Entscheidungsdatum
30.10.2017Norm
AlVG §10Spruch
G308 2173843-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter KommR Peter MÜHLBACHER und Mag. Stefan SCHMELZER als Beisitzer über die Beschwerdesache von XXXX, SVNR XXXX gegen den Bescheid des AMS, GZ RGS XXXX vom 13.09.2017 über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 13.09.2017, GZ XXXX schloss das AMS die aufschiebende Wirkung der Beschwerde von XXXX(im Folgenden Beschwerdeführerin oder kurz BF), XXXX gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS XXXX vom 18.08.2017 gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr.33/2013 idgF aus. Begründend wurde ausgeführt, dass das Arbeitslosenversicherungsrecht bezweckt arbeitslos gewordene Versicherte durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und in die Lage zu versetzen den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Abgesehen von diesen generalpräventiven Gründen hat die BF in ihrer Beschwerde auch keine Angaben darüber gemacht, welche konkreten wirtschaftlichen oder rechtlichen Nachteile für sie mit der Durchsetzbarkeit des Bescheides verbunden sind, damit die erforderliche Abwägung gegenüber den unstrittig bestehenden Interessen der Öffentlichkeit an den Sanktionen Arbeitslosenversicherung vorgenommen hätten werden können. Sie habe weder Angaben getätigt noch Unterlagen vorgelegt, die den unverhältnismäßigen Nachteil gegenüber der Behörde belegen. Die Entscheidung in der Sache selbst werde durch diesen Ausschluss nicht vorweggenommen.
2. Mit Schreiben vom 12.10.2017 erhob die BF fristgerecht Einspruch (Beschwerde) gegen diesen Bescheid, worin sie jedoch lediglich das Grundverfahren betreffend den Vorwurf der Arbeitsverweigerung ausführte, dass dies nicht zutreffend ist. Seit 19.09.2017 sei sie bei einer Firma angestellt.
3. Mit Schreiben vom 18.10.2017 legte das AMS die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem BVwG vor. Begleitend wurde ausgeführt, dass das AMS die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb der zehnwöchigen Frist beabsichtigt.
4. Der Akt ist am 18.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird zum festgestellten Sachverhalt erhoben.
Die BF hat keinerlei Unterlagen vorgelegt, die die Behauptung eines unverhältnismäßigen Nachteils konkret, etwa zahlenmäßig unterstützen, und damit einen unverhältnismäßigen Nachteil gegenüber der belangten Behörde belegen.
Das bezüglich der Einstellung des Anspruches auf Notstandshilfe stattfindende Beschwerdeverfahren ist noch nicht abgeschlossen, die belangte Behörde hat ausdrücklich nicht auf eine Beschwerdevorentscheidung verzichtet.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde.
Die BF bringt keinerlei substantiierten Gründe vor, die einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung als unverhältnismäßig erkennen lassen. Auch darüber hinaus gehende Gründe sind der Beschwerde nicht zu entnehmen.
Die BF hat weder in ihrer Beschwerde noch im Vorlageantrag, indem sie konkrete Kenntnis von den Ausschlussgründen hatte, nähere Angaben über ihre finanziellen Verpflichtungen und Situation getätigt.
3. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Beim Ausspruch des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG in dem die Hauptsache erledigenden Bescheid handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um einen von der Hauptsache trennbaren, selbstständigen Nebenabspruch (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG [2007], zu § 64 Rz 36 sowie VwGH 15.12.2009, 2008/18/0037).
Mit der vorliegenden Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird sohin die Rechtssache nicht enderledigt, sondern lediglich über den Nebenabspruch - die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache eingebrachten Beschwerde - abgesprochen.
Mangels Erledigung der Rechtssache in der Hauptsache hat die vorliegende Entscheidung durch Beschluss zu erfolgen.
3.2. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
In den Erkenntnissen Ra 2017/08/0065 und Ra 2017/08/0081, beide vom 07.09.2017 hat der VwGH ausgesprochen, dass die Entscheidung zur aufschiebenden Wirkung in Angelegenheiten des AlVG durch Senat zu treffen ist.
Festgehalten wird, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Hauptsache im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu prüfen ist (vgl. z. B. VwGH 11.01.2012, AW 2011/07/0062).
Zu Spruchteil A): Abweisung der Beschwerde
3.3. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen. Dass das Verwaltungsgericht ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat, bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam in einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" heißt demnach wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).
3.4. Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anlangt, entsprechen diese Großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5 ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Ra 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anhand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.
Dementsprechend genügt es für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung (nunmehr: Beschwerde) nicht, dass ein Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles an der vorzeitigen Vollstreckung des Bescheides besteht, sondern es muss darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31).
"Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr im Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mit Hinweis auf VwGH 24.05.2002, 2002/18/0001, und VwGH 22.03.1988, 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. VwGH 11.01.2012, AW 2011/07/0062; 02.07.2012, AW 2012/03/0011) hat ein Beschwerdeführer - unabhängig von der Frage, ob einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen - im Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre.
In diesem Sinne erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung. Es ist demnach erforderlich, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.
Diese - zur Konkretisierungspflicht von Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ergangene - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes im Wesentlichen auch auf die Erfordernisse von Beschwerden gegen einen durch die belangte Behörde vorgenommenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu übertragen, zumal Entscheidungen über die Zuerkennung wie auch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden - der Systematik der §§ 13 und 22 VwGVG folgend - stets eine Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien voraussetzen.
Wie bereits ausgeführt, erlaubt aber erst eine entsprechende Konkretisierung, die vom Antragsteller bzw. Beschwerdeführer glaubhaft darzutun ist, eine solche Interessenabwägung (vgl. dazu etwa VwGH 18.11.2003, AW 2003/17/0058). Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller bzw. Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. z.B. VwGH 11.03.1996, AW 96/17/0071; 27.06.1996, AW 96/17/0028; 10.08.2011, AW/2011/17/0028).
Vorliegend führt die BF nicht näher aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für sie mit dem Ausschluß der aufschiebenden Wirkung verbunden wären, sodass eine Interessenabwägung nicht vorgenommen werden konnte.
Unter Berücksichtigung des im Rahmen eines Provisorialverfahrens eingeschränkten Prüfungsmaßstabes (gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG hat das Bundesverwaltungsgericht "ohne weiteres Verfahren" unverzüglich zu entscheiden [vgl. Dünser, Beschwerde und Vorverfahren bei der Behörde, ZUV 2013, 12 ff.]) vermag das erkennende Gericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen.
3.5. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).
3.6. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem gegenständlichen Beschluss eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
3.7. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Punkt II.3. wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich vergleichbaren Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Interessenabwägung, KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:G308.2173843.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.11.2017