TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/25 W127 2140427-1

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W127 2140423-1/10E

W127 2140426-1/7E

W127 2140427-1/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 26.09.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. FISCHER-SZILAGYI über die Beschwerden

1.) der XXXX, geboren am XXXX,

2.) des XXXX, geboren am XXXX, und

3.) der XXXX, geboren am XXXX,

alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, Zweitbeschwerdeführer und Drittbeschwerdeführerin vertreten durch ihre Mutter XXXX, diese vertreten durch ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2016, Zahlen 1.) 1099394200-152019444, 2.) 1099394309-152019465 und 3.) 1112799209-160590797, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Sohn, der minderjährige Zweitbeschwerdeführer, afghanische Staatsangehörige, sind illegal in die Republik Österreich eingereist und haben am 17.12.2015 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.12.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Taliban ihren Mann "mitgeschleppt" hätten und mit ihr dasselbe hätten machen wollen. Deshalb habe ihr Schwager beschlossen, dass sie Afghanistan verlassen solle. Er habe die Reise organisiert. In Afghanistan habe sie Mädchen unterrichtet. Die Taliban hätten sie gewarnt und angehalten aufzuhören, da Mädchen nicht in die Schule gehören würden. Dann habe sie die Mädchen heimlich unterrichtet. Weil sie dabei auch die englische Sprache unterrichtet habe, habe sich das Gerücht verbreitet, dass sie den christlichen Glauben verbreite. Eines Tages habe sie ihre Mutter besucht. Währenddessen hätten die Taliban ihren Mann mitgenommen. Nur weil sie weg gewesen sei, hätten sie die Taliban nicht erwischt. Ihren Mann hätten sie wegen ihrer Unterrichtstätigkeit mitgenommen. Im Falle einer Rückkehr werde sie von den Taliban getötet. Als sie sich wegen der Bedrohung an die Polizei gewendet habe, habe diese gemeint, dass sie "das" nicht machen solle und die Folgen daher selbst tragen müsse.

Am XXXX wurde die Tochter der Erstbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin, geboren; für diese stellte die Mutter als gesetzliche Vertreterin am 15.04.2016 den Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 01.09.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Sie gab an, dass sie der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig sei. Sie sei verheiratet und habe zwei Kinder. Ihr Ehemann befinde sich in Afghanistan. Vor circa zehneinhalb Monaten sei sie das letzte Mal in Afghanistan gewesen. Zuletzt habe sie drei Jahre in einem Dorf in der Provinz Ghazni gewohnt. Dort habe sie im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, dessen Mutter und Brüdern gelebt. Davor habe sie in Kabul gewohnt. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin habe als Landwirt gearbeitet. Die Erstbeschwerdeführerin habe im Iran zwölf Jahre lang die Schule besucht und auch abgeschlossen. Als Präsident Karzai an die Macht gekommen sei, seien sie nach Afghanistan zurückgekehrt. Ihre wirtschaftliche Situation in Afghanistan sei sehr gut gewesen, sie hätten Grundstücke gehabt. Zu ihrem Fluchtgrund führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass Mädchen in Ghazni nicht die Möglichkeit gehabt hätten die Schule zu besuchen. Wenn sie das Haus hätten verlassen wollen, hätten sie von einem Mann begleitet werden müssen. Sie hätten eine Burka tragen müssen. Sie habe "eine Bildung" gehabt und auch ein wenig Englisch sprechen können. Sie habe den Entschluss gefasst, für Mädchen eine Klasse einzurichten. Die Taliban hätten davon erfahren. Als sie an einem Wochenende bei ihrer Mutter gewesen sei, sei sie von ihrem Schwager benachrichtigt worden, dass die Taliban in ihr Haus eingedrungen seien. Sie hätten das Haus durchsucht und alles durcheinander gebracht und ihren Mann mitgeschleppt und diesem vorgeworfen, dass er mitschuldig sei. Sie seien hinter ihr her gewesen und hätten sie fassen wollen. Sie hätten sie beschuldigt, dass sie Mädchen unterrichte und ihnen das Christentum gelehrt habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei damals schwanger gewesen. Ihr Schwager und ihr Bruder hätten ihr geholfen und sie mit dem Auto nach Kabul gebracht, dann sei sie über Herat in den Iran gebracht worden. Seit sie von zu Hause weggegangen sei, wisse sie nichts über ihren Ehemann. Wenn sie ihre Familie nach ihrem Ehemann frage, würden diese sagen, dass er bald kommen werde. Sie wisse aber nichts über ihn. Auf Nachfragen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Mädchen welche sie unterrichtet habe, aus den benachbarten Dörfern gewesen seien. Die Erstbeschwerdeführerin legte ein Foto vor, auf welchem sie mit einer Gruppe von Mädchen zu sehen sei. Sie gab dazu an, dass dieses vor drei Jahren, im ersten Jahr als sie die Klasse eingerichtet habe, aufgenommen worden sei. Daraufhin angesprochen, wie sie es über drei Jahre hinweg verheimlichen habe können, dass sie die Mädchen unterrichte, antwortete sie, dass sie zwei Jahre unterrichtet habe und seit einem Jahr in Österreich sei. Sie habe den Schülerinnen aufgetragen, dass sie keine Schuluniform tragen und in normaler Kleidung kommen sollen. Die Schulsachen habe sie in der Klasse aufbewahrt. Dies sei die nächste Generation, sie habe gewollt, dass sie etwas lernen. Ihr Mann sei damit einverstanden gewesen, dass sie die Mädchen unterrichte. Sie wisse nicht, wie die Taliban von ihrer Tätigkeit erfahren hätten. Sie sei nie persönlich von den Taliban bedroht worden. Wenn sie das Haus verlassen habe, habe sie immer eine Burka getragen. Frauen hätten nicht das Recht gehabt, das Haus zu verlassen. Die Familie der Erstbeschwerdeführerin lebe in Ghazni. Sie habe jede Woche telefonischen Kontakt zu ihren Verwandten. Sie habe seit ihrer Ausreise nichts von ihrem Ehemann gehört. Im Fall einer Rückkehr fürchte sie den Tod und habe Angst um ihre Kinder. Die minderjährigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Es wurden zwei Unterstützungsschreiben und eine Kopie der Tazkira der Erstbeschwerdeführerin vorgelegt.

Mit nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den beschwerdeführenden Parteien der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.10.2017 erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht habe glaubhaft machen können, dass sie Afghanistan aufgrund einer drohenden Verfolgung durch die Taliban verlassen habe. Die beschwerdeführenden Parteien seien in Afghanistan keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen und hätten solche auch nicht zu erwarten.

Mit Verfahrensanordnung vom 17.10.2016 wurde den beschwerdeführenden Parteien die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtene Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde innerhalb offener Frist Rechtsmittel erhoben und die Bescheide jeweils hinsichtlich des Spruchteiles I. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die beschwerdeführenden Parteien günstiger Bescheid erzielt worden wäre, angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde bei Durchführung eines gesetzmäßigen Ermittlungsverfahrens und einer ordentlichen Beweiswürdigung das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin als entscheidungsrelevanten Sachverhalt hätte feststellen müssen. In der Folge hätte die belangte Behörde den beschwerdeführenden Parteien die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen müssen. Es wurden Länderberichte vorgebracht und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten sind am 23.11.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Nach Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurden die Rechtssachen am 15.12.2016 neu zugewiesen.

Am 01.03.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein anonymes Schreiben ein, in welchem ausgeführt wurde, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bereits seit zwölf Jahren in Italien lebe. Die Erstbeschwerdeführerin habe von der italienischen Botschaft in Kabul ein Visum aufgrund eines Antrages auf Familienzusammenführung erhalten und sei im Jahr 2011 legal in Italien eingereist. Der Zweitbeschwerdeführer sei in Italien, in Rom, geboren. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer seien einige Zeit später nach Schweden geflohen, um einen Asylantrag zu stellen. Der Ehemann sei in Italien geblieben. Nach Ablehnung des Asylantrages in Schweden seien sie nach Österreich geflüchtet. Sie hätten noch immer ein gültiges Aufenthaltsrecht für Italien. Sie würden immer wieder nach Italien fahren, um den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin zu besuchen. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer würden einen Reisepass besitzen.

Dem Schreiben waren Farbkopien von diversen Dokumenten, unter anderem den Reisepässen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers sowie italienischen Aufenthaltsbewilligungen, beigelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.09.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht teilnahm. Die Erstbeschwerdeführerin führte im Beisein ihres Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen aus, dass sie Afghanistan im November 2015 verlassen habe. Sie sei ein Monat lang unterwegs gewesen. Im Dezember sei sie schon in Österreich gewesen. Sie habe Afghanistan davor schon einmal verlassen. Sie sei damals nach Schweden gegangen, dies sei etwa 2011 gewesen. Sie sei sechs bis sieben Monate in Schweden aufhältig gewesen. Schweden habe sie verlassen müssen, weil sich ihr Mann ihr nicht habe anschließen können. Dieser sei zwischen der Türkei und Griechenland verloren gegangen. Sie habe auf ihn gewartet, aber er sei nicht gekommen. Sie habe in Schweden auch einen Asylantrag gestellt. Der Ausgang des Verfahrens sei negativ gewesen. Daher habe sie Schweden verlassen und sei zurück in den Iran gegangen. Im Iran habe sie endlich ihren Mann ausfindig machen können. Sie sei dann nach Afghanistan gegangen. Sie habe bis 2015 mit ihrem Mann in Afghanistan in der Provinz Ghazni gelebt. Sie wisse nicht genau, wann sie ihren Mann geheiratet habe, sie glaube es sei im Jahr 2010 gewesen. Auf Nachfragen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie sich außer in Schweden und auf ihrer Reise nach Österreich in keinem anderen europäischen Land aufgehalten habe. Zu den mit der Beschwerde vorgelegten Fotos führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass das erste Foto etwa drei Monate vor ihrer Ausreise bei der Hochzeit eines Verwandten in Kabul aufgenommen worden sei. Das zweite Foto würde sie und ihren Sohn zur selben Zeit in Kabul zeigen. Auf den beiden anderen Fotos seien einmal ihr Sohn und einmal ihre Schülerinnen bei der Erstbeschwerdeführerin zu Hause zu sehen. Sie wisse nicht, wo sich ihr Mann derzeit befinde, dieser sei verschwunden. Seit sie Afghanistan verlassen habe, wisse sie nichts mehr von ihm. Nach Dokumenten befragt gab sie an, dass sie keinen Reisepass habe, sondern lediglich die Kopie ihrer Tazkira. Auf den Namen und das Geburtsdatum, welche auf der Kopie der italienischen Aufenthaltsbewilligung angeführt sind, angesprochen, gab sie an, dass dies ihr Vorname und der Name ihres Vaters sei. Das Geburtsdatum sei ihr Geburtsdatum mit eintägigem Unterschied. Auf Vorhalt, dass dem Gericht anonym Farbkopien von auf die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer lautenden Aufenthaltsbewilligungen übermittelt wurden, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie dazu nichts zu sagen habe. Auf nochmaliges Vorhalten des Gerichtes und auf Vorhalt, dass der Zweitbeschwerdeführer gemäß den Unterlagen in Italien geboren sei, gab die Erstbeschwerdeführerin an "meine Tochter ist hier geboren". Zu den sonstigen Vorhaltungen schwieg sie. Sie führte aus, dass der angegebene Fluchtgrund wahr sei. Die Aufenthaltsbewilligung von Italien habe sie nicht vorgelegt, da sie Angst gehabt habe, von Österreich abgewiesen zu werden. Nach Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit Schreiben vom 05.10.2017 wurde seitens der Erstbeschwerdeführerin der Antrag auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnises gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige von Afghanistan sowie der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin hat am 17.12.2015 für sich und ihren minderjährigen Sohn, den Zweitbeschwerdeführer, gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Für ihre minderjährige Tochter, die Drittbeschwerdeführerin, stellte die Erstbeschwerdeführerin am 15.04.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt waren bzw. ihnen eine solche Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Auch haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Bezüglich des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin haben sich keine Hinweise einer eigenen und in ihrer Person liegenden asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat ergeben.

Zur Situation in Afghanistan:

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Afghanistan, vom 02.03.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 25.09.2017), sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender vom 19.04.2016 zugrunde gelegt.

Zu der Lage der Frauen ist festzuhalten, dass der jahrzehntelange Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte führte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016). Auch der Zugang zu Bildung, auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015), hat sich verbessert. Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014). Laut dem afghanischen Statistikbüro gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 – 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren 63.911 Frauen (CSO 2016). Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an (The Economist 13.8.2016; vgl. auch: MORAA 31.5.2016). Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch: University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch USDOS 13.4.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alphabetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zu den gegenständlichen Rechtssachen vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die oben genannten Feststellungen zu Person, Volksgruppe, Religion, Herkunft und familiären Beziehungen der beschwerdeführenden Parteien resultieren aus ihren dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten, aber auch aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Dokumente aus Italien, denen die Erstbeschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist.

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

Dass bezüglich des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus den Ermittlungsergebnissen.

Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen ist als nicht glaubhaft zu qualifizieren. Einleitend ist auszuführen, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin weder belegt noch bewiesen wurde, da auch durch das vorgelegte Foto weder ersichtlich ist, dass die Erstbeschwerdeführerin als Lehrerin tätig gewesen ist, noch dass sie diese Tätigkeit in Afghanistan ausgeübt hat. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit der beschwerdeführenden Partei und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Erstbeschwerdeführerin hat vor allem zu berücksichtigen, ob diese außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu ihren Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG 2005 normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 3 AsylG 2005 und die sonstige Mitwirkung der beschwerdeführenden Partei im Verfahren zu berücksichtigen. Die persönliche Glaubwürdigkeit der Erstbeschwerdeführerin leidet erheblich unter dem Umstand, dass diese im Verfahren vor dem Bundesamt wie auch vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat, dass sie Afghanistan im Jahr 2015 verlassen habe. Davor sei sie einmal im Jahr 2011 in Schweden gewesen. Schweden habe sie verlassen, da sie kein Asyl bekommen habe. Sie sei über den Iran zurück nach Afghanistan gegangen. Auch auf Nachfragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie sich außer in Schweden und den Ländern auf ihrer Reise nach Österreich in keinem anderen europäischen Land aufgehalten habe.

Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, dass dem Bundesverwaltungsgericht anonym Farbkopien von italienischen Aufenthaltsbewilligungen lautend auf die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer übermittelt worden seien und wie die Erstbeschwerdeführerin die Existenz dieser Aufenthaltsbewilligungen aus Italien erklären könne, antwortete diese "Ich habe dazu nichts zu sagen.". Auch auf mehrmaliges Nachfragen verweigerte die Erstbeschwerdeführerin eine Antwort und schwieg.

Auf den Vorhalt, dass der Zweitbeschwerdeführer laut den anonym übermittelten Unterlagen in Italien und nicht, wie von der Erstbeschwerdeführerin angegeben, in Afghanistan geboren sei, gab die Erstbeschwerdeführerin die ausweichende Antwort "Meine Tochter ist hier geboren.". Darauf wo der Zweitbeschwerdeführer geboren ist, antwortete sie nicht.

Erst als die Erstbeschwerdeführerin am Ende der Verhandlung gefragt wurde, ob sie noch etwas angeben wolle, führte sie aus, dass sie die italienische Aufenthaltsbewilligung nicht vorgelegt habe, da sie Angst gehabt habe, von Österreich abgewiesen zu werden. Ihr Fluchtgrund sei wahr. Auf Nachfragen, was an ihrem Fluchtgrund wahr sei, wenn sie von Schweden nicht nach Afghanistan, sondern nach Italien gegangen sei, antwortete diese nur pauschal "Ich war in Afghanistan aktiv und habe dort Aktivitäten gehabt." Weitere Angaben machte sie nicht.

Aufgrund der bewusst falsch getätigten Angaben der Erstbeschwerdeführerin hat ihre persönliche Glaubwürdigkeit dermaßen erheblich gelitten, dass das gesamte Fluchtvorbringen nicht mehr als glaubwürdig qualifiziert werden kann, zumal sie auch eine Antwort auf die Vorhaltungen beziehungsweise eine Aufklärung des Sachverhaltes verweigert hat und nur pauschale Aussagen tätigte oder Antworten gab, welche in keinem Zusammenhang mit der gestellten Frage standen.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht bereits wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0399; VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Erstbeschwerdeführerin, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte von der Erstbeschwerdeführerin jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Die Erstbeschwerdeführerin hat durch bewusst falsche Angaben vor den österreichischen Behörden und Gerichten versucht, trotz legalem Aufenthalt in Italien Asyl in Österreich zu erhalten. Dadurch hat sie sich jeglicher Glaubwürdigkeit beraubt, auch im Hinblick auf eine Überprüfung der allenfalls vorliegenden Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Konkrete Hinweise dafür haben sich außerhalb des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin nicht ergeben. Da die Erstbeschwerdeführerin mangels jeglicher Glaubwürdigkeit eine aktuell drohende konkrete Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe nicht vor.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 erhalten alle Familienangehörige den gleichen Schutzumfang.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes ist, Ehegatte ist, sofern die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, eingetragener Partner ist, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges, lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, gesetzlicher Vertreter eines minderjährigen ledigen Kindes ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat.

Im gegenständlichen Fall ist die Erstbeschwerdeführerin als Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin zwar deren Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs 1. Z 22 AsylG 2005, jedoch war das Begehren auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, wie oben ausgeführt, abzuweisen, weshalb dem Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin auch nicht in Anwendung des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt werden konnte.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass den beschwerdeführenden Parteien auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan und ihrer individuellen Situation bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist. Dafür, dass die beschwerdeführenden Parteien aus einem asylrelevanten Grund von der allgemeinen Lage besonders betroffen wären, lässt sich kein Anhaltspunkt erkennen.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die o. a. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Entscheidend für die Nichtzulassung der Revision war weiters, dass die angegebenen Verfolgungsgründe aufgrund falscher Angaben nicht glaubwürdig bzw. nicht asylrelevant waren, d.h. die Entscheidung nur von Tatfragen abhängig war.

Schlagworte

Familienverfahren, Glaubhaftmachung, mangelnde Asylrelevanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W127.2140427.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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