Entscheidungsdatum
30.08.2017Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §16 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Bannauer-Mathis über die Beschwerde der Frau E. C. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 2.5.2017, Zl. SH/2017/1562460-001, betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 2.5.2017, Zl. SH/2017/1562460-001, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 2.12.2016 auf Gewährung von Mindestsicherung wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß den §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 WMG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Antragstellerin hätte notwendige Unterlagen und zwar
Sonstiges:
Kontoauszüge – Eingänge – über die eingelangte Ausgleichszahlung von EUR 9.000,-- (EUR 5.000,00 sofort – Scheidungsvergleich mit 28.12.2015 rechtskräftig und EUR 4.000,-- bis spätestens 30.6.2016).
alle Kontoauszüge ab 1.12.2015 bis laufend, derzeit aktueller Kontostand,
Rechnungslegungen über die erfolgten Ausgaben, sollte die Ausgleichszahlung laut Scheidungsvergleich teilweise nicht mehr zur Verfügung stehen,
bezahlte Versicherungsbeiträge für die Selbstversicherung gemäß § 19 a ASVG für die Monate 12/2015, 1/2016, 2/2016, 3/2016, 4/2016, 5/2016, 6/2016, 7/2016, 8/2016, 9/2016, 10/2016, 11/2016, 12/2016 und 1/2017
bis zu den vorgegebenen Terminen am 9.1.2017 und 28.2.2017 nicht vorgelegt. Da die Behörde ohne die verpflichtende Mitwirkung außer Stande gewesen sei, die für die Bemessung der Geldleistung rechtserheblichen Tatsachen festzustellen, seien die fehlenden Angaben bzw. Unterlagen zur Beurteilung des Anspruches unerlässlich im Sinne des § 16 WMG gewesen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht am 15.5.2017 eingebrachte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin vorbringt, am 12.11.2015 die Scheidung gehabt zu haben. Ihr Erstantrag beim Sozialamt sei am 14.1.2016 gewesen. Laut Vereinbarung habe ihr der Exgatte insgesamt € 9.000,-- (Scheidungsurteil) gegeben. Problemlos habe die MA 40 die Mindestsicherung bezahlt. Die Verlängerung der Mindestsicherung sei am 2.12.2016 beantragt worden. Leider habe sie eine Absage bekommen. Der Grund sei die Vereinbarung mit dem Exgatten in Höhe von € 9.000,-- gewesen. Die Referentin habe alle ihre Rechnungen in Kopie verlangt. Obwohl sie alles abgegeben habe, wurden im Bescheid nur die niedrigsten Beträge angeführt. Für die bessere Übersicht schreibe sie alles einzeln auf:
14.9.2015 € 1.500,-- ausgeliehen von einer Freundin
20.6.2016 zurückbezahlt
12.11.2015 € 368,64 Rechtsanwältin
27.2.2017 € 100,00 MaasCenter
3.3.2016 € 517,98 MediaMarkt
7.3.2016 € 184,87 Möbelix
7.3.2016 € 222,00 Möbelix
8.3.2016 € 140,00 Möbelix
9.3.2016 € 689,98 Kika
9.3.2016 € 73,98 Kika
15.3.2016 € 138,85 Möbelix
22.3.2016 € 13,99
22.4.2016 € 149,00
2.5.2016 € 69,69
20.5.2016 € 4.400,00 Ludwig
16.6.2016 € 63,94 Lutz
24.9.2016 € 109,88 Kika
9.1.2017 € 200,00 und € 500,00 (6.2.2017) auf Konto einbezahlt – Vater geliehen.
Die Endsumme ergebe € 8.743,07. Sie habe von der Vereinbarung damit nur € 256,93 in der Hand. Mit dem Restbetrag habe sie für ihre Küche eingekauft. Sie sei alleinerziehende Mutter. Mit den € 1.500,00 von ihrer Freundin habe sie € 600,00 für ihre Rechtsanwältin bezahlt. Mit dem Restbetrag von € 1.500,00 (€ 600,00 Rechtsanwältin) habe sie € 900,00 für Lebensmittel und private Bedürfnisse für sich und ihre Kinder ausgegeben. Mit dem Geld in Höhe von € 900,00 habe sie bis März 2016 auskommen müssen. Seit 8.5.2017 habe sie keine Arbeit mehr. Sie habe eine eigene Wohnung und zwei Kinder.
Der Beschwerde angeschlossen war eine handschriftliche Bestätigung von Herrn F. Y., datiert mit 10.5.2017, dass er seiner Tochter von Jänner bis März einen Betrag in Höhe von € 500,00 für die Miete und für ihren Bedarf ausgeliehen habe. Weiters wurde eine handschriftliche Bestätigung von Frau G. Er. betreffend das Ausleihen von € 1.500,00 am 14.9.2015 und die Rückzahlung am 20.6.2016 vorgelegt.
Weiters waren folgende Rechnungen der Beschwerde angeschlossen: Möbelix vom 8.3.2016 über € 222,00 und € 184,87, Kika vom 24.9.2016 über € 109,88, MediaMarkt vom 3.3.2016 über € 517,98, Honorarnote der Rechtsanwältin Dr. B. W. vom 12.11.2015 über € 917,74, MaasCenter vom 27.2.2016 über € 100,00 und vom 27.4.2016 über € 149,00.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
Zur Klärung des Sachverhaltes führte das Verwaltungsgericht Wien am 19.7.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu welcher die Beschwerdeführerin ladungsgemäß erschienen ist. Als Vertrauensperson war der Vater der Beschwerdeführerin anwesend. Der Magistrat der Stadt Wien verzichtete auf die Teilnahme.
Die Beschwerdeführerin gab auf Befragen an:
„Es gab bei der Scheidung zwei Gerichtstermine. Beim ersten Termin wurde vereinbart, dass mir mein Exgatte beim zweiten Termin sofort 5.000 Euro bezahlen muss. Dies hat er auch getan. Ich habe im Gerichtssaal in Anwesenheit des Richters die 5.000 Euro in bar erhalten. Meine Rechtsanwältin hat dies auch gesehen.
Auf die Frage für was das Geld in Höhe von EUR 689,98 ausgegeben wurde, gebe ich an: Damit habe ich die Couch bezahlt. Ich verfüge leider über keine Rechnung mehr darüber. Die EUR 73,98 sind für Lampen gewesen.
Im Zuge der Scheidung musste ich die eheliche Wohnung verlassen und hatte ich daher auch kein Einkommen. Ich habe durch die Barzahlung meines Exgatten in Höhe von 5.000 Euro meinen Lebensunterhalt für mich und meine Kinder finanziert. Auch habe ich erst im März 2016 – rückwirkend mit Jänner 2016 – die Mindestsicherung erhalten. Ich musste daher ab dem Zeitpunkt der Scheidung mit den 5.000 Euro auskommen. Nachdem ich im März 2016 die Wohnung von Wiener Wohnen erhalten habe, habe ich begonnen die Wohnung einzurichten. Ich habe aus der ehelichen Wohnung nichts bekommen und musste den kompletten Hausrat neu kaufen.
Ich habe versucht über die Bank Kontoauszüge ab Dezember 2015 zu erhalten, diese wären jedoch kostenpflichtig gewesen, das hätte circa 26 Euro gekostet und dieses Geld habe ich zu dem Zeitpunkt nicht gehabt.
Es wird eine Übersicht der Kontoumsätze beginnend ab 01.12.2015 bis 17.07.2017 vorgelegt. Diese wird als Kopie zum Akt genommen.
Ich war bereits im Februar 2017 beim Arbeitsamt, weil mir die MA 40 mitgeteilt hat, dass eine geringfügige Beschäftigung nicht ausreichend ist. Bei meinem ehemaligen Arbeitgeber konnte ich dann ab 01.03.2017 auf 18 Wochenstunden erhöhen. Er wollte, dass ich zwei Stunden in der Woche mehr arbeite, jedoch nicht mit korrekter Bezahlung. Damit erfolgte die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Anfang Mai 2017. Ich bin teilzeitsuchend beim AMS gemeldet. Ich lege meine Betreuungsvereinbarung vom 18.06.2017 vor. Diese wird als Kopie zum Akt genommen.
Ich habe am 30.06.2016 den Betrag von 4.480,00 Euro abgehoben um teilweise Möbel zu kaufen und meine Schulden zurückzuzahlen.
Ich möchte noch abschließend sagen, dass ich die mir zugesprochenen 9.000 Euro insgesamt für die Anschaffungen in der neuen Wohnung verwendet habe. Ich musste auch neue Kleidung für meine Kinder kaufen, weil mein Exmann die Bekleidung der Kinder nicht herausgegeben hat, sondern weil wenn sie bei ihm sind, er Kleidung für sie hat.
Ich möchte noch angeben bezüglich der beiden Bareinzahlungen am 09.01.2017 und am 06.02.2017: Mein Vater hat mir das Geld gegeben, dass ich meine Miete zahlen kann. Ich habe zu dem Zeitpunkt keine Mindestsicherung mehr erhalten und hatte nur eine geringfügige Beschäftigung.
Ich möchte abschließend angeben, dass mir mein Vater einen Urlaub geschenkt hat und ich mit meinen Kindern von 27.07.2017 bis 18.08.2017 nicht in Österreich bin.“
Auf die mündliche Verkündung der Entscheidung wurde verzichtet.
Am 10.8.2017 wurde von der belangten Behörde der nachfolgende Aktenteil des Verwaltungsaktes übermittelt, dem zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin am 12.5.2017 einen weiteren Antrag auf Zuerkennung von Leistungen nach der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gestellt hat und ihr mit Bescheid vom 26.7.2017, Zl. SH/2017/1860857-001, von 12.5.2017 bis 30.4.2018 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuerkannt wurden.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Das Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz – WMG), LGBl. Nr. 38/2010 in der geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:
„Ziele und Grundsätze
§ 1. (1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.
(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfolgt durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.
(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.
(4) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung dient der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.
Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
§ 3. Erfasste Bedarfsbereiche
(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung deckt den Mindeststandard in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen, Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung ab.
(2) Der Lebensunterhalt umfasst den Bedarf an Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch die soziale und kulturelle Teilhabe zählt.
(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen Aufwand an Miete, Abgaben und allgemeinen Betriebskosten.
(4) Der Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung umfasst den Aufwand, der bei Bezieherinnen und Beziehern einer Ausgleichszulage aus der Pensionsversicherung durch die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Wiener Gebietskrankenkasse abgedeckt ist.
§ 4. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer
1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,
2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,
3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,
4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.
(2) Ein Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs einschließlich Mietbeihilfe besteht ab einem errechneten Mindestbetrag von fünf Euro monatlich.
(3) Personen, die bereits eine für Erwerbszwecke geeignete abgeschlossene Ausbildung oder eine Schulausbildung auf Maturaniveau haben und ihre Arbeitskraft allein deshalb nicht voll einsetzen können, weil sie eine weiterführende Ausbildung absolvieren, steht ein Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu.
Personenkreis
§ 5. (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.
…
§ 10. (1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.
(2) Bei der Berechnung der Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von mehreren Personen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, erfolgt die Bemessung für die Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist auf die Summe der heranzuziehenden Mindeststandards die Summe der Einkommen aller anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen.
(3) Zahlungsverpflichtungen, insbesondere auch solche auf Grund unterhaltsrechtlicher Beziehungen, sind bei der Bemessung nicht als einkommensmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Forderungen, die bei der Hilfe suchenden Person zwangsweise eingetrieben werden oder zu deren Begleichung sie nach einem Schuldenregulierungsverfahren verpflichtet ist.
(4) Gesetzliche oder vertragliche und der Höhe nach bestimmte Ansprüche der Hilfe suchenden Person auf Leistungen, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, sind auch dann anzurechnen, wenn die Hilfe suchende Person diese nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich) verfolgt, sofern die Geltendmachung weder offenbar aussichtslos noch unzumutbar ist. Dies ist von der unterhaltsberechtigten Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung glaubhaft zu machen.
Ablehnung und Einstellung der Leistungen
§ 16. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie
1. die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder
2. die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder
3. soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann,
ist die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.
(2) Die im Rahmen der Bemessung auf eine Hilfe suchende oder empfangende Person entfallende Leistung ist einzustellen oder abzulehnen, wenn sie unter den in Abs. 1, erster Halbsatz genannten Voraussetzungen nicht mitwirkt, indem sie der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt.
(3) Bei einer Einstellung oder Ablehnung nach Abs. 2 ändert sich der auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwendende Mindeststandard nicht.“
Folgender Sachverhalt steht aufgrund des Akteninhaltes und der durchgeführten Verhandlung fest:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und beantragte für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder erstmalig am 14.1.2016 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und wurden ihr diese mit Bescheid vom 3.3.2016 zur Zahl SH/2016/187873-001 für den Zeitraum 14.1.2016 bis 31.12.2016 gewährt. Dem im Zuge dieses Verfahrens vorgelegten Beschluss vom 12.11.2015 des Bezirksgerichts ... über die einvernehmliche Scheidung ist zu entnehmen, dass die Ehegatten wechselseitig auf jeglichen Unterhalt verzichten, der Ehemann sich jedoch verpflichtet, eine Ausgleichszahlung in Höhe von € 9.000,-- an seine Gattin zu bezahlen. Ein Teilbetrag in Höhe von € 5.000,-- ist sofort zur Zahlung fällig. Der Restbetrag von € 4.000,-- ist bis längstens 30.6.2016 an die Ehefrau zu bezahlen. Hinsichtlich der gemeinsamen Kinder wurde ein monatlicher Unterhaltsbeitrag vereinbart.
Am 2.12.2016 stellte die Beschwerdeführerin für sich und ihre beiden Kinder neuerlich einen Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung sowie einen Antrag auf Mietbeihilfe. Dem Antrag waren u.a. der Mietvertrag, Kontoauszüge, Zahlungsbelege der Wien-Energie GmbH sowie Einkommensbelege angeschlossen.
Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 20.12.2016 (AS. 124) wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bis spätestens 9.1.2017 in Kopie Unterlagen zu übermitteln. Mit neuerlichem Schreiben vom 6.2.2017 (AS. 160) wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bis spätestens 21.2.2017 in Kopie folgende Unterlagen zu übermitteln:
„Einkommensbelege:
Lohn (Nettolohn) 1/2017 Fa. H. T.
Sonstiges:
Kontoauszüge – Eingänge – über die eingelangte Ausgleichszahlung von EUR 9.000,-- (EUR 5.000,00 sofort – Scheidungsvergleich mit 28.12.2015 rechtskräftig und EUR 4.000,-- bis spätestens 30.6.2016).
alle Kontoauszüge ab 1.12.2015 bis laufend,
derzeit aktueller Kontostand,
Rechnungslegungen über die erfolgten Ausgaben, sollte die Ausgleichszahlung laut Scheidungsvergleich teilweise nicht mehr zur Verfügung stehen,
bezahlte Versicherungsbeiträge für die Selbstversicherung gemäß § 19 a ASVG für die Monate 12/2015, 1/2016, 2/2016, 3/2016, 4/2016, 5/2016, 6/2016, 7/2016, 8/2016, 9/2016, 10/2016, 11/2016, 12/2016 und 1/2017
Mietbelege:
Aktuelle Mietvorschreibung / Mietaufschlüsselung
Nachweis über die Beantragung von Wohnbeihilfe der MA 50
Einsatz der Arbeitskraft
aktuelle Arbeitssuche Meldung beim AMS (kein schriftlicher Nachweis erforderlich) von folgenden Personen:
Fr. C. E.“
Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Hilfeleistung gemäß § 16 WMG abgelehnt oder eingestellt werde. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Hilfeleistung unterbleibe. Das Schreiben wurde nachweislich zugestellt.
Einem im Verwaltungsakt einliegenden Portalauszug des AMS Wien vom 6.2.2017 (AS. 164) ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt nicht beim AMS Wien als arbeitssuchend vorgemerkt war.
Einem im Verwaltungsakt einliegenden Aktenvermerk vom 21.2.2017 (AS. 167) ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin persönlich im Sozialzentrum … vorgesprochen, Unterlagen abgegeben und bekannt gegeben hat, dass die Kontoauszüge 12/2015 nicht erbracht werden können, da die Bank diese nicht mehr ausstellen kann und die Beschwerdeführerin selbst diese verloren hat. Die Kontoauszüge 12/16, 1/17 und 2/17 würden noch nachgebracht werden. AMS-Meldung sei noch keine erfolgt. Die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass bei einer geringfügigen Beschäftigung eine AMS-Meldung unbedingt notwendig sei. Die Frist zur Vorlage der fehlenden Unterlagen wurde bis 28.2.2017 verlängert.
Eine neuerliche Portalabfrage beim AMS Wien am 21.2.2017 (AS. 169) ergab, dass die Beschwerdeführerin nicht beim AMS Wien als arbeitssuchend vorgemerkt war.
Am 21.2.2017 langten bei der Behörde folgende Unterlagen ein:
Bestätigung der NÖGKK vom 2.1.2017 über die im Kalenderjahr 2016 gezahlten Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt € 469,44 (AS. 170); Netto-Lohnzettel der Fa. T. H. vom Jänner 2017 (AS. 171); Zahlungsanweisung an Wiener Wohnen für die Miete (AS. 172); ein Kontoauszug vom 30.6.2016 über den Zahlungseingang des Teilbetrages der Ausgleichszahlung in Höhe von € 4.000,00 am 29.6.2016 (AS. 173); Rechnung Möbelix vom 8.3.2016 über € 222,00 für ein Badezimmer (AS. 325); Kaufvertrag vom 29.2.2016 für eine Einbauküche zum Preis von € 4.400,00 samt Anzahlungsbeleg in Höhe von € 2.200,00 (AS. 326). Weiters wurden die Kontoauszüge für den Zeitraum 12.2.2016 bis 30.11.2016 vorgelegt.
Dem im Verwaltungsakt einliegenden Aktenvermerk vom 24.2.2017 (AS. 174) ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin abermals persönlich im Sozialzentrum … – Servicezone vorgesprochen und fehlende Unterlagen abgegeben hat.
Festgestellt wird aufgrund des unbedenklichen Akteninhaltes, dass am 24.2.2017 folgende Unterlagen beim Magistrat der Stadt Wien einlangten: Antrag auf Wohnbeihilfe bei der Magistratsabteilung 50 (AS. 178); Mitteilung des AMS Wien über den nächsten Beratungstermin (AS. 179); Änderungsmeldung der WGKK über die Anmeldung für 18 Wochenstunden (AS. 180), insgesamt 20 Kontoauszüge für den Zeitraum Dezember 2016 bis Februar 2017. Am 6.4.2017 langte noch der Netto-Lohnzettel der Firma T. H. vom März 2017 bei der Behörde ein (AS. 188).
Festgestellt wird weiters, dass bis 2.5.2017 keine weiteren Unterlagen bei der Behörde einlangten und daher mit Bescheid vom 2.5.2017 der Antrag abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung:
Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die in § 16 Abs. 1 WMG angeführte Verpflichtung zur Mitwirkung am Verfahren hinsichtlich der Vorlage von verlangten Unterlagen verletzt hat. Die Beschwerdeführerin wurde schriftlich aufgefordert, innerhalb der gesetzten Fristen den Zahlungseingang der beiden Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt € 9.000,00 zu belegen, falls die Ausgleichszahlungen nicht mehr vorhanden sind, Rechnungen über ihre Ausgaben vorzulegen sowie die Bezahlung der Versicherungsbeiträge für den Zeitraum Dezember 2015 bis Jänner 2017 nachzuweisen, da dies nach der Begründung des angefochtenen Bescheides für die Behörde notwendig sei, um ihren Anspruch beurteilen zu können.
Dem Scheidungsvergleich vom 12.11.2015 ist zu entnehmen, dass die eheliche Wohnung samt Inventar beim Ex-Gatten der Beschwerdeführerin verblieben ist. Damit ist nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin die nunmehrige Wohnung im Jahr 2016 vollkommen neu einrichten musste und sie die ausgegebenen Beträge der Ausgleichszahlungen nicht durchgehend mit Rechnungen nachweisen kann. Auch ist dem Scheidungsvergleich zu entnehmen, dass der Teilbetrag von € 5.000,00 sofort zur Zahlung fällig war. Die in der Verhandlung gemachten Angaben der Beschwerdeführerin, den ersten Teilbetrag von € 5.000,00 in bar bei der Scheidungsverhandlung erhalten zu haben, erscheint glaubwürdig. Ein weiterer Nachweis über die erste erhaltene Teilzahlung ist damit nicht notwendig. Den zweiten Teilbetrag der Ausgleichszahlung in Höhe von € 4.000,00 hat die Beschwerdeführerin nachweislich am 29.6.2016 erhalten und den entsprechenden Kontoauszug auch vorgelegt.
Aufgrund der vorgelegten Rechnungen (Kaufvertrag für die Küche in Höhe von € 4.400,00 vom 29.2.2016 sowie Badezimmer € 222,00 vom 8.3.2016), der Bestätigung der NÖGKK über die Beitragszahlungen im Jahr 2016 in Höhe von € 469,44, sowie der vorgelegten Kontoauszüge für den Zeitraum 12.2.2016 bis 30.11.2016 sowie Dezember 2016 bis Februar 2017, aus denen einerseits die Bezahlung von Beträgen bei Kika, Möbelix, Ikea, Obi und XXXLutz sowie andererseits die Bezahlung der Versicherungsbeiträge an die Wiener Gebietskrankenkasse von Dezember 2016 bis Februar 2017 zu entnehmen ist, ergeben bereits Ausgaben von knapp über € 6.300,00. Werden noch die restlichen Lebenshaltungskosten hinzugezählt – welche auch den vorgelegten Kontoauszügen entnommen werden können – ist jedenfalls ersichtlich, dass die Ausgleichszahlung in Höhe von € 9.000,00 verbraucht war. Für das erkennende Gericht ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Vorlage der einzelnen Nachweise der bezahlten Versicherungsbeiträge für die Selbstversicherung sowie die Vorlage der einzelnen Rechnungen für die Berechnung maßgeblich sein sollte.
Die Beschwerdeführerin hat die Kontoauszüge von Februar 2016 bis 30.11.2016 und von Dezember 2016 bis 24.2.2017 vorgelegt. Dem Kontoauszug vom 24.2.2017 ist auch der aktuelle Kontostand zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin hat weiters in ihrer persönlichen Vorsprache am 21.2.2017 bekannt gegeben, dass sie die Kontoauszüge ab 12/2015 nicht erbringen könne, da die Bank diese nicht mehr ausstellen könne. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Nichtvorlage der Kontoauszüge für den Zeitraum Dezember 2015 bis Anfang Februar 2016 kann durch das erkennende Gericht nicht erblickt werden, zumal auch hier nicht nachvollziehbar ist, inwiefern die fehlende Vorlage der Kontoauszüge für zwei Monate (Dezember 2015 und Jänner 2016) für die Berechnung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung maßgeblich sein sollte.
Insgesamt gesehen hat die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht entsprochen. Die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz erfolgte damit zu Unrecht.
Eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht Wien erschien deshalb nicht möglich, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der angefochtene Bescheid ist und sich dieser trotz formeller Zitierung der §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ausschließlich auf die nicht erfolgte Vorlage von Unterlagen und somit auf den Ablehnungsgrund des § 16 leg. cit. stützte.
Im Falle einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über Bestand und Höhe des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Leistungen der Mindestsicherung, würden andere Sachverhaltsfragen und Normen zum Tragen kommen und würde das Verwaltungsgericht daher nicht mehr in derselben Sache entscheiden wie die Verwaltungsbehörde im angefochtenen Bescheid, sondern über einen anderen Prozessgegenstand.
Die Verwaltungsbehörde wird daher im fortgesetzten Verfahren nunmehr über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 2.12.2016 auf Zuerkennung von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (neuerlich) zu entscheiden haben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Mindestsicherung; Mitwirkungspflicht, Bemessung, Notwendigkeit von Unterlagen oder AngabenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.003.RP08.7685.2017Zuletzt aktualisiert am
20.11.2017