Entscheidungsdatum
23.10.2017Index
20/05 Wohn- und Mietrecht;Norm
AVG §13Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr. Doris Mair über die Beschwerde der
1. Frau BB, Adresse 1, **** Z, und
2. WEG AA, Adresse 1, **** Z,
beide vertreten durch CC Rechtsanwälte, Adresse 2, **** Y,
gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 10.07.2017, Zl. ****,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG wird der Beschwerde zu 1. Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
2. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde zu 2. mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Antrag der WEG AA vom 11.04.2017 als unzulässig zurückgewiesen wird.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von EUR 240,00 zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt, Beschwerdevorbringen:
Mit Bescheid vom 03.11.2008, Zl. ****, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Z die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des bestehenden Gebäudes und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses auf Gst Nr **1, KG Z.
Mit Bescheid vom 20.10.2009, Zl. ****, ergänzte der Bürgermeister der Gemeinde Z den Bescheid vom 20.08.2008 (richtig wohl: 03.11.2008) um weitere wild- und lawinenbautechnische Vorschreibungen.
Mit Bescheid vom 02.06.2010, Zl. 131-BA-12/2010, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Z die baubehördliche Bewilligungen für die Nutzungsänderung in Appartement- und Geschäftshaus auf Gst Nr **1, KG Z.
Mit Bescheid vom 01.09.2011, Zl. ****, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Z die baubehördliche Bewilligung für Änderungen beim genehmigten Appartement- und Geschäftshaus aus Gst Nr. **1, KG Z.
Mit Schreiben vom 15.02.2017 beantragte die Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) „AA“ die Übermittlung der Benützungsbewilligung nach § 38 TBO 2011 zu Handen ihres Rechtsvertreters. Sollte diese nicht vorliegen, werde beantragt, alles zu veranlassen bzw alle Vorkehrungen zu treffen, damit die Benützungsbewilligung erteilt werde.
Mit Schreiben vom 22.02.2017 teilte die rechtsfreundlich vertretene WEG AA mit, dass sie vom tatsächlichen Nichtvorliegen einer Benützungsbewilligung ausgehe und wäre es Seites der Gemeinde Z erforderlich, eine solche zu erwirken. Es würden (im Sinne der Sicherheit und des Versicherungsschutzes) von der Bauwerberin näher aufgelistete Abklärungen und (technische) Nachweise sowie die Überprüfung der Einhaltung der baubehördlich vorgeschriebenen Auflagen als auch deren behördliche Abnahme verlangt. Es sei zu bewerten, ob diese Überprüfung der Benützungsbewilligung unterliege.
Mit Schreiben vom 20.03.2017 an den Rechtsfreund der WEG bezog sich die belangte Behörde auf den Bescheid vom 02.06.2010, auf die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 12.04.2010 erteilte Betriebsanlagengenehmigung für das Gebäude, und hielt weiters fest, dass eine Nutzung der genehmigten 9 Appartements für einen ganzjährigen Wohnbedarf baubehördlich nicht zulässig sei, mit den restlichen 3 ganzjährig nutzbaren Wohnungen keine Wohnanlage im Sinne des Gesetzes vorliege, im Ergebnis damit keine Benützungsbewilligung für das Bauvorhaben notwendig wäre. Für das gesamte Gebäude sei eine Bauvollendungsanzeige mit allen erforderlichen Unterlagen einzubringen. Für die gewerblich genutzten Räume sei um Abnahme bei der zuständigen Gewerbebehörde anzusuchen.
Mit Schreiben vom 11.04.2017 stellen die WEG AA und Frau BB einen „Antrag auf Erteilung einer Benützungsbewilligung gemäß § 38 TBO 2011 für das Gebäude „AA“ (sollte diesem Antrag nicht stattgegeben werden, möge darüber in Bescheidform entschieden werden), in eventu möge bescheidmäßig festgestellt werden, dass für das Gebäude AA eine Benützungsbewilligungspflicht besteht“.
Mit Schreiben vom 19.05.2017 bezogen sich die rechtsfreundlich Antragsteller auf ihren Antrag vom 11.04.2017, mit dem beantragt worden wäre, über das Haupt- und Eventualbegehren in Bescheidform abzusprechen, hielten fest, dass die Angelegenheit in den Kompetenzbereich der Verwaltungsbehörde und nicht der Zivilgerichte fallen würde, und insistierten unter Bezugnahme auf § 13 AVG auf der Erlassung eines Bescheides mit daraus resultierender Möglichkeit, dagegen den Instanzenweg beschreiten zu können.
Mit Schreiben vom 09.06.2017 urgierten die rechtsfreundlich vertretenen Antragsteller neuerlich Erledigung ihres Antrags vom 11.04.2017 und bezogen sich in inhaltlicher Sicht unter anderem auf eine Bescheidauflage im Bescheid vom 02.06.2010, mit der ein Ansuchen um Benützungsbewilligung nach Bauvollendung aufgetragen worden wäre.
Mit Bescheid vom 10.07.2017, Zl. ****, „stellte der Bürgermeister der Gemeinde Z fest, dass für das gegenständliche Gebäude auf Gp **1, KG Z, bewilligt mit Bescheid der Baubehörde vom 02.06.2010 gemäß § 38 Tiroler Bauordnung 2011 keine Benützungsbewilligung erforderlich ist“. Die Begründung des Bescheides enthält eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Natur des Bauvorhabens und eine daraus abzuleitendes fehlendes Benützungsbewilligungserfordernis.
In fristgereicht erhobener Beschwerde fechten die WEG AA und Frau BB den Bescheid vom 10.07.2017 seinem gesamten Inhalt nach an. Sie halten vor, als Primärantrag einen Antrag auf bescheidmäßige Erlassung eines Benützungsbewilligungsbescheides für das gegenständliche Gebäude gestellt zu haben, ein Feststellungsantrag, dass für das Gebäude eine Benützungsbewilligungspflicht bestehe, wäre demgegenüber als Eventualantrag gestellt worden. Von dieser Weise der Antragstellung wäre die Behörde auch – wie dem Bescheid zu entnehmen wäre – in Kenntnis gewesen. Tatsächlich habe die belangte Behörde jedoch im angefochtenen Bescheid über diesen Primärantrag überhaupt nicht entschieden, sondern sogleich (und lediglich) über den Eventualantrag. Es sei festzustellen, dass sich die Behörde mit einem Eventualantrag jedoch erst befassen dürfe, wenn der Primärantrag rechtskräftig abgelehnt worden sei. Das Verfahren leide somit an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Mit ihrem weiteren Vorbringen setzen sich die Beschwerdeführer in inhaltlicher Hinsicht mit der Entscheidung auseinander.
II. Rechtslage:
Es gilt folgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG. BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl Nr 161/2013:
„§ 13
Anbringen
(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. …..
(…).“
III. Erwägungen:
Zur Beschwerde der Frau BB:
Die Beschwerdeführerin ist laut Grundbuchsauszug Miteigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft (Kaufvertrag vom 09.02.2012 – Eigentumsrecht). Als solche war sie als Trägerin von Rechtspersönlichkeit grundsätzlich berechtigt, Anträge bei der Behörde einzubringen.
Der Antrag der Beschwerdeführerin richtete sich primär auf Erteilung der Benützungsbewilligung für das gegenständliche Gebäude, in eventu auf bescheidmäßige Feststellung, dass Benützungsbewilligungspflicht für das verfahrensgegenständliche Gebäude bestehe. Die belangte Behörde entschied durch Feststellungsbescheid.
Zutreffend moniert die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde unter Vorhalt höchstgerichtlicher Rechtsprechung Mangelhaftigkeit des Verfahrens insofern, als unter Außerachtlassung des Primärantrages sogleich über den Eventualantrag (Feststellungsantrag) entschieden worden wäre.
Etwa in seinem Erkenntnis vom 26.03.2015, Zl. 2013/11/0103, führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, dass ein Eventualantrag im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig wäre. Das Wesen eines solchen Antrages liege darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt werde, dass der Hauptantrag erfolglos bleibe. Werde bereits dem Hauptantrag stattgegeben, so werde der Hauptantrag gegenstandslos. Der Eventualantrag stelle keine bloße Ergänzung des Hauptantrages oder eine Antragsabänderung dar; es handle sich dabei um einen eigenständig zu beurteilenden (weiteren) Antrag unter der obgenannten aufschiebenden Bedingung. Eine Entscheidung über den Eventualantrag ist somit überhaupt erst zulässig, wenn über den Hauptantrag (abschlägig) entschieden worden sei. Die Erledigung eines Eventualantrages vor dem Eintritt des Eventualfalles belaste diese mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Der angesprochen Abweisung stehe eine Zurückweisung des Hauptantrages bzw dessen Zurückziehung gleich.
Eine Erledigung des (nachgereihten) Eventualantrages ist erst zulässig, wenn der Bescheid, mit welchem dem Primärantrag (und dem vorgereihten Eventualantrag) nicht stattgegeben wird, in Rechtskraft erwachsen ist (vgl etwa VwGH 20.02.1990, 89/01/0114, ua) oder der vorrangige Antrag zurückgezogen wird (vgl etwa VwGH 04.02.2009, 2008/12/0224, ua). Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, so ist der Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl etwa VwGH 12.12.1997, 96/19/3388, ua) und ist daher von der Rechtsmittelinstanz zu beheben.
Da die belangte Behörde diese Reihenfolge in der Erledigung der gestellten Anträge verkannt hat, belastete sie ihre Entscheidung mit dargestellter Rechtswidrigkeit. Dies war vom Landesverwaltungsgericht Tirol wie im Spruch wahrzunehmen.
Festgestellt sei an dieser Stelle, dass weitergehende Überlegungen in der Weise, ob für die Erlassung eines Feststellungsbescheides als lediglich subsidiärer Rechtsbehelf im Sinne dazu geltender höchstgerichtlicher Rechtsprechung (die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist dann zulässig, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlass vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und die Frage nicht im Rahmen eines anderen Verfahrens zu entscheiden ist) überhaupt Raum gegeben wäre, bei vorliegender Entscheidungslage dahingestellt bleiben können.
Bei vorliegender Entscheidungslage erübrigte sich auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen.
Zur Beschwerde der WEG AA:
Gemäß § 2 Abs 5 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) bilden alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; diese ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs 1 und 2 WEG 2002 umschriebenen Umfang.
Gemäß § 18 Abs 1 WEG 2002 kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Abs 2 dieser Bestimmung räumt Wohnungseigentümern die Möglichkeit der Abtretung aus ihrem Miteigentum erfließender Unterlassungsansprüche sowie die Liegenschaft betreffender Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche an die Eigentümergemeinschaft ein.
Nach dieser Rechtslage kommt der Eigentümergemeinschaft nur eine (darauf) eingeschränkte Rechtspersönlichkeit zu.
Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ist ausdrücklich auf Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung und der an sie abgetretenen Unterlassungs- bzw Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche beschränkt. Über diese (Verwaltungs)Rechte hinaus sind der Eigentümergemeinschaft keine Eigentümerrechte zugeordnet.
Bei der Einbringung eines Antrags auf Erteilung einer Benützungsbewilligung nach § 38 TBO 2011 handelt es sich um keine Maßnahme, die eine Angelegenheit der Liegenschaftsverwaltung betrifft. Ebenso liegt bei gegebenem Sachverhalt kein Fall des § 18 Abs 2 (Abtretungslösung) WEG 2002 vor.
Fehlte es der Wohnungseigentumsgemeinschaft damit aber mangels Rechtsfähigkeit in diesem Umfang bereits an der Legitimation zu Stellung des Antrags vom 11.04.2017 (diesem lagen bereits die Ersuchen vom 15.02.2017 und 22.02.2017 zugrunde), wäre dieser Antrag richtigerweise von der belangten Behörde als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Da die belangte Behörde jedoch in inhaltlicher Weise entschieden hat, tat sie dies in Unzuständigkeit. Diese Rechtswidrigkeit war vom Landesverwaltungsgericht Tirol – umfasst die Kompetenz des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs 1 VwGVG nämlich auch die Wahrnehmung (aller) Prozessvoraussetzungen - im Rahmen der gegenständliche Beschwerde aufzugreifen und der Antrag aus Anlass der Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter Punkt III. zitierte höchstgerichtliche Judikatur wird verwiesen.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Doris Mair
(Richterin)
Schlagworte
Wohnungseigentumsgemeinschaft; Rechtspersönlichkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.39.2375.1Zuletzt aktualisiert am
22.11.2017