TE OGH 2017/10/24 4Ob118/17g

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Veröffentlicht am 24.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Dr. M***** O*****, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Beklagten Dr. S***** M*****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 29. Mai 2017, GZ 5 R 56/17w-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind selbstständig tätige Augenärzte mit eigenen Ordinationen. Der Beklagte betreibt zusätzlich unter der Domain „www.brillevomaugenarzt.at“ einen gewinnbringenden Webshop, über den er Brillen verkauft und den er mittels eines Schaukastens mit Musterbrillen in seinen Ordinationsräumlichkeiten bewirbt. Weiters weist er seine Patienten nach den Patientengesprächen auf seinen Online-Shop hin und klärt sie gleichzeitig darüber auf, dass sie Brillen alternativ auch bei einem anderen Optiker erwerben können.

Die Vorinstanzen haben dem Beklagten wegen Verstoßes gegen § 1 UWG und ärztliche Standesvorschriften mittels einstweiliger Verfügung (zusammengefasst) untersagt, als Augenarzt im Zusammenhang mit der Verordnung von Sehhilfen gegenüber eigenen Patienten Empfehlungen für Sehhilfen abzugeben, die im eigenen Webshop erhältlich sind und aus deren Verkauf er einen finanziellen Vorteil erzielt.

Das Rekursgericht hat den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend bemessen und den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.

1. Der Beklagte macht geltend, das Rekursgericht sei mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (insbesondere zu 4 Ob 34/14z und 4 Ob 133/16m) abgewichen. Überdies fehle es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung, ob Ärzte Werbung für von ihnen selbst vertriebene Produkte machen dürften.

2. § 3 der geltenden Fassung der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit (WerbeV 2014) lautet:

Unzulässig ist die Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber. Zulässig ist die sachliche, wahre und das Ansehen der Ärzteschaft nicht beeinträchtigende Information über Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige Medizinprodukte sowie über deren Hersteller und Vertreiber in Ausübung des ärztlichen Berufes.

Nach § 4 Z 5 WerbeV 2014 ist die Information über gewerbliche Leistungen oder Gewerbebetriebe zulässig, sofern sie im Zusammenhang mit der eigenen Leistung stehen.

3. Der Senat hatte diese Bestimmungen in der Entscheidung 4 Ob 133/16m (vgl auch Blum, RdM 2017, 25, und Hofmarcher, ÖBl 2017, 30) auszulegen (der Entscheidung 4 Ob 34/14z lag hingegen noch eine ältere Rechtslage zu Grunde) und dazu ua ausgeführt:

Schutzzweck des Werbeverbots ist in erster Linie die Entscheidungsfreiheit des Patienten: Der Arzt befindet sich diesem gegenüber regelmäßig in einer Autoritätsposition, die er nicht ausnutzen soll, um ihm bestimmte Gewerbetreibende oder Freiberufler zu empfehlen, die von ihm verordneten Produkte anbieten. Wünscht der Patient allerdings ausdrücklich eine solche Empfehlung, so besteht – vorbehaltlich anderslautender Entscheidungen der für die Auslegung der WerbeV primär zuständigen Organe – kein Anlass, jede diesbezügliche Auskunft von vornherein als standeswidrig anzusehen. Vielmehr legt es das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nahe, dass auf diesbezügliche Fragen eine entsprechende Antwort gegeben wird. Die Grenze zur jedenfalls unzulässigen „Werbung“ wird erst bei einem ungefragten Empfehlen bestimmter Betriebe oder bei sachfremden Motiven
– insbesondere bei einem finanziellen Interesse – überschritten sein.

4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, das beanstandete Verhalten des Beklagten (Werbung mittels Schaukasten in der Ordination und ungefragte Empfehlung eigener Produkte im Anschluss an das Patientengespräch) verstoße gegen die genannten Bestimmungen der WerbeV 2014, hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung des Senats. Danach verpönt die WerbeV ein Verhalten des behandelnden Arztes, wodurch dieser im Anschluss an ein vertrauliches Gespräch seine fortwirkende ärztliche Autorität dafür ausnützt, seine Patienten ungefragt und aus sachfremden Motiven zu einem bestimmten Anbieter umzulenken, weil diesfalls bei objektiver Betrachtung nicht mehr die Information des Patienten, sondern die Förderung des eigenen wirtschaftlichen Interesses im Vordergrund steht (vgl auch 4 Ob 45/17x, Sportlerbilder II).

5. Dem Argument des Beklagten, er habe auf seinen Shop nur „hingewiesen“, ihn aber nicht „empfohlen“, was ein „gewisses Maß der Anpreisung“ voraussetze, auch habe er nicht ausschließlich auf seinen Vertrieb, sondern gleichzeitig auf Alternativen aufmerksam gemacht, ist zu entgegnen, dass für die Beurteilung einer (Werbe-)Aussage nicht nur deren Inhalt, sondern auch die Begleitumstände (RIS-Justiz RS0119852 [T5]; 4 Ob 91/11b, Konkursantrag) einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen sind (RIS-Justiz RS0078524; RS0078470; RS0078352). Deren Ergebnis ist einzelfallgeprägt und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0107768).

Die Ansicht der Vorinstanzen, auch ein an sich „neutral“ formulierter Hinweis auf einen bestimmten Anbieter könne im Rahmen eines vertraulichen Arztgespräches derart verstanden werden, dass sich der Arzt mit dem genannten Anbieter identifiziert und diesen (nach eigener Prüfung) für gut befunden hat, ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Ebensowenig ist es korrekturbedürftig, dass es der Annahme einer Empfehlung nicht entgegensteht, wenn der Beklagte zusätzlich noch auf die Möglichkeit hinweist, Patienten könnten sich die Brillen auch woanders besorgen, da dies geradezu eine Selbstverständlichkeit ist.

6. Schließlich begründet es auch keine erhebliche Rechtsfrage, dass der Oberste Gerichtshof bisher noch keinen Fall zu beurteilen hatte, in dem die Empfehlung des Arztes auf seinen eigenen Optikerbetrieb gerichtet war. Aus der WerbeV 2014 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zu differenzieren wäre (vgl 4 Ob 207/15t, Rettungsdienst Tirol; RIS-Justiz RS0042656 [T20]). Anderes folgt auch nicht aus den vom Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen 4 Ob 319/97h, 4 Ob 21/99p und 4 Ob 88/06d, die Rechtsfragen zur Rechtslage vor der WerbeV 2014 behandelten bzw einen anderen Sachverhalt betrafen. Dass Rechtsprechung zu einem in allen Details vergleichbaren Sachverhalt fehlt, begründet angesichts der aufgezeigten Vorjudikatur noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0122015).

Schlagworte

1 Generalabonnement;6.1 gewerblicher Rechtsschutz;

Textnummer

E119846

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00118.17G.1024.000

Im RIS seit

21.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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