Entscheidungsdatum
25.10.2017Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W237 2173846-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2017, Zl. 1077159804-150818332, zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise ins Bundesgebiet am 08.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, aus Somalia zu stammen.
Am 09.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei wurde er näher zu seinen Familienangehörigen, seinem Fluchtweg von Somalia nach Österreich sowie den Gründen für seine Ausreise aus Somalia befragt.
2. Mit Schriftsatz vom 09.05.2017 erhob der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde, die er am selben Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einbrachte. Darin führte er aus, sein Antrag auf internationalen Schutz sei seit mehr als 15 Monaten beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig; "die Entscheidungsfrist des § 22 Abs. 1 AsylG von 15 Monaten" sei daher verstrichen. Es werde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und Asyl oder gegebenenfalls subsidiären Schutz zuerkennen.
In weiterer Folge lud das Bundesamt den Beschwerdeführer zu einer Einvernahme am 30.06.2017, in welcher er im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache ausführlich zu seiner Herkunft, seinem Lebenslauf in Somalia, seinen Familienangehörigen sowie seinen Fluchtgründen befragt wurde. Am 31.08.2017 fand eine weitere Einvernahme mit dem Beschwerdeführer statt.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 25.09.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 (im Folgenden: AsylG 2005), (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016 (im Folgenden: BFA-VG), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 (im Folgenden: FPG), und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 26.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
4. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Nach Wiedergabe des für den Beschwerdeführer fluchtauslösenden Sachverhalts und der in diesem Zusammenhang als maßgeblich erachteten Berichtslage bemängelte er die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung seines vor der belangten Behörde erstatteten Vorbringens. Sein Vorbringen sei asylrelevant; angesichts der prekären humanitären Lage in Somalia wäre in eventu jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren.
5. Die (Bescheid-)Beschwerde und der Verwaltungsakt samt der darin aufliegenden Säumnisbeschwerde wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 18.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 08.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem über diesen nicht innerhalb der nachfolgenden 15 Monate entschieden wurde, brachte der Beschwerdeführer am 09.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Säumnisbeschwerde ein.
Nach Durchführung zweier niederschriftlicher Einvernahmen am 30.06.2017 und 31.08.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 25.09.2017, zugestellt am 27.09.2017, sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vollinhaltlich Beschwerde, in der er der belangten Behörde inhaltlich entgegentrat, jedoch nicht geltend machte, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheids wegen Ablaufs der Frist zur Nachholung des Bescheids nicht zuständig gewesen. Diese Beschwerde legte die belangte Behörde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt bzw. den maßgeblichen Schriftsätzen. Die somalische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist unstrittig und wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen im angefochtenen Bescheid festgestellt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sowie wegen Verletzung der Entscheidungspflicht dieser Verwaltungsbehörde.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der angefochtene Bescheid datiert auf den 25.09.2017 und wurde seinem Vertreter am 27.09.2017 zugestellt. Die am 10.10.2017 der belangten Behörde per Fax übermittelte Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG rechtzeitig.
ad A)
3. § 16 VwGVG lautet:
"Nachholung des Bescheides
§ 16. (1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.
(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen."
3.1. Die Behörde hat somit die Möglichkeit, den Bescheid binnen drei Monaten ab Einbringung der Säumnisbeschwerde nachzuholen. Diese Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Entscheidung der Behörde binnen drei Monaten erlassen (d.h. mündlich verkündet oder zugestellt, vgl. § 62 Abs. 1 AVG) wird (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2013], § 16 VwGVG, K 3). Nach Ablauf dieser dreimonatigen Frist ist die Verwaltungsbehörde jedoch zur Erledigung der Verwaltungssache nicht mehr zuständig, sondern geht die Zuständigkeit auf das Verwaltungsgericht über (VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001).
3.2. Im vorliegenden Fall brachte der Beschwerdeführer seine Säumnisbeschwerde am 09.05.2017 – richtigerweise (vgl. VwGH 27.05.2015, Ra 2015/19/0075) – beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Die dreimonatige Frist zur Nachholung (im Sinne von Erlassung und damit Zustellung) des Bescheids endete daher am 09.08.2017.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2017 wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 27.09.2017 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Nachholung des Bescheids bereits abgelaufen.
Ein nach Ablauf der dreimonatigen Frist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG erlassener Bescheid der belangten Behörde ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangen Behörde – auch wenn (wie im vorliegenden Fall) die Unzuständigkeit vom Beschwerdeführer nicht erkannt und in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde – vom Amts wegen zu beheben (vgl. VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001; ebenso Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichts-verfahren [2013], § 27 VwGVG, K 4; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2013], § 16 VwGVG, K 5). Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Ergänzend wird festgehalten, dass mit – durch die Behörde ungenütztem – Ablauf der dreimonatigen Nachfrist die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungssache zu entscheiden, auf das Bundesverwaltungsgericht überging (VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001). Dieses wird in weiterer Folge das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.07.2015 führen (Verfahrenszahl W237 2173846-2) und die entsprechenden Verfahrensschritte setzen.
ad B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG, BGBl. Nr. 197/1985 idF BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen:
Der Verwaltungsgerichtshof sprach mit seinem Erkenntnis vom 19.09.2017, Ro 2017/20/0001, klar aus, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung einer Verwaltungssache im Falle einer Säumnisbeschwerde nach ungenütztem Ablauf der dreimonatigen Nachfrist des § 16 Abs. 1 erster Satz VwGVG auf das Verwaltungsgericht übergeht und ein erst nach dieser Frist ergangener Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde belastet ist; diese Rechtswidrigkeit ist im Falle der Erhebung einer Bescheidbeschwerde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG nicht nur über Einwand des Beschwerdeführers, sondern auch amtswegig wahrzunehmen.
Schlagworte
Aufhebung, unzuständige Behörde, UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W237.2173846.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.11.2017