TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/25 I403 1425986-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

I403 1425986-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person> (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2017, Zl. 811186001/150411682,

A)

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., Spruchpunkt II. und den ersten Spruchteil des Spruchpunktes III. wird als unbegründet abgewiesen.

beschlossen:

II. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid im Umfang des zweiten und dritten Spruchteiles des Spruchpunktes III. sowie Spruchpunkt IV., V. und VI. behoben und die Angelegenheit in diesem Umfang gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 08.10.2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013, Zl. D11 425986-1, abgewiesen wurde.

Am 23.04.2015 wurde ein Folgeantrag gestellt. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung insbesondere an, in Österreich sein Leben mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter neu beginnen zu wollen.

Der Beschwerdeführer wurde am 28.08.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der in Strafhaft befindliche Beschwerdeführer gab an, dass seine Tochter bei ihrer Mutter, mit der er seit 2012 eine Beziehung führe, leben würde und er sie zuletzt am Sonntag gesehen habe. Seine Freundin sei slowakische Staatsbürgerin und halte sich seit 8 Jahren in Österreich auf. In Nigeria werde er von seinem Onkel bedroht; zudem sei er als Christ bedroht.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.04.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm mit § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot ausgesprochen (Spruchpunkt VI.).

Dagegen wurde fristgerecht am 19.10.2017 Beschwerde erhoben und die Entscheidung in vollem Umfang angefochten. Es wurde erklärt, dass die Tochter des Beschwerdeführers Unionsbürgerin sei und es ihr nicht zumutbar sei, das Unionsgebiet zu verlassen. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und nach Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens sowie nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung dem Beschwerdeführer internationalen Schutz, jedenfalls aber einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zuzuerkennen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2017 vorgelegt und von Seiten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erklärt, dass auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichtet werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er ist volljährig, Angehöriger der Volksgruppe I(g)bo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Abschließende Feststellungen zu seinem Familienleben in Nigeria bzw. zu seinem Aufenthaltsort vor seiner Ausreise können nicht getroffen werden.

Der Beschwerdeführer reiste 2011 in Österreich ein und stellte am 08.10.2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013 rechtskräftig abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern stellte am 23.04.2015 aus der Strafhaft einen Folgeantrag.

Es liegen keine gesundheitlichen Einschränkungen vor.

Es kann nicht festgestellt werden, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer Nigeria verließ; eine Bedrohung für den Fall einer Rückkehr nach Nigeria kann nicht festgestellt werden bzw. steht es dem Beschwerdeführer frei, sich an einem Ort Nigerias niederzulassen, an dem es – bei hypothetischer Wahrunterstellung seines Vorbringens, dass er von seinem Onkel verfolgt wird – seinem Onkel nicht möglich ist, ihn zu finden. Eine sonstige Bedrohung wurde vom Beschwerdeführer nicht geäußert und ist für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht erkennbar.

Seit 07.08.2013 ist der Beschwerdeführer bei einer slowakischen Staatsbürgerin gemeldet, mit der er eine Beziehung führt. Der Beschwerdeführer erklärte, eine vierjährige Tochter zu haben, welche slowakische Staatsbürgerin ist. Das BFA befragte den Beschwerdeführer am 28.08.2017; eine Einvernahme seiner Lebensgefährtin ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer wurde mehrmals strafgerichtlich verurteilt:

* mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 08.02.2013, Zl. XXXX als Jugendlicher wegen §§ 27 (1) Z 1 8.Fall und (3) SMG § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt (Widerruf der bedingten Strafnachsicht am 22.10.2015)

* mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.10.2015, rechtskräftig am 27.10.2015, Zl. XXXX, wegen §§ 27 (1) Z 1 8.Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 5 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren (Widerruf der bedingten Strafnachsicht am 05.01.2016)

* mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 05.01.2016, Zl. XXXX, wegen § 15 StGB § 28a (1) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten

1.2. Zur Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 03.10.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria (Stand 02.09.2016) zitiert. Im Hinblick auf die aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 07.08.2017 sind keine entscheidungsrelevanten Änderungen der Situation in Nigeria eingetreten. Aus den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid ergibt sich insbesondere, dass eine nach Nigeria rückkehrende Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, nicht automatisch in eine existenzbedrohende Lage versetzt wird bzw. dass nicht das gesamte Staatsgebiet Nigerias von einer bürgerkriegsähnlichen Situation erfasst wurde. Dem wurde in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten. In der Beschwerde wurde auf die Korruption der Polizei in Nigeria hingewiesen, doch ist dies nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu untermauern, so dass dies keine besondere Relevanz im gegenständlichen Fall entfaltet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen. Dokumente zur Feststellung seiner Identität legte der Beschwerdeführer nicht vor.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Umstand, dass keine Befunde vorgelegt wurden und der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht hat. In der Beschwerde wurde zwar auf eine Drogenabhängigkeit des Beschwerdeführers verwiesen, diesbezüglich muss aber festgestellt werden, dass keine Therapie begonnen wurde und so durch eine Rückkehr nach Nigeria auch keine Therapie oder Behandlung abgebrochen würde. Seine Arbeitsfähigkeit bejahte der Beschwerdeführer gegenüber dem BFA ausdrücklich.

Abschließende Feststellungen zu familiären Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Nigeria können nicht getroffen werden; ebenso wenig Feststellungen, woher aus Nigeria der Beschwerdeführer tatsächlich stammt. Seine diesbezüglichen biographischen Daten wurden bereits im Vorverfahren in Zweifel gezogen und wurde im gegenständlichen Verfahren nichts vorgelegt bzw. ausgesagt, was diese zerstreuen würde.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Verurteilungen entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich bzw. in die im Akt einliegenden Strafurteile.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2011 einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. Er gab damals an, im Jahr sei sein Haus in Kano zerstört worden und seine Mutter verschwunden. Ihm sei gerade noch die Flucht gelungen, doch sei ihm von den Moslems in den Arm geschossen worden. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013 wurde festgestellt, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. In diesem Erkenntnis wurde auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht aus Kano stammt, da er keine entsprechenden Kenntnisse aufweisen konnte.

Im gegenständlichen Verfahren blieb der Beschwerdeführer allerdings dabei, aus Kano zu stammen, so dass bereits dies erste Zweifel am Vorbringen des Beschwerdeführers rechtfertigt.

Weiters weicht die Schilderung des Beschwerdeführers in der Erstbefragung vom 23.04.2015 vollkommen von seinen späteren Angaben ab: In der Erstbefragung hatte er erklärt, gehört zu haben, dass er von der nigerianischen Polizei gesucht werde, weil er verdächtigt werde, zu Boko Haran zu gehören. Er befürchte daher eine Inhaftierung. In der Einvernahme durch das BFA am 28.08.2017 dagegen erklärte er, dass er nur Angst vor seinem Onkel habe. Ein Anwalt habe ihn 2015 kontaktiert und erklärt, er könne das Geschäft seines verstorbenen Vaters übernehmen; wenn dies aber sein Onkel erfahre, werde er ihn töten wollen. Es ist auch auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 der Behörde nicht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben – unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind – einzubeziehen (VwGH, Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0090 oder auch Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0189 bzw. Beschluss vom 02.01.2017, Ra 2016/18/0323). Der absolute Widerspruch im Fluchtvorbringen (Angst vor einer Inhaftierung versus Angst vor seinem Onkel) zeigt auf, dass der Beschwerdeführer auch in diesem Verfahren nicht auf reale Gegebenheiten zurückgreift.

In der Einvernahme durch das BFA am 28.08.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er 2015 erfahren habe, dass er einen Onkel habe, welcher für den Tod seines Vaters verantwortlich sei und ihn auch verfolgen würde, wenn er wüsste, dass sich der Beschwerdeführer in Nigeria aufhalte. Dieser Fluchtgrund wurde vom BFA für nicht glaubhaft gefunden. Die diesbezüglichen Erwägungen des BFA, die sich auf das vage Vorbringen sowie verschiedene Widersprüche stützen, sind aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes gerechtfertigt. Eine abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens kann aber unterbleiben, da dieses Vorbringen nicht asylrelevant und auch nicht geeignet ist, eine Verletzung der in Art. 2 oder 3 EMRK geschützten Rechte aufzuzeigen. Denn auch wenn man unterstellt, dass der Onkel des Beschwerdeführers diesen bedrohen würde, so resultiert daraus keinerlei Bedrohung. Wenn es dem Beschwerdeführer möglich war, sein Leben bis zu seiner Ausreise in Nigeria zu verbringen, obwohl sein Vater seinen Angaben nach zu diesem Zeitpunkt ja schon lange verstorben war, besteht keine Verfolgungsgefahr. Es steht dem Beschwerdeführer frei, sich an einem von ihm selbst gewählten Ort in Nigeria niederzulassen. Als Angehöriger der Volksgruppe der Igbo und der christlichen Glaubensgemeinschaft gehört er in großen Teilen des Südens zur Mehrheitsbevölkerung und wäre es ihm möglich, sich dort niederzulassen und ein neues Leben aufzubauen. Es mangelt daher bereits an einer Verfolgungsgefahr und Bedrohung bzw. steht dem Beschwerdeführer jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Dass eine Privatperson eine andere Privatperson in ganz Nigeria bzw. im Süden Nigerias auffinden kann, ist nicht plausibel.

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme durch das BFA klar zum Ausdruck, dass er, abgesehen von gewissen Verdauungsproblemen und Kopfschmerzen, gesund und jedenfalls arbeitsfähig sei. Dem Beschwerdeführer ist es daher durchaus zumutbar, sich seine Grundbedürfnisse durch eine Tätigkeit zu sichern. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist daher auch zumutbar.

Der Beschwerdeschriftsatz enthält im Übrigen keine konkreten Ausführungen, die zu einer anders lautenden Entscheidung führen könnten und vermag daher die erkennende Richterin auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu veranlassen.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes , befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe droht, da das Vorbringen des Beschwerdeführers, wie vom BFA festgestellt, nicht glaubhaft war.

Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung, das heißt selbst bei der Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich von seinem Onkel wegen eines Geschäftes des Vaters, das der Beschwerdeführer erben soll bzw. ihm gehört, bedroht wäre, würde sich keine Asylrelevanz ergeben, weil ein kausaler Zusammenhang zwischen der behaupteten Verfolgung und einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) nicht ersichtlich ist. Die Verfolgung des Beschwerdeführers als Erbe des Geschäftes seines Vaters durch seinen Onkel hat ihren Grund maßgeblich in einem Konflikt über Eigentumsverhältnisse bzw. über Erbschaftsansprüche, was keinem der angeführten Konventionsgründe zuzuordnen ist (vgl. dazu etwa VwGH 14.01.2003, 2001/01/0432 betreffend Verneinung eines Konventionsgrundes im Zusammenhang mit Erbschafts- und/oder Grundstücksstreitigkeiten). Nach Lage des hier zu beurteilenden Sachverhaltes ist Zweck der befürchteten Verfolgung des Beschwerdeführers durch seinen Onkel die Geltendmachung von Erbansprüchen durch den Beschwerdeführer zu verhindern, ganz offenkundig im Bestreben, sich das Geschäft anzueignen, und hat mit der politischen/religiösen Gesinnung oder Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder mit einem anderen Konventionsgrund nichts bzw. nicht wesentlich zu tun. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Bedrohung könnte mangels Anknüpfung an einen Konventionsgrund daher selbst in dem Fall, dass diese Angaben wahr wären, nicht zur Zuerkennung des Asylstatus führen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer mit dem (angeblichen) Verfolger verwandt ist, da nicht die Verwandtschaft, sondern der Wille, sich das Erbe des Beschwerdeführers anzueignen, Grund für die (vorgebrachte) Verfolgung ist.

Zudem würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen. Es wäre ihm möglich und zumutbar, sich an einem Ort niederzulassen, an dem sein Onkel nicht lebt, wodurch es diesem – unter der Annahme, das Vorbringen wäre wahr – nicht möglich wäre, den Beschwerdeführer zu finden. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.5.2003, Zl. 2001/20/0268). Dem Beschwerdeführer stünde folglich auch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen und ist ihm diese auch zumutbar, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt ist. Auch aus diesem Grund ist dem Beschwerdeführer der Flüchtlingsstatus nicht zuzuerkennen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Bereits aus diesem Grund ist der Antrag daher auch diesbezüglich abzuweisen.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage in Nigeria (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.

Eine akute lebensbedrohende Krankheit des Beschwerdeführers, welche eine Überstellung nach Nigeria verbieten würde, liegt im konkreten Fall ebenfalls nicht vor. Auch wurde nicht konkret dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Falle einer Überstellung verschlechtern würde. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich der Beschwerdeführer in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Anlässlich einer Abschiebung werden auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Aufgrund der o.a. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde, sodass der Ausspruch in Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3. Zur Frage eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (erster Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.4. Zu den sonstigen Spruchpunkten:

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Die belangte Behörde hatte zwar festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einer slowakischen Staatsbürgerin eine Beziehung führt und mit dieser eine gemeinsame Tochter im Alter von vier Jahren hat, unterließ es aber, dazu Feststellungen zu treffen bzw. sonstige Ermittlungen zum Privat- und Familienleben durchzuführen. Es wurde nur festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer nicht um seine Tochter kümmere, da er sich in Haft befinde. Es wurden aber keinerlei Ermittlungen zum Familienleben getätigt; weder wurde die tatsächliche Vaterschaft des Beschwerdeführers in irgendeiner Form festgestellt noch welche Bindung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin bzw. seinem Kind besteht. Die Lebensgefährtin wurde zu keinem Zeitpunkt befragt, auch eine Besucherliste der Justizanstalt ist dem Akt nicht zu entnehmen, obwohl der Beschwerdeführer erklärt hatte, am Sonntag von seiner Tochter besucht worden zu sein. Ebenso wenig finden sich Ermittlungen zu Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus der Tochter.

Es wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer in Österreich bereits mehrfach straffällig wurde. Dies rechtfertigt es dennoch nicht, keinerlei Ermittlungsschritte in Bezug auf die Familie des Beschwerdeführers zu setzen. Soweit im angefochtenen Bescheid behauptet wird, der Beschwerdeführer führe kein Familienleben in Österreich und kümmere sich nicht um seine Tochter, liegen diesen Feststellungen keinerlei Ermittlungen zugrunde bzw. ist nicht klar, wie die belangte Behörde zu diesen Schlussfolgerungen gelangt.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH 10. 5. 2017, C-133/15, Chavez-Vilchez ua) kann ein Drittstaatsangehöriger als Elternteil eines minderjährigen Kindes, das die Unionsbürgerschaft besitzt, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in der EU geltend machen, wenn sich das Kind ansonsten gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm damit die Möglichkeit genommen würde, den Kernbestand seiner Rechte nach Art 20 AEUV tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Bei dieser Beurteilung ist zwar der Umstand von Bedeutung, dass der andere Elternteil, der Unionsbürger ist, wirklich in der Lage und bereit ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen. Dieser Umstand allein genügt aber nicht für die Feststellung, dass zwischen dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und dem Kind kein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise besteht, dass sich das Kind bei Verweigerung des Aufenthaltsrechts für den drittstaatsangehörigen Elternteil gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Einer solchen Feststellung muss die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls im Interesse des Kindeswohls zugrunde liegen, so insbesondere das Alter des Kindes, seine körperliche und emotionale Entwicklung, der Grad seiner affektiven Bindung sowohl zu beiden Elternteilen und das Risiko, das mit der Trennung vom drittstaatsangehörigen Elternteil für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre.

Das BFA unterließ es vollkommen, irgendwelche Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers zu treffen. Es ist dem angefochtenen Bescheid nicht einmal zu entnehmen, ob es sich bei der Tochter des Beschwerdeführers, wie in der Beschwerde behauptet, tatsächlich um eine Unionsbürgerin handelt. So ist unter den Feststellungen zum Privat- und Familienleben nur zu finden: "Sie gehen keiner Arbeit nach. Sie reisten illegal ins Bundesgebiet ein. Sie sprechen kaum Deutsch."

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm 11, S 153). § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH, 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst dann vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht, insbesondere weil

1. die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

2. die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat

3. konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer "Delegierung" dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder

4. ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel zu erkennen sind und

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Für das Bundesverwaltungsgericht erweist sich der vorliegende Sachverhalt in Bezug auf das Privat- und Familienleben als so mangelhaft, dass festzustellen ist, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gar nicht ermittelt hat.

Auch im Rahmen eines Asylverfahrens ist das BFA verpflichtet, das Privat- und Familienleben eines Asylwerbers in Österreich zu prüfen, um zur Feststellung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Zusammengefasst ist festzustellen, dass das BFA in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage in Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich nicht mit der gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben hat. Insbesondere die Frage des Familienlebens des Beschwerdeführers mit seiner Tochter muss geprüft werden; dies hat das BFA im vorliegenden Fall gänzlich unterlassen, so dass von einer Delegierung an das Bundesverwaltungsgericht ausgegangen werden muss. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit nicht gegeben.

Im gegenständlichen Fall ist die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung und das diesem zugrunde liegende Verfahren hinsichtlich einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK im Ergebnis so mangelhaft, dass in diesem Umfang die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich diesbezüglich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, ob der Beschwerdeführer in Österreich ein schutzwürdiges Privat- und Familienleben entwickelt hat. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers einvernehmen und Feststellungen zum Familienleben in Österreich treffen müssen.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Da der maßgebliche Sachverhalt zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und damit verbunden zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene zweite und dritte Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit diesbezüglich zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Da die Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V.) bzw. die Erlassung eines Einreiseverbotes (Spruchpunkt VI.) in untrennbarem Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.) stehen, war der angefochtene Bescheid auch in diesem Umfang zu beheben.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, hat der VwGH die folgenden Kriterien entwickelt:

• Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen.

• Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.

• In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt: Das BFA hat im vorliegenden Verfahren den Sachverhalt zur Frage des internationalen Schutzes in einem ordnungsgemäßen Verfahren erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung an, und in der Beschwerde wurde kein entgegenstehender Sachverhalt vorgebracht, sondern der bereits der Entscheidung des BFA zugrundeliegende Sachverhalt aufrechterhalten. Ein konkretes Vorbringen oder eine nähere Darlegung der Ereignisse, welche eine Erörterung des Vorbringens notwendig gemacht hätte, sind der Beschwerde in Bezug auf §§ 3, 8 und 57 AsylG nicht zu entnehmen. Zudem steht fest, dass auch bei Wahrunterstellung des Vorbringens aufgrund des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative keinerlei Bedrohung des Beschwerdeführers in Nigeria gegeben ist.

Soweit das Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich betroffen ist, erfolgt mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Zurückverweisung in Bezug auf die Rückkehrentscheidung, da das BFA diesbezügliche Ermittlungen gänzlich unterlassen hat.

In Ansehung der §§ 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG konnte daher eine mündliche Verhandlung im konkreten Fall entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, familiäre Situation, Glaubwürdigkeit,
Intensität, Interessenabwägung, Kassation, mangelnde Asylrelevanz,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, non refoulement, private
Streitigkeiten, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I403.1425986.2.00

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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