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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des TJ, (geb. 9.9.1970), in Wien, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Dr. Sepp Brugger, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. November 1997, Zl. SD 865/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. November 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Dem Beschwerdeführer, der sich seit 1989 im Bundesgebiet aufhalte, sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. März 1989 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Juni 1994 sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer das Asylrecht in Österreich (§ 5 Abs. 1 Z. 3 des Asylgesetzes 1991) verloren habe. In der Folge habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, der jedoch vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 24. April 1995 und im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 11. August 1995 abgewiesen worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser Gerichtshof habe den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an diese Beschwerde mit Beschluss vom 13. Mai 1996 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Beschwerdeführer auch eine solche Zuerkennung keine Aufenthaltsberechtigung hätte verschaffen können.
In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe. Der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung habe nämlich dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verschaffen können und § 17 Abs. 4 FrG sei daher der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch während des Berufungsverfahrens nicht entgegengestanden. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers habe es sich bei seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht um einen (rechtzeitig gestellten) Verlängerungsantrag gehandelt. Der Ausweisung liege daher auch kein Bescheid zu Grunde, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagt (§ 6 AufG) oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung verfügt worden sei (§ 8 AufG). Der Ausweisung stehe daher auch § 114 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 nicht entgegen.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 19 FrG betreffe, so sei - auch wenn der Beschwerdeführer die von ihm behaupteten "engen familiären Bindungen" nicht definiert habe - im Hinblick auf die lange Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich von einem Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 19 FrG auszugehen. Dieser Eingriff sei aber zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten. Den den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Bestimmungen seien vom Beschwerdeführer beharrlich missachtet worden. Zu seinen Ungunsten falle nämlich - abgesehen von der langen Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich "(drei Jahre)" - ins Gewicht, dass er seinen rechtswidrigen Aufenthalt ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags nach dem AufG fortgesetzt habe. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien, als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Aus der Dauer des Aufenthalts, der von 1989 bis 1994 wegen der Asylgewährung erlaubt gewesen sei, und aus den nicht definierten familiären Bindungen lasse sich kein das öffentliche Interesse überwiegendes Gewicht ableiten. Verstärkt werde dieses Abwägungsergebnis durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren. Somit sei die Ausweisung des Beschwerdeführers im Grund des § 19 FrG zu Recht verfügt worden, weshalb der Berufung keine Folge zu geben gewesen sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein vor dem besagten Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Juni 1994 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei als Verlängerungsantrag im Sinn des § 6 Abs. 2 AufG zu werten, weshalb die vorliegende Ausweisung im Hinblick auf § 114 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 unzulässig sei, führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
2. Nach § 114 Abs. 6 FrG dürfen Ausweisungen gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, denen ein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, nach dem 15. Juli 1997 nicht erlassen werden.
Im Beschwerdefall ist die Beurteilung, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, im Wesentlichen darauf gestützt, es sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Juni 1994 festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer das Asylrecht in Österreich verloren habe (§ 5 Abs. 1 Z. 3 des Asylgesetzes 1991). Mit dem durch diese Feststellung eingetretenen Verlust des Asyls hat der Beschwerdeführer auch seine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verloren (vgl. § 1 Z. 2 des Asylgesetzes 1991, weiters § 9 Abs. 2 leg. cit., in dem bezüglich des Verlustes der Aufenthaltsberechtigung ausdrücklich auch auf den Verlust des Asyls nach § 5 leg. cit. hingewiesen wird). Nach dem zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG bedurften Fremde keiner Aufenthaltsbewilligung, wenn sie auf Grund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren.
Vor diesem Hintergrund ist der Verlust der Aufenthaltsberechtigung infolge des Verlustes des Asyls auf Grund eines Feststellungsbescheides nach § 5 des Asylgesetzes 1991 dem Verlust der Aufenthaltsbewilligung im Sinn des § 8 AufG gleichzuhalten: Zum einen ist der Bescheid, mit dem Asyl gewährt wird, in Ansehung des daraus erfließenden Rechtes zum Aufenthalt einer erteilten Aufenthaltsbewilligung gleichzuhalten, was sich daraus ergibt, dass - wie schon erwähnt - ein Fremder, dem Asyl gewährt wurde, nach dem AufG keiner Aufenthaltsbewilligung bedarf. Zum anderen gilt die mit der Gewährung von Asyl verbundene Aufenthaltsberechtigung ebenso wie die aus einer erteilten (noch nicht abgelaufenen) Aufenthaltsbewilligung erfließende Aufenthaltsberechtigung bis zum Verlust des Asyls infolge eines Feststellungsbescheides nach § 5 des Asylgesetzes 1991 bzw. bis zum Verlust der Aufenthaltsbewilligung nach § 8 AufG. Angesichts dieser in Bezug auf die Berechtigung zum Aufenthalt bestehenden Gleichwertigkeit des besagten Verlustes des Asyls und des Verlustes einer Aufenthaltsbewilligung nach § 8 AufG besteht im § 114 Abs. 6 FrG eine "planwidrige Unvollständigkeit". Die damit gegebene Regelungslücke ist - im Wege einer unter diesen Voraussetzungen auch im öffentlichen Recht zulässigen Analogie - unter Bedachtnahme auf diese Gleichwertigkeit und in verfassungskonformer Weise zu schließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 96/18/0134, mwH), und zwar dergestalt, dass Ausweisungen gemäß § 17 Abs. 1 FrG nach dem 15. Juli 1997 auch dann nicht erlassen werden dürfen, wenn einer solchen Ausweisung ein Feststellungsbescheid gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 zu Grunde liegt, der den Verlust des einem Flüchtling gewährten Asyls nach sich zieht. Allein ein solches Auslegungsergebnis wird nach Auffassung des Gerichtshofes dem Gleichheitssatz gemäß Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG gerecht, ist doch vor dem Hintergrund der besagten Gleichwertigkeit eine sachliche Rechtfertigung, den Verlust der Aufenthaltsberechtigung infolge des Verlustes der Aufenthaltsbewilligung nach § 8 AufG anders zu behandeln als den Wegfall einer Aufenthaltsberechtigung infolge des Verlustes des Asyls auf Grund eines Feststellungsbescheides nach § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991, nicht ersichtlich. Dies hat die belangte Behörde verkannt
3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. August 2000
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180021.X00Im RIS seit
11.07.2001