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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §35 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über den Antrag des KS in N, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 95/15/0085, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem zitierten, am 19. April 2000 zugestellten Erkenntnis wurde eine Beschwerde des Antragstellers "betreffend u.a. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommen- und Gewerbesteuerverfahren für die Jahre 1985 bis 1989" als unbegründet abgewiesen. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde dabei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Innerhalb offener Frist begehrt der Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. Mai 2000 gestützt auf § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung, der Verwaltungsgerichtshof habe ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Wäre die beantragte mündliche Verhandlung durchgeführt worden, hätte er im Rahmen des Parteiengehörs (im Zuge der mündlichen Verhandlung) zur Aufklärung bestimmter "Missverständnisse bzw. Unklarheiten" ein Vorbringen erstatten können. Es sei anzunehmen, dass demzufolge das Erkenntnis anders gelautet hätte. So hätte er bereits bezüglich der in der Beschwerde geltend gemachten Rechtsverletzung in der mündlichen Verhandlung leicht aufklären können, dass er sich in der Beschwerde nicht nur in seinem Recht auf Beachtung der Rechtskraft der Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1985 bis 1989 verletzt erachtet habe, sondern auch im Recht auf richtige Berechnung der Einkommen- und der Gewerbesteuer in den Streitjahren. Ein insoweit in der Beschwerde bedauerlicherweise nicht verbesserter Hör-/Korrekturfehler (unrichtige Klammersetzung und Verwendung des Wortes "weil" anstatt "weiters") sei wegen der Unterlassung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ungeklärt geblieben. Weiters hätte eine mündliche Verhandlung zu einer Klärung bzw. einem Wegfall der Annahme verschiedener "Unbestrittenheiten" im Erkenntnis und demzufolge zu einem anderen Ergebnis geführt. So lese er im Erkenntnis "auf Seite 2, es sei 'dabei als unbestritten (?) anzusehen, dass die in Höhe von Ausfuhrvergütungen von Marktordnungswaren erstatteten Rabatte auf ein näher angeführtes, im Namen des Beschwerdeführers lautendes schweizer Bankkonto überwiesen wurden', und auf Seite 3, es sei 'hingegen unbestritten (?), dass eine solche Weitergabe der Rabatte (an Herrn Winkler) bislang tatsächlich nicht erfolgte'." Beides entspreche nicht der Aktenlage und hätte in der mündlichen Verhandlung leicht aufgeklärt werden können (der Beschwerdeführer verweist dazu auf bestimmte - offenbar missverständlich aufgefasste - Passagen in seiner Beschwerde und im angefochtenen Bescheid).
Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte.
Einem Wiederaufnahmeantrag wegen des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG könnte im Hinblick auf diese Gesetzesstelle nur dann Erfolg zukommen, wenn der Antragsteller konkret aufzeigen könnte, dass die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Dazu ist weiters zu beachten, dass es, wie nicht nur die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Z. 6, sondern insbesondere auch die Bestimmung des § 35 Abs. 1 VwGG zeigt, grundsätzlich Aufgabe des Beschwerdeführers ist, die Beschwerde so abzufassen, dass auch ohne Verhandlung über sie entschieden werden kann, und es der Beschwerdeführer grundsätzlich in Kauf nehmen muss, dass über seine Beschwerde ohne Durchführung der von ihm beantragten Verhandlung entschieden wird (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1988, 88/14/0021). Ein Vorbringen beispielsweise dahingehend, der Verwaltungsgerichtshof habe sich bei Fällung seines Erkenntnisses nicht mit sämtlichen vom Antragsteller erhobenen Einwendungen auseinander gesetzt, ist nicht geeignet, die Wiederaufnahme nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG zu bewirken, weil ein vom Antragsteller gegen die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichtshofes erhobener Vorwurf nicht der Verletzung des Parteiengehörs gleichgehalten werden kann (vgl. beispielsweise den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1999, 98/15/0131). Auch bietet die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG keine Handhabe, eine in dem abgeschlossenen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhaltsannahme oder die vom Verwaltungsgerichtshof geäußerte Rechtsansicht bekämpfen zu können (vgl. z.B. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1989, 89/04/0095).
Soweit der Antragsteller vorträgt, es sei ihm zu Unrecht zur in der Beschwerde geltend gemachten Rechtsverletzung kein Parteiengehör gewährt worden, kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist zwar zutreffend, dass der in Klammern stehende Erläuterungssatz zur in der Beschwerde bezeichneten Rechtsverletzung in Bezug auf die "Beachtung der Rechtskraft der Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1985 bis 1989" nicht grammatikalisch einwandfrei ist. Da im angefochtenen Bescheid die Wiederaufnahme des Verfahrens aber gerade deshalb strittig war, weil die neu hervorgekommenen Tatsachen nach Ansicht des Antragstellers zu keinen anderen Sachbescheiden hätten führen dürfen, sprach die Verwendung des Wortes "weil" im erwähnten Erläuterungssatz nicht gegen eine ausschließliche Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch die Wiederaufnahmeentscheidungen. Dazu kommt, dass die Beschwerdeschrift insgesamt mit dem Satz: "Demzufolge liegt kein Wiederaufnahmegrund vor und hat es bei der Rechtskraft der Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre zu bleiben." schließt und sich auch daraus - wie auch den übrigen Beschwerdeausführungen - kein Anhaltspunkt für eine eigenständige Geltendmachung einer Rechtsverletzung betreffend die Sachentscheidungen ergab. Außerdem wurde sowohl in der dem Antragsteller zugegangenen Einleitung des Vorverfahrens vom 29. Juni 1995, 1995/15/0085-2, als auch in der Gegenschrift der belangten Behörde vom 8. August 1995 als Prozessthema allein die "Wiederaufnahme des Einkommen- und Gewerbesteuerverfahrens 1985 bis 1989" genannt, sodass es auch hier dem Antragsteller noch möglich gewesen wäre, allenfalls hiezu noch klarstellende Schriftsätze zu erstatten. Es kann daher insgesamt nicht gesagt werden, dass betreffend den Beschwerdepunkt der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund der Verletzung der Vorschriften über das Parteiengehör nach § 45 Abs. 1 VwGG gegeben wäre. Der Vollständigkeit halber wird nur darauf aufmerksam gemacht, dass die Beschwerdeabweisung in der Wiederaufnahmefrage ohnedies einschlussweise auch die Richtigkeit der neu ergangenen Sachbescheide bestätigte (ansonsten wäre nämlich die Relevanz der von der Behörde angenommenen Wiederaufnahmegründe nicht gegeben gewesen).
Der Wiederaufnahmegrund der Verletzung des Parteiengehörs nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG liegt grundsätzlich nicht vor, wenn die Partei Gelegenheit hatte, in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Schriftsätzen alle wesentlichen Umstände vorzubringen (vgl. z.B. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1990, 90/01/0206, und vom 19. März 1998, 98/07/0017). Im Rahmen der im Wiederaufnahmeantrag gerügten "Unbestrittenheiten" verweist der Antragsteller auf verschiedene Ausführungen in der Beschwerde und im angefochtenen Bescheid, die seiner Meinung nach vom Verwaltungsgerichtshof offenbar nicht hinreichend beachtet oder missverstanden worden seien. Damit wird aber im Wesentlichen nur Kritik an der Rechtsfindung des Verwaltungsgerichtshofes geübt und nicht konkret aufgezeigt, dass die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise die eingangs des angefochtenen Bescheides enthaltenen Ausführungen zu Überweisungen auf ein auf den Namen und die ehemalige Anschrift des Antragsteller lautendes Schweizer Konto (von dem auch keine "Weitergabe" erfolgte) in der Beschwerde nicht bestimmt als unrichtig hingestellt wurden und dieses auch in der Gegenschrift (auf Seite 5) wiederholte "Faktum" der Überweisungen auf ein Konto, das auf den Namen und die ehemalige Anschrift des Antragstellers lautete, unwidersprochen blieb. Soweit im Wiederaufnahmeantrag auch geltend gemacht wird, der Antragsteller habe "vor allem nicht zugegeben, dass ich über dieses Konto zeichnungsberechtigt gewesen wäre", ist festzuhalten, dass diese Behauptung ohnedies auch in dieser Form im Erkenntnis Erwähnung findet (Seite 5 oben) und keineswegs etwa die Zeichnungsberechtigung als unbestritten hingestellt wurde. Außerdem stand im Mittelpunkt des Erkenntnisses die Frage, ob den Beschwerdeführer keine Verpflichtung zur Leistung von Provisionen an Herrn W. getroffen hat (so im Ergebnis die Ansicht der belangten Behörde laut den Ausführungen im Erkenntnis auf Seite 3 unten). Für die im Erkenntnis bejahte Schlüssigkeit dieser Beurteilung der belangten Behörde waren die im Wiederaufnahmeantrag angesprochenen "Unbestrittenheiten" nicht ausschlaggebend. Damit könnte aber auch im Sinn des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG nicht angenommen werden, dass die nach Ansicht des Antragstellers bei Gewährung des Parteiengehörs unterbliebene Annahme der "Unbestrittenheiten" zu einem anders lautenden Erkenntnis geführt hätte.
Warum schließlich eine im Wiederaufnahmeantrag vom 3. Mai 2000 angesprochene, dem Antragsteller im "Zuge der heutigen Hauptverhandlung" vor dem Landesgericht bekannt gewordene Zeugenaussage der Frau B das Absehen von einer mündlichen Verhandlung in der mit dem Erkenntnis vom 31. März 2000 entschiedenen Beschwerdesache gehindert hätte, ist nicht erkennbar (das Vorbringen betreffend die nunmehrige Zeugenaussage wäre zudem dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG unterlegen; vgl. dazu auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 1973, 927/73, SlgNr/F 4564).
Da somit insgesamt die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des angegebenen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof fehlen, war der vorliegende Antrag abzuweisen.
Wien, am 3. August 2000
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000150082.X00Im RIS seit
26.07.2001Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019