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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags mangels Präjudizialität der (ausdrücklich) angefochtenen (Stamm-)Fassung der angefochtenen Regelung im Verfahren vor dem ordentlichen GerichtSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge "§18 des Anerbengesetzes kundgemacht in BGBl Nr 106/1958 vom 7.09.1958 […], In eventu das Wort '…erzielbarer…' in §18 Abs1 AnerbenG als verfassungswidrig aufheben."
II. Rechtslage
1. §18 des Bundesgesetzes vom 21. Mai 1958 über besondere Vorschriften für die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz), BGBl 106/1958 idF BGBl I 87/2015 lautet:
"Nachtragserbteilung
§18. (1) Überträgt der Anerbe binnen zehn Jahren nach dem Tod des Verstorbenen oder, falls er minderjährig ist, nach dem Eintritt der Volljährigkeit das Eigentum am ganzen Erbhof oder an dessen Teilen durch ein oder mehrere Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf einen anderen, so hat er jenen Betrag herauszugeben, um den der bei einem Verkauf des Erbhofs oder seiner Teile erzielbare Erlös den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises (§11) übersteigt. Dieser Mehrbetrag ist auf Antrag als nachträglich hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen zu behandeln, über das eine Nachtragserbteilung einzuleiten ist. Ein Mehrbetrag liegt erst vor, wenn und soweit sich nach Hinzurechnung des Wertes allfälliger vom Anerben bewirkter Verbesserungen zum Übernahmspreis etwas erübrigt. Der Ersatz für Teile des Hofes ist auf Grund des Verhältnisses ihres Übernahmspreises zum Übernahmspreis des ganzen Hofes zu berechnen.
(2) Abs1 gilt sinngemäß für die Veräußerung im Fall der Zwangsversteigerung. Hiebei ist ein den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises übersteigender Teil des Meistbots auf Antrag insoweit der Nachtragserbteilung zu unterziehen, als er dem Verpflichteten aus der Verteilungsmasse zugewiesen wird. Für die Frist von zehn Jahren ist der Zeitpunkt des Zuschlags maßgebend.
(3) Eine Nachtragserbteilung unterbleibt insoweit, als der Anerbe
1. den Mehrbetrag (Teil des Restes der Verteilungsmasse) innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt für den Erwerb des Eigentums an gleichwertigen Grundstücken oder zur Erhaltung oder Steigerung der Leistungsfähigkeit des Erbhofs verwendet oder
2. durch Tausch das Eigentum an gleichwertigen Grundstücken erwirbt; hiebei ist eine zur Übertragung des Eigentums tretende Mehrleistung des Anerben bei einer späteren Nachtragserbteilung als vom Anerben bewirkte Verbesserung (Abs1) anzusehen.
(4) Eine Nachtragserbteilung können nur die übrigen Miterben, die Pflichtteilsberechtigten sowie die gesetzlichen Erben dieser Miterben und Pflichtteilsberechtigten beantragen. Dieses Recht erlischt drei Jahre nach der Einverleibung des Eigentumsrechts des Erwerbers.
(5) Die Abs1 bis 4 gelten nicht für den Erwerb des Eigentums am Erbhof oder an dessen Teilen durch den Ehegatten, einen Elternteil oder ein Kind des Anerben, wohl aber für die Übertragung des von diesen erworbenen Eigentums auf einen anderen."
2. §18 des Bundesgesetzes vom 21. Mai 1958 über besondere Vorschriften für die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz) idF BGBl 106/1958 hatte folgenden Wortlaut:
"Nachtragserbteilung.
§18. (1) Verkauft der Anerbe binnen sechs Jahren nach der Rechtskraft der Einantwortung auf einmal oder stückweise den ganzen Erbhof oder dessen wesentliche Teile, so ist ein den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises (§11) übersteigender Mehrerlös auf Antrag als nachträglich hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen zu behandeln und hierüber eine Nachtragserbteilung einzuleiten. Ein Mehrerlös liegt erst vor, wenn und soweit sich nach Hinzurechnung des Wertes allfälliger vom Anerben bewirkter Aufwendungen zum Übernahmspreis etwas erübrigt.
(2) Die Bestimmungen des Abs1 gelten sinngemäß für die Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung. Hiebei ist ein den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises übersteigender Teil des Meistbots auf Antrag insoweit der Nachtragserbteilung zu unterziehen, als er dem Verpflichteten aus der Verteilungsmasse zugewiesen wird. Für die Frist von sechs Jahren ist der Zeitpunkt des Zuschlags maßgebend.
(3) Eine Nachtragserbteilung unterbleibt, soweit der Anerbe den Mehrerlös (Teil des Restes der Verteilungsmasse) binnen vier Monaten vom Abschluß des Verkaufes (von der Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses) zum Erwerb eines anderen landwirtschaftlichen Betriebes verwendet hat.
(4) Zum Antrag auf Durchführung der Nachtragserbteilung sind nur die übrigen Miterben des Anerben und die Noterben sowie die gesetzlichen Erben dieser Miterben und Noterben berechtigt. Dieses Recht erlischt sechs Monate nach der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts des Käufers (Erstehers), frühestens aber sechs Monate nach Ablauf der dem Anerben zur Verwendung des Mehrerlöses (Teiles des Restes der Verteilungsmasse) offenstehenden Frist (Abs3).
(5) Die vorstehenden Bestimmungen gelten nicht für den Erwerb des Miteigentums am Erbhof durch den Ehegatten des Anerben, wohl aber für die Weiterveräußerung dessen Miteigentumsanteils an eine dritte Person, wenn der Erlös den inneren Wert des anteiligen seinerzeitigen Übernahmspreises übersteigt.
(6) Im Falle der vorläufigen Aufschiebung der Erbteilung nach §16 Abs1 zählt die sechsjährige Frist des Abs1 von der Rechtskraft der Erbteilung an."
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Die Antragstellerin ist Anerbin eines Erbhofes iSd §1 AnerbenG, den sie innerhalb der Zehnjahresfrist des §18 Abs1 AnerbenG – daher innerhalb von zehn Jahren nach dem Tod des Verstorbenen – an Dritte verkauft hat. Die Liegenschaft wurde für einen Kaufpreis von € 1.080.000,00 verkauft.
1.2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 2. August 2017, Z 1 A3/15a-49, wurde die Antragstellerin dazu verpflichtet, im Zuge der Nachtragserbteilung jeweils € 124.031,38 an die vier gesetzlichen Erben zu zahlen. Das Gericht zog zur Berechnung der Nachtragserbteilung den Verkehrswert des Erbhofes – basierend auf einem der beiden im Verfahren vorgelegten Privatgutachten – in Höhe von € 1.589.045,00 heran.
2. Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin am 25. August 2017 Rekurs an das Landesgericht Wels. Gleichzeitig stellte die Antragstellerin den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten (Partei-)Antrag auf Aufhebung von §18 AnerbenG.
2.1. Zur Zulässigkeit des Antrags wird darin ausgeführt, dass die Antragstellerin im Verfahren vor dem Bezirksgericht unmittelbar von §18 Abs1 AnerbenG betroffen sei. Sie habe innerhalb von zehn Jahren nach dem Tod des Verstorbenen den Erbhof veräußert und sei nun in erster Instanz zur (Nach-)Zahlung an die gesetzlichen Erben verpflichtet worden. Gegen diesen Beschluss habe sie Rekurs erhoben. Die Antragstellerin sei daher Partei eines Verfahrens vor einem ordentlichen Gericht erster Instanz und dabei durch eine entschiedene Rechtssache wegen Anwendung des §18 Abs1 AnerbenG in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden. Als Bundesgesetz bilde §18 AnerbenG, kundgemacht in BGBl 106/1958, auch einen tauglichen Prüfungsgegenstand. Die Verfassungswidrigkeit des Art18 Abs1 AnerbenG in seiner derzeitigen Fassung, im Speziellen im Zusammenhang mit der Zehnjahresfrist und dem erzielbaren Erlös, hätte zur Folge, dass bei der Nachtragserbteilung in zweiter Instanz der tatsächliche Verkaufserlös herangezogen werden müsse, anstatt des nachträglich ermittelten Verkehrswertes.
2.2. Begründet wird der Antrag mit Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG, das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und das Bestimmtheitsgebot für Gesetze gemäß Art18 B-VG.
2.2.1. Die Bestimmung sei aus mehreren Gründen gleichheitswidrig: Das belastende Veräußern mit der Dauer von zehn Jahren widerspreche dem Differenzierungsgebot. Die Regelung nehme keine Rücksicht darauf, dass eine Veräußerung auch aus anderen als finanziellen Gründen motiviert sein könne. Sofern das Behalten des Erbhofes auf Grund des Verhaltens der übrigen Erben, aus Krankheit oder Alter nicht mehr zumutbar sei, dürfe das Gesetz nicht auf die Einhaltung der generellen Frist beharren. Vielmehr müsse es möglich sein, nach den Umständen der Veräußerung zu differenzieren. Die generell geltende Zehnjahresfrist stelle daher eine unsachliche Gleichbehandlung aller auch noch so unterschiedlich gelagerter Fälle der vorzeitigen Veräußerung dar. Darüber hinaus sei die vom Gesetzgeber festgelegte Frist auch willkürlich bestimmt und daher unsachlich. Gleichheitswidrig sei auch die Bestimmung, wonach als Grundlage für die Nachtragserbteilung der "erzielbare Erlös" heranzuziehen sei. Dieser Begriff widerspreche nicht nur dem Legalitätsprinzip, sondern weiche zudem in unsachlicher Weise von der Bestimmung des Abs2 ab, demzufolge im Fall der Zwangsversteigerung das Meistbot – und damit der tatsächliche Verkaufspreis – die Grundlage dieser Berechnung darstelle.
2.2.2. Die Bestimmung des §18 AnerbenG sei unsachlich und verstoße daher auch gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums. Die Verletzung des Grundrechts liege nach Ansicht der Antragstellerin in der Beschränkung des Eigentumsrechts der Anerben am Erbhof, da durch die Zehnjahresfrist eine Veräußerung der betroffenen Liegenschaft und dadurch die Verfügungsgewalt über das Eigentum durch die angeordnete Nachtragserbteilung erschwert werde.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
3. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl. VfSlg 20.010/2015).
4. Vor diesem Hintergrund erweist sich der vorliegende Antrag als unzulässig:
4.1. Die Antragstellerin begehrt wörtlich, "der Verfassungsgerichtshof […] möge §18 des Anerbengesetzes kundgemacht in BGBl Nr 106/1958 vom 7.09.1958", "In eventu das Wort '…erzielbarer…' in §18 Abs1 AnerbenG als verfassungswidrig aufheben."
4.2. Die Antragstellerin begehrt daher ausdrücklich (nur) die Aufhebung von §18 AnerbenG idF BGBl 106/1958. Diese Fassung – es handelt sich dabei um die Stammfassung der angefochtenen Regelung – stellt jedoch nicht die im Verfahren vor dem Bezirksgericht angewendete Fassung dar. Das Erstgericht wendete die derzeit geltende Fassung BGBl I 87/2015, in Kraft getreten am 1. Jänner 2017, an. Die (ausdrücklich) angefochtene Fassung BGBl 106/1958 ist daher nicht präjudiziell.
4.3. Daran vermag auch der Umstand, dass die Antragstellerin mit der sinngemäßen Wiedergabe der aktuellen Fassung des §18 AnerbenG auf diese Bezug nimmt, nichts zu ändern.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Parteiantrag, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:G217.2017Zuletzt aktualisiert am
23.11.2017