Entscheidungsdatum
25.09.2017Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 8 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger OAR Neustifter über die Beschwerde der Frau D. A., Wien, T.-Straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region …, Sozialzentrum …, vom 11.04.2017, Zl. MA 40 - SH/2017/01494197-001,
zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 10.03.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes und Mietbeihilfe) gemäß § 4, 7, 9, 10, 12 und 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetz es (WMG) in der geltenden Fassung abgewiesen.
Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.03.2017 gemäß § 16 Abs. 1 WMG unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 16 WMG (Abweisung des Antrages wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht) aufgefordert worden sei, bis 04.04.2017 schriftlich bekanntzugeben, um wen es sich bei der weiteren männlichen Person handle, welche an ihrer Wohnadresse gemeldet sei sowie eine schriftliche Stellungnahme in welchem Verhältnis sie zu dieser stehe (Verwandschaftsverhältnis, Lebensgefährte etc.) zu übermitteln. Weiters sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, falls es sich bei dieser Person um ihren Lebensgefährten/Ehegatten oder um ihr Kind handle, das beigeschlossene Antragsformular gemeinsam mit ihm ausgefüllt und unterschrieben zu übermitteln. Dieser Aufforderung sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Ihr Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung sei daher abzuweisen gewesen. Da die Behörde ohne die verpflichtende Mitwirkung praktisch auf außerstande gesetzt gewesen sei, die für die Bemessung der Leistung rechtserheblichen Tatsachen festzustellen, wären die fehlenden Angaben bzw. Unterlagen zur Beurteilung des Anspruches „unerlässlich“ im Sinne des § 16 WMG gewesen.
In ihrer rechtzeitig und formgerecht eingebrachten Beschwerde rügt Beschwerdeführerin den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Am 14.03.2017 habe sie bei der belangten Behörde einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung gestellt, da sie von ihrer bisherigen Wohnadresse in ... (Steiermark) nach Wien verzogen sei und seit ihrem Umzug in Wien gemeldet sei. Sie sei von der erstinstanzlichen Behörde schriftlich aufgefordert worden, bis zum 04.04.2017 Unterlagen nachzureichen. Da sie aber noch nicht über deutsche Sprachkenntnisse verfüge und ihre Kinderbetreuungspflichten im Moment auch noch dem Besuch eines Deutschkurses verunmöglichten, habe sie bei Erhalt des Dokumentes weder gewusst, dass es sich um eine Aufforderung zur Nachreichung handle, noch dass eine Frist gesetzt worden sei. Sie sei in der Frage der Sprachvermittlung völlig auf ihren Sohn Al. O. angewiesen. Mit dessen Hilfe habe sie sich auch ehestmöglich (am 07.04.2017) persönlich an die erstinstanzliche Behörde gewendet, um zu erfragen, was konkret von ihr gefordert werde. Sie habe mündlich in Erfahrung gebracht, dass Ermittlungsbedarf hinsichtlich der sechsten in ihrem Haushalt lebenden Personen, Ah. H., bestanden habe. Unmittelbar mündlich habe sie dazu vorgebracht, dass dies ihr Sohn sei, der noch Asylwerber sei. Darauf sei ihr geantwortet worden, dass sie den Antrag für ihn nicht auszufüllen brauche, da er nicht anspruchsberechtigt sei. Die Beschwerdeführerin bedauere dass sie bis 04.04 nicht schriftlich Stellung nehmen habe können, habe durch ihre Vorsprache am 07.04 allerdings alles in ihrer Macht stehende unternommen, um ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Mit der Information, dass sie den Antrag nicht aufs Neue auszufüllen habe, habe sie angenommen, dass sie ihre Nachreichungen erledigt habe. Als Beweismittel bietet sie Parteienvernehmung und eine Zeugenvernehmung ihres Sohnes Al. O. an. Für sie völlig überraschend sei ihr Antrag mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung wegen Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht abgelehnt worden. Ihre Beschwerde gegen diese Entscheidung begründe sie wie folgt:
Für die belangte Behörde sei grundsätzlich die Sach-und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt maßgeblich (vgl. zuletzt etwa VwGH Ro 2017/07/0037, 24.11.2016). Unter wörtlicher Zitierung des § 16 WMG verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass sie angesichts ihrer aufgrund ihrer Kinderbetreuungspflichten bedauerlicherweise unverschuldet schlechten Deutschkenntnisse nicht in der Lage gewesen sei, der behördlichen Aufforderung zur Unterlagenvorlage nachzukommen. Sie habe allerdings alles in ihrer Macht stehende unternommen, um ihrer Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen. Es liege ein triftiger Grund im Sinne des § 16 Abs. 1 WMG vor, den sie mittels ihrer Einvernahme und der Einvernahme ihres namhaft gemachten Sohnes nachweisen könne.
Aus den soeben dargestellten Gründen stelle sie den Antrag, das Verwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, der Beschwerde stattgegeben, den bezeichneten Bescheid aufheben und die Leistungen zur Deckelung des notwendigen Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes gewähren; in eventu den bezeichneten Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde zurückverweisen.
Laut Aktenvermerk vom 20.04.2017 hat ein Sohn der Beschwerdeführerin, der nicht an deren Adresse gemeldet ist, in der Servicezone des Sozialzentrums … der belangten Behörde vorgesprochen und vorgebracht, dass diese mit ihren 5 Kindern zusammenlebe und es sich bei der männlichen Person um den Sohn der Beschwerdeführerin (H.) handle, dieser jedoch keinen Asylbescheid habe. Es sei daher ein neuer Antrag (Anm.: gemeint ist wohl ein neues Antragsformular) ausgehändigt und darauf hingewiesen worden, dass der Sohn (H.) „auch ausgefüllt werden muss und unterschreiben muss.“
Beweis wurde geführt durch Einsichtnahme in den unbedenklichen Administrativakt der belangten Behörde. Eine Vorsprache vom 07.04.2017 ist im Behördenakt nicht dokumentiert.
Ein neuer Antrag auf Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung wurde am 26.4.2017 gestellt und diesem laut unangefochten gebliebenen Bescheid vom 26.4.2017, Zl. MA 40 - SH/2017/01545715-001, ab 26.04.2017 bis einschließlich 31.3.2018 stattgegeben.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Das Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) lautet auszugsweise:
§ 16. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie
1.
die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder
2.
die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder
3.
soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann,
ist die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.
(2) Die im Rahmen der Bemessung auf eine Hilfe suchende oder empfangende Person entfallende Leistung ist einzustellen oder abzulehnen, wenn sie unter den in Abs. 1, erster Halbsatz genannten Voraussetzungen nicht mitwirkt, indem sie der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt.
(3) Bei einer Einstellung oder Ablehnung nach Abs. 2 ändert sich der auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwendende Mindeststandard nicht.
Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lautet auszugsweise:
§ 39a. (1) Ist eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, stumm, gehörlos oder hochgradig hörbehindert, so ist erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 sind anzuwenden.
(2) Als Dolmetscher im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die Übersetzer.
„Durch § 39a AVG wird nur der mündliche Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien geregelt. Ein Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde wird damit nicht begründet.“ (VwGH vom 07.07.2000, Zl 2000/19/0055).
Der Verwaltungsgerichtshof hat am 12.12.1997, Zl. 96/19/3394, überdies entschieden:
„Erkennt ein sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufender Fremder die ihm zugestellte behördliche Erledigung als Bescheid, so ist er verpflichtet, sich - allenfalls unter Beiziehung eines Übersetzers - mit dessen Inhalt einschließlich der Rechsmittelbelehrung vertraut zu machen (Hinweis E 25.1.1996, 95/19/1597). Unterlässt er dies, so ist ihm eine den minderen Grad des Versehens übersteigende Sorgfaltspflicht anzulasten. Die "mangelnde Rechtskennntnis" - gemeint offenbar die Unkenntnis der Möglichkeit, gegen den Bescheid Berufung zu erheben - ist eine Folge dieses Sorgfaltsverstoßes, weil der Fremde bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt auch Kenntnis von der dem Bescheid angeschlossenen Rechtsmittelbelehrung, wonach eine binnen zwei Wochen einzubringende Berufung gegen den Bescheid zulässig ist, erlangt hätte.“
Das vom Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit fehlenden Deutschkenntnissen Gesagte gilt wohl grundsätzlich und daher sinngemäß auch für rechtserhebliche Aufforderungen (Verfahrensanordnungen) der Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegenüber der Partei in Bezug auf die - im vorliegenden Anlass Fall auch fristgebundene - parteiliche Mitwirkungspflicht. Die fremdsprachige Partei (Antragstellerin, Beschwerdeführerin) ist daher verpflichtet, wenn sie ein behördliches Schriftstück erhält, das in der Staatssprache (gem. Art. 8 B-VG: Deutsch, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte) verfasst ist, sich - allenfalls unter Beiziehung eines Übersetzers - mit dessen Inhalt einschließlich zu beachtender Fristen vertraut zu machen.
Dadurch, dass die Beschwerdeführerin dem im vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht nachgekommen ist und sich erst nachträglich auf ihre mangelnden Deutschkenntnisse berufen hat, kann von einem triftigen Grund im Sinne des § 16 Abs. 1WMG für die fehlende oder verspätete Mitwirkung keine Rede sein. Vielmehr wäre es ihr oblägen, sich hinsichtlich des Inhaltes des ihr zugestellten Schreibens - allenfalls unter Heranziehung einer sprachkundigen - zu informieren.
Auch das Auffinden einer geeigneten Person ist selbst dann, wenn innerhalb der Familie oder im sonstigen näheren persönlichen Umfeldes der Beschwerdeführerin niemand sofort greifbar gewesen wäre, keine unzumutbare oder gar schwierig zu lösende Aufgabe, zumal gerade für Personen, die als Asylwerber nach Österreich gekommen sind, eine Vielzahl an Beratungseinrichtungen (Flüchtlingsberatungsstellen diverser NGO’s, der Caritas, der Diakonie etc.), die gegebenenfalls - teils mit und teils ohne staatliche Unterstützung - den Hilfe suchenden zur Verfügung stehen.
Die Bekanntgabe, um wen es sich bei der weiteren männlichen Person handle, die bei der Beschwerdeführerin lebt, war für das Verfahren betreffend Mindestsicherung insofern relevant, als nur so festgestellt werden konnte, ob die Person allenfalls zur Bedarfsgemeinschaft gehört, den Antrag mit zu unterfertigen hat oder nicht und wie weit diese Person betreffende persönliche Umstände allenfalls sonst für die Leistungsbemessung relevant sind. Daher erging die Aufforderung (Verfahrensanordnungen) gemäß § 16 WMG zu recht. (Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Frage, ob ein Verbesserungsauftrag gemäß § 32 WMG erforderlich geworden wäre, erst nach Klärung der gemäß § 16 WMG eingeleiteten Erhebung entschieden werden hätte können, je nachdem, ob die weitere männliche Erwachsene Person als Antragsteller und damit auch als Partei im Verfahren in Betracht gekommen wäre oder nicht).
Da dem neuen Antrag vom 26.04.2017 laut unangefochten gebliebenen Bescheid vom 26.4.2017, Zl. MA 40 - SH/2017/01545715-001, ab 26.04.2017 bis einschließlich 31.03.2018 stattgegeben worden ist, liegt ab 26.04.2017 somit hinsichtlich des angefochtenen Bescheides vom 11.04.2017, Zl. MA 40 - SH/2017/01494197-001, keine Beschwer mehr vor. Ein Antrag, der von der Beschwerdeführerin oder von einem von ihr mit einer schriftlichen Vollmacht ausgewiesenen Vertreter nach dem 10.03.2017 (ursprünglicher Antrag) und vor dem 26.04.2017 (neuer Antrag) gestellt worden wäre und der somit Raum gäbe, schon vor dem 26.04.2017 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuzuerkennen, ist insbesondere auch nicht vom 07.04.2017 bzw. vom 22.04.2017 aktenkundig.
Schlagworte
Verfahrensrecht; Mindestsicherung, Mitwirkungspflicht; Staatssprache, Übersetzer, DolmetscherEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.021.RP25.6615.2017Zuletzt aktualisiert am
21.11.2017