze eine Tätigkeit als „völlig untergeordnet und unwesentlich“ anzusehen ist, hängt von einer Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses ab. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Arbeitszeit, die Höhe der Vergütung, ein Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrages, die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Unternehmen (vgl. EuGH 4.2.2010, Rs. C-14/09, Gene, Rn 26f.)

Auch sind die aus Art 6 Abs. 1 ARB 1/80 erfließenden Ansprüche von keiner weiteren Voraussetzung als der Arbeitnehmereigenschaft des türkischen Staatsangehörigen auf dem regulären Arbeitsmarkt abhängig, insbesondere nicht von den Voraussetzungen, unter denen der türkische Staatsangehörige das Recht auf Einreise und Aufenthalt erlangt hat. Bei der Prüfung wird der Zweck, zu dem ursprünglich die Einreise in das Hoheitsgebiet gestattet wurde, demnach nicht berücksichtigt (vgl. hiezu EuGH 30.9.1997, Rs. C-36/96, GünAy., Rn.52).

Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 verlangt ebenso wenig, dass der türkische Staatsangehörige als Arbeitnehmer in die europäische Union eingereist ist. Er kann die Arbeitnehmereigenschaft auch erst nach seiner Einreise erlangt haben (vgl. EuGH 24.1.2008, Rs. C-294/06, Payir, Rn. 38).

Im Lichte der genannten Rechtsprechung besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel, dass Sie als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zu qualifizieren sind, da Sie seit 02.06.2015 ununterbrochen rechtmäßig beschäftigt sind. Diese Tätigkeit kann jedenfalls nicht als „völlig untergeordnet und unwesentlich“ beurteilt werden.

Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 setzt weiters voraus, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß ist. Dies ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmestaats über die Einreise in dessen Hoheitsgebiet und über die Beschäftigung befolgt und somit das Recht hat, eine Berufstätigkeit in diesem Staat auszuüben (vgl. EuGH 24.1.2008, Rs. C-294/06, Payir, Rn. 29). Sie sind als Student ins Bundesgebiet eingereist und besitzen eine gültige Beschäftigungsbewilligung für die ausgeübte Tätigkeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH regelt Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nur die beschäftigungsrechtliche und nicht die aufenthaltsrechtliche Stellung der türkischen Arbeitnehmer. Diese Bestimmung impliziert - indem diesen Arbeitnehmern nach einem bestimmten Zeitraum ordnungsgemäßer Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis gewährt wird - zwangsläufig, dass den türkischen Arbeitnehmern zumindest zu diesem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil anderenfalls das Recht, das diesen Arbeitnehmern zuerkannt wird, völlig wirkungslos wäre

Da die Ausübung Ihrer Erwerbstätigkeit den Erfolg Ihres Studiums nicht beeinträchtigt und sie auch weiterhin neben dem Studium erwerbstätig sein können, sind Ihre - aus dem ARB erfließenden - Rechte auch weiterhin durch die Innehabung des Aufenthaltstitels „Studierender“ nicht eingeschränkt, zumal die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren „Aufenthaltsbewilligung Studierende“ vorliegen.

Aus diesem Grund sieht die erkennende Behörde Ihr erfolgreiches Studium als ausschließlichen Zweck Ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet an. Ihre bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit kann neben Ihrem Studium uneingeschränkt fortgesetzt werden, zumal Sie die Voraussetzung nach Art. 6 Abs.1, erster Gedankenstrich, erfüllen sind und Sie ein Recht auf Erneuerung Ihrer Arbeitserlaubnis bei ihrem bisherigen Arbeitgeber erlangt haben (§ 4c AuslBG).

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz selbst sieht keine Zweckänderung von einer „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ auf einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte Plus“ gem. § 41 a NAG vor und ist dies in Ihrem Fall - wie oben dargelegt - auch nicht zur Wahrung Ihrer aus dem ARB 1/80 erfließenden Rechte erforderlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Gegen diesen Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Bf fristgerecht Beschwerde (wegen Verletzung subjektiver Rechte). Zur Begründung seiner Beschwerde brachte der Bf (unter Punkt 3. Beschwerdegründe) Folgendes vor:

3.1. Der Beschwerdeführer fällt aufgrund seiner mehr als ein Jahr andauernden, ordnungsgemäßen Beschäftigung zweifellos in den Anwendungsbereich des Art 6 ARB Nr. 1/80. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Urteil des EuGH vom 24.01.2008 in der Rechtssache C294/06 (Payir), wonach auch Studierende als Arbeitnehmerlnnen ordnungsgemäß beschäftigt sein können und daher in der Lage sind, eine Rechtsstellung nach Art 6 leg.cit. zu erlangen. Der Umstand, dass türkischen Staatsangehörigen gestattet wurde, als Studierende in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen, kann ihnen nicht die Eigenschaft als Arbeitnehmerlnnen nehmen und sie nicht von der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt im Sinne des Art 6 Abs 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ausschließen. Dieser Umstand hindert die betroffenen Staatsangehörigen daher nicht daran, sich auf diese Vorschrift zu berufen, um eine Erneuerung ihrer Arbeitserlaubnis zu erhalten und in den Genuss eines entsprechenden Aufenthaltsrechts zu kommen.

3.2. Die belangte Behörde verkennt die Rechtslage, wenn sie meint, dass dem Beschwerdeführer, obwohl er die unter 3.1 angeführten rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, was auch die belangte Behörde selbst zugestanden hat, keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ habe, da seine aus Art 6 ARB Nr. 1/80 erfließenden Rechte durch die Verlängerung des bisherigen Aufenthaltstitels, also der „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ nicht beeinträchtigt seien.

Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung des beantragten Aufenthaltstitels sehr wohl in seinen Rechten eingeschränkt und zwar schon deshalb, weil die „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ ihm lediglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht, nicht aber das Recht zur Niederlassung, verschafft und die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels von der besonderen Erteilungsvoraussetzung des Studienerfolges abhängig ist. Kann der Beschwerdeführer diesen Nachweis nicht mehr erbringen, ist die Verlängerung des bestehenden Aufenthaltstitels nicht mehr möglich und verliert der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht. Weiters berechtigt ihn die „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ lediglich zur Ausübung einer Teilzeit-, nicht jedoch zu einer Vollzeitbeschäftigung.

Der Beschwerdeführer hat aus den bereits genannten Gründen das Recht auf einen Aufenthaltstitel erworben, der ihm einerseits eine rechtliche Absicherung in Form der Niederlassung (unabhängig vom Vorliegen eines allfälligen Studienerfolges) verschafft, andererseits das uneingeschränkte Recht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet und zwar auch im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der Aufenthaltszweck des Beschwerdeführers nicht-wie die belangte Behörde meint - nur in der Absolvierung eines Studiums zu sehen wäre. Der Aufenthaltszweck besteht vorrangig in der Ausübung einer (Vollzeit)-Beschäftigung.

Dass der Beschwerdeführer neben der Erwerbstätigkeit auch noch erfolgreich einem Studium nachgeht, vermag seine nach Art 6 ARB Nr. 1/80 unzweifelhaft erworbenen Rechte in keiner Weise einzuschränken, wie auch der EuGH in der unter 3.1 zitierten Entscheidung bestätigt hat. Würde man sich der Rechtsansicht der belangten Behörde anschließen, hätte dies zur Folge, dass nur „erfolglos“ Studierende eine Zweckänderung erreichen könnten, was zu einem völlig sinnwidrigen Ergebnis führen würde.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes hätte die belangte Behörde dem Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers daher stattgeben und ihm einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erteilen müssen.

Die belangte Behörde hat die Rechtslage jedoch verkannt und den bekämpften Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet.

Beweis:

?    wie bisher

?    weitere Beweise ausdrücklich Vorbehalten

3.3. Die belangte Behörde hat weiters verkannt, dass auf den Beschwerdeführer die sg. „Stillhalteklausel“ anzuwenden ist. Für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Falles sind daher alle „neuen Beschränkungen“ welche in der zum Zeitpunkt der Entscheidung seit der ab 01.01.1995 bestehenden günstigsten Rechtslage in Kraft getreten waren, außer Acht zu lassen (vgl. VwGH vom 24.03.2015, Ro 2014/09/0057 ua.).

Am 01.01.1995 war das Aufenthaltsgesetz (AufG), BGBl. Nr. 466/1992, in Kraft. Gem. § 1 AufG benötigten Fremde zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich eine besondere Bewilligung. Von Fremden, die sich innerhalb eines Kalenderjahres länger als 6 Monate tatsächlich oder zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufhielten, wurde gem. Abs 2 leg cit jedenfalls angenommen, dass sie in Österreich einen Hauptwohnsitz begründet haben.

Gem. § 4 AufG konnte Fremden eine solche besondere Bewilligung unter Beachtung der gem. § 2 erlassenen Verordnung sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) Vorgelegen hat. Auf die Verlängerung von Bewilligungen fanden die gem. § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.

Eine Bewilligung gem. § 4 Abs 1 AufG war zunächst befristet für höchstens 6 Monate zu erteilen. Sie konnte um höchstens 6 Monate und nach einem Jahr um höchstens jeweils 2 weitere Jahre verlängert werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) eingetreten ist. Fremden, die ohne Unterbrechung seit 5 Jahren eine Bewilligung hatten, konnte eine unbefristete Bewilligung erteilt werden.

Gem. § 5 AufG durfte eine Bewilligung im Falle eines Sichtvermerksversagungsgrundes (§ 10 Abs 1 FrG) nicht erteilt werden, insbesondere aber, wenn der Lebensunterhalt oder eine f für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert waren. Gem. § 6 AufG war der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes in Österreich in dem Antrag genau anzugeben und es war glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Gem. § 10 AufG waren Fremde im Besitz einer Bewilligung zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Wie sich aus diesen Bestimmungen ergibt, kannte das AufG keine Unterscheidung zwischen einem Aufenthaltstitel, der bloß zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt, und einem Aufenthaltstitel, der zur Niederlassung berechtigt. Vielmehr war allen Personen, die beabsichtigten, sich für mehr als 6 Monate pro Kalenderjahr oder zur Ausübung einer selbstständigen oder unselbständigen Tätigkeit in Österreich aufzuhalten, eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund nach § 5 Vorgelegen hat.

Zur Frage des Aufenthaltszwecks nach § 6 AufG hat der VwGH in ständiger Judikatur klargestellt, dass eine Änderung im Verwaltungsverfahren gem. § 6 AufG zulässig war (vgl etwa VwGH vom 24.03.1997, 95/19/0901). Es bestand gem. § 10 AufG keine Einschränkung des Umfangs der Berechtigung auf den bei der Antragstellung geltend gemachten Aufenthaltszweck, vielmehr berechtigte die Aufenthaltsbewilligung zur Einreise und zum Aufenthalt. Der Zweckangabe kam im System des AufG daher in erster Linie der Charakter einer Antragsbegründung zu (vgl. VwGH vom 19.12.1996, ZI. 95/19/1837 sowie VwGH vom 04.02.2000, ZI. 98/19/0223 ua.).

Somit war ein Fremder, welcher über eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums verfügte, nach den Bestimmungen des AufG durchaus berechtigt, neben diesem Studium auch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. den Aufenthaltszweck von Studium auf Erwerbstätigkeit zu wechseln (vgl. ebendort).

Die auch dem NAG inhärente strenge Zweckbindung sowie die Unterscheidung zwischen Aufenthaltstiteln, die nur zum vorübergehenden Aufenthalt, und solchen, die zur Niederlassung berechtigen, wurde mit dem FrG 1997 eingeführt. § 113 FrG 1997 regelte, wie die Überleitung vom AufG in das neue System zu erfolgen hatte. Gem. Abs 4 leg.cit. galten Aufenthaltsbewilligungen Fremder, die ab 01.01.1998 eine Aufenthaltserlaubnis benötigten, bis zum Ende ihrer Gültigkeitsdauer-je nachdem - als Erstaufenthaltserlaubnis oder als weitere Aufenthaltserlaubnis weiter. Gem. § 113 Abs 5 FrG 1997 galten die bis 31. Dezember 1997 erteilten Aufenthaltsbewilligungen - je nachdem - als Erstniederlassungsbewilligung oder weitere Niederlassungsbewilligung weiter.

Wie der VwGH zur Übergangsbestimmung des § 113 Abs 4 und 5 FrG 1997 ausgeführt hat, war für die Prüfung der Frage, ob ein Fremder (lediglich) eine Aufenthaltserlaubnis benötigte, nicht schematisch auf den in der zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung angegebenen Aufenthaltszweck abzustellen. Vielmehr orientierte sich das Verständnis des Begriffes benötigen in § 113 Abs 4 FrG 1997 daran, ob der Fremde lediglich Bedarf nach einer Aufenthaltserlaubnis oder aber solchen nach einer Niederlassungsbewilligung hatte. Letzteres war schon dann gegeben, wenn ein rechtzeitiger Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Vorgelegen hat und nach Maßgabe der darin geltend gemachten Zwecke des Aufenthaltes an die zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung nur mit einer weiteren Niederlassungsbewilligung angeschlossen werden konnte (VwGH vom 19.11.1999, ZI. 98/19/0313). War somit bei Inkrafttreten des FrG 1997 klar, dass der Antragsteller seinen Aufenthalt im Bundesgebiet in Zukunft auch zur Ausübung einer (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit zu nutzen beabsichtigte, war schon aus diesem Grund davon auszugehen, dass er im Verständnis des § 113 Abs 4 FrG 1997 nicht bloß eine Aufenthaltserlaubnis, sondern eine Niederlassungsbewilligung benötigte (vgl. VwGH ebendort).

Wie sich aus den bisherigen Ausführen ergibt, ist die Rechtslage nach dem AufG für den Beschwerdeführer jedenfalls günstiger als jene des NAG, aber auch als jene nach dem FrG 1997. Dies einerseits, weil sie keine strenge Zweckbindung vorsieht und eine Änderung des Antragszwecks von Studium auf Erwerbstätigkeit ohne weitere Voraussetzungen erlaubt. Andererseits aber auch, weil bereits die Aufenthaltsbewilligung die Niederlassung (zu Erwerbszwecken) in Österreich zulässt, ohne dafür einen anderen Titel beantragen müssen, wie das nach dem NAG der Fall ist, aber auch schon nach den Bestimmungen des FrG 1997 erforderlich und selbst für Inhaberinnen einer Aufenthaltsbewilligung nach dem AufG vorgesehen war (vgl. § 113 FrG 1997).

Wendet man die Rechtslage des AufG auf den Fall des Beschwerdeführers an, so führt auch dies zu dem Ergebnis, dass ihm eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ zu erteilen ist, da er nach den Bestimmungen des AufG in seinem Aufenthaltszweck nicht auf das Studium beschränkt und es ihm ohne weiteres erlaubt ist, den Aufenthaltszweck auf die Ausübung einer (unselbständigen) Erwerbstätigkeit zu ändern. Weiters ist er auf Basis des AufG nicht bloß zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt, sondern zur Niederlassung. Das kommt insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, dass er gem. § 4 Abs 2 AufG nach fünf Jahren auch eine unbefristete Bewilligung erhalten kann.

Wie sich aus § 11 Abs 2 Z 4 lit B NAG-DV ergibt, gelten Aufenthaltsbewilligungen nach dem AufG als „Niederlassungsbewilligung unbeschränkt“ weiter. Auch dieser Aufenthaltstitel besteht jedoch nicht mehr, sondern wurde durch die „Rot -Weiß-Rot-Karte plus“ ersetzt.

Auch deshalb ist dem Beschwerdeführer der beantragte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ zu erteilen.

Auch das hat die belangte Behörde verkannt und den bekämpften Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit belastet.“

Laut Versicherungsdatenauszug ist der Bf seit 02.06.2015 als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der Kr. KG (in der Folge kurz: KG) zur Sozialversicherung gemeldet.

Das Verwaltungsgericht Wien führte am 15.05.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Bf, der in Begleitung von ... als seiner Rechtsvertreterin erschienen war, teilnahm. Die Vertreterin legte zunächst das aktuelle Studienblatt (vom 28.04.2017) sowie eine Bestätigung des Studienerfolges (vom 04.02.2016) vor. Schon an dieser Stelle ist hierzu anzumerken, dass die dort aufscheinenden Prüfungen solche an der TU Wien betreffen, und nicht das zugelassene Bachelorstudium ... an der Uni Wien. Im Übrigen handelt es sich dabei auch nicht um einen Studienerfolgsnachweis (iSd § 75 Abs. 6 UG), weil damit nicht positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten des vorausgegangenen Studienjahres (und zwar für das zugelassene Studium) dokumentiert werden. Der Bf vermeinte offenbar, weil auf dieser Bestätigung auch die Teilnahme an der Lehrveranstaltung „Gender Studies“ (mit der Note „genügend“) aufscheint, werde der Landeshauptmann von Wien, wie schon all die Jahre zuvor, keinen allzu strengen (gesetzmäßigen) Maßstab anlegen und ihm allenfalls – wie die Jahre zuvor – einen Aufenthaltstitel erteilen, obwohl er die Voraussetzungen hierzu nicht erfüllt (schon an dieser Stelle ist anzumerken, dass der Landeshauptmann von Wien über Jahre hindurch dem Bf – contra legem – Aufenthaltstitel erteilt hat).

Bei seiner Einvernahme in der Verhandlung am 15.05.2017 gab der Bf Folgendes an:

„Ich bin seit 2015 an der TU Wien mit ...studium inskrepiert. Ich werde zur nächsten Verhandlung das dortige Studienblatt und alle vorhandenen Bestätigungen des Studienerfolges seit 2015 mitbringen. Ich habe dieses Studium an der TU Wien mitbelegt. Das ursprüngliche Studium läuft weiter. Ich habe von 2015 bis 2016 zwölf ECTS gehabt und damit mein Visum verlängert. Es ist bis Februar 2017 verlängert. Nach der Verlängerung hat mich die Beamtin persönlich bei ihr informiert, dass im nächsten Jahr die ECTS für das weitere Studium an der TU Wien nicht akzeptiert würden. Ich habe seit 2016 in keinen der beiden Studien eine positive Prüfung absolviert. Ich wohne jetzt im R.-weg. Es ist dies eine Mietwohnung. Ich wohne alleine, ich zahle 680,-- Euro Miete inklusive Betriebskosten. Ich habe kein eigenes Auto.

Mein Vater war Buchhalter, meine Mutter ist Beamtin. Wenn ich in der Türkei bin, dann hole ich mir das Geld. Wir haben genug Geld.

Ich habe von der Türkei den Führerschein gehabt und hier umschreiben lassen. Bezüglich meines Dienstverhältnisses Kr. KG gibt es keinen schriftlichen Vertrag, wir haben das nur mündlich gemacht. Ich bin der Geschäftsführer dieser Firma, glaublich seit eineinhalb Jahren. Die Firma habe nicht ich gegründet, diese hat es schon gegeben. Ich bin im Dezember 2015 bei dieser Firma eingestiegen.

Dem Bf wird aufgetragen binnen zwei Wochen den Gesellschaftsvertrag, einen allenfalls vorhandenen Dienstvertrag und überhaupt alle schriftlichen Unterlagen bezüglich seiner Tätigkeit und Funktion bei der KG zu übermitteln. Frau Ai. ist Kommanditistin. Diese ist auch eine Studentin aus Deutschland in Wien. Ich habe für die Übernahme nichts bezahlt. Der Sitz der Firma ist in meiner Wohnung. Die Wohnung ist ca. 50 m2 groß. Es ist dies nur ein Tisch als Büro. Die Firma hat 4 Fahrzeuge. Wir haben auch Personal. Wir machen mit diesen 4 Fahrzeugen, Taxidienst, Mietwagendienst und Limousinendienst. Frau Ai. arbeitet nicht mit, ich bin der Geschäftsführer und Chef. Ich werde auch den Namen des gewerberechtlichen Geschäftsführers bekannt geben. Wir haben einen Garagenvertrag und wird eine Kopie davon zum Akt genommen. Der gewerberechtliche GF fährt auch manchmal mit dem Auto. Wir haben dann noch drei angemeldete Arbeitskräfte (einen Vollzeit, einen Teilzeit und zwei geringfügig angemeldete). Wenn Bedarf ist, würde ich schon fahren. Wir haben Flughafentaxi und dort einen Stand. Ich mache bei der Firma alles, ich bekomme die Aufträge, gebe die Aufträge den Fahrern weiter. Ich habe einen Buchhalter für die Buchhaltungssachen. Ich stelle die Leute ein und kündige sie allenfalls. Das Flughafentaxi steht einfach in der Reihe und kommt dann der potenzielle Kunde zum Taxilenker. Die Lohnauszahlung macht der Buchhalter. Drei Fahrzeuge sind Eigentum der Firma, ein Fahrzeug ist geleast.“

Aus einem beigeschafften Firmenbuchauszug geht hervor, dass der Bf seit 01.10.2015 unbeschränkt haftender Gesellschafter der KG ist (Kommanditistin ist Frau D. Ay.). Bei dieser handelt es sich um eine deutsche Staatsbürgerin, laut ZMA verfügt sie über keinen Wohnsitz mehr in Österreich.

Am 07.06.2017 langte beim Verwaltungsgericht Wien ein Schreiben des Bf (ergänzende Stellungnahme) ein, dem verschiedene Unterlagen angeschlossen waren. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein schriftlicher Dienstvertrag und ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht vorlägen; diese seien mündlich geschlossen worden. Abermals wurde vom Bf vorgebracht, es ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass er seit 02.06.2015 – somit seit mehr als zwei Jahren – laufend als Angestellter bei der KG beschäftigt sei und diese Tätigkeit auch weiterhin ausüben wolle. Somit sei auf ihn die Stillhalteklausel nach Art. 13 des ARB 1/80 anzuwenden. Er sei seit 02.06.2015 bei der KG beschäftigt. Die Beschäftigung sei auch ordnungsgemäß, da eine entsprechende Bewilligung nach dem AuslBG vorliege. Weiters sei sein Aufenthalt in Österreich auf Basis seiner Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ regulär. Er beabsichtige überdies, der Erwerbstätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber auch künftig nachzugehen. Somit erfülle er sämtliche Voraussetzungen nach Art. 6 1. Spiegelstrich ARB 1/80. Die daraus resultierende Rechtsposition sei durch Erteilung eines Aufenthaltstitels abzusichern, welcher ihm auch weiterhin die Ausübung der Beschäftigung garantiere. Die Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ werde dieser Anforderung nicht gerecht, insbesondere weil die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels von der besonderen Erteilungsvoraussetzung des Studienerfolges – und nicht von der Ausübung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung – abhänge. Die weitere Ausübung der Beschäftigung bzw. das sich unmittelbar aus dem ARB ableitende Aufenthaltsrecht sei nur durch Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gewährleistet. Zur Anwendbarkeit des Art. 41 ZP führte der Bf noch Folgendes aus:

„2.1 Der Beschwerdeführer ist weiters seit 12.11.2015 auch selbständig erwerbstätig. Somit kann er sich auch auf die in Art 41 ZP enthaltene ..Stillhalteklausel“ berufen. Sie ist darauf gerichtet, günstige Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung des Niederlassungsrechts zu schaffen, indem den innerstaatlichen Stellen das absolute Verbot, durch eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen neue Hindernisse für die Ausübung dieser Freiheit einzuführen, auferlegt wird, um ihre schrittweise Herstellung zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei nicht zu erschweren (vgl. EuGH in der RS „Oguz“, Rn 27).

Artikel 41 ZP gewährt daher zwar kein materielles Recht und ist die Stillhalteklausel nicht aus sich heraus geeignet, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen (vgl. EuGH in der RS „Abatay“, Rn.62; „Soysal“, Rn.47; „Dereci“, Rn.88). Sie hat somit nicht die Wirkung einer materiell rechtlichen Vorschrift, die an die Stelle des maßgeblichen materiellen Rechts des Mitgliedstaates tritt und dieses unanwendbar macht, sondern stellt eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedstaates die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist, der in diesem Mitgliedstaat von der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen will (EuGH in der RS „Oguz“, Rn.28).

Darüber hinaus verbietet die Vorschrift (im Sinne einer zeitlichen Meistbegünstigungsklausel) auch den Erlass von Beschränkungen, die die Bedingungen für die Ausübung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit türkischer Staatsangehöriger im Vergleich zu den Bedingungen verschlechtern, die für sie zuvor aufgrund von Bestimmungen galten, die nach dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls erlassen worden waren (EuGH in der RS „Dereci“, Rn.98).

2.2 Für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Falles sind daher richtigerweise alle „neuen Beschränkungen“ welche in der zum Zeitpunkt der Entscheidung seit der ab 01.01.1995 bestehenden günstigsten Rechtslage in Kraft getreten waren, außer Acht zu lassen (vgl. VwGH vom 24.03,2015, Ro 2014/09/0057 ua). Solche „neuen Beschränkungen“ wurden nach Ansicht des Beschwerdeführers mit Inkrafttreten des FrG 1997 bzw. des NAG eingeführt.“

Weiters legte der Bf (wie auch schon in seiner Beschwerde) näher dar, dass seiner Ansicht nach der beantragte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ zu erteilen wäre.

Das Verwaltungsgericht Wien führte am 27.06.2017 eine weitere mündliche Verhandlung durch, an der der Bf und … als seine Rechtsvertreterin teilnahmen und in der Herr H. I. als Zeuge einvernommen wurde. Die Vertreterin des Bf merkte zunächst an, es gebe keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag. Der Bf legte eine Werbebroschüre seiner Firma vor. Weiters gab er an, das Geld für die Fahrzeuge der Firma von seiner Familie in der Türkei zu haben (auch habe er Geld ausgeborgt). Er habe dafür ca. 50.000,-- Euro benötigt. Er habe einen gewerberechtlichen Geschäftsführer gesucht und sei er auf Herrn I. gestoßen; dieser sei Taxifahrer. Die Idee für die Firmengründung habe er gehabt. Das Büro sei in seiner Wohnung. Das Unternehmen werfe im Monat ca. 2.000,-- Euro aus. Er wolle in Zukunft mit seiner Firma in Österreich weiter arbeiten und weiter studieren. Hierzu ist anzumerken, dass der Bf das Bachelorstudium ... seit dem Wintersemester 2011/2012 belegt hat. Seit dieser Zeit (also seit sechs Jahren) hat der Bf noch in keinem einzigen Jahr einen maßgeblichen Studienerfolg (siehe § 75 Abs. 6 UG) aufgewiesen.

Herr H. I. gab bei seiner Einvernahme als Zeuge Folgendes an:

„Ich bin schon seit 30 Jahren in Österreich. Ich habe in der Türkei die Handelsakademie fertig gemacht. Ich bin mit 20 Jahren nach Österreich gekommen. In Österreich war ich mit der Lieferung und Transport selbstständig tätig. Vor 20 Jahren hatte ich eine Firma. Ich habe den Bf vor dem Flughafen kennen gelernt. Ich bin Taxi gefahren. Ich bin für die Firma T. gefahren. Als ich den Bf kennen lernte, war die Firma auf meinen Namen. Der Bf hat bei einer Mietwagenfirma gearbeitet. Ich habe ihm empfohlen, er solle für den Flughafen einen Taxischein machen. Dann hat er bei mir gearbeitet. Ich habe ihm empfohlen, eine Firma zu gründen. Meine Firma hieß H. KG, ich hatte drei Autos. Mit einem Auto ist der Bf gefahren. Bei mir war er über ein Jahr. Ich sagte ihm, dass ich Schwierigkeiten mit der Frau habe, ich muss mich scheiden lassen. Wir müssen jemanden finden, der die Firma übernimmt. Er sagte, dass er momentan nicht könne. Er kannte eine Dame, sie hat die Firma übernommen. Es war aber nicht mehr erlaubt, dass die Dame, die in der Türkei lebt, dies macht. Wir haben dann die KR. KG im Mai 2014 gegründet. Ich bin der gewerberechtliche Geschäftsführer. Geld habe ich keines eingebracht. Ich war zunächst unbeschränkt haftender Gesellschafter und dann ab Oktober 2015 der Bf. Das Geld haben wir von der Familie des Bf beschafft, diese hat genug Geld. Die Mutter kommt ihn ab und zu besuchen. Ich bin mit 40 Stunden angemeldet. Ich habe auch den Gewerbeschein für das Unternehmen.“

Die Vertreterin des Bf brachte nach der Zeugeneinvernahme noch ergänzend vor, der bekämpfte Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde § 23 NAG nicht eingehalten habe. Aufgrund des beabsichtigten Aufenthaltszwecks ergebe sich, dass der Bf auch eine Niederlassungsbewilligung erhalten könnte und hätte die belangte Behörde ihn daher auffordern müssen, den Antrag allenfalls dahingehend zu modifizieren. In ihrem Schlusswort verwies die Vertreterin des Bf auf das bisherige Vorbringen. Im Anschluss daran wurde die Entscheidung mündlich verkündet. Die Vertreterin des Bf beantragte sogleich eine schriftliche Ausfertigung.

Mit Eingabe vom 11.07.2017 stelle der Bf abermals einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Dem Bf, einem türkischen Staatsbürger, war zuletzt eine bis 17.02.2017 ausgestellte Aufenthaltsbewilligung als „Studierender“ erteilt gewesen. In seiner Eingabe vom 14.06.2016 stellte der Bf einen Zweckänderungsantrag, ihm einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ zu erteilen. Er begründete dies damit, dass er seit mehr als einem Jahr neben seinem Studium einer Beschäftigung bei der KG nachgehe. Eine aktuelle Beschäftigungsbewilligung (gültig bis 28.05.2017) liege bei. Da er seit 02.06.2015 (somit seit mehr als einem Jahr) einer erlaubten Beschäftigung nachgehe, falle er in den Anwendungsbereich des Art. 6 ARB 1/80. Er beabsichtige, auch weiterhin einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachzugehen, sodass ihm ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei, der ihm dies ohne Einschränkung ermögliche.

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme bei der belangten Behörde am 23.06.2016 brachte der Bf ergänzend vor, er werde einer Vollzeitbeschäftigung im Ausmaß von 38,5 bzw. 40 Wochenstunden nachgehen, sobald er den begehrten Aufenthaltstitel mit freiem Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhalte. In einer Stellungnahme vom 24.11.2016 führte der Bf näher aus, dass seiner Ansicht nach keine Gründe für die Ablehnung des gegenständlichen Zweckänderungsantrages vorliegen würden.

Der (mit Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ umschriebene) § 41a NAG idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet wie folgt:

„§ 41a. (1) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1. sie bereits zwölf Monate einen Aufenthaltstitel gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzen,

2. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3. eine Mitteilung gemäß § 20e Abs. 1 Z 2 AuslBG vorliegt.

(2) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1. sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel gemäß § 42 besitzen,

2. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3. eine Mitteilung gemäß § 20e Abs. 1 Z 3 AuslBG vorliegt.

(3) Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn eine Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 59 Abs. 4 AsylG 2005 vorliegt. Der Aufenthaltstitel ist unverzüglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Zustellung der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zu erteilen. § 20 Abs. 2 gilt sinngemäß.

(4) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2. mindestens zwei Jahre über eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 67 verfügt haben.

(5) Der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ist an Drittstaatsangehörige im Fall der Rückstufung gemäß § 28 zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllt sind.

(6) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2. über einen Aufenthaltstitel gemäß § 45 verfügt haben und dieser gemäß § 20 Abs. 4 oder 4a erloschen ist oder gemäß § 10 Abs. 3 Z 3 oder Z 4 gegenstandslos wurde.

(7) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2. sie über eine „Niederlassungsbewilligung“ verfügen und

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(8) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist auf Antrag ohne weiteres ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn ein Fall des § 59 Abs. 2 StbG vorliegt und ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 Abs. 10) nicht zu erteilen ist.

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie

1. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1 AsylG 2005,

2. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß §§ 55 Abs. 2 oder 56 Abs. 2 AsylG 2005 oder

3. über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3

verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(10) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 bis 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn

1. es sich um einen unbegleiteten minderjährigen Fremden, der sich nicht in Begleitung eines für ihn gesetzlich verantwortlichen Volljährigen befindet, handelt, oder

2. für einen Minderjährigen ein Aufenthaltsrecht nicht gemäß § 23 Abs. 4 NAG abgeleitet werden kann

und sich der Minderjährige auf Grund eines Gerichtsbeschlusses, kraft Gesetzes oder einer Vereinbarung der leiblichen Eltern mit dem Jugendwohlfahrtsträger zum Schutz des Kindeswohles nicht bloß vorübergehend in Obhut von Pflegeeltern oder des Jugendwohlfahrtsträgers befindet. Die Pflegeeltern gelten diesfalls als gesetzliche Vertreter im Sinne des § 19. Dieser Aufenthaltstitel ist gebührenfrei zu erteilen.

(11) In den Fällen der Abs. 1 und 7 ist von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels oder Fehlens einer Voraussetzung gemäß §§ 19 bis 24 zurück- oder abzuweisen ist oder

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 abzuweisen ist.

Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung in den Fällen des § 20e Abs. 1 AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen.“

§ 64 Abs. 1 bis Abs. 3 NAG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:

„(1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie

1.   die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2.   ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.

Eine Haftungserklärung ist zulässig.

(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit richtet sich nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Diese Erwerbstätigkeit darf das Erfordernis des Studiums als ausschließlicher Aufenthaltszweck nicht beeinträchtigen.

(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. Gleiches gilt beim Besuch eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.“

§ 8 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), in der Fassung gemäß BGBl. II Nr. 481/2013, lautet auszugsweise:

„Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen

§ 8 Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:

...

7. für eine „Aufenthaltsbewilligung – Studierender“:

a)   Aufnahmebestätigung der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges;

b)   im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 13/2011 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG;

...“

§ 75 UG idF BGBl. I Nr. 131/2015 lautet auszugsweise wie folgt:

„Zeugnisse

...

(4) Die Zeugnisse sind unverzüglich, längstens jedoch innerhalb von vier Wochen nach Erbringung der zu beurteilenden Leistung auszustellen. Zur Unterstützung der internationalen Mobilität der Studierenden ist der Anschluss einer fremdsprachigen Übersetzung zulässig, wobei die Benennung der Universität und des ausstellenden Organs nicht zu übersetzen sind.

(5) Die Ausstellung von Zeugnissen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung ist zulässig. Wenn keine eigenhändige Fertigung erfolgt, ist eine Beglaubigung nur bei studienabschließenden Zeugnissen erforderlich.

(6) Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungs-punkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat.“

Gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG ist für türkische Staatsangehörige eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 ARB 1/80 erfüllen.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hat - vorbehaltlich der hier fallbezogen nicht in Betracht kommenden Bestimmungen in Art. 7 ARB - ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedsstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

Gemäß Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 werden der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeiten erworbenen Ansprüche.

Mit Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wurde ein System der abgestuften Eingliederung der türkischen Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats geschaffen. Aus der Systematik und der praktischen Wirksamkeit dieses Systems folgt, dass die in den drei Spiegelstrichen dieser Bestimmung jeweils aufgestellten Bedingungen von den Betroffenen nacheinander erfüllt werden müssen (vgl. das Urteil des EuGH vom 10.01.2006, C- 230/03, Sedef, Rnr. 37).

Aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ergibt sich, dass der erste und der zweite Spiegelstrich dieser Bestimmung lediglich die Voraussetzungen regeln, unter denen ein türkischer Arbeitnehmer, der rechtmäßig in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingereist ist und dort die Erlaubnis erhalten hat, eine Beschäftigung auszuüben, seine Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat ausüben kann. Nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung darf er weiterhin bei demselben Arbeitgeber arbeiten (erster Spiegelstrich) und nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung kann er sich - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumenden Vorrangs - für den gleichen Beruf auf ein Stellenangebot eines anderen Arbeitgebers bewerben (zweiter Spiegelstrich). Im Gegensatz dazu verleiht Abs. 1 dritter Spiegelstrich (nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung) dem türkischen Arbeitnehmer nicht nur das Recht, sich auf ein vorliegendes Stellenangebot zu bewerben, sondern auch uneingeschränkten Zugang zu jeder von ihm frei gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (vgl. das Urteil des EuGH vom 07.07.2005. C-383/03, Dogan, Rnr. 13; idS auch Urteil Sedef, Rnr. 36, je mwN). Somit kann generell ein Recht nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 nicht allein aufgrund der Tatsache geltend gemacht werden, dass ein türkischer Staatsbürger im Aufnahmemitgliedstaat mehr als vier Jahre lang rechtmäßig eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt hat, wenn er nicht (1.) mehr als ein Jahr bei demselben Arbeitgeber und (2.) zwei weitere Jahre für diesen gearbeitet hat (Urteil Sedef, Rnr. 44).

Für die Phase der Entstehung der nach Maßgabe der Dauer der Ausübung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis schrittweise erweiterten Rechte, die unter den drei Spiegelstrichen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 festgelegt sind, und damit für die Zwecke der Berechnung der insoweit erforderlichen Beschäftigungszeiten, sieht Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 vor, dass sich verschiedene Fälle der Unterbrechung der Arbeit auf diese Zeiten auswirken. Anders als der erste und der zweite Spiegelstrich dieser Vorschrift verlangt der dritte Spiegelstrich nicht die grundsätzlich ununterbrochene Ausübung einer Beschäftigung. Von dem Zeitpunkt an, zu dem der türkische Arbeitnehmer die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllt und daher das in dieser Bestimmung vorgesehene uneingeschränkte Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis sowie das diesem entsprechende Aufenthaltsrecht bereits erworben hat, ist Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 nicht mehr anwendbar (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 22.11.2011, 2011/23/0454, unter Hinweis auf das Urteil Dogan, Rnr. 15f und 18).

Das bedeutet aber, dass ein türkischer Arbeitnehmer, der noch nicht das Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 in Anspruch nehmen kann, im Aufnahmemitgliedstaat grundsätzlich eine ununterbrochene ordnungsgemäße Beschäftigung während der erforderlichen Zeit ausüben muss, sofern er keinen legitimen Grund der in Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 genannten Art für die Unterbrechung seiner Beschäftigungszeiten anführen kann (Urteil Sedef, Rnr. 53; siehe zum Ganzen das Erkenntnis des VwGH vom 21.03.2017, Zl. Ra 2016/22/0098).

Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

Gemäß Art. 41 Abs. 1 des durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19.12.1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen dürfen die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.

Der EuGH hat festgehalten, dass eine nationale Regelung nur insoweit in den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 fällt, als sie geeignet ist, die Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates durch türkische Arbeitnehmer zu beeinträchtigen (siehe etwa das Urteil des EuGH vom 12.04.2016, C-561/14, Genc, Rnr. 44).

Wenn also mit einer Maßnahme eines Aufnahmemitgliedstaates, die nach dem ARB 1/80

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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