TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/14 W124 2175634-1

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Veröffentlicht am 14.11.2017
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Entscheidungsdatum

14.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W124 2175634-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch " XXXX ", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 55 Abs. 1a FPG und § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nunmehr BF) reiste illegal in das Bundesgebiet und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In seiner niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, seit drei Jahren Mitglied einer religiösen Gemeinschaft zu sein, welche für ein eigenes Land für Sikhs kämpfe. Sie hätten demonstriert und Sitzstreiks gegen die Regierung gemacht. Dafür seien ihre Mitglieder von der Polizei festgenommen und gefoltert worden seien. Der BF sei auch mehrmals festgenommen und gefoltert worden. Aus Angst um sein Leben hätten er und seine Familie beschlossen, das Land zu verlassen.

Dem Akt wurden ein indischer Führerschein des BF und eine Geburtsurkunde in Kopie beigelegt.

3. Bei einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Nunmehr BFA) am XXXX gab der BF an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Er spreche Punjabi, Hindi und ein bisschen Englisch.

Der BF legte einen österreichischen Führerschein, ein Schreiben seines Anwalts und ein Schreiben des Dorfältesten vor. Der BF habe einen Reisepass gehabt, welcher ihm von seinem Schlepper in Moskau abgenommen worden sei. Der Schlepper habe ihm geraten, keinen Reisepass zu besitzen, da seine Abschiebung somit erschwert werden würde.

Der BF gab befragt an, der Religion der Sikh und der Volksgruppe der Saini anzugehören, und aus Indien, Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX zu stammen. Er sei ledig und habe keine Kinder. Der BF habe im Heimatland 15 Jahre lang die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Er sei in Indien keiner Beschäftigung nachgegangen und habe seinen Lebensunterhalt durch die im Familienbesitz befindliche Landwirtschaft bestritten. Seine Eltern und sein Bruder seien noch an seiner Heimatadresse aufhältig. Der BF verfüge noch über weitere Angehörige in Indien, zu welchen er ein gutes Verhältnis habe. Zu seinen Eltern habe er telefonischen Kontakt.

In Österreich bzw. in der EU verfüge er über keine Verwandten und bestehe in Österreich zu niemandem ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung. Der BF arbeite als selbständiger Paketzusteller bei XXXX . Er lebe in keiner Lebensgemeinschaft. Befragt zu seiner Freizeitgestaltung gab der BF an, das Leben zu genießen.

Befragt gab der BF an, in Indien einfaches Mitglied der XXXX gewesen zu sein. Der religiöse Führer heiße XXXX . Der BF habe am XXXX sein Heimatland verlassen und sei am XXXX in Österreich eingereist. Seit seiner Ausreise sei er nicht mehr in Indien gewesen.

Er sei in Indien eine Woche in Haft gewesen. Danach sei er immer wieder von der Polizei belästigt worden. Sie seien immer wieder zu ihm nach Hause gekommen und hätten nach ihm gesucht. Sonst habe er keine Probleme mir staatlichen Einrichtungen oder Behörden in Indien gehabt. Befragt, ob er jemals religiös oder politisch einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, gab der BF an, immer wieder belästigt worden zu sein und immer wieder von der Polizei gesucht worden zu sein.

Aufgefordert seine Fluchtgründe zu schildern gab der BF Folgendes an:

"Da ich als Gläubiger mich für unseren Führer einsetze, werde ich immer von der Polizei belästigt. Nicht nur ich sondern auch die ganzen anderen Sikhs die die Unabhängigkeit wollen – wir wollen Khalistan – ein eigenes Land. Dafür setzt sich die XXXX -Partei ein. Jedoch ist der Staat gegen diesen Gedanken und die Umsetzung."

Weiters gab der BF an, einen Antrag zur Unabhängigkeit beim Staat gestellt zu haben. Der Staat habe diesen jedoch abgelehnt, da er nicht wolle, dass sie unabhängig werden würden. Aufgrund dieser aktiven Bewegung sei der BF und seine Führer eingesperrt worden und erst nach Aufsuchen eines Anwalts freigelassen worden. Dennoch werde er immer wieder von der Polizei befragt und gesucht. Aufgrund dieser Belästigungen habe er sein Land verlassen. Befragt wann genau der BF verhaftet worden sei, gab er an "als er in Indien war", weiter befragt Anfang 2015, nochmals befragt im Jänner, weiters befragt, am 10. Jänner. Den Wochentag wisse er nicht. Befragt, ob er jemals von der Polizei in Indien mit dem Tod bedroht worden sei, bejahte dies der BF und gab an, dass sie ihm auch gedroht hätten, ihn jahrelang im Gefängnis einzusperren. Aufgefordert, das Bedrohungsereignis genau zu schildern gab der BF an, in Haft gewesen zu sein als die Polizei ihm gesagt habe, dass er, solange er weitermache und für die Unabhängigkeit Khalistans kämpfe, von der Polizei belästigt werden würde. Wenn er nicht aufhöre, würden sie ihn auch umbringen. Er habe nicht aufgehört, da er drei Jahre lang bei dieser Partei tätig gewesen sei und der Gedanke und die Intention der Partei seines Erachtens nach richtig gewesen seien. Deshalb habe er nicht aufgeben wollen. Auf Vorhalt des BFA durch seinen Aufenthalt in Österreich quasi auch aufgegeben zu haben, gab der BF an, dass er geflüchtet sei, um sein Leben zu retten. Auf Vorhalt vorhin gesagt zu haben, nicht mehr belästigt zu werden, wenn er nicht mehr für die Unabhängigkeit Khalistans auftreten würde, gab der BF an, wieder in Haft zu kommen, wenn er zurückkehre. Sie würden noch immer nach Hause kommen und nach ihm fragen.

Befragt jemals einen Wohnortwechsel in Erwägung gezogen zu haben, gab der BF an, sein Dorf nicht verlassen zu können, weil er dort alles – die Landwirtschaft und seine Familie - habe. Sein Bruder und sein Vater seien auch gläubige Sikhs. Es gehe ihnen gut und würden sie nicht belästigt werden, da sie keine Mitglieder der XXXX seien.

Die Frage, ob der BF jemals aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder sozialen Stellung einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, verneinte der BF. In Österreich gehöre er keinem Verein oder einer sonstigen Organisation an. Im Falle einer Rückkehr würde er wieder verhaftet werden. Der BF habe alle Gründe schildern können und habe nichts mehr vorzubringen.

Der BF verzichtete auf die Möglichkeit, in die Länderfeststellungen von Indien Einsicht und Stellung zu nehmen.

4. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) bzw. des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.)

Das BFA führte aus, dass die vorgelegten Dokumente unter Hinweis auf das Länderinformationsblatt nicht als unbedenklich klassifiziert werden könnten. Eine Verfolgung in Indien durch staatliche Organe oder Privatpersonen könne nicht festgestellt werden. Eine asylrelevante Verfolgung sei nicht glaubhaft. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der BF habe in Österreich keine Verwandten, sei ledig und kinderlos. In Indien verfüge er über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte und habe dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht. In Österreich arbeite er auf selbstständiger Basis für den Paketzusteller XXXX .

Beweiswürdigend führte das BFA aus, warum seinem Vorbringen kein Glauben geschenkt worden sei. Der BF habe trotz mehrmaligem Nachfragen kein konkretes Datum der fluchtauslösenden Verhaftung nennen können. Er habe den damaligen Vorfall lediglich vage und unkonkret geschildert und hätten in seiner Erzählung jegliche Emotionen und Details gefehlt, um ein glaubhaftes Bild der damaligen Ereignisse vorzutragen. Der BF habe sich widersprochen, indem er in der Erstbefragung vorgetragen habe, mehrmals von der Polizei verhaftet und gefoltert worden zu sein, während er in der Einvernahme vom XXXX gesagt habe, lediglich eine Woche in Haft gewesen zu sein und fortwährende Hausbesuche und Belästigungen durch die Polizei erlitten hätte. Es sei auch unschlüssig, warum der BF seine Tätigkeiten nach Aufforderung der Polizei nicht unterlassen und gleichzeitig alles aufgegeben habe, indem er nach Österreich geflüchtet sei. Es sei auch unplausibel, dass sein Vater und Bruder als seine direkten engsten Verwandten und gläubige Sikhs in der Heimat am selben Wohnsitz keinerlei Probleme mit der Polizei hätten. Abschließend sei zu erklären, dass sich der BF mit dem Verlassen Indiens dazu entschlossen habe, die äußerste aller Möglichkeiten zu wählen, um den vermeintlichen Problemen zu entgehen. In Indien existiere kein Meldewesen, sodass ihm jedenfalls die Möglichkeit offen stehe, sich an einen anderen Ort im Herkunftsstaat zu begeben, um seinen angegebenen Problemen zu entgehen. Dem BF stehe somit eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative offen. Aus seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit ergebe sich im Rahmen der amtswegigen Prüfung keine Gefahr einer systematischen, landesweiten, staatlich geduldeten asylrelevanten Verfolgung.

Der BF sei gesund und arbeitsfähig, habe 21 Jahre vor seiner Ausreise in Indien gelebt, eine fünfzehnjährige Ausbildung mit Maturaabschluss und weiterhin familiären Anschluss im Heimatstaat.

Zu Spruchpunkt IV. und V wurde rechtlich ausgeführt, dass der BF im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 5 AsylG ein gänzlich unglaubwürdiges Vorbringen dargetan habe und dieses Vorbringen offensichtlich nicht tatsächlich erlebten Ereignissen entspreche. Es sei in seinem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. Da seinem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden sei und ihm auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es dem BF zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

5. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 BFA-VG die " XXXX " als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Seitens des bevollmächtigten Vertreters des BF wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde der Bescheid zur Gänze wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.

Das Vorbringend des BF entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und gründlich substantiiert. Dem BF drohe in seiner Heimat Verfolgung im Sinne der GFK und wäre ihm daher Asyl zu gewähren gewesen.

Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass sich die Behörde nicht mit der konkreten Situation des BF und der aktuellen Situation in Indien auseinandergesetzt habe. Aufgrund dessen sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF nicht möglich gewesen.

Es werde beantragt, dem BF Asyl, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen, aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Indien befasse, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Indien unzulässig sei.

7. Am XXXX langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Ergänzung zur Beschwerde ein, wonach der BF als Sikh die XXXX -Partei unterstützt habe. Diese kämpfe für die Unabhängigkeit bzw. die "Befreiung" von Khalistan. Der BF selbst und auch ein Führer der Partei seien inhaftiert und sei mit der Hilfe eines Anwalts die Haft nach einiger Zeit beendet worden. Die Repressalien seitens Regierung und Polizei hätten kein Ende genommen. Der BF habe aber aufgrund seiner inneren politischen Überzeugung nie an das Aufgeben seines Engagements gedacht. Schließlich habe er Indien verlassen, um sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu bewahren. Der BF habe in der Einvernahme vor dem Hintergrund der Geschehnisse seine persönliche Gefährdung geschildert. Konkrete Recherchen zum Vorbringen habe das BFA nicht angestellt. Der BF habe sich in Österreich nichts zu Schulden kommen lassen und nehme keine sozialen Geldhilfen in Anspruch. Es hätten sich weiters keine Anhaltspunkte ergeben, wonach der BF hinsichtlich Identität und Herkunft unwahre Angaben erstattet hätte.

Der BF bringt in logischer Art ein Bedrohungsszenario vor, dass jedenfalls einer genaueren Überprüfung bedurft hätte: Der Bericht des BF sei nachvollziehbar und biete genügend Anknüpfungspunkte für konkrete persönliche Recherchen. Ein Leben in Indien sei für den BF nicht mehr möglich. Eine Pauschalbegründung, das Vorbringen sei unglaubwürdig und von vornherein nicht asylrelevant, sei keinesfalls ausreichend. Zur inhaltlichen Bearbeitung eines Asylvorbringens gehörten jedoch konkrete persönliche Recherchen. Allgemeine Ausführungen (im Länderinformationsblatt) genügten zur Erfüllung der Pflicht zur Plausibilitätsüberprüfung regelmäßig nicht. Das Vorbringen des BF enthalte genügend Anknüpfungspunkte für eine fallbezogene Recherche. Die generellen Länderfeststellungen hätten keinen besonderen Bezug zu Situation und Vorbringen des BF und seien offenbar nur wahllos zusammengestellt worden. Die Berichtslage sei in Form der Länderfeststellungen zwar formal in den Bescheid eingefügt worden, eine tatsächliche Auseinandersetzung habe seitens des entscheidenden Referenten aber nicht stattgefunden. Die Angaben des BF seien nicht mit der Berichtslage verglichen worden. Geeignete Fragen an den BF würden daher gänzlich fehlen. Der BF habe eine Fülle von persönlichen Details geliefert und viele Einzelheiten vorgebracht, die eine gute Grundlage für konkrete Recherchen bieten würden. Er habe konkreten Recherchen vor Ort explizit zugestimmt.

Die Beweiswürdigung der Behörde erweise sich als unbrauchbar, da diese insgesamt zu kurz greife. Die Behörde habe im gesamten Bescheid nicht realisiert, welch großes Thema in Indien - vor allem für die Sikh - die Loslösung Khalistans von Indien sei. Es sei der lang gehegte Traum der Sikh, ein eigenes unabhängiges Land zu haben. Aktuell gebe es viele Probleme zu diesem Thema. Es gebe ein Referendum mit dem Namen "2020". Es handle sich um einen historischen Konflikt, da die Sikh dieses Stück Land als ihr "Homeland" betrachten würden. Der BF als junger politisch aktiver Mann habe diese Sache ganzherzig unterstützt. Er habe unter den Sikh eine exponierte Stellung, eben da er sich politisch persönlich für diese Bewegung eingesetzt habe. Völlig zutreffend habe er in der Einvernahme auf entsprechenden Vorhalt hin angegeben, dass er im Unterschied zu seinen Familienangehörigen unvergleichlich mehr gefährdet sei, weil er aktives Mitglied der XXXX -Partei sei. Aus der Befragung und dem diesbezüglichen Protokoll ergebe sich eine detailreiche Schilderung und die Fähigkeit des BF, sämtliche nachgefragte Einzelheiten zufriedenstellend zu bearbeiten. Naturgemäß könne ein Asylwerber immer nur aus einem persönlichen Blickwinkel heraus berichten. So habe es auch der BF getan und sei bei seinem Wissensstand geblieben, ohne etwas Ungefähres oder Vermutetes hinzuzufügen. Die Asylbehörde sei als Spezialbehörde für Asylsachen zur Erhebung des gesamten relevanten Sachverhalts verpflichtet. Es sei tatsächlich eine negative Überraschung, wenn der Bescheid in seinen Länderfeststellungen auf das konkrete Vorbringen des BF überhaupt nicht eingehe. Der BF habe alles daran gesetzt, zur Prüfung seiner Identität und seines Asylvorbringens beizutragen. Die Meinung des BFA, das Vorbringen leide an Glaubwürdigkeit und sei nicht asylrelevant, sei somit in den Raum gestellt und nur auf Leerbegründungen gestützt.

Ein nicht erinnerlicher Wochentag sei kein taugliches Mittel zur negativen Beurteilung der Glaubwürdigkeit. Der Vergleich von polizeilicher Erstbefragung zur behördlichen Einvernahme hinsichtlich eines "gesteigerten Vorbringens" oder hinsichtlich Widersprüche entspreche nicht der - inzwischen gefestigten - Rechtsprechung von BVwG und VwGH. Tatsächlich sei das Vorbringen des BF vor dem Hintergrund der tatsächlichen Situation - die durch die Berichtslage dokumentiert sei - authentisch. Der Fehler der nicht sachgerechten Beurteilung - nämlich das Versäumnis fallbezogene Recherchen anzustellen - sei nicht dem BF zuzurechnen. Der BF habe seine Pflicht, ein überprüfbares Vorbringen zu erstatten, gut erfüllt. In einer mündlichen Verhandlung werde er dies weiter fortführen und auf fallbezogene Recherchen Stellung nehmen können.

Die Behörde habe sich nicht mit der persönlichen Situation und den Bindungen zu Österreich des BF auseinandergesetzt. Der bekämpfte Bescheid wiederhole lediglich das Datum der Einreise in Österreich und den Faktor der Unbescholtenheit. Dies könne aber eine persönliche Auseinandersetzung bzw. Gegenüberstellung iSd. Art 8 EMRK nicht ersetzten. Der BF sei ein arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch, der seine Chancen hier in Österreich nutzen wolle. Er habe sich von Anfang an bemüht, sich den hiesigen Gepflogenheiten anzupassen. Er sei legal als Paketzusteller tätig und sei darin so erfolgreich, dass er keine sozialen Geldaushilfen oder Grundversorgung in Anspruch nehmen müsse. Da er sparsam sei, könne er von dem verdienten Geld gemeinsam mit der Unterstützung von Freunden leben. Die ortsübliche Unterkunft teile sich der BF mit Freunden. Negative Faktoren seien keine ersichtlich und von der Behörde auch nicht behauptet worden. Der BF habe auch zu seiner Identität klare und richtige Angaben gemacht, somit in jeder Weise am Verfahren mitgewirkt. Die Prognose bezüglich eines weiteren Aufenthalts in Österreich müsse als äußerst positiv beurteilt werden. Solch eine Prognose habe die Behörde aber insgesamt versäumt. Die geforderte Interessensabwägung iSd. Art 8 EMRK hätte somit zugunsten des BF ausgehen können.

Es werde beantragt, die bekämpfte Entscheidung zu beheben, festzustellen, dass die Abweisung des Antrages hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutz, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, sowie die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Indien nicht rechtmäßig seien, die Sache zur nochmaligen Bearbeitung an das BFA zurückzuverweisen und vor einer inhaltlichen Entscheidung durch die Kontrollinstanz eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und schließlich festzustellen, dass Asyl oder in eventu subsidiärer Schutz zu gewähren sei, jedenfalls ein Aufenthaltstitel zu gewähren sei und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der BF ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Indien, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und stammt aus dem Bundesstaat XXXX in Indien. Die Identität des BF steht nicht fest.

1.2. Das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen ist nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer sozialen Gruppe von staatlicher Seite oder von privaten Dritten verfolgt wird. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass dem BF aufgrund einer Parteimitgliedschaft bzw. der Zugehörigkeit zur Gruppe der Sikhs eine individuelle Verfolgung droht.

1.3. Es wird nicht festgestellt, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf das Leben gefährdet ist, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen ist oder von der Todesstrafe bedroht ist oder willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt ist.

Der BF ist gesund, arbeitsfähig und in der Lage, im Herkunftsstaat seinen notwendigen Unterhalt zu sichern. Er verfügt über eine 15-jährige Schulbildung mit Maturaabschluss, hat Berufserfahrung als Landwirt und Paketzusteller und spricht neben Punjabi und Hindi auch ein wenig Englisch. Der BF verfügt in Indien über Familienanschluss und besteht regelmäßiger Kontakt zu seinen Eltern und seinem Bruder, welche nach wie vor im Heimatdorf leben.

1.4. Der BF hat keine in Österreich lebenden Familienangehörigen und verfügt über keine intensiven sozialen Bindungen im Bundesgebiet. Der BF ist strafrechtlich unbescholten und arbeitet als Paketzusteller. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF über nennenswerte Deutschkenntnisse verfügt oder bereits einen Deutschkurs erfolgreich abgeschlossen hat. Es können keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Sicht festgestellt werden.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat werden die im Rahmen der Einvernahme dem BF vorgelegten Länderberichte herangezogen. Es werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

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BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

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Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,

http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017

-

Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir

http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017

2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die – auch sprachliche – Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP – Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations – ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile – Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

3.1. Jammu und Kaschmir

Erhebliches Unruhepotential besteht weiterhin im Bundesstaat Jammu und Kaschmir, wo Angriffe eindringender Militanter, der ungeklärte Konflikt zwischen Indien und Pakistan um die Region, die Unzufriedenheit der mehrheitlich muslimischen kaschmirischen Bevölkerung und teils drakonische Sonderrechte indischer Sicherheitskräfte ein Klima des Misstrauens und der Angst schaffen (AA 9.2016b). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter” und "Kollaborateure” der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft" (AA 16.8.2016).

Indien zählt weltweit zu den zehn am stärksten vom islamistischen Fundamentalismus betroffenen Staaten. In den letzten zehn Jahren wurden über 6.000 Menschen Opfer islamistischer Gewalt. Den Schwerpunkt bildet dabei der von Indien kontrollierte Teil Kaschmirs. Das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten in Indien bleibt die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.11.2015).

Seit September 2014 ist es wiederholt zu Feuergefechten gekommen. Zehntausende Zivilisten auf beiden Seiten mussten ihre Häuser verlassen. Indische Regierungsvertreter erklären die Verletzungen des Waffenstillstands als Taktik Pakistans, um Kämpfer und Terroristen in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu schleusen. Die Lage in der Region ist seit Jahrzehnten angespannt, weil dort mehrere bewaffnete Gruppen aktiv sind, u.a. militante Separatistengruppen, die den indischen Staat bekämpfen und in Pakistan Zuflucht finden (BPB 20.11.2015). Seit Monaten wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die Unruhen sind in ihrer Intensität stärker als die von 2010. Manche Beobachter interpretieren sie gar als die blutigsten in der Geschichte Kaschmirs (GIZ 11.2016).

Der von 2014 bis 2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen (AA 9.2016b). Pakistanische Streitkräfte haben das Waffenstillstandsabkommen allein im August 2014 16mal verletzt. Berichten zufolge waren Aufständische jedoch nicht in der Lage, die internationale Grenze zu überschreiten (FH 28.1.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 183 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 117, für das Jahr 2013 181, für das Jahr 2014 193 für das Jahr 2015 174 und für das Jahr 2016 267 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BPB 20.11.2015). Unter dem Sonderermächtigungsgesetz für das indische Militär kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Im September 2015 wurden sechs indische Soldaten aufgrund ihrer Rolle bei der Tötung von Zivilisten in Kaschmir von einem Militärgericht zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Allgemein gilt die steigende Wahlbeteiligung im indischen Unionsstaat Jammu und Kaschmir als Indikator für eine wachsende Anerkennung der Legitimität Indiens in der Region (BPB 20.11.2015). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html#doc346922bodyText3, Zugriff 5.12.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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