TE Vfgh Beschluss 2017/9/21 G206/2017

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Veröffentlicht am 21.09.2017
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Index

22/03 Außerstreitverfahren

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
AußStrG §127

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des AußStrG über den Rekurs im Bestellungsverfahren betr einen Verfahrenssachwalter; kein zulässiges Rechtsmittel erhoben

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Sachverhalt, Antrag und Antragsvorbringen

1.       Mit Beschluss vom 26. Juli 2017, 8 P 68/15y-42, wies das Bezirksgericht Döbling den Antrag der Einschreiterin (im verfassungsgerichtlichen Verfahren), welche die Tochter des von der Sachwalterbestellung Betroffenen ist, auf Umbestellung des Sachwalters zurück. Unter einem sprach das Bezirksgericht Döbling mit näherer Begründung aus, dass der Anregung der Einschreiterin auf Umbestellung des Sachwalters nicht näher getreten werde. Das Bezirksgericht Döbling begründete die Zurückweisung des Antrags der Einschreiterin damit, dass die Einschreiterin im Verfahren über die Umbestellung eines Sachwalters keine Parteistellung habe.

2.       Aus Anlass des gegen diesen Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling erhobenen Rekurses stellt die Einschreiterin den auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag, die Wortfolge "deren Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert ist (§284e Abs2 ABGB)" in §127 AußStrG idF BGBl I 92/2008, in eventu §127 AußStrG idF BGBl I 92/2006 zur Gänze wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben.

II.      Rechtslage

1.       §§46, 119 und 127 AußStrG idF BGBl I 92/2006 lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Rekursfrist

§46. (1) Die Frist für den Rekurs beträgt vierzehn Tage. Sie beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des selbständig anfechtbaren Beschlusses.

(2) Eine nicht aktenkundige Partei, der der Beschluss nicht zugestellt worden ist, kann einen Rekurs bis zu jenem Zeitpunkt erheben, bis zu dem eine aktenkundige Partei einen Rekurs erheben oder eine Rekursbeantwortung erstatten kann.

[…]

Verfahrenssachwalter

§119. Ist das Verfahren auf Grund der Ergebnisse der Erstanhörung fortzusetzen, so hat das Gericht für einen Rechtsbeistand der betroffenen Person im Verfahren zu sorgen. Hat die betroffene Person keinen gesetzlichen oder selbstgewählten Vertreter oder widerstreiten einander dessen Interessen und diejenigen der betroffenen Person, so hat ihr das Gericht einen Sachwalter für das Verfahren (Verfahrenssachwalter) zu bestellen; dadurch wird die betroffene Person in ihren Rechtshandlungen an sich nicht beschränkt. Der Verfahrenssachwalter ist zu entheben, sobald die betroffene Person einen geeigneten Vertreter gewählt hat. Stimmen Anträge, die die betroffene Person, ihr gesetzlicher Vertreter und der Verfahrenssachwalter gestellt haben, nicht überein, so sind bei der Entscheidung alle Anträge inhaltlich zu berücksichtigen.

[…]

Rekurs im Bestellungsverfahren

§127. Der Rekurs steht der betroffenen Person, ihrem Vertreter, dem Verfahrenssachwalter, der Person, die zum Sachwalter bestellt werden soll, und den nächsten Angehörigen zu, deren Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert ist (§284e Abs2 ABGB). §119 letzter Satz gilt entsprechend. §46 Abs3 ist nicht anzuwenden."

2.       §284e ABGB idF BGBl I 92/2006 lautet:

"§284e. (1) Bei Wahrnehmung seiner Vertretungsbefugnisse hat der nächste Angehörige das Wohl der vertretenen Person bestmöglich zu fördern und danach zu trachten, dass sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann.

(2) Der nächste Angehörige hat seine Vertretungsbefugnis vor der Vornahme einer Vertretungshandlung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registrieren zu lassen. Ein Dritter darf auf die Vertretungsbefugnis eines nächsten Angehörigen vertrauen, wenn ihm dieser bei Vornahme einer Vertretungshandlung nach §284b eine Bestätigung über die Registrierung der Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis vorlegt. Dies gilt für Geldbezüge von einem Konto der vertretenen Person, soweit sie den erhöhten allgemeinen Grundbetrag des Existenzminimums (§291a Abs2 Z1 EO) monatlich nicht überschreiten. Das Vertrauen des Dritten ist nicht geschützt, wenn ihm die mangelnde Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen bekannt oder fahrlässig unbekannt ist."

III.    Zulässigkeit

1.       Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels, wobei es sich hiebei um ein zulässiges Rechtsmittel handeln muss (vgl. VfGH 15.3.2017, G219-220/2016).

2.       Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil §127 AußStrG idF BGBl I 92/2016 den Kreis der rekursberechtigten Personen einschränkt und die Einschreiterin im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht zu diesem Personenkreis gehört. Der Rekurs der Einschreiterin gegen den zitierten Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 26. Juli 2017 ist sohin unzulässig, weswegen sich der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG als unzulässig erweist.

3.       Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aus Anlass dieses Antrages nicht veranlasst, ein amtswegiges Verfahren zur Prüfung des §127 AußStrG idF BGBl I 92/2006 einzuleiten. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gibt es grundsätzlich keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, einen Instanzenzug gegen eine Entscheidung eines Gerichtes vorzusehen (vgl. VfGH 15.3.2017, G219-220/2016). Darüber hinaus liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den Rekurs gegen eine gerichtliche Sachwalterbestellung nur jenen nächsten Angehörigen einzuräumen, die gemäß §284e Abs2 ABGB im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen sind (vgl. VfGH 15.3.2017, G219-220/2016 mwN).

4.       Der Antrag ist somit gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, Zivilprozess, Rechtsmittel, Sachwalterbestellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G206.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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