TE Vfgh Erkenntnis 1998/2/24 B1713/96, B4909/96

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988 idF BGBl 818/1993 (Jubiläumsgeldrückstellung) mit E v 09.12.97, G403/97. Die von der Beschwerdeführerin für die Erstattung der Replik begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es sich um keinen abverlangten Schriftsatz handelt und die Erstattung der Gegenäußerung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht geboten war (VfSlg. 11491/1987, 13308/1992).

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 36.000,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 30. April 1996 und vom 5. November 1996 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufungen der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft gegen die - die Bildung der Jubiläumsgeldrückstellung steuerlich nicht anerkennenden - Körperschaftsteuerbescheide 1994 und 1995 ab.

2. Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in welchen die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide beantragt wird.

3. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in welchen sie beantragt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

II. Die Beschwerden sind im Ergebnis begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, G403/97, die Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988, BGBl. 400/1988, idF des ArtI Z6 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818/1993, als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (VfSlg. 12676/1991). Dem in Art140 Abs1 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 13067/1992, 13225/1992, 13313/1992, 13566/1993).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 9. Dezember 1997 statt. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof am 24. Mai 1996 und am 12. Dezember 1996 eingelangt, waren also im Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Die Fälle sind somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wandte bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage der Fälle nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich diese Gesetzesanwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist.

Es ist daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin durch die bekämpften Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurde (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 29.9.1994, B792/92).

Die Bescheide sind daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung

beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 6.000,- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1713.1996

Dokumentnummer

JFT_10019776_96B01713_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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