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34/01 MonopoleNorm
PersFrSchG 1988 Art1Leitsatz
Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Verhängung von - vom VStG abweichenden - Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretung des GlücksspielgesetzesSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit es den Ausspruch über die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen betrifft, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit iVm Art5 EMRK verletzt worden.
Das Erkenntnis wird in diesem Umfang aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
III. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 1.548,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Straferkenntnis vom 5. April 2016 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn über den Beschwerdeführer gemäß §52 Abs1 Z1 GSpG neun Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 3000,– und Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von jeweils 1500 Stunden, weil er in seinem näher bezeichneten Lokal zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen veranstaltet habe.
2. Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Einschreiters gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. Es handle sich bei den auf den betriebsbereiten Glücksspielgeräten vorgefundenen, vom Beschwerdeführer veranstalteten virtuellen Walzenspielen unbestritten um verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 GSpG, für die keine Konzession nach dem Glücksspielgesetz erteilt worden sei. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg könne auf Basis der getroffenen Feststellungen und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes keine Unionsrechtswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erkennen. Unter Würdigung des Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers seien die von der Behörde festgesetzten Strafen angemessen.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG, auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK, auf persönliche Freiheit gemäß Art1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und Art5 EMRK sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt. Der Verfassungsgerichtshof habe seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E945/2016 ua., einerseits ein vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in den Ausgangsfällen unrichtig festgestelltes Tatsachensubstrat in Bezug auf die Spielsuchtproblematik in Österreich zugrunde gelegt, andererseits sei er – vor allem im Hinblick auf (zulässige) Werbemaßnahmen – von der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union zu den Voraussetzungen eines Glücksspielmonopols abgegangen. Die angeblichen Zielsetzungen des Glücksspielmonopols ließen sich durch gelindere Mittel als die Monopolisierung eines ganzen Wirtschaftszweiges erreichen. Die in den §§50 ff. GSpG normierten Eingriffsbefugnisse stellten zudem eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit gemäß Art15 GRC, der unternehmerischen Freiheit gemäß Art16 GRC und des Eigentumsrechtes gemäß Art17 GRC dar bzw. seien im Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art7 GRC und den Schutz personenbezogener Daten gemäß Art8 GRC – insbesondere wegen fehlender vorangehender richterlicher Kontrolle – bedenklich. Die Regelungen für Spielbanken, elektronische Lotterien, Pokersalons, (den in nur einigen Bundesländern erlaubten) Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten und Sportwetten seien zudem inhomogen und gesamtheitlich betrachtet inkohärent. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hätte die Frage der Gesamtkohärenz – mangels bereits erfolgter Klärung – an den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art267 AEUV herantragen müssen. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg habe darüber hinaus von sich aus inquisitiv ausschließlich belastende Beweise aufgenommen und sei auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Urkunden nicht eingegangen. Das österreichische Verwaltungsstrafverfahrensrecht biete – insbesondere auf Grund des in §38 VwGVG iVm §25 Abs1 VStG normierten Amtswegigkeitsprinzips – keine ausreichende Garantie, die Vermischung anklagender und judikativer Funktion hintanzuhalten, wie es die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR 20.9.2016, Fall Karelin, Appl. 926/08) gebiete. Für die über den Beschwerdeführer verhängten Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von je 1500 Stunden bestehe zudem keine Rechtsgrundlage, weil §16 Abs2 VStG – sofern gesetzlich nicht anders vorgesehen – eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von höchstens zwei Wochen vorsehe.
4. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg legte die Gerichtsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Rechtslage
1. §52 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, stand zum Zeitpunkt der Tatbegehung in der Fassung BGBl I 105/2014 in Geltung und lautete:
"Verwaltungsstrafbestimmungen
§52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des §2 Abs2 daran beteiligt;
2. wer gewerbsmäßig ohne Berechtigung Spielanteile eines von diesem Bundesgesetz erfassten Glücksspieles oder Urkunden, durch welche solche Spielanteile zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, veräußert oder an andere überlässt;
3. wer die Bewilligungsbedingungen eines genehmigten Glücksspieles nicht einhält;
4. wer die Auflagen des §5 nicht einhält oder ein Glücksspiel trotz Untersagung oder nach Zurücknahme der Spielbewilligung durchführt;
5. wer gegen eine Bestimmung der in §2 Abs3, §12a Abs4 und §21 Abs10 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß §4 Abs6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach §50 Abs4 verstößt;
6. wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht;
7. wer technische Hilfsmittel (z. B. eine entsprechend geeignete Fernbedienung) bereit hält, mit sich führt oder einsetzt, die geeignet sind, sich selbst oder anderen einen unlauteren Spielvorteil zu verschaffen oder den Spielablauf zu beeinflussen;
8. wer die Pflichten der Geldwäschevorbeugung gemäß §25 Abs6 und 7 oder §25a verletzt;
9. wer verbotene Ausspielungen (§2 Abs4) im Inland bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht, es sei denn es liegt eine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß §56 Abs2 vor;
10. wer als Kreditinstitut wissentlich die vermögenswerte Leistung eines Spielers an den Veranstalter oder Anbieter verbotener Ausspielungen weiterleitet, wenn dies im vorsätzlichen unmittelbaren Zusammenwirken mit dem Veranstalter oder Anbieter geschieht;
11. wer bei der Durchführung von Ausspielungen Trinkgelder direkt annimmt.
(2) Bei Übertretung des Abs1 Z1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.
(3) Ist durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach §52 als auch der Tatbestand des §168 StGB verwirklicht, so ist nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des §52 zu bestrafen.
(4) Werden Verwaltungsübertretungen nach Abs1 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, von dem aus die Teilnahme im Inland erfolgt. Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des §2 Abs4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß §54 einzuziehen sind, dem Verfall.
(5) Die Teilnahme an Elektronischen Lotterien, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen erteilt wurde, ist strafbar, wenn die erforderlichen Einsätze vom Inland aus geleistet werden. Der Verstoß gegen dieses Verbot wird bei vorsätzlicher Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, ansonsten mit einer Geldstrafe bis zu 1 500 Euro geahndet."
2. §52 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses in der Fassung BGBl I 118/2016 in Geltung und lautet:
"Verwaltungsstrafbestimmungen
§52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des §2 Abs2 daran beteiligt;
2. wer gewerbsmäßig ohne Berechtigung Spielanteile eines von diesem Bundesgesetz erfassten Glücksspieles oder Urkunden, durch welche solche Spielanteile zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, veräußert oder an andere überlässt;
3. wer die Bewilligungsbedingungen eines genehmigten Glücksspieles nicht einhält;
4. wer die Auflagen des §5 nicht einhält oder ein Glücksspiel trotz Untersagung oder nach Zurücknahme der Spielbewilligung durchführt;
5. wer gegen eine Bestimmung der in §2 Abs3, §12a Abs4 und §21 Abs10 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß §4 Abs6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach §50 Abs4 verstößt;
6. wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht;
7. wer technische Hilfsmittel (z. B. eine entsprechend geeignete Fernbedienung) bereit hält, mit sich führt oder einsetzt, die geeignet sind, sich selbst oder anderen einen unlauteren Spielvorteil zu verschaffen oder den Spielablauf zu beeinflussen;
8. wer die Pflichten der Geldwäschevorbeugung gemäß §31c Abs1 bis 3 verletzt;
9. wer verbotene Ausspielungen (§2 Abs4) im Inland bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht, es sei denn es liegt eine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß §56 Abs2 vor;
10. wer als Kreditinstitut wissentlich die vermögenswerte Leistung eines Spielers an den Veranstalter oder Anbieter verbotener Ausspielungen weiterleitet, wenn dies im vorsätzlichen unmittelbaren Zusammenwirken mit dem Veranstalter oder Anbieter geschieht;
11. wer bei der Durchführung von Ausspielungen Trinkgelder direkt annimmt.
(2) Bei Übertretung des Abs1 Z1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.
(3) Ist durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach §52 als auch der Tatbestand des §168 StGB verwirklicht, so ist nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des §52 zu bestrafen.
(4) Werden Verwaltungsübertretungen nach Abs1 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, von dem aus die Teilnahme im Inland erfolgt. Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des §2 Abs4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß §54 einzuziehen sind, dem Verfall.
(5) Die Teilnahme an Elektronischen Lotterien, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen erteilt wurde, ist strafbar, wenn die erforderlichen Einsätze vom Inland aus geleistet werden. Der Verstoß gegen dieses Verbot wird bei vorsätzlicher Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, ansonsten mit einer Geldstrafe bis zu 1 500 Euro geahndet."
3. §16 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl 52/1991, lautet:
"Ersatzfreiheitsstrafe
§16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf §12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Zunächst hält der Verfassungsgerichtshof fest, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes betreffend das Glücksspielmonopol bzw. der zahlenmäßigen Beschränkungen der Glücksspielkonzessionen, der Eingriffsbefugnisse der §§50 ff. GSpG sowie des in §38 VwGVG iVm §25 Abs1 VStG normierten Amtswegigkeitsprinzips nicht vorliegt:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E945/2016 ua., ausgesprochen, dass gegen die einschlägigen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Es besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Anlass, davon abzugehen.
1.2. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg wurde im vorliegenden Fall auch nicht als letztinstanzliches Gericht iSd Art267 Abs3 AEUV tätig, weshalb keine Pflicht zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union bestand (vgl. VfSlg 19.896/2014).
1.3. Der Verfassungsgerichtshof kann darüber hinaus nicht erkennen, dass die in den §§50 ff. GSpG vorgesehenen Eingriffsbefugnisse unverhältnismäßig ausgestaltet sind. Der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgebliche Grundsatz der Amtswegigkeit begegnet – selbst bei Abwesenheit der belangten Behörde in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht – keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfGH 14.3.2017, E3282/2016).
2. Ob die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg in Bezug auf die Strafbarkeit des Beschwerdeführers in jeder Hinsicht rechtmäßig war, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.
3. Die Beschwerde ist allerdings, soweit sie den Ausspruch über die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen betrifft, begründet:
3.1. Die angefochtene Entscheidung greift in das Recht auf persönliche Freiheit ein. Der durch Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafen in das Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit iVm Art5 EMRK vorgenommene Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes unter anderem dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes ergangen wäre (vgl. VfSlg 3915/1961, 5498/1967, 7679/1974, 8244/1978, 10.116/1984; 10.952/1986, 19.628/2012).
3.2. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg unterlaufen:
Da das der Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall zugrunde liegende Glücksspielgesetz weder eine Regelung über (primäre) Freiheitsstrafen iSd §16 Abs2 VStG enthält noch von §16 Abs2 VStG abweichende Ersatzfreiheitsstrafen normiert, dürfen die im vorliegenden Fall vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg – für die Übertretung des Glücksspielgesetzes mit neun Glücksspielgeräten – festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafen gemäß §16 Abs2 erster Satz VStG das Höchstmaß von jeweils zwei Wochen nicht überschreiten.
Indem das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die über den Beschwerdeführer für die Übertretung des Glücksspielgesetzes mit neun Glücksspielgeräten verhängten Ersatzfreiheitsstrafen mit jeweils 1500 Stunden bemaß, hat es die Bestimmung des §16 VStG denkunmöglich angewendet und sein Erkenntnis mit Verfassungswidrigkeit belastet (vgl. VfGH 27.6.2017, E1381/2017).
4. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit es den Ausspruch über die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen betrifft, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit iVm Art5 EMRK verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher, soweit es den Ausspruch über die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen betrifft, aufzuheben.
3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Der Kostenausspruch gründet sich auf §88 VfGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Beschwerde nur teilweise erfolgreich war (vgl. VfSlg 14.492/1996, 16.385/2001, 17.339/2004, 19.637/2012). In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 218,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Ersatzfreiheitsstrafe, Verwaltungsstrafrecht, Glücksspielmonopol, GlücksspielEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2341.2017Zuletzt aktualisiert am
20.11.2017