TE Vwgh Beschluss 2017/10/19 Ra 2017/20/0069

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.2017
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des M J in O, vertreten durch Mag. Reinhard Kollros, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 47, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Jänner 2017, Zl. W163 1426641- 2/26E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das aufgrund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsagenhörigen, auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt A I.), sprach dem Revisionswerber jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu (Spruchpunktes A II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16. Jänner 2018 (Spruchpunkt A III.). Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das BVwG stellte im Wesentlichen fest, der Revisionswerber gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und bekenne sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache sei Dari. Am 24. Juli 2011 habe der Revisionswerber eine afghanische Staatsangehörige geheiratet und sei mit ihr Mitte des Jahres 2011 unrechtmäßig nach Österreich eingereist. Im Jänner 2015 habe sich die Ehefrau von dem Revisionswerber getrennt. Das Eheverhältnis sei rechtlich aufrecht, ein gemeinsames Familienleben bestehe jedoch nicht. Gründe, die eine Verfolgung des Revisionswerbers im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen maßgeblich erscheinen ließen, seien nicht hervorgekommen. Festgestellt werde jedoch, dass eine Rückkehr des Revisionswerbers nach Afghanistan derzeit nicht zumutbar erscheine und die Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde.

3 In seinen beweiswürdigenden Überlegungen folgte das BVwG dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er Afghanistan gemeinsam mit seiner Ehefrau verlassen habe, weil er sie gegen den Willen seiner Familie und gegen den Willen der Familie der Frau geheiratet habe und im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung durch die Familie der Frau, eine Verfolgung durch jenen Mann, dem die Frau gegen Geld versprochen gewesen sei und der bereits für die Eheschließung bezahlt habe, sowie eine Verfolgung durch seine eigene Familie, weil er Schande über sie gebracht habe, befürchte.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, dass die Furcht des Revisionswerbers wegen Verfolgung aus Gründen der Blutrache und Ehrverletzung nicht asylrelevant sei, weil die behauptete Verfolgung an keinen der in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) taxativ aufgezählten Gründe anknüpfe und von Privatpersonen ausgehe. Die befürchtete Verfolgung des Revisionswerbers habe nichts mit einer politischen oder religiösen Gesinnung oder der Zugehörigkeit des Revisionswerbers zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder mit einem anderen Konventionsgrund zu tun. Unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen zu Afghanistan sei nicht davon auszugehen, dass dem Revisionswerber ausreichender staatlicher Schutz zuteil werde. Entscheidungswesentlich sei allerdings, auf welche Ursachen allenfalls fehlender staatlicher Schutz zurückzuführen sei. Nur wenn der Heimatstaat des Revisionswerbers aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit sei, Schutz zu gewähren, käme einer primär kriminell motivierten Verfolgung asylrelevanter Charakter zu. Unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen sei der nicht ausreichende staatliche Schutz darauf zurückzuführen, dass die Effektivität der afghanischen Polizei großteils nicht in dem nötigen Ausmaß gegeben sei. Ein Konnex zwischen dem Fehlen staatlichen Schutzes und einem Konventionsgrund sei nicht erkennbar. Dass der staatliche Schutz nicht gegeben sei, weil dem Revisionswerber eine bestimmte politische oder religiöse Gesinnung unterstellt werden könnte, könne nicht erkannt werden, weil der Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat die Ehe vor einem Mullah nach den gesetzlichen/religiösen Vorgaben geschlossen habe, was durch die afghanischen Behörden auch bestätigt worden sei. Zudem habe sich die Ehefrau des Revisionswerbers mittlerweile einem anderen Mann zugewandt und dieser Beziehung entstamme ein Kind, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dem Revisionswerber würde ein sexueller Kontakt mit ihr vor mehr als sechs Jahren vorgeworfen werden.

5 Erkennbar gegen Spruchpunkt A I. des Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das Erkenntnis des BVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern ab, als das BVwG davon ausgehe, dass die von dem Revisionswerber geltend gemachte Verfolgung aufgrund der Verletzung der in Afghanistan geltenden religiösen Werte und sozialen Sitten nicht unter einen in der GFK genannten Fluchtgründe subsumierbar sei. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private habe asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in der GFK genannten Gründen nicht bereit sei, Schutz zu gewähren. In Verkennung dieser Rechtsprechung setze sich das BVwG mit den von dem Revisionswerber geltend gemachten strafrechtlichen Folgen der geltend gemachten Verfolgung nicht auseinander.

10 Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen wird nicht konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufgezeigt, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte, oder von welcher konkreten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen worden sein soll (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031 bis 0034).

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ra 2015/20/0030, mwN).

12 Das BVwG führte in diesem Zusammenhang unter Verweis auf Länderfeststellungen aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Revisionswerber ausreichender staatlicher Schutz zuteil würde. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Effektivität der afghanischen Polizei in Afghanistan großteils nicht in dem nötigen Ausmaß gegeben sei. Ausgehend von diesen Feststellungen, aus welchen sich kein Konnex zwischen dem Fehlen staatlichen Schutzes und einem Konventionsgrund ergibt, ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, dass das BVwG von der dargestellten hg. Rechtsprechung abgewichen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0010).

13 Im Übrigen hat der Revisionswerber auch weder dargelegt, aufgrund welchen Verhaltens ihm strafrechtliche Verfolgung drohen, noch dass dieses Verhalten etwa unverhältnismäßig sanktioniert werden würde (vgl. nochmals den Beschluss Ra 2015/18/0010).

14 Die Revision zeigt daher keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017200069.L00

Im RIS seit

17.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten