Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des CB in Innsbruck, geboren am 31. Dezember 1955, vertreten durch Dr. Martin Schatz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 4/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. November 1996, Zl. III 320/96, betreffend Versagung eines Reisepasses und Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 6. November 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 des Passgesetzes 1992 (PassG) BGBl. Nr. 839 i.d.F. BGBl. Nr. 507/1995 die Ausstellung eines Reisepasses versagt und gemäß § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG der von der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 26. August 1992 ausgestellte Reisepass mit der Nummer W0720267 entzogen.
Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides und des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der maßgeblichen Bestimmungen des PassG führte die belangte Behörde begründend aus, der Beschwerdeführer habe eine strafbare Verhaltensweise, also eine Tatsache im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 leg. cit., die für die Versagung der Ausstellung eines Reisedokumentes (und damit auch für die Entziehung) relevant sei, durch die dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landgerichtes München I vom 25. Oktober 1993 zu Grunde liegende Straftat gesetzt. Diese sei eine geeignete Grundlage für die Erstellung einer - negativen - Prognose über das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers in Bezug auf Suchtgiftdelikte. Der Beschwerdeführer könne - wie jeder Mensch - auch in Zukunft wieder "aus den Fugen geraten". Die Zeit seines Wohlverhaltens, insbesondere seit seiner Haftentlassung im Dezember 1995, sei noch zu kurz, um ihm seriöserweise eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung zur Rechtsordnung hin zu einem rechtstreuen Menschen attestieren zu können.
Mit dem besagten Urteil sei der Beschwerdeführer wegen "unerlaubtem Handeltreiben und versuchtem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln" mit einer - unbedingten - fünfjährigen Freiheitsstrafe belegt worden. Er sei am 21. Oktober 1992 in Deutschland festgenommen und am 6. Dezember 1995 aus der Haft entlassen worden. Dem Urteil liege ein Kokain-Deal großen Stils (Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des Suchtgiftgesetzes) zu Grunde, wobei der Beschwerdeführer das Suchtgiftgeschäft mit "verdeckten Ermittlern" des Deutschen Bundeskriminalamts abzuwickeln versucht habe. Die erstinstanzliche Behörde habe ihm daher völlig zu Recht die Ausstellung eines neuen Reisepasses versagt und den alten Pass entzogen.
Nach Wiedergabe wesentlicher Passagen aus dem besagten Urteil führte die belangte Behörde weiters aus, die Maßnahme der Versagung der Ausstellung bzw. der Entziehung eines Reisedokumentes sei keine (Zusatz)Strafe und es sei hiefür auch nicht das Kriterium der Drogenabhängigkeit oder Drogenfreiheit von primärer Bedeutung, sondern es komme der Versagung der Ausstellung (demgemäß auch der Entziehung eines Reisedokumentes) die Funktion einer Sicherungsmaßnahme zu, die die betroffene Person während eines längeren Zeitraumes am Grenzübertritt und damit u. a. auch an der Möglichkeit der Gefährdung der Volksgesundheit durch einen Auslandsaufenthalt hindern solle. Nach Darlegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über den Zweck der angeführten Sicherungsmaßnahme wies die belangte Behörde darauf hin, dass - um sich im Inland erforderlichenfalls ausweisen zu können - nicht ein Reisedokument (Reisepass, Personalausweis) erforderlich sei, sondern beispielsweise ein "Postausweis" genüge.
Da die Aufnahme einer Versagungsdauer (bzw. Entziehungsdauer) in den Spruch eines Versagungsbescheides (bzw. Entziehungsbescheides) gesetzlich nicht vorgesehen und daher nicht möglich sei und eine entsprechende richtungsweisende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf diese Zeitraumfrage nicht bestehe, hätten die Passbehörden in den letzten Jahren eine "angemessene" Praxis entwickelt. Als Mindestdauer für die Versagung der Ausstellung eines Reisedokumentes (bzw. den Entzug eines solchen) und damit die Anspruchserlangung auf die spätere Neuausstellung eines solchen werde ein Zeitraum absoluten Wohlverhaltens in Bezug auf die Begehung von Drogendelikten im Ausmaß von drei Jahren ab Begehung der letzten strafbaren Verhaltensweise nach dem österreichischen Suchtgiftgesetz oder der entsprechenden Rechtsnorm eines anderen Staates angesehen, dessen Unterschreitung das ganze Instrumentarium der Versagung (bzw. Entziehung) ad absurdum führen würde. Als Durchschnittszeitraum werde eine Dauer von fünf Jahren (Frist nach dem Tilgungsgesetz) angesehen, wobei diese je nach der Lage des Einzelfalles unterschritten oder über diese hinaus gegangen werden könne. Bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe müsse sich die betroffene Person jedoch zumindest ein Jahr, rückgerechnet ab dem Ende des Zeitraumes notwendigen Wohlverhaltens, in Freiheit befunden haben. Dieser Zeitraum werde jeweils von der örtlich zuständigen Passbehörde erster Instanz genau bestimmt, wenn die von der Versagung der Ausstellung (bzw. vom Entzug) eines Reisedokumentes betroffene Person neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines solchen stelle, und dann diese Behörde auf Grund der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sachlage eine Entscheidung zu treffen habe. Die belangte Behörde übersehe keineswegs die im besagten Gerichtsurteil angeführten Milderungsgründe, ebenso wenig den relativ lang zurückliegenden Tatzeitpunkt (Oktober 1992); sie sei jedoch unter umfassender Berücksichtigung des Gerichtsurteils der Ansicht, dass im vorliegenden Fall als unterste Grenze der "Durchschnittszeitraum" von fünf Jahren, gerechnet ab Oktober 1992, anzuwenden sei, sodass dem Beschwerdeführer - Wohlverhalten bis dorthin vorausgesetzt - ab Oktober 1997 ein Reisedokument ausgestellt werden könne. Dass sich der Beschwerdeführer während der Haftverbüßung und nach der Haftentlassung bis dato wohlverhalten habe, berücksichtige die belangte Behörde durchaus, die Zeit des Wohlverhaltens sei jedoch - wie bereits angeführt - noch zu kurz. Dass die erstinstanzliche Behörde erst durch den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Reisepasses vom 18. Juli 1996 auf die schwere Vorstrafe in Deutschland gestoßen sei (worauf sie das gegenständliche Verwaltungsverfahren eingeleitet habe), ändere nichts an der Grundlage und am Ergebnis dieses Verwaltungsverfahrens bzw. an der Notwendigkeit der gegenständlichen passrechtlichen Maßnahmen. Es liege zwar nur eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vor, diese sei jedoch eine schwere, wobei Art und Höhe der Strafe einen Rückschluss auf die Schwere der Straftat und die daraus hervorleuchtende Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit bzw. die Volksgesundheit zulasse. Daraus, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck keinen Handlungsbedarf mehr gesehen habe, könne der Beschwerdeführer für das gegenständliche Administrativverfahren nichts gewinnen, weil die zuständigen Passbehörden die Sache eigenständig, ausschließlich unter passrechtlichen Gesichtspunkten, beurteilen müssten. Bei entsprechendem Wohlverhalten wäre erst ab Oktober 1997 diese passrechtliche Maßnahme gegen den Beschwerdeführer nicht mehr möglich bzw. notwendig. Dass der Beschwerdeführer selbst diese Maßnahme durch seinen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses ausgelöst habe, sei sozusagen "sein Pech". Eine Entscheidung über den Antrag, der Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrige sich angesichts der Entscheidung in der Sache selbst. Die Einholung des deutschen Strafvollzugsaktes sei entbehrlich, weil die belangte Behörde auch so davon ausgehe, dass sich der Beschwerdeführer im Strafvollzug in Deutschland wohlverhalten habe. Auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis einer günstigen Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer werde verzichtet, weil die Fakten "ohnehin am Tisch liegen" und die Beurteilung dieser Fakten Sache der zuständigen Behörde und nicht eines Sachverständigen (Psychiaters) sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 sowie § 15 Abs. 1 PassG lauten:
"§ 14. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn
...
3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um
...
f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder
4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
§ 15. (1) Ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen."
2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die von der belangten Behörde festgestellte Straftat begangen zu haben und deswegen zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden zu sein. Demnach hat der Beschwerdeführer einen "Kokain-Deal großen Stils" (Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des Suchtgiftgesetzes) begangen, wobei er das Suchtgiftgeschäft (nach den Feststellungen: Erwerb von drei kg Kokain, wovon zweieinhalb kg Gewinn bringend weiterveräußert und der Rest für den Eigenkonsum verwendet werden sollte) mit "verdeckten Ermittlern" des Deutschen Bundeskriminalamts abzuwickeln versucht habe. Von daher kann es unter Berücksichtigung der Suchtgiftdelikten immanenten besonders großen Wiederholungsgefahr nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, es sei die Annahme gerechtfertigt, der Beschwerdeführer werde den Pass dazu benützen, Suchtgift in einer großen Menge einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.
2.2. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, die "inkriminierte Strafbehandlung" liege bereits Jahre zurück und er habe sich sowohl während der Dauer der Haft als auch nach der Haftentlassung vorbildlich verhalten, ist ihm zu entgegnen, dass er sich nach den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides vom 21. Oktober 1992 bis 6. Dezember 1995 in Haft befunden hat. Die seit der Haftentlassung verstrichene Zeit - und nur diese ist im gegebenen Zusammenhang zu berücksichtigen - ist aber angesichts der Schwere des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Fehlverhaltens viel zu kurz, um die von ihm ausgehende Gefahr der Begehung weiterer derartiger Suchtgiftdelikte als in relevantem Ausmaß gemindert anzusehen. Nach dem Vorgesagten ist auch der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Sachverhalt - durch Nichteinholung eines psychiatrischen Gutachtens über die in Bezug auf den Beschwerdeführer zu treffende Prognose - unzureichend ermittelt, der Boden entzogen.
Dem Beschwerdeeinwand, schon durch die Möglichkeit des Widerrufes der bedingten Haftentlassung und der Wiederaufnahme des (eingestellten) Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Innsbruck im Falle neuerlichen einschlägigen strafbaren Verhaltens sei "eine Sicherungsmaßnahme als gegeben anzusehen", die über die von der belangten Behörde - durch Versagung bzw. Entziehung des Reisepasses - getroffenen Maßnahmen weit hinausgehe, ist entgegenzuhalten, dass die Passbehörde die Frage des Vorliegens eines Versagungsgrundes für die Ausstellung bzw. eines Grundes für die Entziehung eines Reisepasses nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen hat, woraus folgt, dass die vom Beschwerdeführer angesprochene Möglichkeit des Widerrufs der bedingten Haftentlassung und der Wiederaufnahme des (eingestellten) Verfahrens den vorliegend ergriffenen passrechtlichen Maßnahmen nicht entgegensteht.
3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen begegnet auch die weitere Annahme der belangten Behörde, dass durch einen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland die innere Sicherheit der Republik Österreich, insbesondere die Volksgesundheit, im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG gefährdet sein könnte, keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 96/18/0473).
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. August 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997180038.X00Im RIS seit
21.12.2000