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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien sowie Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes über einen in Österreich aufgewachsenen serbischen Staatsangehörigen wegen Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit hinsichtlich des Vorliegens einer absoluten Aufenthaltsverfestigung und der familiären VerhältnisseRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Anwendbarkeit von §9 Abs4 BFA-VG ("absolute" Aufenthaltsverfestigung, sofern sich ein Drittstaatsangehöriger auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und - nach der hier relevanten Z2 - von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist; in diesem Fall Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung) nicht auseinandergesetzt. Vielmehr trifft es eine Abwägungsentscheidung nach §9 Abs1 BFA-VG und stützt diese in entscheidungsrelevanten Punkten auf Negativfeststellungen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte keine mündliche Verhandlung durch. Eine ausreichende Klärung des relevanten Sachverhaltes, etwa der Frage, in welchem Alter der Beschwerdeführer nach Österreich gereist ist (lt Beschwerdeführer bereits im Alter von 2 Jahren), wäre durch die Befragung von Zeugen möglich und aus dem Blickwinkel des §9 Abs4 BFA-VG iVm Art8 EMRK unbedingt erforderlich gewesen. Gleiches gilt für die Frage, ob der Beschwerdeführer Kinder hat.
Die Negativfeststellung des Bundesverwaltungsgerichts zu etwaigen Kindern des Beschwerdeführers stellt eine Nichtbeachtung eines Beweisergebnisses dar (der als Beweismittel herangezogene Gerichtsakt enthält einen Bericht der Landespolizeidirektion Wien, in dem es heißt, dass der Beschwerdeführer eine Tochter [10 Jahre] und einen Sohn [14 Jahre] habe). Die Klärung der familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers wäre durch Befragung in einer mündlichen Verhandlung oder die Aufforderung, die Geburtsurkunden vorzulegen, also durch leicht anstellbare Ermittlungen, möglich gewesen.
Das Bundesverwaltungsgericht macht widersprüchliche Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (Feststellung, dass zu näher bestimmten Zeiten keine Meldung im Bundesgebiet vorliege; zugleich Feststellung des Schulbesuchs ab 1990 mit anschließender Lehre). Auch in dieser im Hinblick auf §9 Abs4 BFA-VG iVm Art8 EMRK relevanten Frage hätte durch leicht anstellbare Ermittlungen Klarheit geschaffen werden können.
Indem das Bundesverwaltungsgericht jegliche Ermittlungstätigkeit in entscheidungsrelevanten Punkten unterlässt, sich stattdessen mit Spekulationen begnügt und in nicht vertretbarer Weise davon ausgeht, dass die Voraussetzung eines hinreichend geklärten Sachverhalts für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung vorliegt, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Willkür belastet.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Fremdenrecht, Fremdenpolizei, Rückkehrentscheidung, Einreiseverbot, Ermittlungsverfahren, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2007.2017Zuletzt aktualisiert am
20.11.2017