TE Bvwg Beschluss 2017/11/16 I407 2170448-1

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Veröffentlicht am 16.11.2017
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Entscheidungsdatum

16.11.2017

Norm

BBG §40
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

I407 2170448-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX, geb. am XXXX (Passnummer: XXXX) vom 06.09.2017 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice BASB Landesstelle Tirol vom 10.08.2017, GZ 90207692700021, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 10.08.2017, GZ: 90207692700021 hat das Sozialministeriumsservice Landesstelle Tirol festgestellt, dass XXXX (i.f. Antragsteller) ein Behindertenpass ausgestellt wird. Das medizinische Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass ein Grad der Behinderung von 70% festgestellt wurde.

2. Der Antragsteller hat mit am 15.09.2017 eingelangtem Formular beim Bundesverwaltungsgericht Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde im Umfang der Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt beantragt und ein Konvolut von Unterlagen zur Unterstützung seines Vorbringens beigefügt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der verfahrensrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang. Der Antragsteller ist mit der entsprechenden Rechtslage und mit seinem Gesundheitszustand ausreichend vertraut, bezieht eine monatliche Pension in der Höhe von monatlich € 1692,-, ist mit einer pensionsbezugsberechtigten Frau verheiratet, hat sonst keine weiteren Sorgepflichten und hat für die Benützung einer Mietwohnung monatlich € 480,- zu bezahlen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis zu den persönlichen und finanziellen Verhältnissen wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Gerichtsakt.

Die Feststellung, dass der Antragsteller mit der entsprechenden Rechtslage ausreichend vertraut ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass er vor dem Sozialministeriumsservice zweimal erfolgreich einen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung und einmal einen Antrag auf Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" bei der Behörde zulässig eingebracht hat.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit seinem Gesundheitszustand ausreichend vertraut ist, ergibt sich aus seinen Ausführungen auf dem verfahrensgegenständlichen Antrag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gem. § 414 Abs. 2 ASVG iVm § 410 Abs. 1 ASVG Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Zu A) Rechtsgrundlagen

§ 8a VwGVG bestimmt:

"Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist.

Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Im Verfahren vor dem BVwG keine Anwaltspflicht, insbesondere nicht für das Erheben einer Beschwerde im Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz. Auch sind seitens der beschwerdeführenden Partei keinerlei Gebühren oder sonstige Verfahrenskosten (Sachverständigengebühren, Eingabegebühren, Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren, Sachaufwände udgl.) zu tragen. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei Kenntnis über die entsprechende Rechtslage, als auch über ihren persönlichen Gesundheitszustand besitzt, welche für die Beschwerdeerhebung benötigt wird. Dies begründet sich unter anderem aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits dreimal einen Antrag auf Grundlage des Bundesbehindertengesetz gestellt hat.

Unter dem Blickwinkel, einen entscheidungsreifen Sachverhalt zu erörtern, besitzt der Beschwerdeführer die notwendige Fachkenntnis seinen Gesundheitszustand darzulegen, schlussfolgernd ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer selbst in der Lage ist, sein Recht wirksam durchzusetzen. Eine etwaige erforderliche Manuduktion in der Verhandlung, z. B. wann die Aussage verweigert werden darf, erfolgt durch den Richter, weshalb der Antragsteller durch die Nichtbeigebung eines Rechtsanwaltes auch dahingehend keinerlei Nachteile erfährt. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung bei der Beschwerdeerhebung erforderlich machen, sind nicht zu erwarten und ist nicht zu erkennen, dass der Antragsteller die wahren Verhältnisse vor dem erkennenden Gericht nicht ohne anwaltlichen Beistand darzulegen vermag. Aussagen zu etwaigen Erfolgsaussichten können derzeit nicht getätigt werden. Zur Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller ist festzustellen, dass es um die behindertenrechtliche Einordnung Person geht.

Verfahrenshilfe ist gem. § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich dass diese geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen.

Aus den obigen Feststellungen ergibt sich resümierend, dass im vorliegenden Fall Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht geboten ist. Somit braucht nicht mehr geprüft werden, ob der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können (s. auch BVwG L510 2127009-1 vom 07.02.2017). Aus demselben Grund war auch nicht mehr zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint und liegen somit die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen war.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8a VwGVG fehlt.

Schlagworte

Revision zulässig, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I407.2170448.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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