Entscheidungsdatum
03.11.2017Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §2 Abs1 Z11Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Neumann über die Beschwerde der Frau Y. S., vertreten durch ..., gegen den Bescheid des Landeshautpmannes von Wien, MA 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft - Einwanderung der Bezirke ..., vom 22.3.2017, Zl. MA35-9/2182757-13, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für den Zweck "Künstler" abgewiesen wurde, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung durch Verkündung am 5.10.2017
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gemäß § 53b AVG iVm § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG wird der Beschwerdeführerin der Ersatz der Barauslagen für die zur mündlichen Verhandlung am 5.10.2017 beigezogene nichtamtliche Dolmetscherin dem Grunde nach auferlegt. Eine ziffernmäßige Bestimmung wird einem gesonderten Beschluss vorbehalten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
A. Verfahrensgang
Mit Verlängerungsantrag vom 3.1.2017 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Magistratsabteilung 35 die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck „Künstler“.
Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 22.3.2017 wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen hätte, dass ihr Unterhalt durch Einkommen gedeckt sei, dass sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen würde. Sie hätte lediglich einige Kontoauszüge nachgereicht, denen zu entnehmen sei, dass sie Bargeld aus Japan mitgenommen und dieses auf ein österreichisches Konto eingezahlt habe. Nachweise gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 NAG bzw. § 8 Z 4 NAG-DV hätte sie nicht vorgelegt. Die Voraussetzungen des zitierten § 61 Abs. 1 NAG würden nicht vorliegen und sei daher der Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen gewesen.
Mit Schriftsatz vom 24.4.2017 erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Frist formgerecht über ihren Rechtsvertreter Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus:
Die Beschwerdeführerin sei bisher nicht in Kenntnis des Umstandes gewesen, dass eine Haftungserklärung gemäß § 61 NAG zulässig sei, weshalb eine solche nicht vorgelegt worden sei. Mittlerweile sei eine Haftungserklärung aber vorgelegt worden. Aber auch die davor vorgelegten Unterlagen seien ausreichend, um nachzuweisen, dass der Unterhalt durch das Einkommen gedeckt werde, das die Beschwerdeführerin aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehe. Darüber hinaus würde die Beschwerdeführerin über ausreichende Ersparnisse verfügen. Die Beschwerdeführerin würde somit die Voraussetzungen für die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels erfüllen. Gemäß § 25 NAG sei in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels bei Fehlen der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG dem Antragsteller mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff FPG beabsichtigt sei und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens zulässig scheine. Die belangte Behörde sei der verfehlten Ansicht, dass in dem anhängigen Verlängerungsverfahren die allgemeine Erteilungsvoraussetzung und der ausreichende Unterhaltsmittel gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG nicht erfüllt sei. Daran vermag auch der Hinweis in der Begründung, dass die Beschwerdeführerun die Nachweise gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 NAG bzw. § 8 Z 4 NAG-TV nicht vorgelegt habe, nichts zu ändern. Auch diese Bestimmungen würden sich auf die allgemeine Erteilungsvoraussetzung beziehen.
Mit Verfahrensanordnung des Verwaltungsgerichts Wien vom 11.5.2017 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen binnen vier Wochen für das Verfahren relevante Unterlagen vorzulegen und zwar:
- Vorletzter und letzter Einkommenssteuerbescheid,
- letzte Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge,
- Auflistung über die Einkünfte der letzten zwölf Monate (Höhe des jeweiligen Honorars, Gegenstand der Leistung, Tag der Leistungserbringung, Auftraggeber),
- Nachweise für die Auszahlung von Honoraren der letzten zwölf Monate,
- Sämtliche vorhandene Vorverträge, Verträge sowie Auftragszusagen für bevorstehende künstlerische Tätigkeiten.
Nach beantragter Fristerstreckung wurden schließlich mit Schriftsatz vom 11.7.2017 die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 sowie die letzte Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge vorgelegt.
Am 5.10.2017 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Vertreter der Beschwerdeführerin noch zusätzlich nachstehende Unterlagen vorlegte:
- Auskunft aus der „KSV 1870-Privatinformation“ betreffend die Beschwerdeführerin (Beilage ./A,)
- Auskunft aus der „KSV 1870-Privatinformation“ betreffend Si. F. (Beilage ./B),
- Schreiben über Abbezahlung eines in Beilage ./B genannten Kredits (Beilage ./C),
- Nachweis des Pensionsbezugs betreffend Si. F. (Beilage ./D),
- Kontoauszug zum Nachweis Ersparnisse der Beschwerdeführerin (Beilage ./E),
- Urkunden zum Nachweis der Herkunft der Ersparnisse (Beilage ./F, ./G),
- Nachweis über die Ausbezahlung von Honoraren betreffend das Jahr 2017 (Beilage ./H1 bis ./H6)
Der Vertreter der Beschwerdeführerin brachte in Verhandlung zudem noch vor:
„Unter Wahrung der Freiheit der Kunst ist der Aufenthaltstitel antragsgemäß zu verlängern, weil jedenfalls ein Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit erzielt wird. Da im Falle des § 61 NAG eine Haftungserklärung zulässig ist, ist es nach dem Willen des Gesetzgebers gerade bei schwankendem Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit ausreichend, dass der Unterhalt überwiegend durch die Tätigkeit des Künstlers gesichert wird.“
Mit Schriftsatz vom 11.10.2017 beantragte der Vertreter der Beschwerdeführerin binnen offener Frist die Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG.
B. Sachverhalt
B.1 Die Beschwerdeführerin, geboren am ...1972 und mit Staatsangehörigkeit Japan, meldete beginnend mit 28.12.1995 in Österreich einen Nebenwohnsitz, um im Jahr 1996 das Instrumentalstudium „...“ an der „Musikuniversität Wien“ aufzunehmen. Dieses schloss sie im Jahr 2006 ab. Während dieses Zeitraums verfügte sie über eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende.
B.2 Mit Zweckänderungsantrag vom 2.10.2006 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Magistratsabteilung 35 eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck „Künstler“. Diesem Antrag wurde entsprochen und übernahm die Beschwerdeführerin am 5.2.2009 den ihr erteilten Aufenthaltstitel. In weiterer Folge stellte die Beschwerdeführerin Verlängerungsanträge zum Zwecke der Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck „Künstler“, denen mit Ausnahme des letzten Verlängerungsantrags vom 3.1.2017 entsprochen wurde.
B.3 Zur (teilweisen) Finanzierung ihres Lebensunterhalts bestreitet die Beschwerdeführerin Auftritte mit ihrem Instrument (...) im Rahmen selbstständiger Tätigkeit. Im Jahr 2016 erlangte sie aus dieser Tätigkeit ein Einkommen in der Höhe von 7.931 Euro. Für das Jahr 2018 erwartet die Beschwerdeführerin einen leichten Einkommensrückgang. Sie rechnet mit einem Einkommen von 6.000 bis 7.000 Euro. Sie verfügt derzeit über Ersparnisse in der Höhe von 314.057 Euro (gerundet auf ganze Beträge). An Miete hat die Beschwerdeführerin ca. 700 Euro zu bezahlen. Übersteigt der finanzielle Bedarf zur Lebensführung ihre Einkünfte aus ihrer künstlerischen Tätigkeit zieht die Beschwerdeführerin ihre Ersparnisse (Erbschaft von ihrem Vater) heran. Zudem besteht eine von Si. F. gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG am 12.4.2017 abgegebene Haftungserklärung.
- Beweiswürdigung
Die unter B.1 angeführten persönlichen Daten über die Beschwerdeführerin (Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Nebenwohnsitz in Österreich) ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage. Der festgestellte Beginn und die Dauer des Studiums sowie die gewählte Studienrichtung und Universität als auch der Erhalt eines Aufenthaltstitels für Österreich zum Zweck des Studiums ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin. Die Angaben konnten glaubhaft von der Beschwerdeführerin vermittelt werden und stehen darüber hinaus im Einklang mit der Aktenlage. Dies gilt auch für jene unter B.3 getroffenen Feststellungen, denen die Angaben der Beschwerdeführerin zugrunde liegen (künstlerische Tätigkeit, aktuell zu bezahlende Miete und Finanzierung des Lebensunterhalts). Die restlichen Feststellungen im Abschnitt B.3 ergeben sich aus im Akt einliegenden Urkunden (Einkommenssteuerbescheid 2016, Kontoauszug, Mietvertrag und Haftungserklärung) und sind keine Anhaltspunkte für Zweifel an deren Echtheit und Richtigkeit hervorgekommen. Die Feststellungen im Abschnitt B.2 ergeben sich ebenfalls unzweifelhaft aus der Aktenlage.
C. Rechtliche Beurteilung
- C.1 Anzuwendende Rechtsvorschriften
§ 2 Abs. 1 Z 11 und Z 12 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF lauten:
„(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
…
11.
Verlängerungsantrag: der Antrag auf Verlängerung des gleichen oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels (§ 24) nach diesem Bundesgesetz;
12.
Zweckänderungsantrag: der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit anderem Zweckumfang während der Geltung eines Aufenthaltstitels (§ 26);
…“
§ 2 Abs. 2 NAG lautet:
„Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck
1.
der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;
2.
der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder
3.
der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.“
§ 11 Abs. 2 Z 4, 3 und 5 NAG lauten:
„(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
…
4.
der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
…
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9.
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
…
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“
§ 8 Abs. 1 Z NAG lautet:
„‚Niederlassungsbewilligung‘, die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;“
§ 20 Abs. 1 und Abs. 1 NAG lauten:
„(1) Sofern nicht anderes bestimmt ist, sind befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde
1.
das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat und
2.
in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,
es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.“
§ 25 Abs. 1 NAG lautet:
„Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.“
§ 43a NAG lautet:
(1) Drittstaatsangehörigen kann eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1.
im Fall der Unselbständigkeit eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 6 AuslBG vorliegt oder
2.
im Fall der Selbständigkeit deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen.
(2) Eine Haftungserklärung ist zulässig. § 47 Abs. 5 gilt sinngemäß.
§ 61 NAG idF BGBl. I 68/2017 lautete:
„(1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung als Künstler ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen; eine Haftungserklärung ist zulässig; und
1.
im Fall der Unselbständigkeit eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 6 AuslBG vorliegt oder
2.
im Fall der Selbständigkeit, deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen.
(2) § 47 Abs. 5 gilt sinngemäß.“
§ 8 Z 4 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 idgF, lautet:
„Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung folgende weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:
…
4. für eine Aufenthaltsbewilligung„Selbständiger“: schriftlicher Werkvertrag über die Leistung einer bestimmten selbständigen Tätigkeit, die länger als sechs Monate bestehen wird;
…“
Art. 1 Z 69 und 83 des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 – FrÄG 2017, BGBl. I 84/2017, lauten:
„Änderungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes
Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 122/2015, wird wie folgt geändert:
…
69. Die §§ 61, 67 und 68 samt Überschriften entfallen.
…
83. § 82 werden folgende Abs. 23 bis 25 angefügt:
‚(23) Die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Z 15 und Abs. 3, 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 9 bis 12 und Abs. 3, 10 Abs. 3 Z 1, 11 Abs. 2 Z 5 bis 7, Abs. 3, Abs. 4 Z 2, Abs. 5 und 6, 19 Abs. 10, 20 Abs. 1a, 21 Abs. 2 Z 4 bis 6 und 8 bis 10, Abs. 6 und 7, 21a Abs. 1 bis 4 und 6 bis 7, 24 Abs. 5, 28 Abs. 6, 30 Abs. 1, 33 Abs. 2 und 3, 34 Abs. 2, 36 Abs. 1, 2 und 5, 40 Abs. 1, 41 Abs. 2 und 5, 41a Abs. 1, 2, 4 Z 2, Abs. 7, 7a und 10, 43 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, 43a bis 43d samt Überschriften, 44 Abs. 2, 44a, 45 Abs. 1 und 2, 46 Abs. 1 Z 1 und 1a, Z 2 lit. b bis d, Abs. 4 Z 3, 54 Abs. 5, 55 Abs. 3, 58 und 58a samt Überschriften, 59 Z 2, 62 Z 2, 63 Abs. 1 Z 4 bis 6 und Abs. 3, 64 Abs. 4 und 5, 66 Abs. 1 Z 4 bis 6, 69 Abs. 2 und 3, 71 Abs. 1 Z 1, 77 Abs. 1 Z 5, Abs. 2 Z 4 und 6, 80 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 41 bis 45 sowie die Einträge im Inhaltsverzeichnis zu §§ 43a bis 43d, 58 und 58a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 84/2017 treten mit 1. Oktober 2017 in Kraft. §§ 10 Abs. 3 Z 8, 23 Abs. 4, 61 samt Überschrift, 64 Abs. 6, 67 und 68 samt Überschriften und 71 Abs. 1 Z 2 und 3 sowie die Einträge im Inhaltsverzeichnis zu §§ 61, 67 und 68 treten mit Ablauf des 30. September 2017 außer Kraft. § 12 Abs. 7 tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft.
…
“
- C.2 Rechtlich folgt daraus:
Der bei der MA 35 eingebrachte Antrag der Beschwerdeführerin vom 3.1.2017 zielte auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung für Künstler (§ 61 NAG). Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG – 2017) wurde § 61 NAG aufgehoben und können Künstler nunmehr nach geltender Rechtslage eine Niederlassungsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z NAG) beantragen (§ 43a NAG), wobei die Tatbestandsvoraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten, gegenüber § 61 NAG unverändert geblieben sind. Zwar muss das Verwaltungsgericht die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung (mangels anderslautender Übergangsbestimmungen wie im vorliegenden Fall; vgl. § 82 Abs. 23 NAG) anwenden, was aber angesichts unveränderter Tatbestandsvoraussetzungen (siehe oben) und keiner zusätzlichen Beschränkung (z.B. etwa Quotenpflicht) im vorliegenden Fall zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis führt. Das Verfahren bezüglich des Verlängerungsantrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck „Künstler“ ist somit als Verlängerungsantrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ fortzusetzen. Die zu erfüllenden besonderen Voraussetzungen sind die nämlichen.
Gemäß § 43a Abs. 1 Z 2 NAG (bzw. 61 Abs. 1 Z 2 NAG) muss bei der selbständigen Tätigkeit als Künstler der Unterhalt durch das Einkommen mit der künstlerischen Tätigkeit gedeckt werden. Zwar ist eine Haftungserklärung auch im Fall eines selbstständigen Künstlers zulässig, aber in Ansehung der oben zitierten Regelung kann eine solche Haftungserklärung lediglich zur Absicherung des Lebensunterhalts im Sinn der in § 11 Abs. 5 NAG angeführten Richtsätze als allgemeine Erteilungsvoraussetzung dienen (vgl. dazu auch die Ausführungen von Peyrl in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG zu § 61 Rz 11). Bei den in § 43a Abs. 1 Z 2 NAG genannten Voraussetzungen handelt es sich hingegen um besondere Voraussetzungen. Aufgrund des Umstands, dass es sich um besondere Voraussetzungen handelt, kommt auch § 11 Abs. 3 NAG nicht zur Anwendung (was folglich auch eine Überprüfung des Schutzes des Privat- und Familienlebens erübrigt, wenn die besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt sind). Es handelt sich in § 43a Abs. 1 Z 2 NAG nicht um eine Unterhaltsregelung gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG (keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft). Deswegen konnte auch ein Vorgehen nach § 25 Abs. 1 NAG unterbleiben. Die Erfüllung des angesprochenen § 11 Abs. 2 Z 4 NAG (aufgrund ausreichender finanzieller Mittel und eine Haftungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG) führt somit noch nicht automatisch zur Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 43a Abs. 1 Z 2 NAG. Da es sich bei der in § 43a Abs. 1 Z 2 NAG getroffenen Regelung eben nicht um eine Unterhaltsregelung zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft handelt, hat man es mit einer Festlegung zu tun, die bestimmt, wann im Sinne des Gesetzes von einem Künstler die Rede ist, der eine Aufenthaltsbewilligung bzw. nunmehr Niederlassungsbewilligung erteilt bekommen kann. Der Gesetzgeber hat also aus der Gruppe der Personen, die sich künstlerisch betätigen (vom Privatier, der ohne Erwerbsabsicht künstlerisch tätig ist bis zu jenem, der ein hohes Einkommen aus seiner künstlerischen Tätigkeit erzielt), jene ausgewählt, die zumindest ihren Unterhalt mit der künstlerischen Tätigkeit abdecken können. Die Beschwerdeführerin kann jedoch mit ihrem Einkommen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit nicht ihre Lebenshaltungskosten finanzieren, was bei einem zu erwartenden Einkommen im kommenden Jahr zwischen 6.000 Euro und 7.000 Euro und monatlichen Mietkosten in der Höhe von ca. 700 Euro nicht möglich sein wird. In Ermangelung der Abdeckung des Unterhalts aus der künstlerischen Tätigkeit gemäß § 43a Abs. 1 Z 2 NAG ist diese eine besondere Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt wird.
Eine pauschale Berufung auf die Kunstfreiheit ist in Ansehung der gesetzlich geschaffenen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht zielführend, weil eine intentionale Beschränkung der Kunstfreiheit damit nicht erkennbar ist. Vielmehr stellt die Regelung des § 43a Abs. 1 Z 2 NAG im Sinne eines geordneten Fremdenwesens grundsätzlich darauf ab, dass kein anderer Aufenthaltszweck als der der Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit mit dem Aufenthalt verfolgt wird.
Es war der spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Haftungserklärung, Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, besondere Erteilungsvoraussetzungen, Unterhalt, KunstfreiheitAnmerkung
VfGH v. 11.6.2018, E 4360/2017European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.060.6446.2017Zuletzt aktualisiert am
19.06.2018