TE Bvwg Beschluss 2017/11/13 W104 2174053-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.11.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §6
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W104 2174053-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 5.1.2017, AZ II/4-DZ/16-5382553010, betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Sache zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Am 19.4.2016 stellte der Beschwerdeführer elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2016, wobei er die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr beantragte. Zum Zweck der Antragstellung spezifizierte er im Rahmen der graphischen Antragstellung im INVEKOS-GIS eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen.

2. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 24.8.2016 wurden Unregelmäßigkeiten bei der Flächenberechnung festgestellt. Das Kontrollorgan ging offensichtlich davon aus, dass 2 Ackerflächen nicht vom Beschwerdeführer bewirtschaftet werden und bezeichnete diese als "nicht vorgefunden".

3. Mit dem angefochtenen Bescheid gewährte die Behörde dem Beschwerdeführer Direktzahlungen in Höhe von EUR 1.443,83. Dabei wurde von 4,6044 ha zugewiesenen Zahlungsansprüchen und einer ermittelten beihilfefähigen Fläche von 4,4602 ha ausgegangen. Wegen Übererklärung erfolgte ein Abzug in Höhe von 4,85%, d.s. EUR 24,54, bei der Basisprämie. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass bei der Vor-Ort-Kontrolle am Heimbetrieb einige Flächen beanstandet worden seien und eine sanktionsrelevante Vor-Ort-Kontrolle-Abweichung von 0,1441 ha angegeben, woraus sich schlussendlich eine Kürzung um das 0,75fache der Differenzfläche ergebe.

4. Im Rahmen seiner online gestellten Beschwerde vom 1.2.2017 führte der Beschwerdeführer aus, mit 5.10.2007 sei mit dem Betrieb XXXX (neue Adresse) ein Arbeitsauftrag gemacht worden, der mit 1.1.2010 obsolet geworden sei. Es sei am 12.2.2010 ein Pachtvertrag zwischen

XXXX ihm errichtet worden, welcher ab 1.1.2010 wirksam geworden sei. Feldstück 7 Heinrichstreifen und Feldstück 12 Bauernwiese Acker bleibe an seinem Betrieb, dieses bestätige auch der mitgesendete Pachtvertrag, beide Feldstücknummern bzw. Grundstücknummern seien nicht am aktuellen Pachtvertrag aufgelistet.

Mit der Tatsache, dass die Flächen der kontrollierte Betrieb (1614371) bewirtschafte und dies mit einem ebenfalls mitgesendeten aktuellen SVB Auszug und dem aktuellen Pachtvertrag belegt werde, bitte er um Neubeurteilung.

5. Bei der Vorlage der Beschwerde erklärte die Behörde, im Zuge der Beschwerdebeurteilung sei das Kontrollergebnis erneut kontrolliert und eine Nachkontrolle veranlasst worden. Lt. Prüfer sei irrtümlich ein "alter" Pachtvertrag vorgelegt. Im "richtigen" Pachtvertrag für 2016 seien die Flächen nicht mehr als verpachtet gemeldet und der Landwirt zahle bei der SVB dafür. Seitens der AMA könnten diese also berücksichtigt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am Heimbetrieb des Beschwerdeführer wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt, weil das Kontrollorgan offensichtlich davon ausging, dass 2 Ackerflächen nicht vom Beschwerdeführer bewirtschaftet werden. Bei einer Nachkontrolle hat sich herausgestellt, dass diese sehr vom Beschwerdeführer bewirtschaftet werden.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurde von keiner Partei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013:

"Artikel 4

Begriffsbestimmungen und damit zusammenhängende Bestimmungen

(1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

[ ]

e) "landwirtschaftliche Fläche" jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird; [ ]"

"Artikel 21

Zahlungsansprüche

(1) Die Basisprämienregelung kann von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden, die

a) Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung durch Zuweisung gemäß Artikel 20 Absatz 4, durch Erstzuweisung nach Maßgabe der Artikel 24 oder Artikel 39, durch Zuweisung aus der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven gemäß Artikel 30 oder durch Übertragung gemäß Artikel 34 erhalten [ ].

(2) Die Gültigkeit der im Rahmen der Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhaltenen Zahlungsansprüche läuft am 31. Dezember 2014 ab.

[ ]."

"Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, [ ].

Artikel 33

Anmeldung der beihilfefähigen Hektarflächen

(1) Für die Zwecke der Aktivierung von Zahlungsansprüchen nach Artikel 32 Absatz 1 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen die angemeldeten Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung des Beihilfeantrags gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 liegen darf.

[ ]."

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

3.2. Rechtliche Würdigung:

Mit dem Antragsjahr 2015 wurde die Einheitliche Betriebsprämie von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, insb. der Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (= Ökologisierungszahlung bzw. "Greeningprämie"), abgelöst. Die Gewährung der Basisprämie erfolgt gemäß Art. 32 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 i.V.m. Art. 18 VO (EU) 640/2014 nach Maßgabe der ermittelten beihilfefähigen Fläche. Die Gewährung der Greeningprämie erfolgt gemäß Art. 43 Abs. 9 VO (EU) 1307/2013 im Ausmaß der mit beihilfefähiger Fläche aktivierten Zahlungsansprüche.

Im vorliegenden Fall wendet sich der Beschwerdeführer gegen sanktionsrelevante Abzüge. Offenbar wird der Großteil der beanstandeten Fläche jedoch vom Beschwerdeführer genutzt.

Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und des Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich der genutzten Fläche somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, 2. Teilband, Wien 2005, Manz Verlag, § 39 Rz 3ff).

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bezüglich der Voraussetzungen für eine Zurückverweisung liegt einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Schlagworte

Abzug, amtswegige Ermittlungspflicht, Behebung der Entscheidung,
beihilfefähige Fläche, Beihilfefähigkeit, Berechnung,
Bewirtschaftung, Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie,
Ermittlungspflicht, Flächenabweichung, INVEKOS, Kassation,
Kontrolle, Kürzung, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Mehrfachantrag-Flächen, Pacht,
Prämiengewährung, Unregelmäßigkeiten, Zahlungsansprüche,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W104.2174053.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten