Entscheidungsdatum
07.08.2017Index
92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §16 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Bannauer-Mathis über die Beschwerde der Frau S. A. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 9.6.2017, Zl. SH/2017/1698816-001, betreffend Abweisung der Mindestsicherung nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung den
BESCHLUSS
gefasst:
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, der Bescheid aufgehoben und das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 25.4.2017 einen Antrag auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Grundbetrages zur Deckung des Wohnbedarfes sowie Mietbeihilfe nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG). Sie gab an, geschieden zu sein und 3 minderjährige Kinder zu haben.
Mit Bescheid vom 9.6.2017 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 16 WMG ab, weil Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt worden seien.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, am 17.12.2016 geschieden worden zu sein und noch immer keine Scheidungsurkunde zu haben. Sie habe dies auch bekannt gegeben.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
Zur Klärung des Sachverhaltes führte das Verwaltungsgericht Wien am 2.8.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu welcher die Beschwerdeführerin ladungsgemäß erschienen ist. Der Magistrat der Stadt Wien verzichtete auf die Teilnahme.
Die Beschwerdeführerin gab auf Befragen an:
„Ich gebe bekannt, dass ich nunmehr mit 05.07.2017 den Beschluss über die Scheidung sowie das Protokoll der Tagsatzung vom 02.12.2016 erhalten habe. Diese beiden Unterlagen habe ich bereits der MA 40 übermittelt. Das Kuvert des Rückscheinbriefes lege ich zur Einsichtnahme vor. Aus diesen ist ersichtlich, dass der Beginn der Abholfrist der Sendung am 05.07.2017 begonnen hat.
Ich habe mehrmals der MA 40 schriftlich bekanntgegeben, dass ich noch nicht den Beschluss über die Scheidung habe. Ich habe dies auch Herrn T., welcher im Referat Hilfe für besondere Lebenslagen arbeitet, mitgeteilt. Diese schriftlichen Mitteilungen habe ich in den Amtsbriefkasten der MA 40 eingeworfen sowie dies auch persönlich den Beratern mitgeteilt. Ich verstehe nicht warum diese Mitteilungen nirgends aufscheinen.
Ich habe ab April 2017 ca. in zweiwöchigen Abständen telefonisch und einmal persönlich beim BG ... nachgefragt wie lange noch die Ausstellung des Scheidungsbeschlusses dauert. Mir wurde immer mitgeteilt die Angelegenheit ist noch bei der zuständigen Richterin in Bearbeitung, da sie die Entscheidung noch überarbeiten muss. Ich habe auch im BG ... auf die Entscheidung gedrängt, da ich diese für das Visum meines Sohnes benötigt habe sowie auch für die Mindestsicherung.
Der Beschluss ist erst mit 03.08.2017 rechtskräftig. Ich war am Freitag, den 27.07.2017 am BG ... und wurde mir dieses Datum mitgeteilt.
Bezüglich der von der MA 40 geforderten Unterlagen gebe ich an:
Der Beschluss vom 15.09.2016 wurde vorgelegt und enthält lediglich den Beschluss über die Festsetzung der Dolmetschgebühren. Mehr habe ich betreffend 15.09.2016 nicht bekommen.
Bezüglich den Protokoll über die Tagsatzung vom 02.12.2016 gebe ich an, dass ich am BG ... nachgefragt habe ob ich nicht nur das Protokoll bekommen kann und es wurde mir mitgeteilt, dass alles zusammen mit dem Beschluss über die Scheidung geschickt wird. Das Protokoll war nun beim Beschluss über die Scheidung dabei.
Hinsichtlich des Datums 17.12.2016 in meinem Beschwerdevorbringen gebe ich an, dass ich mich bei diesem Datum geirrt habe, die Scheidungsverhandlung selbst hat am 15.09.2016 stattgefunden.“
Auf die mündliche Verkündung der Entscheidung wurde verzichtet.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Das Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz – WMG), LGBl. Nr. 38/2010 in der geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:
„Ziele und Grundsätze
§ 1. (1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.
(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfolgt durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.
(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.
(4) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung dient der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.
Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
§ 3. Erfasste Bedarfsbereiche
(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung deckt den Mindeststandard in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen, Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung ab.
(2) Der Lebensunterhalt umfasst den Bedarf an Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch die soziale und kulturelle Teilhabe zählt.
(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen Aufwand an Miete, Abgaben und allgemeinen Betriebskosten.
(4) Der Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung umfasst den Aufwand, der bei Bezieherinnen und Beziehern einer Ausgleichszulage aus der Pensionsversicherung durch die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Wiener Gebietskrankenkasse abgedeckt ist.
§ 4. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer
1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,
2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,
3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,
4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.
(2) Ein Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs einschließlich Mietbeihilfe besteht ab einem errechneten Mindestbetrag von fünf Euro monatlich.
(3) Personen, die bereits eine für Erwerbszwecke geeignete abgeschlossene Ausbildung oder eine Schulausbildung auf Maturaniveau haben und ihre Arbeitskraft allein deshalb nicht voll einsetzen können, weil sie eine weiterführende Ausbildung absolvieren, steht ein Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu.
Personenkreis
§ 5. (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.
(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:
1. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) zuerkannt wurde;
2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;
3. Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“, denen dieser Aufenthaltstitel nach § 45 oder § 48 NAG erteilt wurde oder deren vor In-Kraft-Treten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) weiter gilt;
§ 8. (1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten. Für Personen, die das Regelpensionsalter nach dem Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG) erreicht haben und für volljährige, auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs 13,5 vH der Mindeststandards, wenn sie alleinstehend sind oder mit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in der Bedarfsgemeinschaft leben. Liegen bei mehr als einer Person in der Bedarfsgemeinschaft diese Voraussetzungen vor, beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs 9 vH der Mindeststandards.
§ 9. (1) Ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach § 8 Abs. 1 hinausgehender Bedarf wird an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Die Mietbeihilfe gebührt ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.
§ 10. (1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.
(2) Bei der Berechnung der Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von mehreren Personen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, erfolgt die Bemessung für die Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist auf die Summe der heranzuziehenden Mindeststandards die Summe der Einkommen aller anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen.
(3) Zahlungsverpflichtungen, insbesondere auch solche auf Grund unterhaltsrechtlicher Beziehungen, sind bei der Bemessung nicht als einkommensmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Forderungen, die bei der Hilfe suchenden Person zwangsweise eingetrieben werden oder zu deren Begleichung sie nach einem Schuldenregulierungsverfahren verpflichtet ist.
(4) Gesetzliche oder vertragliche und der Höhe nach bestimmte Ansprüche der Hilfe suchenden Person auf Leistungen, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, sind auch dann anzurechnen, wenn die Hilfe suchende Person diese nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich) verfolgt, sofern die Geltendmachung weder offenbar aussichtslos noch unzumutbar ist. Dies ist von der unterhaltsberechtigten Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung glaubhaft zu machen.
Ablehnung und Einstellung der Leistungen
§ 16. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie
1. die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder
2. die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder
3. soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann,
ist die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.
(2) Die im Rahmen der Bemessung auf eine Hilfe suchende oder empfangende Person entfallende Leistung ist einzustellen oder abzulehnen, wenn sie unter den in Abs. 1, erster Halbsatz genannten Voraussetzungen nicht mitwirkt, indem sie der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt.
(3) Bei einer Einstellung oder Ablehnung nach Abs. 2 ändert sich der auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwendende Mindeststandard nicht.“
Folgender Sachverhalt steht aufgrund des Akteninhaltes und der durchgeführten Verhandlung fest:
Die Beschwerdeführerin stellte am 25.4.2017 einen (Folge-)Antrag für sich und ihre 3 minderjährigen Kinder.
Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 5.5.2017 (AS. 10) wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bis spätestens 26.5.2017 in Kopie folgende Unterlagen zu übermitteln:
„Personaldokumente:
? Bekanntgabe des aktuellen Standes des Scheidungsverfahrens
? Kopie der Protokolle der Tagsatzungen des Bezirksgerichtes vom 02.12.2016 sowie alle nachfolgenden Tagsatzungen und Protokolle der Scheidung!
? Beschluss vom 15.9.2016 betreffend die Scheidung (Kopie ALLER Seiten!)“
Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Hilfeleistung gemäß § 16 WMG abgelehnt oder eingestellt werde. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Hilfeleistung unterbleibe. Das Schreiben wurde nachweislich zugestellt.
Einem im Verwaltungsakt einliegenden Aktenvermerk vom 26.5.2017 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin telefonisch bekannt gegeben hat, dass sie den Scheidungsbescheid nicht habe und daher um Fristverlängerung ersuche. Eine Fristverlängerung wurde bis 2.6.2017 gewährt.
Festgestellt wird aufgrund des unbedenklichen Akteninhaltes, dass am 26.5.2017 folgende Unterlagen beim Magistrat der Stadt Wien einlangten:
Beschluss des BG ... (Pflegschaftssache) vom 19.5.2017 über die Gebühren des Dolmetschers für die Tagsatzung am 24.4.2017 (AS. 16-17); Bestätigung des BG ... (Pflegschaftssache) über die elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG vom 19.5.2017 (AS. 18-19); Bestätigung des BG ... (Pflegschaftssache) über die elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG vom 29.3.2017 über die Bestellung der Türkischdolmetscherin (AS. 22); Protokoll BG ... (Pflegschaftssache) vom 24.4.2017 über die Kontaktregelung (AS. 24-26); Bestätigung des BG ... (Pflegschaftssache) über die elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG vom 7.12.2016 (AS. 29-30) für Beschluss und Gebührennote; Bestätigung des BG ... (Pflegschaftssache) über die elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG vom 7.12.2016 (AS. 33-34) für Beschluss, Protokoll und Sonstiges; Amtsbestätigung gemäß § 186 Abs. 1 AußStrG vom 29.1.12016 betreffend die Obsorge für die minderjährigen Kinder (AS. 41); Protokoll BG ... (Pflegschaftssache) vom 29.11.2016 (AS. 42-43); Beschluss des BG ... (Pflegschaftssache) vom 7.12.2016 betreffend Dolmetschergebühren vom 22.2.2016 (AS. 44-45); Beschluss des BG ... (Pflegschaftssache) vom 23.3.2016 (AS. 47-52); Bestätigung der elektronischen Ausfertigung des BG ... gemäß § 79 GOG (Scheidung und E.V.) vom 15.9.2016 (AS. 53-54); Beschluss des BG ... (Scheidung und E.V.) vom 15.9.2016 betreffend Dolmetschergebühren vom 2.9.2016 (AS. 2.9.2016); Bestätigung des AMS Wien datiert mit 4.4.217 für den Kontrolltermin am 29.5.2017 (AS. 62).
Festgestellt wird weiters, dass bis 2.6.2017 keine weiteren Unterlagen bei der Behörde einlangten und daher mit Bescheid vom 9.6.2017 der Antrag abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung:
Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die in § 16 Abs. 1 WMG angeführte Verpflichtung zur Mitwirkung am Verfahren hinsichtlich der Vorlage von verlangten Unterlagen verletzt hat. Die Beschwerdeführerin wurde schriftlich aufgefordert, innerhalb der gesetzten Frist Unterlagen betreffend die Scheidung vorzulegen sowie den Stand des Scheidungsverfahrens bekannt zu geben, da dies nach der Begründung des angefochtenen Bescheides für die Behörde notwendig sei, um ihren Anspruch zu beurteilen. Aufgrund der durchgeführten Verhandlung steht fest, dass die Beschwerdeführerin sowohl den Scheidungsbeschluss als auch das Protokoll der Tagsatzung des BG ... vom 2.12.2016 erst am 5.7.2017 – somit nach Erlassung des abweisenden Bescheides – erhalten hat. Die Beschwerdeführerin hat in der Verhandlung auch glaubhaft dargelegt, dass ihr trotz mehrmaliger telefonischer und einer persönlichen Urgenz am BG ... keine Kopie des Tagsatzungsprotokolls vom 2.12.2016 ausgefolgt wurde. Ihr war es daher nicht möglich, die geforderten Unterlagen fristgerecht vorzulegen. Ein triftiger Verhinderungsgrund – welcher somit zu berücksichtigen war – lag damit vor.
Hinsichtlich des geforderten Beschlusses vom 15.9.2016 betreffend die Scheidung ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, welche Unterlagen konkret die Behörde von der Beschwerdeführerin haben wollte. Die Tagsatzung der Scheidung fand zwar am 15.9.2016 statt, der vom BG ... ausgestellte und an die Beschwerdeführerin zugestellte Beschluss hat jedoch lediglich die Dolmetscherkosten betroffen, was auch eindeutig aus der Bestätigung der elektronischen Ausfertigung des BG ... gemäß § 79 GOG vom 15.9.2016 hervorgeht. Dieser Beschluss wurde auch fristgerecht von der Beschwerdeführerin an die Behörde übermittelt. Der Beschluss über die Scheidung wurde der Beschwerdeführerin – wie bereits oben dargelegt – erst am 5.7.2017 postalisch übermittelt.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe mehrmals bei ihren persönlichen Vorsprachen bei den Beratern der Behörde mitgeteilt, dass das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, war in der öffentlichen mündlichen Verhandlung im unmittelbaren Eindruck nicht unglaubwürdig und ist die belangte Behörde diesem Vorbringen auch nicht entgegengetreten. Die Behörde selbst hat im abweisenden Bescheid festgehalten, dass aus den von der Beschwerdeführerin am 26.5.2017 vorgelegten Unterlagen der aktuelle Stand des Scheidungsverfahrens hervorgehe. Falls es sich dabei um einen Schreibfehler handelt, indem das Wort „nicht“ fehlt, ist für das erkennende Gericht ebensowenig nachvollziehbar, inwiefern im vorliegenden Fall die Bekanntgabe des aktuellen Standes des Scheidungsverfahrens – ohne entsprechende Unterlagen – zur Festsetzung maßgeblicher Ansprüche herangezogen hätte werden können.
Da die Beschwerdeführerin somit nachweislich sowohl den Beschluss über die Scheidung als auch das Tagsatzungsprotokoll vom 2.12.2016 erst am 5.7.2017 erhalten hat und dies auch – wie in der Verhandlung glaubwürdig dargelegt - der Behörde mehrmals mitgeteilt hat, war die belangte Behörde nicht berechtigt, den Antrag wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 16 WMG abzuweisen. Der Beschwerde war daher Folge zu geben.
Zur Feststellung des Anspruches auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung sind ergänzende Ermittlungen des Sachverhaltes hinsichtlich der Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten für die Beschwerdeführerin und die drei minderjährigen Kinder erforderlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Feststellung des diesbezüglichen maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht Wien selbst im Interesse der Raschheit gelegen ist oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Es liegen somit die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG vor, sodass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Schlagworte
Mindestsicherung; Mitwirkungspflicht, Scheidungsbeschluss, ProtokollEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.003.RP08.9124.2017Zuletzt aktualisiert am
20.11.2017