TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/8 VGW-031/067/4566/2017

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Veröffentlicht am 08.11.2017
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Entscheidungsdatum

08.11.2017

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §9 Abs1
StVO 1960 §55 Abs4
StVO 1960 §99 Abs3 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Beschwerde des Herrn Mag. P. L., Wien, S.-gasse, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 14.02.2017, GZ VStV/916301426625/2016, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO,

zu Recht e r k a n n t:

1. Gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG eingestellt.

2. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

3. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 4 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig. Eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gemäß § 25a VwGG zulässig.

BEGRÜNDUNG

I.1. Die Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., erließ gegen den Beschwerdeführer datiert mit 14.02.2017 zur Geschäftszahl VStV/916301426625/2016 ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:

„1. Sie haben am 22.09.2016 um 07:47 Uhr in 1030 Wien, Rennweg 89B, Richtung stadteinwärts als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-... die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche (§ 55 Abs. 4 StVO 1960) befahren.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 9 Abs. 1 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von        falls diese uneinbringlich       [...]        Gemäß

                        ist, Ersatzfreiheitsstrafe

                        von

€ 100,00               1 Tage(n) 22 Stunde(n)             § 99 Abs. 3 lit. a StVO

                        0 Minute(n)

[…]

Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

[…]

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 110,00

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen angab, es gebe im näheren Umfeld der im Straferkenntnis angeführten Adresse keine Sperrflächen. § 55 Abs. 4 StVO definiere Sperrflächen als schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind. Am Tatort seien jedoch lediglich Sperrlinien im Sinne des § 55 Abs. 2 StVO vorhanden. Er könne daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen haben. Der Beschwerde beigelegt war ein Screenshot eines Satellitenbildes (Google) von der Tatörtlichkeit, auf welchem bei Rennweg 89B eine in sich geschlossene, eine Fläche bildende Linie ohne schräge, parallele Linien (Schraffen) ersichtlich ist.

3. Mit Schreiben vom 03.04.2017 ersuchte das Verwaltungsgericht Wien die belangte Behörde um Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen, dass an der Tatörtlichkeit keine Sperrfläche sei. Die belangte Behörde beschränkte sich in der ersuchten Stellungnahme auf die von der Behörde bei der Meldungslegerin eingeholte Sachverhaltsdarstellung. Darin führt die Meldungslegerin aus, es befände sich an der Tatörtlichkeit ein mittels durchgehender weißer Markierung abgegrenzter Bereich, welchen sie als Sperrfläche definiere und verwies dabei auf § 21 Abs. 2 Bodenmarkierungsverordnung. Zudem sei es der Meldungslegerin zufolge unerheblich, ob der Beschwerdeführer eine Sperrfläche oder Sperrlinie überfahren habe. Tatsache sei, dass er mit seinem Fahrzeug im Bereich des Gleiskörpers gefahren sei und dadurch eine Übertretung nach § 9 Abs. 1 StVO begangen habe.

4. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46 (nachfolgend: MA 46), übermittelte auf Ersuchen am 09.08.2017 dem Verwaltungsgericht Wien den Akt zur Verordnung von Sperrflächen und -linien für den Bereich 1030 Wien, Rennweg 89B. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 28 (nachfolgend: MA 28) übermittelte am 23.08.2017 dem Verwaltungsgericht Wien den Bodenmarkierungsplan, der zum (Tat-)Zeitpunkt für Rennweg 89B bestand.

II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Bescheidbeschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen, so hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden (§ 50 VwGVG).

2. Die im gegenständlichen Verfahren relevanten Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017, lauten auszugsweise:

„§ 9. Verhalten bei Bodenmarkierungen.

(1) Sperrlinien (§ 55 Abs. 2) dürfen nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs. 4) nicht befahren werden. Befinden sich eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so hat der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt.

(2) bis (8) […]“

„§ 34. Ausstattung der Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs.

(1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat, soweit dies erforderlich oder zweckmäßig ist, unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Verordnung die näheren Vorschriften über die Ausführung der Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (§ 31 Abs. 1) zu erlassen und insbesondere die Abmessungen (§ 48) und die Farben sowie die Beschaffenheit und Ausstattung der Straßenverkehrszeichen und Verkehrsleiteinrichtungen (§§ 55 ff.) zu bestimmen.

(2) bis (5) [...]“

„§ 55. Bodenmarkierungen auf der Straße.

(1) bis (3) [...]

(4) Sperrflächen sind als schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind, auszuführen. Parkverbote können mit einer Zickzacklinie kundgemacht werden.

(5) bis (8) [...]“

§ 99. Strafbestimmungen.

(1) bis (2e) [...]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a)

wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

b)

bis k) [...]

(4) bis (7) [...]“

3. § 21 der Verordnung über Bodenmarkierungen – Bodenmarkierungsverordnung, BGBl. Nr. 848/1995, zuletzt geändert durch Verordnung BGBl. II Nr. 370/2002, lautet:

„Sperrflächen

§ 21. (1) Sperrflächen sind in weißer Farbe auszuführen. Sie dürfen nur durch schräge, parallele Linien (Schraffen) gekennzeichnet werden und sind mit nicht unterbrochenen Linien zu begrenzen. Die Breiten der Schraffen und der Zwischenräume zwischen den Schraffen haben in der Regel entweder 25 cm und 50 cm oder 50 cm und 200 cm zu betragen. Die Breite der Umrandung hat auf Autobahnen und Autostraßen mit baulich getrennten Richtungsfahrbahnen mindestens 15 cm, im übrigen mindestens 10 cm zu betragen. Sofern die örtlichen Gegebenheiten oder die Verkehrsverhältnisse keine andere Regelung erfordern, sind die Schraffen bezogen auf eine gedachte, parallel zur Achse des angrenzenden Fahrstreifens verlaufende Linie aus der Sicht des ankommenden Verkehrs in einem Winkel von annähernd 45 Grad anzubringen.

(2) Sofern die Verkehrssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird und das Markierungsbild eindeutig als Sperrfläche erkennbar bleibt, können innerhalb der Sperrfläche auch Schraffen entfallen. Soweit eine Abgrenzung durch bauliche Einrichtungen wie etwa Gehsteigkanten, gegeben ist, kann auch die Umrandung der Sperrfläche durch eine nicht unterbrochene Linie entfallen.“

4. Nach § 38 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG (mit bestimmten Ausnahmen) sinngemäß anzuwenden. Die danach einschlägigen Bestimmungen des VStG lauten auszugsweise wie folgt:

§ 44a.

Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.

die als erwiesen angenommene Tat;

2.

die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.

die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.

den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.

im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

„§ 45.

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.

[...]

2.

der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.

bis 6. [...]

(2) [...]“

III.1. Aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen und nach Einsichtnahme in die unbedenkliche und unbestrittene Aktenlage hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Der Beschwerdeführer fuhr am 22.09.2016 mit seinem Motorrad mit dem Kennzeichen W-... um 07:47 Uhr stadteinwärts am Rennweg in 1030 Wien. Auf Höhe der Adresse Rennweg 89B befuhr er in der Fahrbahnmitte eine um einen Gleiskörper der Straßenbahn befindliche Fläche, die von einer weißen Bodenmarkierungslinie umrandet war. Innerhalb der Fläche waren zum Tatzeitpunkt keine schrägen, parallelen Linien (Schraffen) angebracht. Im Bereich Rennweg 89B befanden sich in Längsrichtung der Fahrbahn nacheinander mehrere solcher Flächen unterschiedlicher Länge. Die kürzeste der dort befindlichen Flächen ist etwa 24 Meter, die längste etwa 38,5 Meter lang.

2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Würdigung des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafaktes, auf die Beschwerde vom 13.03.2017, auf den von der MA 46 vorgelegten Verordnungsakt betreffend die Örtlichkeit 1030 Wien, Rennweg 89B und auf den Bodenmarkierungsplan der MA 28.

Der Beschwerdeführer bestritt in seiner Beschwerde nicht, zum angeführten Zeitpunkt an der angeführten Örtlichkeit gefahren zu sein und die im Straferkenntnis der belangten Behörde als Sperrfläche bezeichnete Fläche befahren zu haben. Vorgebracht wurde vom Beschwerdeführer lediglich, dass es sich dabei um keine Sperrfläche im Sinne der StVO gehandelt habe. Die Feststellungen zur Ausführung der Bodenmarkierungen ergeben sich aus dem von der MA 28 vorgelegten Bodenmarkierungsplan sowie dem der Beschwerde beigelegten Screenshot des Google Maps-Satellitenbildes der verfahrensrelevanten Örtlichkeit.

IV.1.1.1. Gemäß § 9 Abs. 1 StVO dürfen Sperrflächen nicht befahren werden. Ein dagegen verstoßendes Verhalten bildet gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Verwaltungsübertretung und ist mit bis zu EUR 726,-- zu bestrafen.

Gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ist von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

1.1.2. Der Beschwerdeführer brachte vor, bei der von ihm befahrenen Fläche handle es sich um keine Sperrfläche im Sinne des § 55 Abs. 4 StVO. Sperrflächen seien nämlich als schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind, anzubringen. An der angelasteten Örtlichkeit seien jedoch lediglich Sperrlinien im Sinne des § 55 Abs. 2 StVO vorhanden.

Dem Vorbringen, die an der angeführten Örtlichkeit angebrachten Bodenmarkierungen seien Sperrlinien, ist entgegenzuhalten, dass gemäß § 55 Abs. 2 StVO Sperrlinien Längs- oder Quermarkierungen sind, die ein Verbot oder Gebot bedeuten. Die verfahrensgegenständliche Bodenmarkierung ist jedoch keine Längs- oder Quermarkierung, sondern eine in sich geschlossene, eine Fläche bildende Linie. Nach der dem Verordnungsakt des Magistrates der Stadt Wien einliegenden Planskizze sind im verfahrensrelevanten Bereich mehrere Sperrflächen mit Schraffen festgelegt. Tatsächlich sind dort jedoch keine Sperrflächen mit Schraffen angebracht, sondern lediglich die Flächen begrenzende Linien. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die eine Sperrfläche begrenzende Linie nicht als Sperrlinie im Sinne des § 55 Abs. 2 StVO qualifiziert werden (VwGH 25.11.1988, Zl 88/18/0212).

1.1.3. Fraglich ist, ob es sich bei den gegenständlichen Bodenmarkierungen um Sperrflächen im Sinne des § 55 Abs. 4 StVO iVm § 21 Bodenmarkierungsverordnung handelt.

1.1.3.1. Gegen die Zulässigkeit des Entfalls sämtlicher Schraffen spricht bereits der gesetzliche Wortlaut des § 55 Abs. 4 StVO: Danach sind Sperrflächen als schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind, auszuführen.

1.1.3.2. Aufgrund § 34 Abs. 1 StVO wurde zur Bestimmung der näheren Vorschriften über die Farben sowie die Beschaffenheit und Ausstattung der Straßenverkehrszeichen und Verkehrsleiteinrichtungen im Sinne des § 55 StVO durch den Verkehrsminister die Bodenmarkierungsverordnung erlassen.

1.1.3.2.1. Dazu ist zunächst anzumerken, dass im Bereich Rennweg 89B eine Sperrfläche durch Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 29.07.1993, MA 46 – V3-1401/93, sohin vor Inkrafttreten der Bodenmarkierungsverordnung, BGBl. Nr. 848/1995, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 370/2002, verordnet wurde. § 28 Abs. 1 Bodenmarkierungsverordnung sieht vor, dass bestehende Bodenmarkierungen, deren Ausführung zwar nicht den Bestimmungen dieser Verordnung, hingegen den Bestimmungen der Bodenmarkierungsverordnung in der bis dahin geltenden Fassung entspricht, erst bei ihrer Erneuerung, spätestens jedoch bis 31.12.2003, den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend auszuführen sind. Die gegenständlich angelastete Tathandlung ereignete sich am 22.09.2016 und somit nach dem 31.12.2003, weshalb jedenfalls die Vorschriften der Bodenmarkierungsverordnung idgF maßgeblich sind.

1.1.3.2.2. Gemäß § 21 Abs. 1 Bodenmarkierungsverordnung dürfen Sperrflächen nur durch schräge, parallele Linien (Schraffen) gekennzeichnet werden und sind mit nicht unterbrochenen Linien zu begrenzen. Abs. 2 leg. cit. sieht vor, dass innerhalb der Sperrfläche auch Schraffen entfallen können, sofern die Verkehrssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird und das Markierungsbild eindeutig als Sperrfläche erkennbar bleibt. Zweck dieser Bestimmung ist die Verringerung des Markierungsaufwandes insbesondere bei größeren Sperrflächen unter Beibehaltung der eindeutigen Erkennbarkeit als Sperrfläche [vgl. auch Die neue Bodenmarkierungsverordnung (BGBl 1995/848), ÖAMTC-FI 1996/69]. Weder trifft § 21 Abs. 2 Bodenmarkierungsverordnung eine eindeutige Aussage darüber, ob innerhalb einer Sperrfläche nur einzelne Schraffen entfallen dürfen oder ob auch der gänzliche Entfall der Schraffen in Frage kommt, noch ist dazu eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich.

Die Formulierung „können innerhalb der Sperrfläche auch Schraffen entfallen“ zeigt nicht auf, dass der Entfall sämtlicher Schraffen innerhalb einer Sperrfläche zulässig ist. Wäre dies intendiert gewesen, dann hätte sich der verordnungserlassende Verkehrsminister der Formulierung „können innerhalb der Sperrfläche auch sämtliche Schraffen entfallen“ bedienen können. Eine solche im Verordnungsweg ergangene Festlegung wäre jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien mit Blick auf Art. 18 Abs. 2 B-VG auch nicht in Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 4 StVO zu bringen (vgl. etwa Mayer/Muzak, B-VG5 (2015) Art. 18 B-VG).

1.1.3.2.3. Zudem normiert § 21 Abs. 2 Bodenmarkierungsverordnung als grundsätzliche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Entfalls von Schraffen, dass die Verkehrssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt werden darf und das Markierungsbild eindeutig als Sperrfläche erkennbar bleiben muss. Im Hinblick auf die eindeutige Erkennbarkeit der Sperrfläche ist auszuführen, dass diese nur dann gegeben sein kann, wenn zumindest ein Mindestmaß an Schraffen sichtbar ist. Hauptmerkmal einer Sperrfläche ist nämlich – wie bereits angesprochen – gerade das Vorliegen solcher Schraffen innerhalb der Begrenzung (vgl. § 55 Abs. 4 StVO)!

Würde man davon ausgehen, dass das Markierungsbild selbst dann eindeutig als Sperrfläche erkennbar ist, wenn die Sperrfläche überhaupt keine Schraffen aufweist, würde dem Kriterium der eindeutigen Erkennbarkeit des Markierungsbildes jeglicher Anwendungsbereich genommen werden. Es erscheint nämlich nicht vertretbar argumentierbar, das Kriterium der eindeutigen Erkennbarkeit für die Zulässigkeit des Weglassens von Schraffen zu statuieren, wenn selbst das gänzliche Weglassen von Schraffen die Fläche noch „eindeutig“ als Sperrfläche erkennen ließe. Es kann dem verordnungserlassenden Verkehrsminister nicht unterstellt werden, eine Rechtsvorschrift zu erlassen, die keinen Anwendungsbereich haben kann. Umso weniger kann bei großen schraffenlosen Sperrflächen, wie den verfahrensgegenständlichen etwa 24 bis 38,5 Meter langen Flächen, davon gesprochen werden, dass das Markierungsbild eindeutig erkennbar ist.

1.1.3.3. Im Ergebnis gelangt das Verwaltungsgericht Wien daher zur Ansicht, dass eine Sperrfläche nur dann eindeutig als solche erkennbar sein kann, wenn Schraffen zumindest in einem solchen Ausmaß vorhanden sind, dass die Sperrfläche einem Fahrzeuglenker im fließenden Verkehr zweifelsfrei erkennbar ist. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn aus der Sicht des ankommenden Verkehrs zumindest am Beginn und am Ende jeder Sperrfläche mehrere Schraffen angebracht sind.

1.1.4. Die vom Beschwerdeführer befahrene Fläche auf der Fahrbahn war daher mangels Vorliegens einer den einschlägigen Bestimmungen entsprechenden Ausführung keine Sperrfläche im Sinne der Straßenverkehrsordnung und Bodenmarkierungsverordnung.

Damit war aber auch nicht das dem Beschwerdeführer angelastete objektive Tatbild erfüllt und hat der Beschwerdeführer somit die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. Das angefochtene Straferkenntnis war aufzuheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

1.2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt und konnte von dieser gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG abgesehen werden.

1.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch genannte Gesetzesstelle.

2. Weil in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu EUR 726,-- und keine (primäre) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und tatsächlich das Verfahren einzustellen war, ist eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG) nicht zulässig. Der Amtspartei steht die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, weil eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob Schraffen bei einer Sperrfläche zur Gänze entfallen dürfen, fehlt.

Schlagworte

Keine Sperrfläche im Sinne der Straßenverkehrsordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.031.067.4566.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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