TE Vfgh Erkenntnis 2017/9/21 E905/2017

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Veröffentlicht am 21.09.2017
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §55, §57
FremdenpolizeiG §46, §52, §55

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland infolge Unterlassens eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und Begründung der Entscheidung unter Zugrundelegung veralteter Länderberichte; Ablehnung der Beschwerdebehandlung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Asylstatus

Spruch

I.    Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.       Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Weißrusslands, christlich-orthodox und der weißrussischen Volksgruppe zugehörig. Nach irregulärer Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte sie am 4. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei ihrer Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin an, den Entschluss zur Ausreise zweieinhalb Monate zuvor gefasst zu haben. Ihr Mann sei davor nach Österreich geflohen, weil ihn Kriminelle in der Heimat auf Grund seiner Zusammenarbeit mit der Polizei bedroht hätten. In der Folge hätten mehrmals Männer die Beschwerdeführerin zu Hause aufgesucht und nach ihrem Ehegatten gefragt, wobei die Männer die Beschwerdeführerin dabei stets geschlagen hätten. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie um ihr Leben und ihre Gesundheit. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Mann in den Jahren 2013 und 2014 mehrmals per Visum in Schweden gewesen, wo ihr Mann einen Asylantrag gestellt habe.

2.       Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab die Beschwerdeführerin an, schon lange keinen Kontakt mehr mit ihrem Mann, der sie in der Flüchtlingsunterkunft geschlagen habe, gehabt zu haben. Die Probleme ihres Ehegatten, der als Spitzel tätig gewesen sei, hätten in Schweden Ende 2013 bzw. Anfang 2014 begonnen, als ihn "diese Männer" mit fünf Messerstichen verletzt hätten, sodass er im Spital behandelt werden habe müssen. Nach der Rückkehr nach Weißrussland hätten sich die Probleme dorthin verlagert, wobei die Probleme der Beschwerdeführerin ausschließlich auf ihrem Ehemann beruht hätten. Die Drohungen gegen ihre Person hätten begonnen, nachdem ihr Ehemann Weißrussland verlassen habe. Zu ihr nach Hause seien die Männer nicht gekommen, doch hätten sie die Beschwerdeführerin mit einem Sack über dem Kopf entführt, geschlagen und ihr erhebliche Verletzungen zugefügt. Da sie nicht wisse, ob Verbrecher oder die Behörden hinter dem Überfall stünden, habe sie den Überfall weder der Polizei gemeldet noch sei sie wegen ihrer Blessuren ins Spital gegangen. Dies sei der einzige Vorfall gewesen, allerdings hätten sich dieselben Personen im Anschluss daran immer wieder telefonisch bei der Beschwerdeführerin gemeldet. Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, dass zwar ihre Familie ohne Komplikationen in Weißrussland leben könne, ihr jedoch eine Heimkehr nicht möglich sei, weil sie die sie bedrohenden Männer dann neuerlich unter Druck setzen würden, um ihren Mann zur Rückkehr zu bewegen.

3.       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 15. Februar 2016 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland ab. Einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§57 und 55 AsylG erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung nach §52 Abs2 Z2 FPG 2005. Unter einem stellte es gemäß §52 Abs9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Weißrussland gemäß §46 FPG 2005 fest. Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach §18 Abs1 Z5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe weder eine Verfolgung ihrer Person im Herkunftsstaat noch eine sie dort betreffende existenzbedrohende Notlage glaubhaft machen können. Insbesondere sei nicht feststellbar gewesen, dass ihr im Falle einer Rückkehr eine Gefährdung durch die Polizei bzw. andere staatliche Organe und Behörden oder durch Privatpersonen in Zusammenhang mit den Problemen ihres Ehegatten drohte. Vielmehr scheine es sich bei der Fluchtgeschichte der Beschwerdeführerin – auch auf Grund von Widersprüchen im Vorbringen – um ein ausgedachtes Konstrukt zu handeln.

4.       In der gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhobenen Beschwerde beanstandete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Nichteinholung bzw. nicht korrekte Würdigung von Länderberichten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht behob zunächst mit Beschluss vom 9. März 2016 den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und stellte fest, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme. Im Übrigen wies es die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. Februar 2017 – ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen – als unbegründet ab und schloss sich darin im Wesentlichen den Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an. Die von der Beschwerdeführerin als Gründe ihrer Ausreise angegebenen Vorkommnisse stellten weder glaubhafte noch asylrelevante Verfolgungshandlungen dar, ihre Angaben hätten sich überaus vage gestaltet, konkrete Aussagen sei sie in wesentlichen Punkten schuldig geblieben. Auffällig sei, dass die Beschwerdeführerin die näheren Umstände der sie betreffenden Verfolgungssituation anlässlich ihrer Erstbefragung abweichend von ihren späteren Angaben dargestellt habe. So falle beispielsweise auf, dass die Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung Anfang April 2015 angegeben habe, ihren Entschluss zur Ausreise etwa zweieinhalb Monate zuvor gefasst zu haben, in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedoch – damit unvereinbar – erklärt habe, dass sich die fluchtauslösende Entführung erst Anfang März 2015 ereignet hätte. Selbst wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Heimatstadt Probleme wegen ihres Mannes befürchtete, wäre es ihr vor dem Hintergrund ihres bestehenden sozialen Netzes jedenfalls möglich, sich an einem anderen Ort in Weißrussland niederzulassen, zumal sie eine gesunde, gebildete und berufserfahrene junge Frau sei. Angesichts der allgemeinen Situation in ihrer Herkunftsregion sei der Beschwerdeführerin eine gefahrlose Rückkehr zumutbar. Die Quellen zum Herkunftsstaat ergäben keine allgemeine Gefährdung von Rückkehrern.

6.       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Beschwerdeführerin die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, auf Leben gemäß Art2 EMRK, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung (Folter) unterworfen zu werden gemäß Art3 EMRK, auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK bzw. Art47 Abs2 GRC sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Auf das Wesentliche zusammengefasst beanstandet sie darin, dass das Bundesverwaltungsgericht keine eigenen Ermittlungen durchgeführt sowie keine selbständigen Feststellungen getroffen und sich mit den Länderberichten nur in unzureichender Weise auseinandergesetzt habe.

7.       Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.      Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise richtet, begründet:

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

1.1.    Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

1.2.    Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall unterlaufen:

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die im Asylverfahren herangezogenen Länderberichte hinreichend aktuell sein müssen; dies betrifft insbesondere Staaten mit sich rasch ändernder Sicherheitslage (vgl. etwa VfSlg 19.466/2011, 19.642/2012; VfGH 11.6.2012, U2344/11; 21.9.2012, U1032/12; 26.6.2013, U2557/2012; 11.12.2013, U1159/2012; 5.3.2014, U36/2013; 11.3.2015, E1542/2014 ua.; 22.9.2016, E1641/2016 ua.).

2.2.    Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin Länderberichte aus dem Jahr 2012 und älteren Datums zugrunde gelegt. In der vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung vom 9. Februar 2017 schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Länderfeststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Lage in Weißrussland unter Heranziehung der im Bescheid wiedergegebenen Länderberichte an, ohne selbst aktuelleres Quellenmaterial einfließen zu lassen. Die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend den Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin fußen somit auf im Zeitpunkt seiner Entscheidung viereinhalb Jahre alten und noch weiter zurückliegenden Länderberichten.

Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes keine maßgeblichen Änderungen der Ländersituation in Weißrussland bekannt geworden seien, werden vom Bundesverwaltungsgericht weder belegt noch näher begründet, sodass sich diese Auffassung als nicht nachvollziehbar erweist.

2.3.    Aus den genannten Gründen ist dem Verfassungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses betreffend die Entscheidung über die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland und die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht möglich.

Das Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in einem wesentlichen Punkt führt dazu, dass die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt ist.

3. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 (vgl. auch §52 Abs2 FPG) ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§8 Abs3a oder 9 Abs2 AsylG 2005 vorliegt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Gemäß §52 Abs9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß §46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Gemäß §55 Abs1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten liegen die genannten Voraussetzungen nicht länger vor. Da die Aufhebung des entsprechenden Spruchpunktes auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung zurückwirkt, entbehren auch die Erlassung der Rückkehrentscheidung, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise ihrer Rechtsgrundlage. Diese Spruchpunkte sind daher auch aufzuheben (vgl. VfSlg 19.898/2014; VfGH 19.11.2015, E707/2015; 22.9.2016, E1641/2016 ua.).

B. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit damit die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

1.2. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

III.    Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 und 4 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Rückkehrentscheidung, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E905.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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