TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/3 W264 2151158-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2017
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Entscheidungsdatum

03.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1

Spruch

W264 2151158-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch die umF-Koordinierungsstelle des Landes Niederösterreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17.2.2017, Zahl: 1096623310-151869369, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 sowie gemäß

§§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und 55 Abs. 1 FPG idgF sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 26.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gleichen Tage gab er an, afghanischer Staatsangehöriger und am 16.8.2001 geboren zu sein. Sein Vater hätte mit unbekannten Personen Grundstücksstreitigkeiten gehabt und eine dieser unbekannten Personen wäre drei Monate zuvor umgebracht worden und die Schuld an dessen Tod dem Vater des Beschwerdeführers gegeben. Daher hätte der Vater den Beschwerdeführer aus Afghanistan fortgeschickt.

2. Ein beim Beschwerdeführer durchgeführtes Handwurzelröntgen im XXXX ergab GP 29 Schmeling 3.

3. Am 11.1.2016 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde BFA einvernommen. Dabei gab er an gesund zu sein, keine Medikamente zu nehmen und in der Lage zu sein, einvernommen zu werden. Er gab an, in Österreich die Familie seines Onkels zu haben und auch einen Cousin, mit welchem er gemeinsam nach Österreich gekommen wäre. Die Familie des Onkels lebe in Wien und der Cousin namens XXXX lebe in Eisenstadt. Er sei in Afghanistan in der Provinz Kabul im Distrikt

XXXX in einem Dorf geboren, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei Sunnite. Dort habe er sechs Jahre lang die Grundschule besucht und neben der Schule mit seinem Onkel als Automechaniker gearbeitet. Seine Eltern und seine Geschwister würden seit 1 1/2 Jahren in der Stadt Kabul leben und habe er an weiteren Familienangehörigen zwei Tanten väterlicherseits, drei Onkel väterlicherseits und drei Onkel mütterlicherseits und sie leben in der Stadt Kabul. Er gab bei der Einvernahme am 11.1.2016 an, mit den Eltern und den Geschwistern ca zweimal pro Monat telefonischen Kontakt zu halten. Er habe weiters zwei Tanten väterlicherseits, welche in Kanada leben. Einer seiner Cousins lebe mit dessen Familie in London und auch ein weiterer Cousin lebe in London. Ein Cousin lebe in Frankreich und vier Cousins leben in Österreich, so der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA. Seine wirtschaftliche / finanzielle Situation in Afghanistan bzw. jene seiner Familie - gemessen am landesüblichen Durchschnitt - gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde als "gut" an. Zuletzt habe er in Afghanistan für vier bis fünf Monate in der Stadt Kabul im Stadtteil Niazbek gelebt. Auf Befragen, welche Besitztümer er oder seine Familie in Afghanistan hätten gab er an, zwei Häuser und ca. 14 Jirib Grund im Heimatdorf und auch zwei Häuser in Kabul. Im Winter habe die Familie in Pakistan in der Stadt Peshawar gelebt und im Sommer in Afghanistan. Seine Flucht nach Österreich habe insgesamt ca 3.700 US-Dollar gekostet, sein Vater habe die Flucht bezahlt, "wir haben Geld", so der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde.

Zum Fluchtgrund befragt gab er an, dass der Vater Grundstücksstreitigkeiten gehabt habe und die Leute, mit welchen sein Vater gestritten habe, hätten auch noch andere Feinde. Die Feinde hätten einen Sohn dieser Familie getötet und würde die Familie, mit welchen der Vater gestritten hätte, davon ausgehen, dass der Vater der Mörder ist und wären sie daher nach Kabul übersiedelt. Er wisse nicht ob diese Leute das betroffene Grundstück hätten haben wollen oder genommen hätten. Befragt nach den Leuten, mit welchen der Vater gestritten habe, nannte er "XXXX" aus dem Distrikt Paghman. XXXX wäre ein Verwandter von "XXXX", welcher wiederum ein mächtiger Mann in Paghman wäre. Der Sohn von XXXX wäre im Juni/Juli 2015 getötet worden. Der Vater des Beschwerdeführers wäre einfach gekommen und habe gesagt, dass sie übersiedeln würden. Mehr habe der Vater nicht gesagt. Auf Befragen, ob XXXX den Vater des Beschwerdeführers nach dem Tod des Sohnes von XXXX bedroht hätte, antwortete er: "Das weiß ich nicht, Väter sprechen mit ihren Kindern darüber nicht." Auf Befragen, woher er wisse, dass sein Vater Grundstücksstreitigkeiten mit XXXX gehabt habe antwortete er:

"das hat mein Vater uns erzählt." Der Vater hätte Angst gehabt, dass sich XXXX rächt und den Beschwerdeführer umbringt. Der Beschwerdeführer gab auf Befragen an, XXXXnoch nie gesehen zu haben, noch nie persönlichen Kontakt zu XXXX gehabt zu haben. Seine Eltern hätten sich bei seinem Onkel versteckt und könnten seine Eltern nicht in ihren Häusern in Kabul leben, da XXXX diese kenne. Er wisse aber nicht, warum die Familie in der Stadt Kabul geblieben sei. Er wisse nicht, warum er aus Afghanistan nüchtern habe müssen, das habe sein Vater so entschieden und nachdem sie aus dem Heimatdorf nach Kabul geflüchtet wären, habe sein Vater sich entschlossen, den Beschwerdeführer ins Ausland zu schicken. Auf befragen, was er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte, gab er an, XXXX würde ihn entführen und töten. Zu der Frage nach weiteren Fluchtgründen gab er an, dass Beweismittel auf dem Weg nach Österreich wären und der Distriktvorsteher alles bestätigt und unterschrieben hätte.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Zudem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz

(BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass er nicht glaubhaft machen habe können, in Afghanistan Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen zu sein bzw. solche auch künftig nicht zu erwarten wären. Verfolgungshandlungen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung gegen seine Person habe er im gesamten Verfahren nicht behauptet. Selbst unter der Annahme der Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans sei festzuhalten, dass dieses Vorbringen jedenfalls keine Furcht vor Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten asylrelevanten Gründe darstellt, die von staatlichen Organen ausgehen würden oder dem Herkunftsstaat sonst zurechenbar wären. Bei einer Verfolgung durch Privatpersonen, wie im Falle des Beschwerdeführers durch XXXX, handle es sich weder um eine von einer staatlichen Behörde ausgehende noch um eine dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgung, die von den staatlichen Einrichtungen geduldet würde, sondern um eine private Auseinandersetzung, deren Ursache auch nicht im Zusammenhang mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention abschließend angeführten Verfolgungsgründen steht, sondern aus anderen Beweggründen besteht insbesondere aus kriminellen Motiven. Der Beschwerdeführer könne sich ohne weitere Schwierigkeiten in Kabul niederlassen und dort zumutbare Sicherheit und Versorgungsmöglichkeiten vorfinden und wäre nicht ersichtlich, weshalb er als Person, welche behauptet eine Schulbildung genossen zu haben, nicht von der afghanischen Gesellschaft aufgenommen werden sollte. Begründend wurde zu Spruchpunkt II. ausgeführt, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen

(a sufficiently real risk) in Afghanistan zu entnehmen wären bzw. von ihm keine Fluchtgründe genannt worden wären. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wären nicht gegeben, da er im Fall der Rückkehr nicht Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht durch die umF-Koordinierungsstelle des Landes Niederösterreich das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und Der Bescheid der belangten Behörde in vollem Umfang angefochten und vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund von Gefahr durch Blutrache und zudem auch aufgrund der prekären Situation in Afghanistan geflüchtet wäre und der Verfolger XXXX den Beschwerdeführer und seine Familie auch in Kabul finden könne. XXXX Würde den Beschwerdeführer entführen oder töten. Weiters wurde neben der drohenden Gefahr der Ermordung durch die Feinde seines Vaters erstmalig "generell Verfolgung durch die allgemeine Gefahr der Taliban" vorgebracht. Neben der Furcht vor Verfolgung und Entführung wurde erstmalig "Zwangsrekrutierung" und "Ermordung durch die Taliban" vorgebracht, dass Rückkehrer aus dem Westen im Visier der Taliban stünden und dass der Staat nicht in der Lage wäre, ihn vor XXXX zu schützen. Die belangte Behörde habe die ihm drohende Gefahr bei einem der zahlreichen Anschläge in Kabul oder in seiner Heimatsprovinz Kabul ums Leben zu kommen außer acht gelassen, so die Beschwerde. Die belangte Behörde verkenne die Sicherheitslage in Afghanistan und berücksichtige nicht die konkrete und spezielle Gefährdung Minderjähriger dort und wäre bei Minderjährigen ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzulegen und hätte die belangte Behörde die Minderjährigkeit hinsichtlich der Gewährung subsidiären Schutzes nicht berücksichtigt. Es bestünde eine ernsthafte Bedrohung des Minderjährigenbeschwerdeführers einerseits durch die drohende Ermordung durch die Feinde seiner Familie und andererseits aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage. Eine Ausweisung aus Österreich nach Afghanistan entspräche aufgrund der prekären Sicherheitslage nicht dem Kindeswohl. Bei richtiger Abwägung der Interessen hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass die persönlichen Interessen des minderjährigen Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art 8 ERMK iVm Art 1 BVG über die Rechte von Kindern das öffentliche Interesse einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Der Beschwerdeführer wäre einer Bedrohung oder drohenden Gefahr auch im Sinne des § 50 FPG ausgesetzt. Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wäre die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Verhältnismäßigkeit der Rückkehr Entscheidung wäre nur unzureichend geprüft worden. Beantragt werde, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen oder in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; bei mangelnder Gewährung subsidiären Schutzes einen Aufenthaltstitel aus besonders Berücksichtigung würdigen Gründen zu erteilen und die Rückkehr Entscheidung ersatzlos aufzuheben sowie festzustellen, dass die Abschiebung nach Afghanistan unzulässig ist.

6. Am 30.8.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu statt. Der Beschwerdeführer legte den Sozialbericht von XXXX vom 25.8.2017, die Bestätigung des Lehrgangs

XXXX vom 30.6.2017 über die Bestätigung des Abschlusses der Übergangsstufe, ein Empfehlungsschreiben der Dr. XXXX vom 20.6.2017, ein ÖSD Zertifikat A2 (bestanden) vom 8.6.2017, eine Anmeldebestätigung für den Deutsch-Intensivkurs Stufe A2.1 des XXXX vom 28.8.2017 vor. Zusammengefasst gab der Beschwerdeführer an, dass die Söhne seines Onkels väterlicherseits namens XXXX in Wien-Liesing leben, zu welchen er wegen seiner schulischen Verpflichtungen selten Kontakt halte und von diesen keine Unterstützung durch Geld erhalte und diese sich nicht um ihn kümmern würden, wenn der Beschwerdeführer Probleme hat. Wenn der Beschwerdeführer Sorgen oder Probleme hat oder etwas braucht, so wende er sich an seinen Betreuer, welcher sein Vater und seine Mutter für ihn wäre. Im Burgenland hätte der Beschwerdeführer einen Cousin namens XXXX. Mit diesem wäre er gemeinsam nach Österreich gekommen, aber auch an ihm könne er sich nicht wenden, wenn er Geld braucht oder Probleme hat. Auf Befragen nach seinem Gesundheitszustand gab er an "ganz gesund" und gab an, nur manchmal an Schmerzen in der rechten Schulter zu leiden und bereits Haare zu verlieren. Er gab an, in Afghanistan in der Provinz Kabul, im Distrikt XXXX im Dorf XXXX geboren zu sein. Im Winter wäre die Familie wegen der niedrigen Temperaturen in Paghman immer nach Pakistan gegangen. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan hätte er die letzten Nächte in Kabul beim Onkel mütterlicherseits verbracht.

Befragt nach seinen Fluchtgründen wurde der Beschwerdeführer aufgefordert alles zu erzählen und gab er in freier Erzählung an, dass eine sehr reiche und in Kabul bekannte Person namens XXXX die Felder und Grundstücke der Familie des Beschwerdeführers hätte haben wollen und der Vater des Beschwerdeführers diese Grundstücke nicht verkaufen wollte. Inzwischen wäre der Sohn von XXXX von jemandem getötet worden. Aufgrund der Probleme wegen den Grundstücken "wurden wir" beschuldigt, den Sohn des XXXX getötet zu haben und hätte daher XXXX Blutrache üben wollen und den Beschwerdeführer töten wollen Blutrache wäre in Afghanistan üblich. Der Beschwerdeführer gab an "Die Männer von XXXX sind ein paar Mal zu uns gekommen und ich musste mich verstecken. Danach wir alle nach Kabul zu meinem Onkel mütterlicherseits namens XXXX gegangen". Danach habe sich der Vater entschieden, den Beschwerdeführer nach Österreich zu schicken, da seine Cousins in Österreich leben und den Beschwerdeführer unterstützen könnten.

Auf die Frage ob das alle seine Fluchtgründe waren, gab er an: "Ja" und setzte fort, dass es in Kabul bei der deutschen Botschaft zu einem Selbstmordattentat gekommen wäre und dabei zwei Söhne seines Onkels mütterlicherseits getötet wären. Danach hätte er mit der Familie noch Kontakt gehabt, aber seit den letzten drei Monaten wisse er nicht wo sein Vater, seine Mutter und seine Geschwister wären und habe er den Onkel kontaktiert, welcher ihm sagte, dass sie in den Iran gegangen wären und einmal würde er sagen, dass sie noch in Afghanistan sind, der Onkel gebe ihm keine genaue Antwort.

In Afghanistan habe er eine Schulbildung von sechs Jahren genossen und drei Jahre bei seinem Onkel als Mechaniker gearbeitet. Er hätte vom Onkel dafür kein Geld genommen, sondern wäre er der Lehrling des Onkels gewesen und nach der Feindschaft hätte er nicht mehr arbeiten und nicht mehr die Schule besuchen können.

Auf Befragen, was die Männer von XXXX Gemacht hätten oder gesagt hätten, sodass sich der Beschwerdeführer versteckt hatte, gab er an:

"Sie sind gekommen, um jemanden mitzunehmen und zu töten." Auf Nachfrage, warum er das glaube gab er an, dass diese bewaffnet waren und stellte die Gegenfrage "Was glauben Sie, dass die mich einfach so lassen, wenn einer von ihnen getötet wird?" In ganz Afghanistan gebe es kein Polizeisystem und täglich würden viele unschuldige Menschen ums Leben kommen. 100-150 Personen deren gestern Nacht getötet worden in Kabul und vorgestern wäre in einer Moschee "auch was passiert", das wisse er aus den Nachrichten und aus youtube.

Auf Nachfragen, was er gehört habe, was diese Männer gesagt hätten, verneinte er und auf die Frage ob er etwas Beobachtet hätte, was die Männer bei Ihnen zu Hause getan hätten, gab er erstmalig an, diese wären mit Pistolen bewaffnet gewesen. Vor seinen Augen wäre ist dunkel gewesen. Auf Nachfrage wie viele Männer es waren schilderte er "viele. Sie kamen mit mehreren Autos." Auf Befragen woher wisse dass es genau die Männer von XXXX waren, gab er an "Wir hatten keine Probleme mit anderen Menschen". Er habe nichts gehört, als die Männer kamen hätte er sich sofort versteckt und wären alle aus seiner Familie zu Hause gewesen, als diese Männer zum Haus kamen. Als diese Männer zu ihm nach Hause kamen wäre die Familie zu Nachbarn gegangen. Auf die Frage, mit wem aus seiner Familie diese Männer gesprochen hätten gab er an "Die sind gekommen, um jemanden festzunehmen und zu töten. Keiner von meiner Familie hat mit ihnen gesprochen. Hätte jemand mit ihnen gesprochen, wäre er ums Leben gekommen". Der Dorfälteste bekäme Geld vom mächtigen einflußreichen XXXX und habe XXXX vielen anderen Menschen Privatgrundstücke weggenommen. Niemand aus seiner Familie wäre in Afghanistan geblieben und sein Vater hätte genau nur ihn weggeschickt, weil er immer rausgegangen wäre. Seine Cousins wären seit zehn oder elf Jahren da und hätten die österreichische Staatsbürgerschaft, aber genau wisse er es nicht.

Auf Befragen ob er aus religiösen Gründen in Afghanistan verfolgt oder bedroht wurde, gab er an, dass in seiner Ortschaft die Taliban aktiv sind und auf Befragen ob er mit den Taliban einmal was zu tun hatte, verneinte er und gab an, dass diese präsent sind und ein paar Leute einmal von ihnen geköpft worden wären. Man könne dort nicht einmal eine Hose tragen und hätten die Taliban auf die Moschee geschrieben, dass der Heilige Krieg Pflicht ist.

Er wäre nie Parteimitglied oder bei einer Terrororganisation gewesen. Er verneinte in Afghanistan einmal inhaftiert gewesen zu sein oder Probleme mit Polizei, Gericht oder Behörden gehabt zu haben. Er verneinte, wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan Probleme gehabt zu haben oder deshalb verfolgt worden zu sein.

Auf Nachfrage was er fürchte, wenn er nach Afghanistan zurück müsste, gab er an, dass die Männer von XXXX und XXXX an ihm Rache üben würden und ihn umbringen würden und er keine Familie dort mehr habe. Er habe dort keine Filter und die Familie wäre weg, was solle er dort machen.

In Österreich würde er gern etwas lernen und als Automechaniker arbeiten und beschrieb er seinen Tagesablauf so, dass er die Schule besuchen werde, viele Bücher aus einer Buchhandlung mitgenommen habe, sehr viel lerne und einen Kickboxclub besuche.

Auf Nachfrage, ob er in der Verhandlung alles sagen hätte können, was seine Fluchtgründe waren, bejahte er dies und gab an den Dolmetscher gut verstanden zu haben.

Die Telefonnummern seiner Eltern hätten seine Cousins, doch keiner hebe unter diesen Nummern ab. Er habe seinen Onkel kontaktiert und ihn nach den Eltern gefragt. Der Onkel sagte, dass die Eltern im Iran sind, ein anderer Onkel väterlicherseits meinte, dass die Familie des Beschwerdeführers in Pakistan sei und keiner wisse wo sie sich genau befinden. Die Nummern "die wir" hatten, würden nicht mehr funktionieren. Die Onkeln hätten dem Beschwerdeführer mehrere Nummern gegeben, keine habe funktioniert. Er habe sein Handy in der Unterkunft "XXXX" verloren und von seinem in der Verhandlung anwesenden Betreuer ein neues Handy erhalten, was von diesem auch durch nicken bestätigt wurde. Es habe auch eine Anzeige an die Polizei gegeben. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde die Adresse des Hauses XXXX,XXXX, und die dazugehörige Telefonnummer XXXX XXXX genannt.

Abschließend wurde der Beschwerdeführer befragt, ob er sich mit seiner Vertreterin über den ihm mit der Ladung zugesandten Länderbericht unterhalten hatte und wurde für die Vorlage einer Stellungnahme eine Frist eingeräumt. Die Vertreterin verwies auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs vom 19.4.2016, vor allem zum Punkt 14 betreffend Personen, welche in Blutfehde verwickelt sind, weiters auf die Akkord-Anfragebeantwortung zu Afghanistan, Informationen zu Blutrache vom 25.8.2014 unter

Nr a-8797-1 und zitierte daraus. Sie zitierte weiters aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.5.2014, W174 1227561-2, worin ein Gutachten von

Dr. Rasuly betreffend Blutrache enthalten ist. Demnach wären die Söhne der Täter die ersten Adressaten und verwies sie weiters auf den Bericht "Überleben in Afghanistan" zur Lage von Rückkehrern und gab sie an weitere Informationen zu Sicherheitslage nachreichen zu wollen.

Mit E-Mail vom 5.9.2017 wurden von der Vertreterin des Beschwerdeführers folgende Unterlagen nachgereicht:

* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016

* SFH-Länderanalyse vom 7.6.2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde

* BVwG-Entscheidung vom 21.5.2014, W174 1227561-2 zur Blutrache

* Entscheidung des Asylgerichtshofrichtshofs vom 16.3.2012, C18 401197-2/2009 zu Blutrache und Blutfehde

* Diverse Artikel deutscher Medien zur derzeitigen Situation in Kabul

XXXX am 3.11.2017 fernmündlich bei der vom Beschwerdeführer übergebenen Telefonnummer XXXX, XXXX. Die telefonische Nachfrage ergab, dass sich der früher Teamleiter der inzwischen geschlossenen Unterkunft, Herr XXXX, zwar an den Beschwerdeführer erinnern könne, von einem Handydiebstahl wisse er jedoch nichts.

Ebenso die örtlich zuständige Polizeiinspektion XXXX teilte auf Ersuchen am 3.11.2017 mit, dass diesbezüglich keine Anzeige des Beschwerdeführers wegen eines Handydiebstahls bekannt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben an. Er stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz XXXX, wo er sechs Jahre lang die Grundschule besucht und neben der Schule mit seinem Onkel als Automechaniker gearbeitet hatte und bis einige Tage vor seiner Ausreise lebte. Die letzten Tage vor seiner Ausreise verbrachte er bei seinem Onkel mütterlicherseits in Kabul. Seine Familie besitzt im Herkunftsdorf des Beschwerdeführers Grundstücke sowie zwei Häuser in Kabul.

Aufgrund des widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Vorbringens zum sozialen Umfeld und den Eigentumsverhältnissen geht das Bundesverwaltungsgericht von den behaupteten Lebensverhältnissen, Eigentumsverhältnissen bzw. familiären Gegebenheiten aus.

Der Beschwerdeführer reiste minderjährig unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und ist minderjährig (16. Geburtstag im August 2017).

Der Beschwerdeführer behauptet Familienangehörige in Österreich, zu welchem Kontakt besteht, welche ihn jedoch finanziell und wirtschaftlich nicht unterstützen. In Ermangelung der Vorlage von Beweismitteln über das Verwandtschaftsverhältnis, kann ein solches zu den vom Beschwerdeführer genannten in Österreich aufhaltigen Verwandten nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und arbeitsfähig. Der Aufenthalt seiner Eltern lässt sich nicht feststellen. Die Existenz des minderjährigen Beschwerdeführers war in Afghanistan vor seiner Ausreise gesichert und wäre dies auch im Falle einer Rückkehr.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sowie aufgrund seiner Religion bzw. dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen sowie Sunniten in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich zuletzt in Europa aufgehalten hat bzw dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus dem Iran sowie aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer stellte am 26.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete er im Wesentlichen mit der der Behauptung, eine einflussreiche mächtige Person namens XXXX würde den Vater des Beschwerdeführers des Mordes am Sohn des XXXX bezichtigen, weil der Vater des Beschwerdeführers sich zuvor geweigert hätte, Grundstücke an den XXXX verkaufen zu wollen. XXXX und dessen Männer hätten aus Blutrache das Anwesen der Familie im Heimatdorf aufgesucht, um den Beschwerdeführer mitzunehmen und zu töten und wäre daher die Familie nach Kabul geflohen und von dort aus hätte der Vater den Beschwerdeführer nach Österreich geschickt.

Dieses Vorbringen erweist sich zur Gänze als nicht glaubhaft.

Festgestellt wird zur Situation des minderjährigen Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr, dass nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass er als Zivilperson und als Minderjähriger einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sein könnte.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

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(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

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(UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.- 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

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BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017

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BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017

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INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-greenzone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017

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NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosquekabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

-

Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike:

U.S. military,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamicstate-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

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Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightenedafter-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES

CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017

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The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistanwar-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017

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Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

-

UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_con flict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

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UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-

afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017

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WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isisafghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran - Abschnitt 21/Flüchtlinge).

Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen.

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden

müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu- Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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