Entscheidungsdatum
08.11.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I411 2160194-1/10E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. ALGERIEN, geboren am XXXX, vertreten durch Verein für Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 20.04.2017, Zl. XXXX, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2017, Zahl: XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).
2. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 21.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Verein für Menschenrechte – VMÖ als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.
3. Der Bescheid wurde nach einem Zustellversuch am 25.04.2017 an der im ZMR registrierten Hauptwohnsitzadresse des Beschwerdeführers (XXXX) zur Abholung beim Zustellpostamt XXXX ab dem 25.04.2017 (Beginn der Abholfrist) hinterlegt. Das Poststück wurde mit dem Vermerk "nicht behoben" am 16.05.2017 retourniert. Am 23.05.2017 erschien der Beschwerdeführer persönlich vor der belangten Behörde und wurde ihm am selben Tag eine Kopie des Bescheides übergeben.
4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein für Menschenrechte - VMÖ mit Schriftsatz vom 30.05.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer macht darin im Wesentlichen ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend. Zur Rechtzeitigkeit seiner Beschwerde führte er aus, dass der Bescheid am 23.05.2017 zugestellt worden sei und die Erhebung der Beschwerde damit binnen offener Frist erfolgen würde.
5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer mit einem Verspätungsvorhalt mitgeteilt, dass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde verspätet der belangten Behörde eingebracht wurde. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, zum übermittelten Parteiengehör eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
6. Mit Schriftsatz vom 20.06.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am selben Tag, wurde vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 27.04.2017 bei der belangten Behörde persönlich informiert worden, dass ihm der Bescheid postalisch zugestellt werde und er die Zustellung abwarten solle. Am 08.05.2017 habe er sich erneut an die belangte Behörde gewandt und man habe ihm mitgeteilt, dass der Bescheid hinterlegt worden sei. Auf mehrmalige Nachfrage beim Postamt habe man ihm mitgeteilt, dass kein Bescheid für ihn aufliege. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Bescheid lt. Postamt bis 16.05.2017 hinterlegt gewesen sei, dem Beschwerdeführer aber nicht übergeben worden sei. Erst am 23.05.2017 habe er bei der belangten Behörde den Originalbescheid vom 21.04.2017 (gemeint wohl 20.04.2017) persönlich entgegen genommen und davon Kenntnis erlangt. Eine rechtmäßige Zustellung sei somit erst am 23.05.2017 erfolgt. Eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung oder mit fehlerhafter Verständigung entfalte keine Rechtswirkung.
7. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde der belangten Behörde mit Schreiben vom 23.06.2017 zur Kenntnis gebracht.
8. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.09.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I411 neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben unter I. dargestellte Verfahrensgang wird als maßgeblicher Sachverhalt festgestellt. Die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides vom 20.04.2017 erfolgte am 25.04.2017 mittels Hinterlegung. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers brachte die Beschwerde gegen den bezeichneten Bescheid per E-Mail am 30.05.2017 bei der belangten Behörde ein. Die Beschwerde ist jedenfalls verspätet.
2. Beweiswürdigung:
Der angeführte Verfahrensgang und der dazu festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Feststellung, dass der angefochtene Bescheid am 25.04.2017 hinterlegt wurde und die Verständigung über die Hinterlegung n die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Rückschein.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur (funktionellen) Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Weder das AsylG 2005, noch das FPG 2005 ersehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht den gegenständlichen Beschwerdefall durch Einzelrichter zu entscheiden hat.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
Die maßgebliche Bestimmung zur Zustellung durch Hinterlegung, § 17 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, idF BGBl. I Nr. 40/2017, lautet:
"Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Da das Schriftstück nach einem Zustellversuch am 25.04.2017 hinterlegt, am selben Tag zur Abholung bereit gestellt und eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde, ist die Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Zustellgesetz am 25.04.2017 ordnungsgemäß und somit rechtmäßig erfolgt.
Die maßgebliche Bestimmung des § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, lautete zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 20.04.2017 (idF BGBl. I Nr. 24/2016):
"Beschwerdefrist und Wirkung von Beschwerden
§ 16. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes beträgt in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 2, 4 und 7 zwei Wochen, sofern nichts anderes bestimmt ist. Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist. § 7 Abs. 4 erster Satz Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 ist, sofern es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, diesfalls nicht anwendbar."
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.09.2017, G 134/2017-12, G 207/2017-8, wurden die Wortfolge "2, 4 und" sowie der Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." in § 16 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben und es wurde ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden ist. Diese Aufhebungen gelten daher auch für den vorliegenden Beschwerdefall.
Die zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltende Wortfolge "2, 4 und" sowie der Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." in § 16 Abs. 1 BFA-VG idF 24/2016, der die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen einen Bescheid betreffend die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Österreich gemäß dem AsylG 2005 (§ 3 Abs. 2 BFA-VG) mit zwei Wochen festlegte, ist daher verfassungswidrig.
Der mit "Beschwerderecht und Beschwerdefrist" titulierte § 7 Abs. 4 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, lautet:
"§ 7. (4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,
2. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat,
3. in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung,
4. in den Fällen des Art. 132 Abs. 4 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem die Schulbehörde, an die die Weisung gerichtet ist, von dieser Kenntnis erlangt hat, und
5. in den Fällen des Art. 132 Abs. 5 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat."
Im gegenständlichen Verfahren liegt eine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG vor und es gilt nach Aufhebung der Sonderregelung des § 16 Abs 1 Z 1 BFA-VG gemäß § 7 Abs 4 VwGVG eine vierwöchige Beschwerdefrist, deren Fristenlauf mit der Hinterlegung des Bescheides am 25.04.2017 ausgelöst wurde.
Eine nach Wochen bestimmte Frist endet um Mitternacht (24:00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH 18.10.1996, 96/09/0153 mwN).
Vor diesem Hintergrund endete die vierwöchige Beschwerdefrist gemäß § 32 Abs 2 AVG am Dienstag, 23.05.2017, 24:00 Uhr und erweist sich die gegenständliche, am 30.05.2017 eingebrachte Beschwerde als verspätet. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fristversäumung, Rechtsmittelfrist, Verspätung, Zurückweisung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I411.2160194.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.11.2017