TE Vwgh Beschluss 2017/10/18 Ra 2017/19/0226

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Veröffentlicht am 18.10.2017
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Index

E1P;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
AVG §68 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
MRK Art3;
MRK Art6;
MRK Art8;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache der M H in V, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2017, L523 2016337-2/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine armenische Staatsangehörige, stellte in Österreich am 23. November 2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt gab diesem Antrag keine Folge und wies die Revisionswerberin nach Armenien aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 6. Februar 2014, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Im Übrigen verwies es gemäß § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) "das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung" an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück. Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0008, zurückgewiesen.

2 Mit Bescheid vom 26. November 2014 sprach das BFA aus, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§§ 55 und 57 AsylG 2005) nicht erteilt werde. Unter einem wurde gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 8. Jänner 2015 als unbegründet ab. Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. März 2015, Ra 2015/21/0025, zurück.

3 Am 20. Mai 2015 stellte die Revisionswerberin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Aus den vorgelegten Verfahrensakten ergibt sich, dass das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 durch Aushändigung einer "Aufenthaltsberechtigungskarte weiß (§ 51 AsylG 2005)" zugelassen wurde.

4 Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Februar 2017 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Es erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht eingeräumt, der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen die Revisionswerberin gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, dass die Spruchpunkte IV. ("Aberkennung der aufschiebenden Wirkung") und V. ("Einreiseverbot") des Bescheides vom 13. Februar 2017 ersatzlos behoben würden. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die Revision auf ein Abweichen von der Rechtsprechung, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe. Dazu bringt die Revisionswerberin unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 7 BFA-VG zusammengefasst vor, sie habe in der Beschwerde ein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des BFA entgegenstehendes Vorbringen betreffend ihren Gesundheitszustand erstattet und ein entsprechendes Gutachten vorgelegt.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass auch in nach dem BFA-VG zu führenden Verfahren die Abs. 1 bis 3 und der Abs. 5 des § 24 VwGVG anzuwenden sind. Soweit es die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG betrifft, ist auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu verweisen, wonach die Verhandlung (u.a. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK zu handhaben. Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Mai 2017, Ra 2017/20/0118, mwN).

9 Dass insofern das Verfahren, soweit es die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz betraf, fehlerhaft geblieben wäre, ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Revision, die sich mit der Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht auseinandersetzt, nicht ersichtlich.

10 Im Übrigen, soweit nicht die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war, gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass nach § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung nicht hätte Abstand genommen werden dürfen (vgl. zu den Voraussetzungen, wann von einem aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärten Sachverhalt im Sinn von § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG auszugehen ist, das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

11 Zum einen stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Revisionswerberin entsprechend dem von ihr beigebrachten Gutachten an einem Selbstfürsorgedefizit sowie an einer "verkomplizierten, chronifizierten, mittelgradigen depressiven Episode" leide, und ging daher insoweit ohnehin vom Vorbringen der Revisionswerberin aus. Zum anderen erstattete die Revisionswerberin kein substantiiertes Vorbringen zu im Hinblick auf die Beurteilung nach Art. 3 und Art. 8 EMRK entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen, wenn sie nicht weiter konkretisiert ausführte, sie sei auf die Pflege durch ihren Sohn "angewiesen".

12 Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, wonach der Sohn der Revisionswerberin und dessen Lebensgefährte "sich die Betreuung aufteilten" und die Revisionswerberin nicht mehr kochen könne, unterliegt dem Neuerungsverbot und ist schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2016, Ra 2016/19/0300).

13 Die Revisionswerberin vertritt weiters die Ansicht, das Bundesverwaltungsgericht hätte ihren Beweisanträgen nachkommen und sowohl ihren Sohn als auch die Fachärztin, die das von ihr vorgelegte Gutachten erstellt habe, vernehmen müssen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertretene Revisionswerberin in ihrer Eingabe vom 4. April 2017 als Themen für ihre Beweisanträge ausschließlich die Verletzung der Bestimmungen des Art. 3 und des Art. 8 EMRK anführte. Dabei handelte es sich um vom Bundesverwaltungsgericht zu lösende Rechtsfragen, die der Beantwortung im Rahmen einer Zeugenvernehmung oder eines Sachverständigenbeweises nicht zugänglich sind (vgl. den hg. Beschluss vom 30. März 2016, Ra 2016/09/0027, sowie das hg. Erkenntnis vom 1. März 2012, 2011/12/0057). Sohin liegt auch unter diesem Blickwinkel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

14 Wenn die Revision ins Treffen führt, sowohl das BFA als auch das Bundesverwaltungsgericht hätten falsche Schlüsse aus den Berichten zur Lage in Armenien gezogen, legt die Revision nicht dar, dass ihr Schicksal von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge. Den auf ausreichend aktuelle Länderberichte gestützten Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Erkrankung der Revisionswerberin in Armenien behandelbar sei, setzt die Revision inhaltlich nichts entgegen.

15 Sofern die Revisionswerberin eine Verletzung des Parteiengehörs rügt, verabsäumt sie es, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen.

16 Zum Einwand der Revisionswerberin gegen die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK ist festzuhalten, dass es sich bei dieser nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - wenn sie, wie hier der Fall, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgte - um eine Einzelfallentscheidung handelt, welche grundsätzlich nicht revisibel ist (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0265).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2017

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017190226.L00.1

Im RIS seit

23.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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