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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des D R in I, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jänner 2017, Zl. L521 2124340- 1/18E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das aufgrund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Antrag des Revisionswerbers, eines irakischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 AsylG 2005 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Revisionswerber nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) festgestellt, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe als selbständiger Taxilenker gearbeitet und sei zudem als Koch bei den kurdischen Peschmerga tätig gewesen. Er habe den Irak verlassen, weil er bei Ausübung seiner Tätigkeit als Taxilenker am 2. August 2015 von unbekannten Personen zum Zweck der Erpressung von Lösegeld entführt und an einem unbekannten Ort etwa drei Tage festgehalten worden sei. Gegen die Bezahlung eines Lösegeldes durch die Familie des Revisionswerbers sei dieser unverletzt freigekommen. Auf Anraten seines Vaters habe der Revisionswerber den Irak verlassen, ohne zuvor seinen Dienst als Koch bei den Peschmerga zu quittieren. Nicht festgestellt werden könne, dass weitere Lösegeldforderungen bestünden bzw. dass der Revisionswerber vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer sonstigen individuellen Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt gewesen sei. Im Fall der Rückkehr drohe ihm nicht die Todesstrafe. Auch könne keine anderweitige individuelle Gefährdung des Revisionswerbers festgestellt werden, insbesondere in Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak. Aufgrund der Abwesenheit vom Dienst bei den Peschmerga bestehe die Möglichkeit, dass über ihn eine Geldstrafe von drei Millionen irakischer Dinar oder eine Haftstrafe bis zu fünf Jahren verhängt werde.
3 Zur Desertion von den Peschmerga erwog das Bundesverwaltungsgericht beweiswürdigend, dass der Revisionswerber zwar nachvollziehbar seine Tätigkeit als Koch bei den Peschmerga und die Nichtbeendigung dieses Dienstverhältnisses vor der Ausreise dargestellt habe. Darüber hinaus habe er die Befürchtung vorgebracht, deswegen eine Gefängnisstrafe oder Geldstrafe von drei Millionen irakischer Dinar (umgerechnet ca. EUR 2.500) zu bekommen. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee im Irak vom 24. Oktober 2016 gehe jedoch klar hervor, dass bei Desertion ins Ausland eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren möglich sei. Seitens der Staatendokumentation sei klar aufgezeigt worden, dass die Verhängung der Todesstrafe nur für Desertion zum Feind vorgesehen sei. Auch den länderkundlichen Berichten zur Lage im Irak könne nicht entnommen werden, dass dem Revisionswerber im Falle seiner Rückkehr die Todesstrafe drohe.
4 Zu den Haftbedingungen im Irak führte das Bundesverwaltungsgericht aus, diese seien zwar schlecht, die dokumentierten Übergriffe seien jedoch gegen Terrorverdächtige gerichtet und es habe der Revisionswerber keine Befürchtungen im Hinblick auf die Haftbedingungen geäußert.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, dass das Bundesverwaltungsgericht gegen die Ermittlungspflicht verstoßen habe und die Entscheidung unter gravierenden Feststellungsmängeln leide. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass der Revisionswerber ein Peschmerga gewesen, während aufrechtem Dienst geflüchtet und somit desertiert sei. In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation mit Stand vom 24. Oktober 2016 seien die Desertionsfolgen inklusive Todesstrafe bestätigt worden. Trotz aktenkundig drohender Todesstrafe oder zumindest mehrjähriger Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass keine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK im Falle der Rückkehr des Revisionswerbers in den Irak drohe.
8 Dem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung, dass dem Revisionswerber im Irak nicht die Todesstrafe drohe, auf länderkundliche Berichte zur Lage im Irak bei Desertion vom Militärdienst stützte, wonach das "Kriegsrecht" nicht ausgerufen worden sei und deshalb keine Todesstrafe gegen Deserteure verhängt werde. Weiters sei die Verhängung der Todesstrafe nur für Desertion zum Feind vorgesehen, was in Ansehung des Revisionswerbers nicht vorliege, weil er sich allenfalls in das Ausland abgesetzt habe. Vor diesem - unbestritten gebliebenen - Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, inwiefern die darauf basierenden Feststellungen unzutreffend seien.
9 Auch mit dem unsubstantiiert gebliebenen Vorbringen zu den Haftbedingungen im Irak legt der Revisionswerber nicht konkret dar, dass eine Anhaltung in Haft fallbezogen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde und für ihn ein "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung gegeben sei (vgl. den hg. Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0151).
10 Die Revision zeigt daher keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 19. Oktober 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017200071.L00.1Im RIS seit
21.11.2017Zuletzt aktualisiert am
05.01.2018