TE Vwgh Beschluss 2017/10/17 Ra 2017/01/0060

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Veröffentlicht am 17.10.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62;
B-VG Art133;
VwGG §45 Abs1 Z3;
VwGG §45;
VwGG §46;
VwGG §62 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über den Antrag des G B in W, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, auf Wiederaufnahme des durch Erkenntnis vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0060, abgeschlossenen Revisionsverfahrens, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiederaufnahme wird nicht stattgegeben.

Der Antrag auf "Anmerkung im Rechtsinformationssystem des Bundes" wird zurückgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Der Revisionswerber erhob am 15. Mai 2017 gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 10.1.2017, Zl. L507 2141625-1/4E, Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

2 In dieser Revision wies der Revisionswerber darauf hin, dass er gegen das Erkenntnis des BVwG zudem eine Beschwerde (nach Art. 144 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhoben habe.

3 Vor Erlassung des hg. Erkenntnisses vom 20.6.2017, Ra 2017/01/0060, fragte der Verwaltungsgerichtshof (Geschäftsstelle) beim VfGH an, ob im dortigen Verfahren E 566/2017 betreffend den Revisionswerber bereits eine Entscheidung ergangen sei. Dies wurde vom VfGH (Geschäftsstelle) am 23. Juni 2017 verneint, das Verfahren sei noch offen.

4 Sodann wurde das am 20. Juni 2017 beschlossene hg. Erkenntnis mit Zustellung an die Verfahrensparteien am 1. August 2017 erlassen. Mit diesem Erkenntnis wurde die Revision als unbegründet abgewiesen.

Antrag auf Wiederaufnahme

5 Am 14. August 2017 stellte der Revisionswerber den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 VwGG verbunden mit einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 VwGG.

6 Begründend wies der Antragsteller auf das Erkenntnis des VfGH vom 9.6.2017, E 566/2017-16, hin. Mit diesem Erkenntnis habe der VfGH entschieden, dass der Revisionswerber durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.1.2017, Zl. L 5072141625-1/4E, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden sei und dieses Erkenntnis aufgehoben. Das Erkenntnis des VfGH sei dem Revisionswerber am 14. Juli 2017 zugestellt worden.

7 Mit dieser Entscheidung habe der VfGH das auch beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Erkenntnis des BVwG endgültig aus dem Rechtsbestand beseitigt. Somit wäre das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nach § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG wegen formeller Klaglosstellung des Revisionswerber einzustellen gewesen.

8 Vor diesem Hintergrund beruft sich der Revisionswerber auf den Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 3 VwGG. Offenkundig sei die Tatsache der Erlassung des zitierten Erkenntnisses des VfGH dem Verwaltungsgerichtshof vor der Erlassung seines Erkenntnisses nicht bekannt gewesen. Diese Tatsache werde dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr nachträglich im Wege des Wiederaufnahmeantrages zur Kenntnis gebracht.

9 Des Weiteren stellte der Revisionswerber den Antrag "auf Anmerkung im Rechtsinformationssystem des Bundes". Im Rechtsinformationssystem des Bundes sei im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des in Rede stehenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes anzumerken, dass die dem Erkenntnis zugrundeliegende Entscheidung des BVwG mit Erkenntnis des VfGH vom 9.6.2017 aus dem Rechtsbestand beseitigt worden sei.

10 Sodann regt der Revisionswerber eine "amtswegige Erkenntnisbehebung" an, da das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im inhaltlichen Widerspruch zu jenem des VfGH stehe.

11 Eine Wiederaufnahme nach § 45 VwGG ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich (vgl. den hg. Beschluss vom 13.9.2016, 2016/03/0003, mwN).

12 Gemäß der klaren Regelung des § 45 Abs. 1 Z 3 VwGG, die durch die Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 nicht geändert wurde (vgl. so bereits zu § 45 Abs. 4 VwGG den hg. Beschluss vom 21.4.2015, 2014/09/0003), ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

13 Voraussetzung für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 3 VwGG ist, dass nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte (vgl. den hg. Beschluss vom 18.9.2013, 2013/13/0078, mwN). Es muss sich um eine Entscheidung handeln, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bereits vorhanden war, aber von der Partei nicht eingewendet werden konnte, weil sie ihr damals noch nicht bekannt war (vgl. den hg. Beschluss vom 21.9.2006, 2006/15/0244, mwN).

14 Für den Beginn der Rechtswirksamkeit eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht dessen Entscheidungsdatum maßgebend, sondern der Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses durch Zustellung bzw. Verkündung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25.9.2012, 2008/04/0045, mwN).

15 Die Voraussetzungen dieses Wiederaufnahmegrundes sind vorliegend nicht gegeben:

16 Wie sich bereits aus dem Wiederaufnahmeantrag ergibt, wurde das Erkenntnis des VfGH vom 9.6.2017, E 566/2017-16, dem Revisionswerber (auch vor dem VfGH vertreten durch den vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgewiesenen Rechtsvertreter) am 14. Juli 2017 zugestellt.

17 Das hg. Erkenntnis Ra 2017/01/0060 wurde hingegen erst am 1. August 2017 erlassen.

18 Der Revisionswerber hat die Entscheidung des VfGH dem Verwaltungsgerichtshof, obwohl er in Kenntnis des dort anhängigen Revisionsverfahren war, auch nicht unverzüglich bekannt gegeben, sondern diese Entscheidung des VfGH dem Verwaltungsgerichtshof erst nach Erlassung des Erkenntnisses Ra 2017/01/0060 im Wege des Wiederaufnahmeantrags zur Kenntnis gebracht.

19 Gründe, die ihn an der Geltendmachung dieser Entscheidung des VfGH im Revisionsverfahren bis zur Erlassung des Erkenntnisses gehindert hätten, bringt der Revisionswerber nicht vor und sind auch nicht zu sehen (vgl. auch hiezu den hg. Beschluss 2006/15/0244).

20 Bereits aus diesem Grund war dem Wiederaufnahmeantrag nicht stattzugeben.

21 Der Revisionswerber stellt in diesem Zusammenhang den Antrag auf "Anmerkung im Rechtsinformationssystem des Bundes".

22 Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) ist eine vom Bundeskanzler betriebene elektronische Datenbank. Es dient der Kundmachung der im Bundesgesetzblatt zu verlautbarenden Rechtsvorschriften, einer allfälligen Kundmachung von in einem Landesgesetzblatt zu verlautbarenden Rechtsvorschriften sowie der Information über das Recht der Republik Österreich (vgl. § 6 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 2004, BGBl. I Nr. 100/2003 in der Fassung BGBl. Nr. 51/2012, mit Verweis auf die §§ 7 und 13 dieses Gesetzes).

23 Ein Anspruch auf Veröffentlichung von Erkenntnissen und Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes im RIS ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sohin besteht auch kein Anspruch auf "Anmerkung" im RIS, weshalb der Antrag zurückzuweisen war.

24 Im Hinblick auf die "Anregung der amtswegigen Erkenntnisbehebung" ist darauf hinzuweisen, dass Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes abgesehen von den Fällen einer zulässigen Wiederaufnahme des Verfahrens oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unanfechtbar und unabänderlich sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16.2.2016, Ra 2015/02/0245, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof kann seine Entscheidungen auch nicht von sich aus abändern (vgl. den hg. Beschluss vom 25.5.2016, Ra 2015/06/0054).

Wien, am 17. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010060.L00.1

Im RIS seit

22.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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