TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/31 LVwG-2016/32/1428-12

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Veröffentlicht am 31.10.2017
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Entscheidungsdatum

31.10.2017

Index

L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Tir 2011 §39 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA, vertreten durch RA Univ.-Doz. Dr. BB, Adresse 1, Z, gegen Spruchpunkt I.) des Bescheides des Stadtmagistrates der Stadt Z vom 17.05.2016, ****, nach der Durchführung öffentlich mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid in seinem bekämpften Umfang, sohin Spruchpunkt I. behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid des Stadtmagistrates der Stadt Z vom 17.05.2016 wurde der nunmehrigen Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt I. aufgetragen, ein Gartenhaus im Ausmaß von 3,00m x 3,00m, welche sich auf dem Grundstück **** KG Y befindet, binnen 6 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen und den Bauplatz wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Gegen diesen Bescheid hat die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben, wobei sich die Beschwerde ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des hier in Rede stehenden Bescheides richtet.

In der Beschwerde wird ua vorgebracht, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Gartenhäuschen um eine bauliche Anlage handelt, welche eine Grundfläche von weniger als 10 m² aufweist und auch die Höhe des 2,80 m nicht überschreitet.

Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer ein Mitarbeiter des Stadtmagistrates Z und der Grundeigentümer als Zeugen einvernommen wurden. Zudem wurde ein Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen beim Amt der Tiroler Landesregierung, Fachbereich Baupolizei, eingeholt, welches den Parteien vor der Verhandlung zugegangen ist und vom Amtssachverständigen bei der Verhandlung erläutert wurde.

II.      Sachverhaltsfeststellungen:

Die baulichen Anlage, die sich auf der Pachtfläche der Beschwerdeführerin auf der Gp **** KG Y befindet, stellt sich derzeit und auch zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides wie folgt dar:

Das Gartenhaus weist Außenabmessungen von 3,50 x 3,50 m auf, dies entspricht einer Grundfläche von 12,25 m². Der nordseitig angebaute Lagerraum misst 0,80 x 2,05 m und somit eine Grundfläche von 1,64 m². Die ostseitig angebaute überdachte Terrasse weist eine Größe von 2,80 x 3,50 m auf, dies entspricht einer Grundfläche von 9,8 m². Die Wandhöhen betragen ca. 2,20 m, die Firsthöhe ca. 3,50 m, die mittlere Wandhöhe beträgt somit ca. 2,65 m. Die überdachte Terrasse ist überwiegend umschlossen, weshalb die gesamte bauliche Anlage als Gebäude zu qualifizieren ist, dessen gesamte Grundfläche 23,69 m² beträgt.

Im Gartenhaus befinden sich ein Tisch, eine Eckbank, Stühle und eine Gaskochstelle.

III.    Beweiswürdigung:

Diese Sachverhaltsfeststellungen fußen auf dem Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen vom 10.08.2017, der zur Erstellung des Gutachtens einen Lokalaugenschein durchgeführt hat. Es besteht nicht der geringste Anlass, an den Ausführungen des Amtssachverständigen zu zweifeln.

Der Mitarbeiter des Stadtmagistrates der Stadt Z, welcher im Zuge des behördlich geführten Verfahrens die Beschreibung der baulichen Anlage angefertigt hat, welche spruchgemäß beseitigt werden soll, räumt bei der mündlichen Verhandlung als Zeuge ein, dass es zu Verwechslungen gekommen sein kann.

Im Ergebnis ist sohin festzustellen, dass hier nicht ein Gartenhaus von 3,00m x 3,00m auf der Pachtfläche der Beschwerdeführerin bestanden hat und besteht sondern eine andere größere bauliche Anlage.

IV.      Wesentliche Rechtsgrundlagen:

Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011):

„§ 39

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. Wurde eine solche bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen. Dies gilt auch, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre. Ist die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage stattdessen deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.

(8) Der Eigentümer eines Grundstückes hat der Behörde auf Verlangen mitzuteilen, ob am betroffenen Grundstück eine Superädifikatsberechtigung eingeräumt worden ist. Kann der Superädifikatsberechtigte nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden oder kann er zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht herangezogen werden, so hat die Behörde dem Eigentümer des betroffenen Grundstückes oder dem sonst hierüber Verfügungsberechtigten die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufzutragen.“

Im Übrigen wird auf die Internetseite https://www.ris.bka.gv.at/ (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.

V.       Rechtliche Erwägungen:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss ein baupolizeilicher Auftrag so bestimmt sein, dass er Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein kann. Bei einem Beseitigungsauftrag darf daher kein Zweifel darüber bestehen, was im Detail beseitigt werden soll, und es muss aus ihm unmittelbar zu entnehmen sein, welche Bauteile abzubrechen sind (vgl VwGH 13.11.2012, 2009/05/0203).

Durch die Spruchfassung eines baupolizeilichen Auftrages muss einerseits dem Beauftragten die überprüfbare Möglichkeit gegeben werden, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, andererseits muss dadurch auch der Umfang einer allfälligen Ersatzvornahme deutlich abgegrenzt sein (vgl VwGH 23.02.2010, 2009/05/0250).

Die an die Bestimmtheit eines baupolizeilichen Auftrages zu richtenden Anforderungen sollen dabei in erster Linie sicherstellen, dass im konkreten Einzelfall keine Verwechslungsgefahr und somit kein Zweifel daran besteht, welche Bauteile im Detail beseitigt werden sollen (vgl VwGH 26.11.1992, 90/06/0076).

In der Beschwerde wird auf die Abmessungen der hier in Rede stehenden baulichen Anlage Bezug genommen, weshalb dahingehend verwaltungsgerichtlich Ermittlungen aufgenommen wurden.

Gegenstand des an die nunmehrige Beschwerdeführerin gerichteten baupolizeilichen Auftrages war ein Gartenhaus auf dem Grundstück **** KG Y. Es ist amtsbekannt und Gegenstand zahlreicher auch beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängiger Verfahren, dass sich auf diesem Grundstück eine Schrebergartenanlage befindet, auf der eine Vielzahl von baulichen Anlagen bestehen. Dieses Grundstück ist in einzelne Pachtflächen untergliedert und verpachtet. Vor diesem Hintergrund ist es nicht abwegig, wenn es – wie der Zeuge einräumt – bei der Beschreibung zu einer Verwechslung gekommen ist.

Die von der belangten Behörde erhobenen Abmessungen weichen derart von den tatsächlichen Abmessungen der auf der Pachtfläche der Beschwerdeführerin befindlichen baulichen Anlage ab, dass diese nicht bloß mit einem Mess- oder Schreibfehler erklärt werden können. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die bauliche Anlage, deren Beseitigung mit dem angefochtenen Bescheid aufgetragen wird, nicht auf der Pachtfläche der Beschwerdeführerin befindet.

Wenngleich § 66 Abs 4 AVG einerseits auf § 28 Abs 2 und Abs 3 VwGVG andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflicht zur Entscheidung „in der Sache selbst“ nominieren, ist das Verständnis dessen, was unter „Sache des Verfahrens“ zu verstehen ist, unverändert geblieben (vgl VwGH 18.12.2014/Ra 2014/07/002).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist – sofern die Gesetze nicht anderes anordnen (VwGH 19. 2. 2003, 99/08/0146) – „Sache“ des Berufungsverfahrens der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, dh jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz (einschließlich beigesetzter Auflagen und Bedingungen [VwGH 22. 3. 2000, 98/04/0019; 4. 4. 2002, 2002/08/0066] sowie Leistungsfristen [VwGH 15. 6. 1992, 91/10/0133; 18. 1. 1999, 98/10/0097]) gebildet hat (VwSlg 11.237 A/1983 verst Sen; VwGH 19. 2. 2003, 99/08/0146; 16. 11. 2005, 2004/08/0025; VfSlg 15.070/1998; Walter/Thienel AVG § 66 Anm 10). Die Grenzen der Sache, über welche die Berufungsbehörde abzusprechen hat, bestimmen sich nicht nach der Angelegenheit, die vor der untergeordneten Instanz in Verhandlung war, sondern nach dem Gegenstand, der durch den Spruch des Bescheides entschieden wurde (VwGH 4. 9. 2003, 2003/21/0082; VfSlg 7240/1973; Hengstschläger3 Rz 516; Thienel4 267), dh die Berufungsbehörde darf sachlich nicht über mehr absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war (VwGH 28. 4. 1987, 86/07/0043; 31. 5. 1990, 89/09/0143; 19. 5. 2004, 2003/18/0081; Walter/Mayer Rz 538). Jedoch liegt der Akzent auf der „Angelegenheit“ iSd „in Verhandlung stehenden Angelegenheit“, die der Spruch zu erledigen hat (vgl § 59 Rz 5ff), und nicht auf dem verbalen Inhalt des Spruchs. Daher kann die „Sache“ nicht generell, sondern nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, welche die konkrete Sache bestimmt, eruiert werden (VwSlg 11.237 A/1983 verst Sen; 14.346 A/1995; VwGH 13. 4. 2000, 97/07/0144; Hengstschläger3 Rz 516). So steht es beispielsweise der Berufungsbehörde zu, ohne Überschreitung der „Sache“ auch solche Auswirkungen eines Projekts in ihre Entscheidung einzubeziehen, auf die die Behörde erster Instanz nicht Bedacht genommen hat (VwGH 26. 2. 1996, 94/10/0192).

(Hengstschläger/Leeb, AVG2 RZ 59 zu § 66 (Stand 1.1.2014, rdb.at))

In Ansehung dieser Rechtsprechung ist es dem Landesverwaltungsgericht Tirol im Rahmen der gegebenen Kognitionsbefugnis verwehrt, die im bekämpften Bescheid unrichtig angegebenen Abmessungen der zu entfernenden baulichen Anlagen richtigzustellen, ginge dies doch über die Behebung eines allfälligen Mess- oder Schreibfehlers weit hinaus und würde das erkennende Verwaltungsgericht den Gegenstand der vorliegenden Rechtsmittelsache damit verlassen.

Der Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens wird nämlich durch den Spruch des angefochtenen behördlichen Bescheides festgelegt, sodass das erkennende Verwaltungsgericht über ein rechtliches „aliud“ absprechen würde, würden die tatsächlich auf der Pachtfläche der Rechtsmittelwerberin festgestellten baulichen Anlagen zum Gegenstand des Beseitigungsauftrages (durch das entscheidende Verwaltungsgericht) gemacht werden.

VI.      Ergebnis:

Nachdem sich die baulichen Anlagen, die Gegenstand des angefochtenen Bescheides bilden, nicht auf jener Teilfläche der Gp **** KG Y befinden, die von der Beschwerdeführen gepachtet ist, ist es ausgeschlossen, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin Eigentümerin des in Rede stehenden Gartenhauses von 3,00 m x 3,00 m ist. Vielmehr handelt es sich auf der Pachtfläche der Beschwerdeführerin um eine völlig andere bauliche Anlage, wobei es dem Landesverwaltungsgericht Tirol verwehrt war, hier eine Richtigstellung vorzunehmen, da ansonsten die Sache des Beschwerdeverfahrens verlassen worden wäre.

Abschließend wird auf die Einlassung der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen, wonach die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen von ihr auf der Pachtfläche vor Jahren um mehrere Meter versetzt wieder errichtet wurden.

Ein Verzicht zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung liegt von beiden Parteien vor.

VII.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Ing. Mag. Herbert Peinstingl

(Richter)

Schlagworte

Rechtliches aliud; Gartenhaus nicht auf Pachtfläche; Sache des Verfahrens;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2016.32.1428.12

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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